Jusletter IT

Workshop «Elektronische Rechtsetzung»

  • Author: Günther Schefbeck
  • Category: Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: Elektronische Rechtsetzung
  • Collection: Tagungsband-IRIS-2013
  • Citation: Günther Schefbeck, Workshop «Elektronische Rechtsetzung», in: Jusletter IT 20 February 2013

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Elektronische Rechtsetzung
  • 2. Die bisherigen Workshops
  • 3. Die Themen 2013

1.

Elektronische Rechtsetzung ^

[1]
«Elektronische Rechtsetzung» steht zum einen für die informationstechnische Unterstützung von Rechtsetzungsprozessen – also von hochformalisierten Geschäftsprozessen, die durch verfassungs- und verfahrensrechtliche Regeln gesteuert werden, welche eine tief in die Papierkultur zurückreichende Tradition aufweisen –, zum anderen für neue Umgebungen, in denen sich Rechtsetzung vollzieht, und zwar nicht nur technische, sondern auch soziale Umgebungen, die durch die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien geprägt sind. Österreich nimmt in der elektronischen Rechtsetzung im europäischen Rahmen eine Vorreiterrolle ein; umso mehr erscheint es geboten, die jeweils aktuellen Entwicklungen zu beobachten und zur Grundlage für den weiteren Ausbau legistikspezifischer Anwendungen zu machen. Aus diesem Grund richtet der Workshop «Elektronische Rechtsetzung» den Blick über die Grenzen – über die Grenzen Österreichs, vor allem aber auch über die Grenzen der heute operativen Systeme.

2.

Die bisherigen Workshops ^

[2]
Dieser Perspektive auf eine weiter wachsende Bedeutung der neuen Technologien für die Unterstützung der Dynamik des normativen Systems entsprechend, widmet sich bereits zum sechsten Mal im Rahmen des IRIS ein Workshop dem Thema «Elektronische Rechtsetzung». Der erste Workshop dieser Art, im Jahr 2008, hat das Hauptaugenmerk auf elektronische Anwendungen zur Unterstützung zivilgesellschaftlicher Partizipation im Rechtsetzungsprozess gerichtet. Im Mittelpunkt des zweiten Workshop, im Jahr 2009, sind die neuen Ansätze des Wissensmanagement und insbesondere der semantischen Technologien in ihrer Anwendbarkeit auf den Rechtsetzungsprozess gestanden. Der dritte Workshop, im Jahr 2010, hat sich besonders mit der Frage auseinandergesetzt, welche Anforderungen an die Gestaltung legistischer Arbeitsumgebungen zu richten sind und wie solche Umgebungen künftig beschaffen sein könnten. Im Rahmen des vierten Workshop, im Jahr 2011, ist die Beschäftigung mit diesem Thema fortgeführt, der Schwerpunkt aber auf die Diskussion der Möglichkeiten der semantischen Modellierung für Rechtsetzung und Rechtsfolgenabschätzung gelegt worden. Der fünfte Workshop hat dich entsprechend dem Generalthema, unter welchem IRIS 2012 gestanden ist, nämlich «Transformation juristischer Sprachen», schwerpunktmäßig mit der Sprache der Rechtsetzung befasst.

3.

Die Themen 2013 ^

[3]
Der thematische Schwerpunkt des nunmehr sechsten Workshop liegt im Bereich der zeitgemäßen Gestaltung legislativer Konsultationsprozesse sowie der Entwicklung semantischer Werkzeuge zur Substituierung oder Ergänzung solcher Prozesse durch automationsunterstütztes «crowdsourcing» in den Sozialen Netzwerken des «Web 2.0», also durch systematische Extraktion von Meinungen und Argumenten zu legislativen Gegenständen; er greift damit das Thema des ersten Workshop von 2008 auf und entwickelt es weiter. Neben grundsätzlichen Überlegungen und abstrakten Konzepten werden aktuelle Projekte und deren Ansätze für konkrete Applikationen vorgestellt, damit dem Generalthema von IRIS 2013, «Abstraktion und Applikation», gerecht werdend.
[4]
Konsultation wird dabei als ein partizipatives Instrument zur Erhebung der Meinungen der (organisierten und/oder nicht organisierten) Öffentlichkeit über eine Politik – also eine Ziel/Mittel- Entscheidung – oder einen Rechtsakt bzw. über einen Politik- oder einen Rechtsaktsentwurf verstanden. Im legislativen Zyklus kann Konsultation iterativ eingesetzt werden. Sie dient dem Ziel der inhaltlichen Rückbindung der staatlichen Willensbildung an zivilgesellschaftliche Meinungsbildungsprozesse und verschafft dem gebildeten staatlichen Willen daher einen Legitimationsgewinn.
[5]
Die informationstechnische Unterstützung der real existierenden Konsultationsverfahren erscheint oft nicht mehr zeitgemäß, häufig beschränkt sie sich auf den Austausch von Texten mittels E-Mail. Eine zeitgemäße Portalapplikation würde die strukturierte Abgabe von Stellungnahmen und deren automationsunterstützte synoptische Auswertung ermöglichen. Aktuelle Forschungsprojekte arbeiten unter anderem an der Entwicklung von Applikationen zur Unterstützung argumentativer Diskursstrukturen in Konsultationsprozessen, aber auch zur Substituierung oder Ergänzung von Konsultationsverfahren durch die Extraktion relevanter Meinungen und Argumente aus den Sozialen Netzwerken des «Web 2.0». Aus dem durchaus breiten Spektrum solcher Projekte werden schwerpunktmäßig drei vorgestellt: ARCOMEM, NOMAD und +Spaces.
[6]
Unter den weiteren Beiträgen des Workshop führt einer die 2011 in den Mittelpunkt gerückte Thematik semantischer Modellierung weiter, ein anderer das 2012 anhand des Projekts LISE behandelte Thema der normativen Terminologiedatenbanken, um so die Diskussion über die verschiedenen bisher aufgenommenen Themenstränge lebendig zu erhalten. Ein bisher noch nicht behandeltes Thema, nämlich die digitale Rückdokumentation des legislativen Prozesses als wichtigen Schritt zur Vervollständigung des Zeitschichtenmodells des digitalen «Legiversums», führt der abschließende Beitrag ein.

 


 

Günther Schefbeck, Abteilungsleiter, Parlamentsdirektion, Abteilung «Parlamentarische Dokumentation, Archiv und Statistik».