1.
Ursprünglicher Zustand ^
2.
«ZWE alt» ^
Im Jahr 1985 floss erstmals der Begriff «Zentrale Wählerevidenz» in die Rechtsordnung ein.4 Dabei handelte und handelt es sich jedoch nicht um eine «tagesaktuelle» Datenbank mit Clearingfunktion. Vielmehr stand hinter diesem Hilfsmittel – angesiedelt, wie damals üblich, im Großrechnerwesen – eine primitive Aggregierung der Daten von Wahlberechtigen jener – immer mehr werdenden – Gemeinden, die ihre lokale Wählerevidenz elektronisch geführt haben. Die Übermittlung der Daten von den Gemeinden in das Rechenzentrum des BM.I erfolgte und erfolgt immer noch ohne Zwischenschaltung einer übergeordneten Behörde auf direktem Weg. Außer der Art der Datenübertragung (früher Disketten, jetzt online) hat sich bezüglich der Übertragung nichts geändert. Immer wieder wurde kritisiert, dass die Datenqualität sehr zu wünschen übrig lässt, von diakritischen Zeichen angefangen, endend bei irrtümlich übermittelten Jahrgängen von Personen, die noch gar nicht in der Wählerevidenz zu erfassen gewesen wären. Die «ZWE» hat und hatte einen einzigen Zweck: zwei Mal jährlich erhielten die im Parlament vertretenen Parteien einen Datenträger mit den ZWE-Daten zu einem bestimmten Stichtag. Gedacht war die Übermittlung wohl dafür, dass die Parteien die Daten überprüfen können, in der Praxis wurden die Daten insbesondere zum Zweck der Wahlwerbung herangezogen.
3.
Wählerevidenz, «powered by ZMR» ^
4.
20 Jahre Diskussion über «ZWE-neu» ^
Die Verknüpfung von Vorgängen im ZWE mit den örtlichen Wählerevidenzen ist die Hauptursache, dass die seit etwa 20 Jahren von verschiedenen Seiten (Gemeinden, Ländern, Auslandsösterreicherinnen und Auslandsösterreichern) erhobene Forderung nach der Schaffung einer tagesaktuellen Zentralen Wählerevidenz («ZWE-neu») in den letzten Jahren eher wieder abgeebbt ist. Defizite bei der Datenqualität waren allenfalls gelegentlich bei Auslandsösterreicherinnen und Auslandsösterreichern zu verzeichnen, einem Personenkreis der – das liegt in der Natur der Sache – im ZWE nicht erfasst ist. Einen weiteren Motivationsschub, ein «ZWE-neu» zu schaffen, lieferte mit Sicherheit das Wahlrechtsänderungsgesetz 20117, mit dem der Personenkreis der wahlberechtigten, aber inhaftierten Personen wesentlich erweitert wurde, aber – verankert im novellierten Art. 6 Abs. 4 B-VG8 – bei diesem Personenkreis nicht mehr auf die Justizanstalt, sondern auf den letzten Wohnsitz vor der Einlieferung in eine solche abgestellt wird. Die Schuldenkrise war aber ein Grund, die Einführung einer «ZWE-neu» immer wieder zu verschieben, funktionierte und funktioniert das «alte» System doch leidlich gut, ohne allzu große Kosten zu verursachen. Dennoch: wahlberechtigte Bürgerinnen und Bürger müssen nach wie vor in allen wahlrechtlichen Angelegenheiten (sei es die Unterstützung eines Volksbegehrens, die Beantragung einer Wahlkarte oder die Einsicht in die Wählerevidenz) ihre Hauptwohnsitz-Gemeinde aufsuchen, da nur dort die Wählerevidenz geführt wird bzw. einsehbar ist.9 Auslandsösterreicher(innen) haben derzeit keinerlei Möglichkeit, ein Volksbegehren zu unterstützen.10
5.
Aus «ZWE-neu» wird plötzlich «ZeWaeR» ^
6.
Was soll «ZeWaeR» können? ^
Weiters soll das ZeWaeR ein Werkzeug für das Bundesministerium für Inneres sein, um bestehende Aufgaben, wie z.B. die Weitergabe von Daten der «ZWE-alt»12, die Weitergabe der Daten der Unionsbürgerinnen und -bürger entsprechend der Richtlinie 93/109/EG (bisherige «Zentrale Europa-Wählerevidenz») und neue Aufgaben (insb. Administration eines Volksbegehrens mit der Möglichkeit der Online-Unterstützung) zu bewerkstelligen.
Die Schaffung des geplanten ZeWaeR hat konkret folgende Ziele:
- Möglichkeit, Unterstützungserklärungen und Eintragungen für Volksbegehren in Papierform in jeder Gemeinde zu tätigen.
- Möglichkeit, online (mittels qualifizierter digitaler Signatur, auch Handysignatur) Unterstützungserklärungen und Eintragungen für Volksbegehren zu tätigen.
- Möglichkeit, dass Auslandsösterreicher(innen) online (mittels qualifizierter digitaler Signatur) Unterstützungserklärungen und Eintragungen für Volksbegehren tätigen könnten.
- Möglichkeit des «Clearings» aller Wahlberechtigten, insbesondere im Hinblick auf allfällige Doppelregistrierung von vermeintlichen Auslandsösterreichern (Auslandsösterreicherinnen).
- Wegfall des Erfordernisses der Datenübermittlung an das Bundesministerium für Inneres, sowohl für die bestehende Zentrale Wählerevidenz (zur Weitergabe an die im Nationalrat vertretenen Parteien) als auch für die Zentrale Europa-Wählerevidenz (zur Weitergabe an andere Mitgliedstaaten der EU).
- Verbesserte Datenqualität bei der Weitergabe der Wählerevidenz-Daten an die im Natio-nalrat vertretenen Parteien.
- Zielsichere Zuordnung von Häftlingen zu einer Wählerevidenz während einer Haft (im Sinne des Art. 6 Abs. 4 B-VG).
- Stark vereinfachte Beauskunftung anderer EU-Mitgliedstaaten im Sinne der Richtlinie 93/109/EG bezüglich wahlberechtigter Unionsbürgerinnen und Unionsbürger bei Europa-wahlen.
- Wegfall des bestehenden Verfahrens für die Ermittlung des Ergebnisses von Volksbegehren (Niederschriften, Sofortmeldungen und dergleichen wären obsolet).
- Wesentliche Vereinfachungen für Gemeinden bei Amtshandlungen im Zusammenhang mit der Wählerevidenz und der Europa-Wählerevidenz.
7.
Volksbegehren – alles neu? ^
Das neue Volksbegehrengesetz 2013 wird nach den Plänen der Bundesregierung sowie der Parlamentsklubs der Regierungsparteien hinsichtlich des Fristengefüges und der erforderlichen Unterstützungen 1 : 1 auf das geltende Recht aufbauen.13 Hingegen soll das work flow mit Blick auf das Erfordernis, dass für Volksbegehren von jeder Gemeinde aus und darüber hinaus auch online sowohl Unterstützungserklärungen getätigt werden, als auch Unterschriften geleistet werden sollen, einer grundlegenden Reform unterzogen werden:
Das Erfordernis der Möglichkeit zur Online-Unterstützung würde eine Registrierung des Volksbegehrens unerlässlich machen. Die Schwelle für eine Registrierung soll niedriger als für die Einbringung eines Einleitungsantrags sein. Aus Gründen der Rechtssicherheit müsste – nicht zuletzt mit Blick auf die jüngste VfGH-Judikatur14 – aber bereits bei der Registrierung der Text des Volksbegehrens feststehen. Analog zur Europäischen Bürgerinitiative soll eine Begrenzung der Anzahl der Zeichen festgelegt werden. Um ein Anliegen ausführlich zu dokumentieren, bliebe es den Proponentinnen und Proponenten eines Volksbegehrens aber – wie bisher – unbenommen, eine mengenmäßig nicht begrenzte Begründung zum Volksbegehren anzubieten. Als Übereilungsschutz ist für die Registrierung eines Volksbegehrens eine geringfügige Gebühr ins Auge gefasst. Um diesen Betrag würde sich allerdings der zu entrichtende Druckkostenbeitrag, der bei der Einbringung des Einleitungsantrags fällig wird, reduzieren, so dass die Einbringung eines Volksbegehrens sich insgesamt nicht verteuern würde.
8.
Ausblick ^
Robert Stein, Leiter der Abteilung für Wahlangelegenheiten im Bundesministerium für Inneres.
- 1 StGBl. Nr. 115/1918.
- 2 B-VG Novelle 1929, BGBl. Nr. 292/1929.
- 3 Stein/Vogl/Wenda NRWO³ (2010) Anm. zu § 22ff NRWO.
- 4 § 3 Abs. 4 des Wählerevidenzgesetzes 1973 idF. der Meldegesetznovelle 1985, BGBl. Nr. 427/1985.
- 5 Novelle zum Meldegesetz, BGBl I Nr. 28/2001.
- 6 § 2 Abs. 2 letzter Satz des Wählerevidenzgesetzes 1973 idF. des Wahlrechtsänderungsgesetzes 2007 lautet: «Die Verständigungen können entfallen, wenn der jeweils zugrundeliegende Vorgang durch einen Vorgang im Zentralen Melderegister belegt ist.»
- 7 § 22 der Nationalrats-Wahlordnung 1992 idF. BGBl I Nr. 43/2011.
- 8 IdF. BGBl I Nr. 43/2011.
- 9 § 4 und 10 des Volksbegehrensgesetzes 1973, BGBl. Nr. 1973/344.
- 10 Art. 41 Abs. 2 2. Satz B-VG: «Stimmberechtigt bei Volksbegehren ist, wer am letzten Tag des Eintragungszeitraums das Wahlrecht zum Nationalrat besitzt und in einer Gemeinde des Bundesgebietes den Hauptwohnsitz hat.»
- 11 Vgl. OTS von BM Spindelegger vom 11. September 2012: «Mehr Bürgernähe durch zentrales Wählerregister».
- 12 Siehe oben, Anm. 4.
- 13 Stein/Vogl/Wenda NRWO³ (2010) Anm. zu § 5 des Volksbegehrengesetzes 1973.
- 14 Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes B 191/12-10 vom 20. Juni 2012.
- 15 § 18 des Volksbegehrengesetzes 1973.