1.
Einleitung ^
Bereits die ersten Überlegungen, wie denn die Bürgerbeteiligung nun in der Praxis umzusetzen wäre, führten zur Erkenntnis, dass es wenig Sinn macht, viele individuelle Lösungen zu haben. Die Erfahrungen der letzten 10 - 15 Jahre mit Webseiten zeigen, dass bei 16 Bundesländern, hunderten Ministerien, hunderten Landkreisen und zigtausend Kommunen in Deutschland kaum zwei Webseiten auch nur annähernd identisch aussehen. Die Webseiten stellen, v.a. auf regionaler Ebene, inhaltlich eine Art «Gemischtwarenladen mit Verwaltung, Kommunalpolitik, Wirtschaftsförderung, Fremdenverkehrswerbung etc. im Angebot» dar und haben:
- Kein einheitliches Layout und keine einheitliche Bedieneroberfläche, so dass jeder Bürger und jede Bürgerin sich an die jeweilige Seite neu gewöhnen muss und keinerlei Wiedererkennungswert genießt
- Unterschiedlichste Inhalte und Strukturierung der jeweiligen Inhalte
- Individuelle Erstellung, d.h. jedes Ministerium, jeder Landkreis und jede Kommune hat einen Dienstleister nach ihrem eigenen Ermessen beauftragt --> Kosteneffekte!
- Kein gemeinsames Identity-Management, also bei Identifikationserfordernissen sind demnach 1000 plus x – Logins und Passwörter für einen Bürger auszustellen
Das ist im kommunalen Bereich, unter der Annahme dass ein einzelner Bürger oder eine einzelne Bürgerin höchstens mit zwei bis drei Gemeinden zu tun hat (z. B. Hauptwohnsitz und Arbeitsplatzgemeinde) akzeptabel, für eine landesweite Bürgerbeteiligung wäre dies allerdings aus folgenden Überlegungen heraus nicht erstrebenswert:
- Der Bürger soll sich möglichst hindernis- und barrierefrei an Verfahren beteiligen, an denen er sich beteiligen möchte sowie, bei Identifikationserfordernis, hierfür nur eine einzige User-ID und ein einziges Passwort benötigen (Single-Sign-on). Von den Bürgern und Bürgerinnen zu verlangen, sie sollten sich für zehn Ministerien zehn User-IDs und zehn Passwörter beschaffen und merken, erscheint nicht sinnvoll.
- Eine «Umgewöhnung», indem verschiedene Bürgerbeteiligungsverfahren bzw. deren elektronische Erscheinungen völlig unterschiedlich aussehen, könnte vermieden werden.
- Ein schneller und belastbarer Überblick, welche Bürgerbeteiligungsverfahren im Bundesland laufen, soll dem Bürger zur Verfügung gestellt werden.
- Für die Ministerien des Landes soll es kostengünstig möglich sein, Bürgerbeteiligung anzubieten.
2.
Angebotene Funktionalitäten des Beteiligungsportals ^
2.1.
«Informieren» ^
2.2.
«Kommentieren» (Konsultation) ^
2.3.
«Mitmachen» bzw. Bürgerdialog (Kooperation) ^
Am Ende eines solchen Prozesses können als Ergebnis ein Maßnahmenplan, andere politische Initiativen oder konkrete Inhalte für Gesetzentwürfe stehen. Ein Beispiel ist das vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst durchgeführte Beteiligungsverfahren zur Einführung der Verfassten Studierendenschaft www.wir-wollen-deinen-kopf.de, welches in 2012 als Pilot durchgeführt wurde.
2.4.
Aktives Einbringen der Bürger und Bürgerinnen ^
Es ist seitens der Landesregierung beabsichtigt, im Jahr 2013 eine vierte Funktionalität zu konzipieren und in das Beteiligungsportal zu integrieren, über die Bürger und Bürgerinnen ihre politischen Anliegen direkt an die Landesregierung tragen können und so von den Bürgern und Bürgerinnen angestoßene Bürgerbeteiligung gelebt werden kann.
3.
Technische Umsetzung und Ressourcen ^
3.1.
Systemarchitektur und zur Verfügung gestellte Ressourcen ^
Das zur Verfügung gestellte System beinhaltet
- Ein Content Management System, hier Typo3 in der Version 4.7
- Open Source
- Die Typo3-basierte Beteiligungsplattform
- Q3-Webtracking
- Suchfunktionen, hier Solr (Lucene)
- Einbindung von Karten via OpenLayers (JavaScript-Bibliothek)
- Vorlesetool Linguatec-Voice-Reader Web für Sehbehinderte
- Medien- und Dokumentenmanagement, hier MMC bzw. DAM 2.0
- Dashboard
3.2.
Identity Management ^
3.3.
Projektmanagement / Zeitplan ^
4.
Mögliche Effekte und Ausblick ^
Elektronische Bürgerbeteiligung ist, trotz einer mittlerweile über zehnjähriger Historie, noch in den Kinderschuhen. Nur wenige Verfahren sind in einem Reifezustand, der mit Serienfertigung verglichen werden kann. Dieses Beteiligungsportal des Landes Baden-Württemberg soll einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass die elektronische Bürgerbeteiligung vom Stadium der Pilotprojekte, Versuche und sonstiger Einmaligkeiten hinweg in einen Zustand der Normalität überführt wird. Ein wesentlicher Anspruch des Projektes ist eine nachhaltige Implementierung dieser Beteiligungsform in die alltägliche politische Realität. Diese, hoffentlich auf diesem Weg erreichbare Realität, ist gekennzeichnet durch:
- Eine zentrale Anlaufstelle im Internet, wo die politisch interessierten Bürger und Bürgerinnen qualifizierte Information zu allen Beteiligungsangelegenheiten des Landes Baden-Württemberg gratis erhält (1. Säule)
- Die Möglichkeit erhält, an einer zentralen Stelle rechtzeitig alle Gesetzes- und sonstigen Regelungsentwürfe vor Inkrafttreten zu lesen und ggf. zu kommentieren, wobei sichergestellt ist, dass diese Kommentierung auch gelesen und angemessen gewürdigt wird (2. Säule)
- Eine mögliche Beteiligung bei wichtigen politischen Verfahren, wobei diese Beteiligung auch online, gratis und ohne wesentliche Barrieren erfolgen kann
Wir hoffen hiermit einen wesentlichen Beitrag zu einer aktiveren Einbindung der Bürger und Bürgerinnen in die Politik auch außerhalb des Wahltages zu leisten.
Niombo Lomba, Leiterin der Stabsstelle der Staatsrätin für Bürgerbeteiligung und Zivilgesellschaft, Staatsministerium Baden-Württemberg.
Robert Müller-Török, Professor, Hochschule für Öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg.
- 1 Die neunjährige schottische Grundschülerin Martha Payne begann infolge Unzufriedenheit mit dem in der Schulkantine angebotenen Mittagessen im Mai 2012 das Blog neversconds.blogspot.com und erzielte damit höchste Wirkung. Infolge eines nach einem Blogverbot erfolgten und von BILD bis La Repubblica und El Pais getragenen «Shitstorm» kapitulierten die schottischen Behörden. Das Schulessen wurde erheblich besser.
- 2 In Anbetracht von 4 % echtem Analphabetismus und 14 % funktionalem Analphabetismus in der erwerbsfähigen Bevölkerung laut einer aktuellen Studie des BMBF ist es völlig illusorisch, reine Online-Beteiligung anzubieten (vgl. hierzu http://www.bmbf.de/de/426.php , per 12.12.2012).
- 3 Vgl. EU-Amtsblatt vom 20.12.2011, 2011/S 244-396261.