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ISO-Zertifizierung für Wahlbehörden?

  • Author: Gregor Wenda
  • Category: Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: E-Democracy
  • Collection: Tagungsband-IRIS-2013
  • Citation: Gregor Wenda, ISO-Zertifizierung für Wahlbehörden?, in: Jusletter IT 20 February 2013
Vor knapp zwei Jahren begann eine Arbeitsgruppe in dem für «Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung» zuständigen technischen Komitee «TC 176» der International Organization for Standardization (ISO), sich mit möglichen Normungen im Wahlbereich zu beschäftigen. Deren Ansatz, in einem umfassenden Maß Aufgaben und Handlungsabläufe von Wahlbehörden («electoral bodies») einer Standardisierung zu unterziehen – und damit ein Referenzdokument für eine mögliche Zertifizierung zu bilden –, passt nur bedingt in den sonstigen Rahmen solcher ISO-Projekte. Ein von 20. Juli bis 20. Oktober 2012 vorgelegter Begutachtungsentwurf für «Requirements» von «Quality management systems for electoral bodies» fand international nur teilweise Zustimmung; viele Staaten, so auch Österreich, standen einer Schaffung solcher «Pauschalnormen» für Wahlbehörden kritisch gegenüber. Das erste Halbjahr 2013 wird zeigen, welche Chancen weitere Standardisierungs-Bestrebungen auf dem internationalen Parkett haben und welche Risiken und Möglichkeiten sie in sich bergen.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. «Standardisierung» bei Wahlereignissen
  • 2. ISO und ASI
  • 2.1. ISO 9000 und «Derivate»
  • 2.2. ISO-Norm für Wahlen?
  • 3. «Qualitätsmanagement» im Wahlbereich
  • 3.1. Entstehungsgeschichte
  • 3.2. Inhalt und Bewertung des Begutachtungsentwurfs
  • 4. Weitere Entwicklung und Ausblick
  • 4.1. Beratungen in St. Petersburg
  • 4.2. Neuer Entwurf und offene Fragen

1.

«Standardisierung» bei Wahlereignissen ^

[1]

Die Idee der Durchleuchtung und Vereinheitlichung von Prozessen im Wahlbereich ist in Österreich nicht neu. Historisch lässt sich die schrittweise Aufgliederung der Handlungen von Wahlbehörden zumindest bis zur Erstellung von Niederschriften-Formularen in der Ersten Republik1 zurückverfolgen.2 Die formalisierten Bögen, die bis heute den Wahlkommissionen gleichsam als Gedächtnisstütze, Handlungsanleitung und Protokoll dienen, sind immer wieder Gegenstand internationalen Interesses, ua im Rahmen von Wahlbeobachtungen.3 Sie sind zudem ein wichtiger Bezugspunkt, auf den der Verfassungsgerichtshof bei einer allfälligen Wahlanfechtung zurückgreift. In den letzten Jahren, insbesondere durch den zunehmenden Einfluss moderner Technologien auf den Bereich von Wahlen, sind verstärkt Ansätze zu beobachten, Abläufe in Wahlverfahren im Sinne des Prozessmanagements – etwa durch das Modellieren – transparenter zu machen und zu evaluieren.4 So wurden etwa die (vom konventionellen Urnengang mit Papier-Stimmzetteln deutlich unterschiedlichen) elektronischen Wahlprozesse im Rahmen der Wahl der Österreichischen Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft (ÖH) beim ersten Einsatz von E-Voting im Jahr 2009 entsprechend herausgearbeitet.5 Der Ansatz, die Administration von Wahlen in einzelne Verfahrensschritte zu zerlegen, diese zu visualisieren, zu untersuchen und auf Schwachstellen und Optimierungsmöglichkeiten (etwa in Richtung einer Effizienzsteigerung oder Verhinderung von Fehleranfälligkeiten) zu überprüfen, ist grundsätzlich als positiv zu bewerten. Für ganz bestimmte, eng umrissene Segmente erscheint dabei die Heranziehung internationaler Normen, sog «Standards», durchaus hilfreich. So wird beim Einsatz von E-Voting seit Jahren im Interesse größtmöglicher Sicherheit und allgemeiner Akzeptanz auf Standards verwiesen, die eine unabhängige Prüfung der technischen Sicherheit und Zertifizierung von Systemen gewährleisten sollen; dabei werden inzwischen insb «Gemeinsamen Kriterien für die Prüfung und Bewertung der Sicherheit von Informationstechnik» (ISO 15408 bzw «Common Criteria») herangezogen.6 Bei der ÖH-Wahl 2009 wurden bspw der Client und die Wahlserver-Software für das Online-Voting zertifiziert; die Entwicklung der Software wurde anhand der oben genannten «Gemeinsamen Kriterien» (Common Criteria; ISO/IEC 15408) bewertet.7 Für die Online-Sammlung von Unterstützungsbekundungen bei Europäische Bürgerinitiativen müssen von den Organisatoren auf Grund der Durchführungsverordnung (EU) Nr 1179/20118 bestimmte Sicherheitsstandards aus der «ISO 27000-Familie» eingehalten werden.9

2.

ISO und ASI ^

[2]

Um das Wesen internationaler Normen oder «Standards» besser zu verstehen, soll vorab ein kurzer Blick auf die Institution der Internationalen Organisation für Normung («International Organization for Standardization», kurz ISO) und die Entstehung solcher Normen geworfen werden. ISO ist keine internationale Behörde oder Organisation, sondern vielmehr eine weltweite, unabhängige Vereinigung, die unter ihrem Dach nationale Normungsorganisationen aus162 Staaten vereint.10 ISO wurde 1947 gegründet; das Zentralsekretariat hat seinen Sitz in Genf (Schweiz). Im Rahmen von ISO wurden nach heutigem Stand über 19.000 internationale Normen bzw Standards entwickelt, insbesondere im Bereich der Technik und Wirtschaft. Diese Standards sind stets freiwillig («voluntary»), sie bilden jedoch regelmäßig zentrale Referenzmodelle, da sie nicht selten bislang nicht genauer definierte Bereiche behandeln und in der Regel von einem breiten internationalen Konsens getragen sind. Dies fasst schon die Website von ISO im Einleitungsabschnitt zusammen: «International Standards give state of the art specifications for products, services and good practice, helping to make industry more efficient and effective. Developed through global consensus, they help to break down barriers to international trade. (…)11 Genau in dieser historischen Ausrichtung auf Wirtschaft und Technik, Handel und Unternehmen scheinen auch gewisse Grenzen der Normungsaktivitäten von ISO zu liegen, wenngleich derzeit die Tendenz einer stärkeren Öffnung in andere Bereiche zu erkennen ist.

[3]
Das österreichische Mitglied bei ISO ist das Österreichische Normungsinstitut («Austrian Standards Institute», kurz ASI), eine unabhängige Dienstleistungsorganisation im Gewand eines Vereins, die seit 1920 eine Plattform «für die Entwicklung von Normen, Standards und Regelwerken» bildet12. Das Normengesetz 197113 ist die rechtliche Grundlage für die Tätigkeiten des Austrian Standards Institute. Die Schaffung einer neuen internationalen Norm beginnt mit der Einbringung eines Vorschlages durch ein Mitglied von ISO (zB das Austrian Standards Institute), das Sekretariat eines «Technischen Komitees» (TC) der ISO, ein «Unterkomitee» (Subcommittee, SC) oder eine internationale Fachorganisation mit Liaison-Status zur ISO; in diesem Vorschlag muss der Bedarf für die neue Norm begründet werden.14 Die einfache Mehrheit der auf einem bestimmten Sachgebiet aktiven nationalen Normungsorganisationen muss dem Vorschlag zustimmen; nach Zuordnung zu einem «Technischen Komitee» formiert sich eine Arbeitsgruppe («Working Group»), in der von den nationalen Normungsinstitutionen nominierte Experten einen ersten Entwurf («Draft») ausarbeiten.

2.1.

ISO 9000 und «Derivate» ^

[4]
In der vielschichtigen Welt der ISO-Standards ist «ISO 9000» der breiteren Öffentlichkeit noch eher bekannt, als viele andere Regelwerke – handelt es sich doch um die zentrale Norm zum «Qualitätsmanagement». Weiterentwicklungen und «Derivate» dieser allgemeinen Qualitätsnorm bilden die sog «ISO 9000-Familie». Alle zu ISO 9000 gehörigen Standards sollen Richtschnüre und Werkzeuge bereitstellen, damit Unternehmen und Organisationen sicherstellen können, dass ihre Produkte und Leistungen mit den Anforderungen ihrer Kunden zusammenpassen und deren Qualität laufend verbessert wird («The standards provide guidance and tools for companies and organizations who want to ensure that their products and services consistently meet customer’s requirements, and that quality is consistently improved.»15).
[5]

Zu den Standards der «ISO 9000-Familie» gehören ua16:

  • ISO 9001:2008 (requirements of a quality management system);
  • ISO 9000:2005 (basic concepts and language);
  • ISO 9004:2009 (focus on how to make a quality management system more efficient and effective);
  • ISO 19011:2011 (guidance on internal and external audits of management systems).
[6]
ISO 9001:2008 ist der einzige zu ISO 9000 gehörende Standard, gemäß dem zertifiziert werden kann. Die Leitlinien für ein generelles Qualitätsmanagement in einem Betrieb oder einer Organisation sind breit aufgesetzt und sollen für große und kleine Einheiten gleichermaßen anwendbar sein. Sie schließen auch die Notwendigkeit von Überprüfungen («Audits») mit ein. Rund eine Million Unternehmen und Organisationen in mehr als 170 Staaten haben die Elemente dieses Standards inzwischen implementiert. 17

2.2.

ISO-Norm für Wahlen? ^

[7]

Seit 2011 wird – in Anknüpfung an «ISO 9001» – über die Schaffung eines eigenen Norm-Abkömmlings für Wahlbehörden und -organisationen18 diskutiert. Inwieweit ein solcher Standard für Qualitätsmanagement überhaupt auf Wahlbehörden und -organisationen in ihrer Gesamtheit passen kann, gilt unter Normungsexperten seit Beginn als umstritten. Der Entwurf zu «ISO 17582» («Quality Management Systems for Electoral Bodies»), dessen Entstehungsgeschichte unten näher erläutert wird, zeigte demgemäß früh Differenzen zwischen den Mitgliedstaaten auf und machte kontinentale Auffassungsunterschiede sichtbar. Während etwa diverse nord- und südamerikanische19 oder asiatische20 Vertreter eine Präferenz für die Schaffung dieser Norm bekundeten, wurde in europäischen Staaten, darunter in Österreich, nachhaltig Skepsis laut. Für Wahlvorgänge in ihrer Gesamtheit erscheint die technische «Mischmaterie» des «TC 176» mit «Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung» tatsächlich wenig adäquat: Die Website des «TC 176» listet als (derzeit offenbar einzigen) veröffentlichten Standard unter direkter Verantwortung des Komitees «ISO/TS 16949:2009» auf – dieser hat Qualitätsmanagement-Aspekte in der Automobilindustrie zum Inhalt («Quality management systems - Particular requirements for the application of ISO 9001:2008 for automotive production and relevant service part organizations»). Das Norm-Projekt «ISO 18091» («Quality management systems - Guidelines for the application of ISO 9001:2008 in local government»), das ebenso im direkten Zuständigkeitsbereich des «TC 176» liegt, befindet sich derzeit im Stadium eines «Draft International Standard».21

3.

«Qualitätsmanagement» im Wahlbereich ^

3.1.

Entstehungsgeschichte ^

[8]

Auf Grund eines Vorschlag von OAS (Organization of American States) wurden über das kanadische Normungsinstitut CSA im Jahr 2011 im ISO Technical Committee «TC 176»22, das sich mit «Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung» befasst, Diskussionen über die eventuelle Schaffung einer «sektor-spezifischen» Anwendung für Wahlbehörden im Rahmen der «Normen-Familie» zu Qualitätsmanagementsystemen (ISO 9001) gestartet. Im Sommer 2011 wurde ein Antrag auf Entwicklung einer internationalen Norm zum Thema «Particular requirements for the application of ISO 9001:2008 for electoral organizations at all levels of government» eingebracht und eine Umfrage unter den betreffenden ISO-Mitgliedern23 durchgeführt, ob ein Bedarf zur Entwicklung eines solche Standards für Wahlen gesehen werde. Österreich, vertreten durch das Austrian Standards Institute – und unter Beiziehung der Abteilung für Wahlangelegenheiten des Bundesministeriums für Inneres (BM.I) – äußerte Ablehnung. Im September 2011 nahm dessen ungeachtet eine eigene Arbeitsgruppe des «TC 176» zur Ausarbeitung eines Normenentwurfs ihre Tätigkeit auf. Die «Working Group» WG 3 («Quality management for electoral assurance») wurde gebildet und Österreich entsandte – trotz geäußerter Skepsis – zwei Experten des Bundesministeriums für Inneres24 in diese Arbeitsgruppe. Ein erstes «working document» wurde den Arbeitsgruppenmitgliedern im Dezember 2011 vorgestellt, auf Grund zahlreicher Unschärfen und der immer klarer werdenden Unmöglichkeit, Wahlhandlungen pauschal in einem solchen Standard abzubilden, erging am 17. Februar 2012 eine negative Äußerung Österreichs, vertreten durch das Austrian Standards Institute.25 Kernpunkte der Kritik waren, dass die geplanten Standards für Wahlbehörden weit über das grundsätzliche Ziel von ISO-Normen hinausgingen, zahlreiche angestrebte Vereinheitlichungen auf Grund der zu großen Inhomogenität von Wahlen und Wahlrecht in den einzelnen Staaten unmöglich erscheinen, vieles zu «technisch» sei und durch Empfehlungen und Dokumente internationaler Organisationen wie der OSZE oder des Europarates ohnedies valide Leitlinien vorlägen. Bei einer relativ kurzfristig26 einberufenen Sitzung der «WG 3» in Panama wurden Ende März 2012 alle Stellungnahmen gesichtet und in der Folge Änderungen vorgenommen. Am 20. Juli 2012 legte die «WG 3» den Entwurf eines internationalen Standards («ISO/DIS 17582»)27 zur Begutachtung vor. Nach einer dreimonatigen Begutachtungsfrist wurde unter allen Mitgliedern abgestimmt; die Stellungnahmen wurden bei einem Treffen des «TC 176» in St. Petersburg im November 2012 behandelt.

3.2.

Inhalt und Bewertung des Begutachtungsentwurfs ^

[9]

Gleich zu Beginn betonte der Begutachtungsentwurf «ISO/DIS 17582», vollständig für alle Wahlbehörden und auf alle Wahlen anwendbar sein zu wollen: «All requirements of this International Standard are generic and are intended to be applicable to all electoral bodies involved in any aspect of the electoral process, regardless of whether they are permanent organizations or temporary organizations established in support of a particular election period.»28 Bedenken verschiedener Staaten, darunter Österreich, dass eine solche Generalklausel auf Grund zu großer Verschiedenartigkeit der involvierten Organisationen und Rechtssysteme in einer so sensiblen Materie wie Wahlen schlichtweg undurchführbar sei, fanden keinen Niederschlag. Die aus dem Technik- und Wirtschaftsbereich kommende Terminologie des Qualitätsmanagements, die sich durch den Begutachtungsentwurf zog, war eine weitere Außergewöhnlichkeit: Begrifflichkeiten wie der «Kunde» («customer»), die «Kundenerwartungen» («customer requirements») und die «Kundenzufriedenheit («customer satisfaction»)29 machten deutlich, dass der geplante Standard aus einer eigentlich artfremden Sphäre stammte. So führte etwa Punkt 1.1. des Entwurfes aus: «This International Standard specifies the requirements for an electoral management system where an electoral body (...) b) aims to enhance trust and satisfaction of customers and other electoral interested parties through the effective implementation of the system, including processes for continuous improvement.» In inhaltlichen Fragen wie der Kampagnenfinanzierung30, der Wählerinnen- und Wählerregistrierung31 oder den Zugangsvoraussetzungen für Menschen mit besonderen Bedürfnissen32 griff der «Draft» weit in die Regelungssouveränität der einzelnen Staaten ein – offenbar ohne Reflexion des Umstandes, dass derartige Fragen in verschiedenen Rechtsordnungen sogar Teil des Verfassungsrechts sind.

[10]

Nach dem Ende der Begutachtungsfrist am 20. Oktober 2012 wurden vom Sekretariat der «WG 3» die Anmerkungen tabellarisch aufbereitet. Der von verschiedenen Staaten und dem zuständigen Unterausschuss des «TC 176» geäußerte normfachliche Punkte, dass eine weitere Spezifizierung des allgemeinen Qualitätsstandards ISO 9001 nicht als notwendig betrachtet werde, wurde nicht mehr aufgegriffen. Das zentrale Argument einiger Länder, dass sich das Wahlrecht nicht mit der Idee einer ISO-Standardisierung und in Folge-Zertifizierung vertrage, wurde zurückgewiesen oder es wurde ihm mit dem Hinweis begegnet, dass bei dem geplanten Standard ob seiner «Freiwilligkeit» ohnedies keine normative Bindungswirkung bestehe. Bei der anschließenden Abstimmung erreichte der «Draft International Standard» nicht die notwendigen Limits für eine Beschlussfassung: Weniger als zwei Drittel der Mitglieder waren für die Vorlage und mehr als 25 Prozent äußerten Ablehnung, sodass das Dokument vorerst weiter im Entwurfstadium verblieb.33

4.

Weitere Entwicklung und Ausblick ^

4.1.

Beratungen in St. Petersburg ^

[11]

Im Rahmen des «29th Meeting of ISO/TC 176» in St. Petersburg von 10. bis 17. November 2012 stand ua die Behandlung der Kommentare zu «ISO/DIS 17582» auf dem Programm. In einem «Electoral Standard Workshop» am 11. November 2012 wurden die bisherigen Arbeiten der «WG 3» präsentiert, bevor sich die Arbeitsgruppe am 13. und 14. November 2012 bei einem «Electoral Standard Meeting» mit den Ergebnissen der Begutachtung und dem weiteren Fahrplan für die geplante Norm beschäftigte. Auch weiterhin war Widerstand von diversen Delegationen, zu verzeichnen. Auch außereuropäische Staaten äußerten dem Vernehmen nach in St. Petersburg Ablehnung gegenüber der Idee einer Standardisierung bzw Zertifizierung von Wahlbehörden oder Wahlverfahren. Da die Beteiligung von «Stakeholders» im Normsetzungsverfahren als zu gering ausgeprägt erachtet wurde, verabschiedete die Arbeitsgruppe eine Resolution, in die weiteren Arbeiten von «WG 3» weitere Experten einzubinden.34 Von österreichischer Seite wurde dem «TC 176» mit Schreiben vom 7. Dezember 201235 eine Liste von Organisationen36 vorgelegt, deren Einbindung in die weiteren Beratungen zum gegenständlichen Standardentwurf empfohlen wurde.

4.2.

Neuer Entwurf und offene Fragen ^

[12]

Am 21. Dezember 2012 legte das Sekretariat der «WG 3» den Arbeitsgruppenmitgliedern einen überarbeiteten Entwurf zur weiteren Behandlung vor. Bereits der geänderte Titel lässt erkennen, dass eine noch stärkere Verbindung mit der Ausgangsnorm ISO 9001:2008 angestrebt wird und der Begriff der Wahlbehörden erweitert werden soll: «Quality management systems – Particular requirements for the application of ISO 9001:2008 for electoral organizations at all levels of government.» Zur weiteren Spezifizierung wird vor der konkrete Blick auf acht Wahlprozesse vorgeschlagen: «Registration of voters», «Registration of candidates and political organizations», «Electoral logistics and planning», «Vote casting», «Vote counting and declaration of results», «Citizenship electoral education», «Oversight of campaign financing» und «Resolution of electoral disputes». Auch weiterhin intendiert der Standard für alle Wahlereignisse Anwendbarkeit zu entfalten.37 Die komplexe Ausgangslage hat sich damit nicht verändert, denn die Inhomogenität der Ländersysteme – geprägt von ganz unterschiedlichen rechtlichen und kulturellen Traditionen bei Wahlen als demokratischer Kernmaterie jedes Staates – bleibt weiterhin bestehen, ebenso wie die evidente Problematik, dass sich Wahlhandlungen nur schwerlich in generalisierte Kategorien wie «Produkte» oder «Dienstleistungen» einordnen lassen. Sollte es zur Beschlussfassung über einen eigenständigen «ISO-Standard für Wahlprozesse» kommen, so würde plötzlich neben den von internationalen wahlrechtlichen Fachgremien und Wahlexperten38 ausgearbeiteten Empfehlungen, Handbüchern und Guidelines39 ein «technisch-prozessuales» Regelwerk stehen, das – immerhin getragen von einer Vielzahl von Staaten – referenziert und als Grundlage für Zertifizierungen herangezogen werden könnte. Ob eine solche Parallelentwicklung zu begrüßen ist, steht zu bezweifeln. Für das Frühjahr 2013 ist die nächste Arbeitssitzung der «WG 3» geplant, in der die auf den ersten Blick durchaus umfangreichen Überarbeitungen – unter Einbeziehung möglicher zusätzlicher Experten – zu diskutieren sein werden.

 


 

Gregor Wenda, Stv. Leiter der Abteilung für Wahlangelegenheiten, Bundesministerium für Inneres (BM.I), Republik Österreich, Abteilung III/6.

 

Für die normfachliche Durchsicht des Manuskripts und den daraus folgenden Input ist Dr. Karl Grün (ASI) und DI Thomas Szabo zu danken.

 


 

  1. 1 Zur Entwicklung des Wahlrechts in der Ersten Republik s allg Strejcek, Das Wahlrecht der Ersten Republik (2009).
  2. 2 Vgl Stein/Vogl/Wenda, NRWO3 (2010) § 85 Anm 1. Bereits in der Monarchie kannten die Reichsratswahlordnungen von 1873 und 1907 detaillierte «Wahlprotokolle» (vgl Kelsen, Reichsratswahlordnung, Nachdruck 2007, 113).
  3. 3 Vgl zB den OSCE/ODIHR Election Assessment Mission Report v 25.4.2010, 20 («results protocols»), http://www.osce.org/odihr/elections/69071, abgerufen am 10.1.2013.
  4. 4 Vgl Taudes, Organizing smooth elections - making processes transparent, Zusammenfassung der Electoral Management Bodies Conference in Wien (12.5.2011) 89ff (http://www.venice.coe.int/docs/2012/CDL-EL(2012)002-e.pdf, abgerufen am 10.1.2013).
  5. 5 Vgl Krimmer/Lehner/Stangl/Varga/Stein/Wenda/Kozlik, E-Voting im Rahmen der Wahlen zur Hochschülerinnen- und Hochschülerschaftswahl 2009, 547 ff in Hauser/Kostal, Jahrbuch Hochschulrecht 2009.
  6. 6 Vgl bereits den Bericht betreffend technische Belange des E-Voting (Unterarbeitsgruppe 2 «Technik» der Arbeitsgruppe zu E-Voting im Bundesministerium für Inneres), vorgelegt am 15. November 2004 (
  7. 7
  8. 8 Durchführungsverordnung (EU) Nr 1179/2011 der Kommission vom 17. November 2011 zur Festlegung der technischen Spezifikationen für Online-Sammelsysteme gemäß der Verordnung (EU) Nr 211/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bürgerinitiative.
  9. 9 Vgl ua den Annex, Pkt 2.1. («Information assurance standards»): «Organisers provide documentation showing that they fulfil the requirements of standard ISO/IEC 27001 (…).»
  10. 10 http://www.as-institute.at/themencenter/glossar/glossar-iso.html, abgerufen am 10.1.2013.
  11. 11
  12. 12 http://www.as-institute.at/asi-wirueberuns/asi-profil.html, abgerufen am 10.1.2013.
  13. 13 BGBl 1971/240.
  14. 14 http://www.as-institute.at/development/normen-entwickeln.html, abgerufen am 10.1.2013.
  15. 15 http://www.iso.org/iso/home/standards/management-standards/iso_9000.htm, abgerufen am 10.1.2013.
  16. 16 http://www.iso.org/iso/home/standards/management-standards/iso_9000.htm, abgerufen am 10.1.2013.
  17. 17 http://www.iso.org/iso/home/standards/management-standards/iso_9000.htm, abgerufen am 10.1.2013.
  18. 18 Ursprünglich in den Arbeitspapieren als «election bodies», später als «electoral bodies» bezeichnet.
  19. 19 Der erste Vorschlag für einen Qualitätsmanagement-Standard für «electoral bodies» stammte von OAS (Organization of American States) und wurde von CSA, dem kanadischen Normungsinstitut, vorgelegt.
  20. 20 So riefen etwa Experten in Malaysia zur baldigen Einführung des Standards ISO 17582 auf (vgl New Straits Times v 12.2.2012, http://www.nst.com.my/opinion/letters-to-the-editor/adopt-new-standard-ec-urged-1.45395, abgerufen am 10.1.2013).
  21. 21
  22. 22 86 Teilnehmerstaaten und 25 Beobachter sind im «TC 176» vertreten.
  23. 23 ISO-Mitglieder sind die nationalen Normungsinstitute.
  24. 24 Es handelte sich um Mag. Robert Stein, Leiter der Abteilung für Wahlangelegenheiten des BM.I, und Mag. Gregor Wenda, MBA, stv. Leiter der Abteilung für Wahlangelegenheiten des BM.I.
  25. 25 Eine Beziehung des BM.I als für Wahlen zuständiges Ressort hatte wiederum stattgefunden.
  26. 26 Österreich war aus Zeitgründen keine Teilnahme möglich.
  27. 27 «Draft International Standard», kurz DIS.
  28. 28 Vgl 1.2. des Begutachtungsentwurfs.
  29. 29 Vgl insb 1.1., 3.1.2., 5.2., 7.2.1 und 8.2.1. des Begutachtungsentwurfs.
  30. 30 Vgl insb 1.2.7. und 3.2.1. des Begutachtungsentwurfs.
  31. 31 Vgl 4.2.4.2.2. des Begutachtungsentwurfs.
  32. 32 Vgl 6.3.1. des Begutachtungsentwurfs.
  33. 33 Zu den Beschlusserfordernissen vgl. http://www.iso.org/iso/home/standards_development/resources-for-technical-work/stages_of_the_development_of_international_standards.htm, abgerufen am 10.1.2013.
  34. 34 Resolution 5 (2012), WG 3: «Noting the need for increasing the level of participation in ISO/TC 176/WG 3, ISO/TC 176 encourages its P-members to consider assigning additional experts to this Working Group, and requests the TC Secretariat to consider liaison relations.»
  35. 35 Vgl das Schreiben des Austrian Standards Institute, in dem insb auch festgehalten wird: «Austria is against a fast-forward in this sensitive issue.»
  36. 36 Ua wurden für weitere Konsultationen das «OSCE Office for Democratic Institutions and Human Rights (ODIHR)», die «Council of Europe’s European Commission for Democracy through Law (Venice Commission)», die Fachabteilung der Europäischen Kommission, die «United Nations» Electoral Assistance Division», die «Unión Interamericana de Organismos Electorales (UNIORE)», das «International Institute for Democracy and Electoral Assistance (IDEA)» und die «International Foundation for Electoral Systems (IFES)» vorgeschlagen.
  37. 37 Der Entwurf vom 21.12.2012 hält fest: «This International Standard is applicable to elections at all levels of government.»
  38. 38 Für Europa etwa durch die «OSCE Office for Democratic Institutions and Human Rights (ODIHR)» oder die «Council of Europe’s European Commission for Democracy through Law (Venice Commission)».
  39. 39 Vgl – pars pro toto – den «Code of Good Practice in Electoral Matters» der «Venice Commission» des Europarates (http://www.venice.coe.int/docs/2002/CDL-AD(2002)023-e.pdf, abgefragt am 10.1.2013) oder das «Election Observation Handbook» von ODIHR (http://www.osce.org/odihr/elections/68439, abgerufen am 10.1.2013).