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Wege zur Schaffung der Vertrauenswürdigkeit und Integrität des Wahldiensteanbieters am Beispiel eines Wahlschutzbeauftragten

  • Author: Klaus Diehl
  • Category: Articles
  • Region: Germany
  • Field of law: E-Democracy
  • Collection: Tagungsband-IRIS-2013
  • Citation: Klaus Diehl, Wege zur Schaffung der Vertrauenswürdigkeit und Integrität des Wahldiensteanbieters am Beispiel eines Wahlschutzbeauftragten, in: Jusletter IT 20 February 2013
Ein herkömmliches Wahlverfahren in seiner Abwicklung auf elektronischem Weg umzusetzen, bedarf neben einem technisch anspruchsvollen Aufbau auch einer erweiterten Organisation der Wahlvorstände und Wahlhelfer, deren Arbeit künftig zumindest bei elektronisch übermittelten Voten von Maschinen und deren Bedienpersonal bewerkstelligt werden muss. Um diese neue Sphäre außerhalb der direkten Einflussmöglichkeit des Wahlvorstands möglichst hoch abzusichern, bedarf es innerhalb der Organisation des Wahldiensteanbieters einer unabhängigen Person (Wahlschutzbeauftragter), die gegenüber dem Wahlvorstand dafür einsteht, dass die gesetzlich formulierten Voraussetzungen bei Vorbereitung, Durchführung und Auszählung einer parlamentarischen Wahl vollumfänglich eingehalten werden.
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Die Wahl eines Volkssouveräns bedeutet im parlamentarischen oder auch politischen Wahlbereich (so nennen wir alle Wahlen, deren gesetzliche Grundlage auf Artikel 38 Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland beruhen) eine sehr hohe Verantwortung für den Wahlvorstand. Ein Wahlvorstand besteht aus natürlichen Personen, die aufgrund ihrer Integrität und der ihnen entgegengebrachten Vertrauenswürdigkeit dafür garantieren, dass die Wahl unter Beachtung der Regeln, die sich hauptsächlich aus Artikel 38 i.V.m. Artikel 20 I und II Grundgesetz sowie entsprechenden Aus- und Durchführungsvorschriften ergeben1, durchgeführt wird. Der Wahlvorstand kontrolliert den korrekten Wahlablauf unter Zuhilfenahme weiterer Wahlhelfer2. Darin inbegriffen ist auch die Auszählung der Stimmen durch den Wahlvorstand und die Bekanntgabe des Ergebnisses. Gibt der Wahlvorstand Teile des Wahlablaufs nicht in die Hände der von ihm direkt beaufsichtigten Wahlhelfer, sondern in die Hände eines womöglich sogar gewerblich mit diesem Service am Markt tätigen Dritten, der unter seiner Anweisung Wahlabläufe unter Zuhilfenahme von Computern, entsprechender Software und Netzwerken (Intranet, Internet) elektronisch zur Verfügung stellt, so sieht dies die momentan in Deutschland vorhandene Gesetzgebung noch nicht vor3. Eine derartige Regelung gibt es bis heute noch nicht, da die Übertragung von Handlungen und Aufgaben, die der Wahlvorstand bisher mit Unterstützung seiner Wahlhelfer erledigt hat, bisher weder vorgesehen noch technisch möglich war – zumindest nicht ab dem Start der Wahl bis zum Zeitpunkt der Beendigung der Wahl,sieht man von dem Transport der Voten zur Wahlurne durch Postbeamte oder andere, mittlerweile privatwirtschaftlich tätige Unternehmen bei der Briefwahl ab.
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In Bayern und anderen Bundesländern werden bereits Computer zur Auszählung der Papierstimmzettel unter Einbindung von Scannern und einer nicht zertifizierten Soft- und Hardware eingesetzt4. Hier kommen neben einer von einem Privatunternehmen erstellten und nicht nach international anerkannten Regeln zertifizierten Software unter anderem private Computer der Wahlhelfer als Auszählhilfen zum Einsatz, deren Viren- und Wurmfreiheit vermutet und erhofft wird.
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Die Stimmenauszählung scheint ein gesetzlich nicht geregelter Freiraum zu sein, in welchem notgedrungen aufgrund der Komplexität heutiger Wahlverfahren (Kumulieren, Panaschieren in vielen Bundesländern) elektronische Wahlhilfen aufblühen (Scanner, Wahlstift5), deren Authentizität mysteriös, weil von keiner anerkannten Stelle geprüft ist.
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Die Erklärung, warum man diesem Verfahren Vertrauen schenkt, begründen die Entscheider damit, dass sie behaupten, dass die Stimmzettel immer noch körperlich vorhanden sind und jederzeit von jedem das Ergebnis per Hand anstelle elektronischem Scannen nachgezählt werden könnte. Doch wer nimmt diese Arbeit auf sich, wenn man meint, dass das Ergebnis dem entspricht, was man auch vorher erwartet hat? Insgesamt also ein Raum, der völlig ungeregelt und für die Mehrheit der Wähler wenig nachprüfbar heute bereits im Verborgenen genutzt wird. Eine Wahl wird bekanntlich erst dann nachgezählt, wenn sie erfolgreich angefochten wurde. Bis dato ist keine Wahl bekannt, bei der diese Art der Auszählung durch eine händige Kontrollauszählung als korrekt nachgewiesen wurde, weil die Wahl angefochten wurde.
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Durch die Nutzung neuer Techniken, wie zum Beispiel der Verwendung eines alternativ zur bisherigen Fern- und Präsenzwahl möglichen Onlinewahlverfahrens, muss dieses Gebiet ähnlich dem bisher vorhandenen Wahlumfeld gesetzlich und in seinem Ablauf geregelt werden. Hervorgehoben werden muss, dass eine Onlinewahl zusätzlich zur Präsenzwahl im Wahllokal, gegebenenfalls als zusätzliche Alternative zur ebenso möglichen Briefwahl für die, die keinen Internetzugang haben, als Fernwahlmöglichkeit in Frage kommen könnte. Hierzu müsste ebenso das Bundeswahlgesetz entsprechend angepasst werden, wenn auch Bundestagswahlen mit der Wahlalternative der Onlinewahl durchgeführt werden sollen.6
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Das, was bisher sowohl vom Wähler als auch nach Wahlbeendigung vom Wahlvorstand händig und für alle Wähler sichtbar vorgenommen wurde und nunmehr elektronisch vonstattengehen soll, muss neu geregelt werden, da sich die aus dem Grundgesetz ergebenden Wahlrechtsgrundsätze, die Tätigkeit des Wahlvorstandes und seiner Helfer betreffend, bisher aus Vertrauen und Integrität des Wahlvorstands und natürlich dem Vertrauen des Wählers in sein eigenes Handeln bei Durchführung der Wahl (Vertrauen in sich selbst, dass man seine Briefwahlunterlagen in den richtigen Briefkasten einwirft oder die Umschläge korrekt verschließt und natürlich den Kandidaten ankreuzt, den man auch wählen wollte etc.) ableiten ließen. Das, was bisher durch Inaugenscheinnahme bei Präsenzwahlen für jedermann prüfbar war (solange nachträglich nicht mit unbekannten Scannern und deren ebenso unbekannter Software elektronisch ausgezählt wurde), muss auch bei einem elektronischen Wahlverfahren für jedermann in mindestens der gleichen Güte prüfbar sein. Nicht unerwähnt bleiben darf, dass auch bei herkömmlichen Wahlen schon Briefwahlstimmen vergessen wurden7, die auszuzählen gewesen wären. Wie viele von diesen Missgeschicken tatsächlich passiert sind und aus welchen Gründen sie passiert sind, ist unbekannt. Wenn Wahlvorstand und Wähler Wahlvorgänge, die sie bisher manuell getätigt haben, nunmehr elektronisch durch ein System, das von einem Dritten eingerichtet wird, ausführen lassen, muss dieses Verfahren und die für das elektronische Verfahren eingesetzte Hard- und Software die Integrität und das Vertrauen hergeben, das bisher gegenüber dem Wahlvorstand und dessen Helfern aufgrund (teils blinden) Vertrauens zusätzliche Voraussetzung für einen korrekten Wahlablauf war und ist.
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Neu geregelt werden muss beispielsweise die Herausgabe eines Wahlzettels an den Wähler auf elektronischem Weg, die Rücknahme des ausgefüllten Wahlzettels in einer elektronischen Urne, der Transport des Wahlzettels über ein elektronisches Netzwerk, dessen Aufbewahrung bis zum Zeitpunkt des Auszählens sowie das elektronische Auszählen des elektronischen und körperlich nie existenten Wahlzettels. Der Wahlzettel, den der Wähler symbolisch an seinem Bildschirm angezeigt bekommt, ist in sich eine Zahlenfolge, deren Auflösung in ein Votum von mathematisch komplexen Vorgängen abhängig ist, die von verschiedenen Instanzen erst verarbeitet werden muss, um unter Abbildung der Wahlrechtsgrundsätze später zu einer Zahlenfolge zu gelangen, die ausschließlich das Votum und nichts anderes ohne Bezug zum Wähler darstellt. Sowohl Einsatz der Technik als auch deren technische Installation, Vorhaltung und Überwachung müssen im Regelfall von einem oder mehreren Dritten bewerkstelligt werden, da der Wahlvorstand in der Regel weder über den Besitz der Technik noch über die fachlichen Voraussetzungen verfügt, einen virtuellen Wahlablauf, der in mathematische Formeln gehüllt ist, technisch komplett und sicher kontrollieren zu können. Ebenso wenig kann der Wahlvorstand die zum Einsatz kommende Software selbst und persönlich prüfen und kontrollieren. Damit ein solcher Wahlablauf korrekt nach den Bedingungen der grundgesetzlich verankerten Vorgaben abläuft, ist es unbedingt notwendig, dass es hierfür ganz eindeutige gesetzliche Regelungen gibt, die den Wahlvorstand unterstützen und sicherstellen, dass alle Wahlrechtsgrundsätze vollumfänglich eingehalten werden. Nennen wir die Vorschrift, die neben anderen Vorschriften, wie angepasste Wahlordnungen etc., zu schaffen ist und das Wirken des vom Wahlvorstand beauftragten Dritten zu regeln hat, das «Wahldiensteanbietergesetz».
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Ein Wahldiensteanbietergesetz mit entsprechenden Ausführungsvorschriften muss alles das berücksichtigen, was bisher manuell durch Wahlvorstand und Wahlhelfer aber auch Wähler vorgenommen wurde und heute elektronisch virtuell unter Einbindung eines Dritten abgebildet wird. Ein momentan überwiegend ausschließlich durch Menschenhand (sieht man von den bereits teilweise eingesetzten Scannern zur Auszählung der Stimmen ab) durchgeführter natürlicher Prozessablauf muss nunmehr nachvollziehbar mathematisch so geregelt werden, dass die Wahlrechtsgrundsätze dennoch eingehalten werden. Die menschliche Unzulänglichkeit eines jeden einzelnen Individuums sollte sich von mathematisch möglicher Präzision übertreffen lassen. Mathematik ist im Gegensatz zu menschlichem Handeln immer eindeutig zu berechnen und beweisbar.
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Der Wahldiensteanbieter wird nie die Funktion des Wahlvorstands übernehmen. Der Wahldiensteanbieter kann nur als Helfer oder verlängerter technischer Arm des Wahlvorstandes diesem dienen. Er wird in der Regel nicht aus einer einzelnen natürlichen Person bestehen, die ähnlich einem einzelnen Wahlhelfer einzustufen ist. Dafür ist die benötigte technische Infrastruktur für eine Wahldurchführung unter Berücksichtigung der Wahlrechtsgrundsätze zu komplex, als dass dies von einer einzigen Person in der Praxis geleistet werden könnte. Erfahrungsgemäß wird es sich beim Wahldiensteanbieter um ein Unternehmen, eine Organisation (Verband, Verein etc.) oder auch eine öffentliche Einrichtung handeln. Auch wenn die genannten und als Wahldiensteanbieter in Frage kommenden (juristischen) Personen durch Organe vertreten werden, hat dies zumindest haftungsrechtlich eine andere Relevanz, als wenn eine natürliche Person als Wahlvorstand oder Wahlhelfer fungiert.
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So muss es gut durchdacht sein, wie auch für den Wähler deutlich sichtbar sichergestellt werden kann, dass die Integrität der Wahlvorstände und deren Helfer und das Vertrauen in deren Arbeit auch beim Wahldiensteanbieter als Ausführungsorgan des Wahlvorstandes und seiner Helfer elektronisch und organisatorisch umgesetzt worden ist.
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Ein Wahldiensteanbieter wird als Unternehmen seine Dienstleistung nicht aus altruistischen Erwägungen sondern vielmehr aus rein pekuniären Gründen zur Gewinnerzielungsabsicht anbieten müssen. Anders würden sich die hohen Investitionen in die für eine solche Wahl notwendige komplexe Technik nicht lohnen. Die Frage, die sich sofort ergibt, ist die, wie hier sichergestellt werden kann, dass der Wahldiensteanbieter nicht aus welchen Interessen auch immer am Ausgang der Wahl interessiert ist und diese womöglich dahingehend steuern kann. Selbstverständlich ohne von Anfang an Wahlbetrug unterstellen zu wollen, wird diese Frage gegenüber dem Wahlvolk zu beantworten und eine nachvollziehbare Antwort darauf zu finden sein.
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Der Gesetzgeber muss jeglicher Manipulation im Verborgenen vorbauen. Nicht umsonst gibt es als ungeschriebenen Wahlrechtsgrundsatz den Grundsatz der Öffentlichkeit einer Wahl. Der Gesetzgeber muss in Gesetz und Verordnung vorsehen, dass der Wahldiensteanbieter bestimmte technische und persönliche Regeln einhalten muss, um überhaupt Wahlen durchführen zu dürfen. Dazu zählt unter anderem der Nachweis einer Zertifizierung der eingesetzten und signierten Wahlsoftware, die bestimmte Mindestanforderungen erfüllen muss, sowie die Prüfung oder Zertifizierung der Umgebung, in der die Technik steht (Hochsicherheitsrechenzentrum), als auch der Wahldiensteanbieter selbst, der ebenso ein Mindestmaß an persönlichen Voraussetzungen mit sich bringen muss, um die Genehmigung zur Durchführung von parlamentarischen Wahlen zu bekommen.
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Da sich diese Arbeit mit der Sicherung der persönlichen Integrität des Wahldiensteanbieters analog der persönlichen Integrität der Wahlvorstände und Helfer auseinandersetzt, soll hierauf in den folgenden Zeilen besonderes Augenmerk gelegt werden. Um Verwechslungen zu vermeiden sei noch angemerkt, dass sich diese Arbeit nicht mit dem Grundsatz der Öffentlichkeit beschäftigt, die wiederum auf andere, technische Weise sichergestellt und abgebildet werden kann.
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Da der Wahldiensteanbieter aus genannten Gründen in der Praxis keine einzelne natürliche Person sein wird, muss ihm trotzdem das Vertrauen und die Integrität entspringen. Dies kann man zum Teil durch Audits und Prüfungen bewerkstelligen. Diese geben aber nur eine Momentaufnahme zum Prüfungszeitpunkt. So wäre es auch, wenn man eine Überprüfung der Organe einer juristischen Person anstreben würde. Damit wäre noch lange nicht ausgeschlossen, dass nicht an der Basis, also dort, wo man ins «System» technisch eingreifen könnte, manipuliert werden könnte. Das Organ eines großen Unternehmens kennt in der Regel nicht die zur Ausführung der Arbeiten beschäftigten Mitarbeiter und kann über deren Integrität nichts aussagen. Wichtig ist also, die Integrität bis zu den Handlungen einzelner für den Wahldiensteanbieter tätiger Personen herunterzubrechen. Wie so etwas möglich gemacht werden kann, könnte man sich aus verschiedenen anderen Bereichen ableiten, wo man vor ähnlichen Problemen gestanden und diese bereits langjährig gesetzlich hervorragend und ohne jegliche heute erkennbare Schwachstelle gelöst hat.
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Der Gesetzgeber hat diese Fälle, in denen eine stete Überprüfung eines privatwirtschaftlich betriebenen Unternehmens ständig sichergestellt sein muss, in ähnlichen Fällen beispielhaft wie folgt geregelt:
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Im Arbeitsschutz, dessen Schutzwürdigkeit nicht mit der einer parlamentarischen Wahl gleichzusetzen ist, im Bedarf und der Notwendigkeit aber Parallelen aufweist, werden Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und Fachkräfte für Arbeitssicherheit gefordert. Die rechtliche Grundlage zur Arbeitssicherheit bilden das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), das Sozialgesetzbuch SGB VII «gesetzliche Unfallversicherung» und das Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit (ASiG), das die gesetzlich notwendige Bestellung und die Aufgaben der genannten Fachkräfte regelt.
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Im Datenschutz ist beispielhaft § 4 f Bundesdatenschutzgesetz zu nennen, wo eine verpflichtende Bestellung eines Datenschutzbeauftragten gefordert ist. Hier hat der Gesetzgeber bestimmt, dass bei Verarbeitung personenbezogener Daten ein unabhängiges Organ im datenverarbeitenden Unternehmen einzurichten ist, das besondere Rechte und Pflichten hat, die sich aus seiner besonderen Aufgabe rechtfertigen lassen. Ziel ist die unabhängige Überprüfung der Einhaltung der gesetzlichen Datenschutzvorschriften beispielsweise in einem privatwirtschaftlich betriebenen Unternehmen. Auch die organisatorische Aufhängung des Datenschutzbeauftragten und dessen spezieller Schutz vor Kündigung sind hier erwähnenswert.
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Eine weitere, vom Gesetzgeber geschaffene Einrichtung ist die Position eines Geheimschutzbeauftragten oder Sicherheitsbevollmächtigten8. Der Geheimschutzbeauftragte einer Behörde oder Sicherheitsbevollmächtigte eines Unternehmens nimmt Aufgaben im Rahmen des sogenannten Geheimschutzes wahr, wenn Verschlusssachen (des Bundes, der Bundesländer im weitesten Sinne incl Ministerien, Behörden etc.) behandelt werden, die Einfluss auf die Sicherheit des Staates haben können. Der Sicherheitsbevollmächtigte eines Unternehmens hat dafür zu sorgen, dass Verschlusssachen auch Verschlusssachen bleiben, indem er sowohl entsprechende Anweisungen innerhalb des Unternehmens tätigt als auch die Prozesse überwacht. Die Aufgaben werden im Geheimschutzhandbuch des Bundes geregelt. Der Sicherheitsbevollmächtigte eines Unternehmens berichtet auf Veranlassung direkt an den Auftraggeber und ist diesem gegenüber verantwortlich.
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Die Beispiele zeigen, dass der Gesetzgeber Einrichtungen oder sogar relativ frei agierende Organe beispielsweise in privatwirtschaftlich betriebene Unternehmen kraft Gesetzes implantiert hat, die die ständige Einhaltung gesetzlicher Sicherheitsmechanismen überwachen. Stärkste Ausprägung ist der Sicherheitsbevollmächtigte eines Unternehmens. Orientierend an der Ratio der verschiedenen Vorschriften, die die ständige Umsetzung staatlicher Ordnung und Sicherheit im Zusammenwirken Staat und Unternehmen garantieren sollen, ist vorliegend die Sicherheit der Aufrechterhaltung demokratischer Grundprinzipien im Wahlrecht insbesondere bei parlamentarischen Wahlen. Zu diesen demokratischen Grundprinzipien zählen auch die Wahlrechtsgrundsätze, deren strikte Einhaltung bei einem Wahldiensteanbieter überwacht werden müsste. Ähnlich dem Sicherheitsbeauftragten eines Unternehmens müsste für einen Wahldiensteanbieter auch ein «Wahlschutzbeauftragter» (so der vorläufige Arbeitstitel) im Unternehmen eingerichtet werden, der nur der aufsichtsführenden Behörde, die den Wahldiensteanbieter akkreditiert, ständig berichtspflichtig ist und mindestens die Schutz- und Durchgriffsmechanismen in seiner Tätigkeit genießt, die Datenschutzbeauftragter und Sicherheitsbeauftragter eines Unternehmens kraft Gesetzes haben. Vorstand und Geschäftsführung eines Unternehmens und die mit der Wahl betrauten Mitarbeiter eines Wahldiensteanbieters sowie Zertifizierungen wiegen beim Wähler nicht so viel wie deren Vertrauen in den Wahlvorstand und dessen Wahlhelfer, die dem Wähler für einen korrekten Wahlablauf einstehen,zumal durch die Zusammensetzung des Wahlvorstandes aus natürlichen Personen aus verschiedenen politischen Parteien eine gegenseitige Kontrolle soziologisch gewährleistet scheint. Durch den Einsatz eines Wahlschutzbeauftragten wäre ein freies und unabhängiges Organ direkt innerhalb der Organisation des Wahldiensteanbieters implementiert, das durch seine direkte Berichtspflicht an eine weitere Kontrollinstanz (akkreditierende Behörde) und natürlich auch direkt an den Wahlvorstand mit dafür die Gewähr trägt, dass alle vom Gesetz geforderten Maßnahmen bei Durchführung einer Wahl technisch umgesetzt wurden. Im Gegensatz zu einer Zertifizierung, die nur alle paar Monate oder Jahre durchgeführt wird, ist der Wahlschutzbeauftragte ständig im Unternehmen und ständig mit der Überwachung betraut, die ihm das Gesetz überträgt. Der Wahlschutzbeauftragte haftet ähnlich einem Wahlvorstand, mit dem Unterschied, dass er für den korrekten technischen Ablauf der Wahl gegenüber dem Wahlvorstand und der aufsichtsführenden Behörde einsteht und dafür haftet, dass sämtliche notwendigen Zertifizierungen und Prüfungen turnusgemäß durchgeführt werden und die Wahl unter Beachtung der Wahlrechtsgrundsätze durchgeführt wird. Der Wahldiensteanbieter würde das von ihm verarbeitete Ergebnis gegenüber dem Wahlvorstand bezüglich technisch einwandfreier Verarbeitung beglaubigen.
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Hier gibt es wieder Parallelen zum Zertifizierungsdiensteanbieter, der ähnlich geregelt ist, jedoch kein Organ vorhalten muss, das direkte Berichtspflicht nach außen hat. Auch der Zertifizierungsdiensteanbieter beglaubigt Kraft öffentlicher Bevollmächtigung hierfür gegenüber Dritten. Im Unterschied zum Zertifizierungsdiensteanbieter handelt der Wahldiensteanbieter im Bereich grundgesetzlich geforderter Voraussetzungen im Rahmen eines demokratischen Willensbildungsprozesses, so dass hier eine nochmals erhöhte Aufmerksamkeit und Vor- und Nachsorge zur einwandfreien Umsetzung zu fordern ist, soweit es sich um parlamentarische Wahlen handelt, die diesen Voraussetzungen unterliegen.
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Ähnlich wie der Geheimschutzbeauftragte und Sicherheitsbevollmächtigte vom BMWi (Bundesministerium für Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland) bestimmt und «verwaltet» wird, sollte auch wegen der Ähnlichkeit der Wahlschutzbeauftragte dort angehängt werden. Auch die Einhaltung der Regeln des Signaturgesetzes werden vom BMWi überwacht, so dass auch hier, da der Wahlschutzbeauftragte für die korrekte Beglaubigung der Stimmen zu sorgen hat, aufgrund der vorhandenen Fachkompetenz und Parallelen in der gesetzlichen Umsetzung eine Anbindung zu rechtfertigen wäre.
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Da auch hier, wie schon beim Zertifizierungsdiensteanbieter, eine überwiegend grundlegende Interessensübereinstimmung vorhanden und bereits das BMWi für ähnliche Fragestellungen zuständig ist, würde es nach Ansicht des Verfassers unbedingt Sinn machen, auch für den Wahlschutzbeauftragten und damit gegebenenfalls auch für den Wahldiensteanbieter das BMWi als zuständiges Ministerium zu sehen.

 


 

Klaus Diehl, Rechtsanwalt, T-Systems International GmbH, Projekt Onlinewahlen.

 


 

  1. 1 Tenor 1. Absatz des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2009 – 2 BvC 3/07 und 2 BvC 4/07 im Internet unter http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/cs20090303_2bvc000307.html.
  2. 2 BVerfGE a.a.O. Randziffer 32.
  3. 3 Robert Schönau, Elektronische Demokratie, Verfassungsrechtliche Zulässigkeit elektronischer Wahlen, Hamburg (2007), Seite 50 f.
  4. 4 Government Computing, Heft 5/2002, Seite 33 (PDF Seite 26), abrufbar unter http://www.egovernment-computing.de/fileserver/vogelonline/issues/egov/2002/005.pdf.
  5. 5 Oliver Schirg, Zum Flop des während der Wahl in Hamburg zum Einsatz vorgesehenen Wahlstiftes Welt digital vom 15.11.2007, abrufbar unter http://www.welt.de/regionales/hamburg/article1368115/Der-Wahlstift-ist-definitiv-gefloppt.html.
  6. 6 Johannes Buchmann und Alexander Roßnagel, Das Bundesverfassungsgericht und Telemedienwahlen, in K&R (2009) Seite 548.
  7. 7 Der wohl bekannteste Wahlfälschungsskandal in Dachau (2002);heute nachzulesen in Wikipedia unter http://de.wikipedia.org/wiki/Wahlf%C3%A4lschungsskandal_von_Dachau oder im Spiegel vom 28.1.2003, abrufbar unter http://www.spiegel.de/politik/deutschland/wahlfaelschung-in-dachau-bewaehrungsstrafe-fuer-ex-csu-stadtrat-a-232662.html.
  8. 8 Geheimschutzhandbuch Ziffer 3 ff, abrufbarunter https://bmwi-sicherheitsforum.de/handbuch/367,0,0,1,0.html?fk_menu=0.