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Filmzensur im Film – Geschichten, Figuren, Verfahren

  • Author: Gloria Withalm
  • Category: Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: Semiotics
  • Citation: Gloria Withalm, Filmzensur im Film – Geschichten, Figuren, Verfahren, in: Jusletter IT 11 September 2014
Abstract: Die Möglichkeit der freien Äußerung ohne Restriktionen durch Zensur ist ein konstitutiver Teil unserer Kommunikation und Kultur. Das Thema Zensur umfasst ein weites Feld, seine Diskussion betrifft politische, soziologische und ökonomische Aspekte sowie die Analyse der tatsächlichen Eingriffe und Änderungen der Texte. Selbst ein Überblick über Zensur im Film würde den Umfang eines Aufsatzes sprengen. Der Beitrag wird daher nur ein kleines (Rand )Phänomen behandeln, und zwar wie das Problem der Filmzensur im Film selbst dargestellt werden kann – sowohl auf der Ebene der Geschichte als auch auf der diskursiven Ebene bis hin zu im engeren Sinne selbstreflexiven Momenten.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Geschichten von Zensur und Zensoren
  • 1.1. Der Mann mit der Schere
  • 1.2. Strenge Regeln – komplex oder einfach
  • 1.3. Eine Sammlung verbotener Bilder…
  • 2. Selbstkontrolle – Zensur aus den eigenen Reihen?
  • 3. Die Zensur des Filmtexts im Filmtext
  • 3.1. Botschaften der Medieninstitution
  • 3.2. Die Sprache soll rein und anständig sein…
  • 3.3. Vom Feigenblatt zum schwarzen Balken
  • 3.4. Realität – verschwommen & verpixelt
  • 4. Literatur
[1]
Zensur begegnet uns in einer Vielzahl von Verfahrensweisen, sie wird daher hier im weiteren Sinne verstanden: sowohl staatliche Zensurmaßnahmen als auch Eingriffe der Selbstkontrolle in den filmischen Text durch brancheninterne Organisationen einschließlich der Rating-Systeme. Die Bandbreite der handelnden Personen reicht von offiziellen Zensoren, die sich auf die Staatsmacht stützen können, bis zu lokalen Autoritäten, die Filme verstümmeln. Ebenso weit gefasst ist der zeitliche Rahmen, der gut achtzig Jahren filmischer Texte umfasst.

1.

Geschichten von Zensur und Zensoren ^

[2]
Wie bei den meisten selbstreferentiellen Motiven sind auch im Falle der Zensur jene auf der Ebene der Charaktere und erzählten Geschichten am leichtesten zu erkennen. Auch wenn das Leben und Werk von Filmzensoren sicher nicht zu den Hauptthemen filmischer Selbstreferentialität1 zählen, finden sich doch einige Filme, die sich mit dieser sehr spezifischen Art der Auseinandersetzung mit filmischen Texten beschäftigen.

1.1.

Der Mann mit der Schere ^

[3]
In vielen Filmen, die sich mit Zensur beschäftigen, sind jene Personen, die diese Handlung ausführen, also der Zensor/die Zensorin, die zentralen Charaktere.
[4]
Das wahrscheinlich früheste Beispiel eines Filmzensors zeigt die britische Komödie Cut It Out; A Day In The Life of A Censor (Adrian Brunel, GB 1925). Auf der Website des British Film Institute gibt es eine kurze Synopsis:

    A satire on film censorship showing how the efforts of a film director and his cast are frustrated by a censoring busybody during the making of their film – a story of a wicked earl who has designs on the wife of his cousin who goes off to the wars. The censor is finally run over by the train which is bearing down on the heroine who is bound to the railway track. Note: the characters include Izzy Panhard (cameraman), Rudge Z. Whitworth (director), Harper Sunbeam (representative for The Society for Detecting Evil in Others) and Major Maurice Cowley.

    (http://ftvdb.bfi.org.uk/sift/title/30438?view=synopsis; Stills in Dixon 2012; für Credits cf. auch http://explore.bfi.org.uk/4ce2b6a84542f)

[5]
Im realen Leben ist Zensur ein typisches Verfahren autoritärer Systeme – sei es der Realsozialismus europäischer Länder bis in die späten 1980er Jahre oder lateinamerikanische Diktaturen.
[6]
Ein Zensor (Janusz Gajos) der erstgenannten politischen Systeme ist die Hauptfigur von Ucieczka z kina «Wolność» (Flucht aus dem Kino «Freiheit»; Wojciech Marczewski, PL 1991). Er schneidet die Filme weder aus politischer Überzeugung noch aus Freude – es ist einfach sein Job. Als Schriftsteller ist er gescheitert, seine Frau hat ihn schon lange für einen Möchtegern-Künstler verlassen und seine Beziehung zur Tochter ist auch nicht gerade konfliktfrei. Der Film spielt in den letzten Jahren des alten Regimes und erzählt seine Geschichte vor der Folie von seltsamen Ereignissen, die im Kino «Freiheit» schräg gegenüber von seinem Büro stattfinden. Eines Nachmittags während der Vorstellung eines polnischen Melodrams für eine Schulklasse passieren merkwürdige Dinge: alle Figuren des Films – oder besser gesagt die Schauspielerinnen und Schauspieler – beginnen zuerst ihren Dialog zu improvisieren und weigern sich in der Folge mit der Handlung fortzufahren. Sie machen sich über polnische Filme im Allgemeinen, besonders aber über ihren eigenen lustig: eine bittersüße Geschichte über eine blinde Frau, die im Sanatorium ihres Vaters ihr Augenlicht zurückerhalten soll. Das merkwürdige Verhalten ist aber nicht auf die Gruppe auf der Leinwand beschränkt, sie beginnen auch mit den Personen im Zuschauerraum zu interagieren. Dieser Verweis auf The Purple Rose of Cairo (Woody Allen, US 1985) wird nicht nur von uns erkannt, sondern auch von einem anwesenden Filmkritiker. Er wurde um Hilfe bei dem Problem gebeten und erzählt den herbeigeeilten Mitgliedern der Parteidelegation von Allens Film. Ucieczka… zitiert The Purple Rose of Cairo aber sogar im materiellen Sinn, als der Kritiker die Idee hat, den amerikanischen Streifen zu zeigen. Während der Vorstellung werden die beiden Projektoren verwechselt und beide Filme werden übereinander projiziert. Und somit findet sich Tom Baxter, die Hauptfigur des 1930er Films-im-Film aus The Purple Rose of Cairo, mitten in der polnischen 1980er Klinik wieder.
[7]
Der Zensor wird involviert, als die Frau von der Kinokasse zu ihm geht, um ihm zu sagen, dass da jemand mit ihm reden möchte. Sie führt ihn zur Leinwand, wo die Hauptdarstellerin des Films-im-Film, Malgorzata (Teresa Marczewska) bereits auf ihn wartet und ihn daran erinnert, dass sie sich bereits seit gut zwanzig Jahren kennen. Sie erinnert ihn auch an sein früheres Leben und alle Ideale, die er nunmehr vergessen und verraten hat.
[8]
Am Ende entscheiden die Machthaber, dass es nur ein Lösung gebe, die Ausbreitung des Problems auf andere Kinos zu verhindern: der Film muss verbrannt werden. An diesem Punkt geht der Zensor in den Film hinein und beginnt mit den Figuren/SchauspielerInnen zu sprechen. Malgorzata und die anderen führen ihn aus der Szene auf der Leinwand hinaus auf die Dächer der/einer Stadt, wo er auf weitere Figuren/SchauspielerInnen/Regisseure trifft. Er kann sich jedoch nicht an sie erinnern, bis ihm einige massive Vorhaltungen machen ob der – auch im wörtlichen Sinn – einschneidenden Maßnahmen, die er im Laufe der Jahre als Zensor gesetzt hat, und der Leben, die er damit zerstört hat. Einer der Männer zeigt ihm sogar physisch den Film, den er verboten hat.
[9]
Ein anderer Zensor, Raúl Veirabé (Ulises Dumont), stammt aus Argentinien. In den Jahren der Militärjunta hat er Filme geschnitten oder gleich verboten. El Censor (Eduardo Calcagno, AR 1995; aka The Eyes of the Scissors) zeigt sein Leben und seine Arbeit. Während einer Routinezensursitzung schläft er ein und er erwacht wieder in den Post-Junta-Jahren. Und als er von seiner Gegenwart in die der wiedererrichteten Demokratie versetzt wird, verliert er alles. Nicht allein, dass seine Dienste nicht mehr gefragt sind – er sieht sich mit allen konfrontiert, deren Arbeit er in den letzten Jahren unterdrückt hat. Die Gruppe der verbotenen Filme war keineswegs auf Pornoproduktionen beschränkt, wie er einem französischen Fernsehjournalisten glaubhaft machen wollte, der ihn am Höhepunkt seiner Zensorkarriere interviewt. Raúl versucht als moderater Mann zu erscheinen und weist den Begriff «Zensor» zurück – «das klingt ja, als wären wir noch im Mittelalter, ich verbrenn’ doch keine Filme, nein, nein, ich beurteile sie.»2 Und er fährt fort: «Ich schick auch keine Regisseure auf den Scheiterhaufen, wenn auch ein paar von ihnen, offen gestanden… Nein, ich bevorzuge es, Vorschläge zu machen, Anregungen zu geben.» Der Journalist hat eine Liste aller verbotenen Filme, und alle Versuche des Zensors, seine Eingriffe auf billige Sexfilmchen à la Homo-erótico Super-Macho zu reduzieren nützen ihm nicht: der Journalist ergänzt mit dem Verweis auf Meisterwerke wie A Clockwork Orange oder Le dernier tango à Paris.

1.2.

Strenge Regeln – komplex oder einfach ^

[10]
Filmzensur bzw. Eingriffe in die Veröffentlichung von Filmen ist allerdings nicht auf Diktaturen beschränkt. Die indische Filmindustrie ist sowohl für die unglaubliche Zahl von Filmen bekannt, die jährlich gedreht und gezeigt werden, als auch für die strengen Regeln, die es seitens der Filmemacher zu befolgen gilt. Censor (Dev Anand, IN 2001) erzählt die Geschichte des Filmregisseurs Vikramjeet (Dev Anand), der (erfolgreich) die Zensur in seinem Heimatland Indien bekämpft. Einige Kritiken wie z.B. Katarie (2001) vermuten, dass die Satire auf das indische Filmzensursystem ist «apparently inspired by Dev Anand’s efforts to get his last film «Main Solah Baras Ki» past the censors. Anand himself sums up the film thus – «Censor, is about a film that gets held up with the censors due to their rigidity.» »
[11]

Als die Leiterin der regionalen Zensurbehörde Ms. Srivastava (Rekha) vom Filmregisseur verlangt, mehrere Szenen aus seinem neuen Film Aanewala Kal3 herauszuschneiden, die Vikramjeet als unverzichtbar erachtet, widersetzt er sich den Änderungsanordnungen. Er schmuggelt eine Kopie des Streifens aus dem Land. Der Film wird für den «Millennium World Academy Award» nominiert und gewinnt die Kategorie fremdsprachiger Film. Zurück in Indien setzt Vikramjeet seinen Kampf gegen die Zensur fort, geht vor Gericht und gewinnt seinen Fall. Der Richter (Shammi Kapoor) entscheidet, dass die Zensurbehörde ihre Politik und ihre Kriterien ändern muss (cf. ApunKaChoice 2001a, 2001b; IMDb < title/tt0272543/combined >). Dev Anand sagt Folgendes über seinen Film:

    The message in the film is that one has to move with the times and quit the orthodox way of thinking. With the invasion of satellite television, the whole generation is exposed to a different, more liberal culture. Things that were taboo yesterday are being openly discussed today. The Censor Board too should change the way they look at films. (zit.n. Kataria 2001)

[12]
Eine weitere Kritik spiegelt eine Haltung gegenüber Selbstreferentialität wider, die sich seit den frühen Tagen des Kinos findet – Kino über Kino sei nicht unbedingt nach dem Geschmack des Publikums: «The theme of the film is undoubtedly novel, but whether people outside the film industry will applaud it is highly doubtful» (HindiSong 2001).
[13]
Obgleich wir es nur zu gerne vergessen, gibt es auch in allen westlichen Demokratien ein Set von komplexen Regeln, nach denen Filme bewertet aber auch nach wie vor verboten/gekürzt/geschnitten werden. The Adjuster (Atom Egoyan, CA 1991) zeigt Hera (Arsinée Khanjian), eine Frau, die sich in der Filmbewertungsbehörde mit Pornofilmen beschäftigt. Sie ist mit Noah Render (Elias Koteas) verheiratet, der – wie schon der Filmtitel verrät – als Schätzer einer Versicherungsgesellschaft arbeitet. In einer Szene sprechen die Eheleute über die jeweilige Tätigkeit. Wenn Noah beschreibt was er macht: «Sorting things out, deciding what has value and what doesn’t» antwortet Hera, «I know what you mean, it’s the same thing I do.»4 Der Film beobachtet das Bewertungsteam während seiner Arbeit im Vorführungsraum, wo sie nach der Projektion über die Filmbewertung abstimmen. Um in dieser Behörde arbeiten zu können, muss man die Regeln perfekt kennen, wie in einer Szene zu sehen, in der Bert, der Leiter der Behörde (David Hemblen), den Bewerber Tyler (Don McKellar) prüft. Der Dialog folgt fast wörtlich den relevanten Stellen der tatsächlichen kanadischen Regulierungen für eine Ablehnung von (a) «A graphic or prolonged scene of violence, torture, crime, cruelty, horror or human degradation» bis (h) «A scene where an animal has been abused in the making of the film».5
[14]
Die Ergebnisse der Filmbeurteilung sind nicht nur im Kinoprogramm in Zeitungen und Zeitschriften nachzulesen. Die Altersfreigabe ist auch auf DVDs mitunter als Insert vor dem Filmmenü integriert, womit sie die Form eines extra-diegetischen Filmelements annimmt, und sie wird im Fernsehen angezeigt. Die meisten deutschen Fernsehkanäle warnen vor der Ausstrahlung von Filmen oder Serienepisoden, die für Jugendliche unter einer bestimmten Altersgrenze nicht geeignet sind, z.B.: «Der folgende Film ist für Zuschauer unter 16 Jahren nicht geeignet.» Der ORF hat einen visuellen Warnhinweis als Ergänzung zum Senderlogo eingeführt, der anzeigt, wenn der Film nicht für Kinder (ein X) oder nur für Erwachsene (ein O) geeignet ist.
[15]
Ergänzend zum offiziellen Bewertungssystem greifen auch lokale Autoritäten bei der Filmvorführung ein und versuchen, die eigenen einfachen aber deshalb nicht minder strengen Regeln anwenden. Diese Praxis findet sich z.B. in Nuovo Cinema Paradiso (aka Cinema Paradiso; Giuseppe Tornatore, IT/FR 1989): der Priester der Kleinstadt, Padre Adelfio (Leopoldo Trieste), verlangt eine Privatprojektion jedes Films, der gezeigt werden soll. Und immer wieder läutet er eine Glocke, um dem Vorführer Alfredo (Philippe Noiret) anzuzeigen, welche anstößigen Szenen entfernt werden müssen – gewöhnlich jede Szene, in der sich ein Paar küsst. Alfredo markiert die Stellen in der Rolle mit Papierstreifen und schneidet sie später heraus.

1.3.

Eine Sammlung verbotener Bilder… ^

[16]
Tornatore zeigt in seinem Cinema Paradiso auch eine besondere private Praxis, mit der Repression umzugehen: anstatt die inkriminierten Stellen wieder in die Kopie hineinzukleben, sammelt Alfredo heimlich die Clips, die er entfernen musste. Er montiert die kurzen Filmschnipsel zu einem langen Film, der ausschließlich aus zensurierten Küssen besteht. Er behält ihn sein ganzes Leben und am Ende erhält ihn der Filmregisseur Salvatore Di Vito (Jacques Perrin), der schon als kleiner Bub seine Freizeit in Alfredos Projektionskabine verbracht hat.
[17]
Obwohl er die Filmschnitte anordnet, hat auch Raúl in El Censor (Eduardo Calcagno, AR 1995) eine private Sammlung. Mitunter greift er selbst zur Schere, aber nicht etwa um sexuell explizite oder politisch verdächtige Szenen zu entfernen, sondern ihm geht es ausschließlich um Bilder einer bestimmten jungen Schauspielerin. Sobald er sie in einem Streifen findet, schneidet er einige Kader heraus und klebt sie zu einer Art Hommage an diese Frau. Nachdem er aus seiner gewohnten Zeit gerissen wurde, sind die Dosen mit seiner geheimen Clipsammlung der schönen jungen Frau das einzige stabile und nach wie vor intakte Element seiner Vergangenheit und damit seines (früheren) Lebens. Er beginnt nach der Frau zu suchen und findet sie schließlich als Darstellerin billiger Pornos.
[18]
Wie erwähnt sind Pornos auch das tägliche Filmerleben von Hera in Egoyans The Adjuster, und sie möchte diese Erfahrung mit ihrer Schwester Seta teilen. Also nimmt sie im Vorführraum einige Sexszenen heimlich mit einem kleinen Camcorder auf, die sie dann am Abend Seta zeigt.

2.

Selbstkontrolle – Zensur aus den eigenen Reihen? ^

[19]
Da einige der Beispiele dieses zweiten Abschnitts auf verschiedenen Verfahren der Selbstkontrolle einer Medieninstitution beruhen und weniger auf den Entscheidungen einer einzelnen Person oder auf staatlicher Zensur, sei eine kurze Exkursion zur wohl bekanntesten und ältesten Variante dieser Regelungen vorangestellt: zum Hollywood Production Code.
[20]
Die Hollywood-Filmindustrie hat eine lange Tradition in Selbst-«Zensur»: mehr oder weniger regelmäßig wird sie seit 1909 ausgeübt, beginnend mit dem National Board of Censorship (cf. Staiger 1985: 104), ursprünglich als The New York Board of Censorship of Programs of Motion Picture Shows (cf. Brownlow 1992: 5) gegründet. Hortense Powdermaker beginnt ihre Analyse der Filmzensur mit einem anthropologiebasierten Vergleich.

    The Hollywood taboos embodied in the self-imposed Production Code have the same psychological origin as do those of primitive man, fear. But they differ in that they do not represent the actual beliefs, values, or behavior of the people practicing them. Taboos in Hollywood apply not to the personal lives of the makers of movies, but to the content of the movies, and the fears are not of the supernatural, but of a quite specific threat in this world, censorship. (Powdermaker 1950: 55)

[21]
Sie beobachtet, dass «[t]his threat existed earlier, but became more serious after the First World War, in the early twenties, when opposing social trends were in conflict» (Powdermaker 1950: 55). Selbst die Gründung der ersten Branchenorganisation – der National Association of the Motion Picture Industry (1922 wurde unter der Führung von Will H. Hays daraus die Vereinigung Motion Picture Producers and Distributors of America MPPDA) – und die der Motion Picture Producers Association (1916 Los Angeles) beruhten überwiegend auf «local attacks on the morality of the industry, interference with granting permits for location shooting, and threats of censorship» (Staiger 1985: 103). Nicht zu vergessen, dass 1915 nur ein Jahr vor diesen Gründungen der Supreme Court im berühmten Mutual Film-Fall in seinem Spruch Filme explizit von der Redefreiheit ausgenommen hat, die im First Amendment garantiert wird.6
[22]
Im Gefolge einiger handfester Hollywood-Skandale (wie etwa den Gerichtsverfahren gegen Roscoe Arbuckle) verlangten extrem konservative Gruppen nach gesetzlichen Regelungen gegen Unsittlichkeit in Filmen.

    The answer to the industry was a net trade association, headed by Mr. Will Hays and later, by Mr. Eric Johnston. It was natural for an industry which had developed from an early period of rivalry and competition between studios, and had then expanded and consolidated to the point of becoming a trust, to act as a unit when it was threatened by an extension of censorship. But its united action was not to fight this ominous danger, utilizing the strong American traditions of freedom from censorship which have always applied to newspapers, books and other forms of mass communication. Instead, the fear of the studio executives was so great that they seemed to endow their adversaries with a supernatural power, and the industrys answer was appeasement through a self-imposed set of taboos. (Powdermaker 1950: 56)

[23]
Das «Hays Office» bei den Motion Picture Producers and Distributors of America MPPDA (offizieller Name: Production Code Administration of the MPPDA bzw. der Motion Picture Association of America) ist der Ursprung eines Sets von Regeln – seit 1934 allgemein als Production Code7 bekannt –, die von Filmemachern befolgt werden müssen, um das Freigabezertifikat zu erhalten, das ja auch als Insert dem Film vorangestellt wurde.8
[24]
Die Kontrolle des Hays Office begann bereits mit der Entwicklung der Geschichte, gleich ob original oder die Adaptation eines Romans. Die Produzenten und die Studios waren nur allzu bereit, den Code zu akzeptieren, nicht zuletzt weil

    [t]he president of the MPAA comes forth from time to time with the awful threats of real censorship just around the corner, as when Variety reported:

    Unless Hollywoods individual film producers adhere to Production Code rules with more stringency, state censorship of motion pictures looms more than a likely possibility. State censorship bills are already before legislative bodies and can make Hollywoods problems tougher than ever, according to the message Eric Johnston will take around to individual producers.... Johnston will meet with producers on the various lots to give them a complete picture of the situation and the trouble looming ahead unless good taste and moral values are met more squarely.... The code, he believes, is still sound, but producers must be reminded of the seriousness of the situation. [fn4] (Powdermaker 1950: 67-68; fn4 = Variety, Jan 19, 1947)

[25]
Abgesehen von den Verfechtern des Production Code gab es noch weitere Gruppen, die nach Kontrolle strebten, wie etwa die National Legion of Decency, eine «militant Catholic organization [which] reviews all feature motion pictures and rates them» (Powdermaker 1950: 68). Es waren auch die Mitglieder der Legion, die für die rigorose Einführung des Codes in 1934 kämpften.
[26]
Die Zeiten haben sich geändert, der Production Code ist schon längst nicht mehr in Kraft und wurde durch Bewertungssysteme ersetzt. Trotzdem ist das Ändern von Filmen durch Schnitte noch immer alltägliche Praxis, man denke nur an Filme zur Hauptsendezeit im Fernsehen, die zwar ein großes Publikum anziehen sollten. Aber: Wenn manche Szenen wegen Sex oder Gewalt einer Ausstrahlung in dieser Programmschiene entgegenstehen, werden sie herausgeschnitten. Eine andere Ursache, die zu Kürzungen geführt hat, sind die time slots eines Fernsehabends, die nicht immer den Filmlängen entsprechen. Die Praxis geht so weit, dass manche Programmzeitschriften diese Verstümmelungen der Filme verzeichnen.

3.

Die Zensur des Filmtexts im Filmtext ^

[27]
Abgesehen von Selbstrefentialität auf der Ebene der erzählten Geschichte, kann die Darstellung von verschiedenen Zensurverfahren oder zumindest die Anspielung darauf auch in den filmischen Text, also in den Diskurs selbst integriert werden und somit selbstreflexiven Status erlangen. Die Präsentation von Zensurpraktiken kann verschiedene Formen annehmen und sowohl visuell als auch verbal erfolgen.

3.1.

Botschaften der Medieninstitution ^

[28]
Seit den frühesten Tagen des Films wurden dem Kinopublikum regelmäßig Botschaften vom Kinomanagement auf die Leinwand projiziert. Ob es die vielzitierte Aufforderung an die Damen ist, ihre Hüte abzulegen, irgendwelche anderen Verhaltensregeln, oder die Ankündigung einer kurzen Pause, die ZuschauerInnen haben zwei Dinge gelernt: die Botschaften sind als gegeben hinzunehmen (und ihnen ist Folge zu leisten), und nicht alles, was auf der Leinwand erscheint, ist Teil des Films.
[29]
Wie wir oft bei (filmischen) Gestaltungsmitteln beobachten können, werden sie, sobald ihr Gebrauch Allgemeingut ist, gerne parodiert – und so finden sich auch Botschaften, die so tun als ob sie von der Kinogeschäftsführung kämen. Fred «Tex» Avery, der Meister des selbstreflexiven Cartoons, baut viele dieser Pseudobotschaften in seine Filme ein. Ein Beispiel verweist auf ein bestimmtes Element der traditionellen Kinoprogramme und somit der US-Filmkultur der 1930er bis 1950er Jahre: neben der Wochenschau und einem Zeichentrickfilm wurden vor dem Hauptfilm auch Kurzfilme über Landschaften und entfernte Gegenden gezeigt, die sogenannten Travelogues. Cross Country Detours (US 1940) ist ein Spoof dieser beliebten Reisefilmchen. Eine der Szenen spielt in den Everglades: die Kamera zeigt einen Frosch, und im voice-over Kommentar spricht der Erzähler über das Froschquaken. Aber anstatt wie angekündigt zu Quaken, zieht der Frosch eine Pistole und schießt sich in den Kopf. Nachdem der Frosch dramatisch gestorben und mit einem großen Platsch ins Wasser gefallen ist, wird ein Insert von links nach rechts hereingeschoben:

    We are not responsible in any way for the puns used in this cartoon. The Management.9

[30]
Etwa 30 Jahre später finden sich ähnliche Entschuldigungen (sowohl als Inserts als auch als voice-over) in einigen Episoden von Monty Pythons Flying Circus, womit anstelle der vorgetäuschten Botschaften der Kinomanager jene einer Fernsehanstalt treten. Im Gegensatz zu den AutorInnen aus den 1940er Jahren sind die chaotischen Fernsehkomiker in ihren Formulierungen wesentlich expliziter, wie die Beispiele aus der dritten Saison (Herbst 1972) zeigen. Unter den getürkten Fernsehprogrammen in Episode 6 findet sich der Titel «Party Political Broadcast», gefolgt von

    Superimposed Caption: «Politicians – An Apology».

      Eric Idle [v.o.]
    We would like to apologize for the way in which politicians are represented in this programme. It was never our intention to imply that politicians are weak-kneed, political time-servers who are concerned more with their personal vendettas and private power struggles than the problems of government, [...]. Nor indeed do we intend that viewers should consider them as crabby ulcerous little self-seeking vermin with furry legs and an excessive addiction to alcohol and certain explicit sexual practices which some people might find offensive. We are sorry if this impression has come across. (Monty Python Flying Circus 1989: < apology-pol.php >)
[31]
Drei Wochen davor zeigten MPFC in Episode 3 bereits einen Filmparodie-Sketch mit dem Titel «Ken Russell’s «Gardening Club» ». Diesmal wird die Botschaft als Warnung dem Sketch vorangestellt:

    Apology for Violence and Nudity

      Eric Idle [v.o.]
    The BBC would like to announce that the next scene is not considered suitable for family viewing. It contains scenes of violence, involving people’s heads and arms getting chopped off, their ears nailed to trees, and their toenails pulled out in slow motion. There are also scenes of naked women with floppy breasts, and also at one point you can see a pair of buttocks [...]. (Monty Python Flying Circus 1989: < viol-nude.php >)
[32]
Mehr als drei Jahrzehnte später finden wir im Fernsehen nach wie vor Warnungen, die vor der Ausstrahlung von Filmmaterial ausgesprochen werden.10 Obwohl offiziell als Disclaimer gesendet, haben sie doch den Nebeneffekt, blutige und drastische Bilder zu versprechen, die ZuschauerInnen vor den Fernsehgeräten festhalten.

3.2.

Die Sprache soll rein und anständig sein… ^

[33]
Obwohl die Komiker von Monty Python’s Flying Circus sehr gut mit ihren gags sind, waren sie nicht die ersten, die sich über die Haltung von Medieninstitutionen hinsichtlich der Darstellung von und des Redens über Sex und Gewalt lustig machten. Der Production Code verurteilt nicht nur das tatsächliche Zeigen von «unsittlichen» Handlungen, in Artikel IV ist auch festgehalten, dass «[o]bscenity in word [...] is forbidden» (Hayes 2000/2008).
[34]
Einer der ersten Spielfilme, in dem Zensurpraktiken mehrfach verspottet werden, war die extrem selbstreflexive Komödie Hellzapoppin’ (H.C. Potter, US 1941). Chic (Chic Johnson) und Ole (Ole Olsen) finden heraus, dass ihr Trick, um Woody (Lewis Howard) davon abzuhalten, die reiche Erbin Kitty (Jane Frazee) zu heiraten – das Gerücht, dass sie ein Verhältnis mit einem russischen Pseudo-Prinzen namens Pepi (Mischa Auer) hätte –, wahr zu sein scheint. Aber bevor Chic zur Beschreibung der jungen Frau unanständige Wörter verwenden kann, weiß der Vorführer Louie (Shemp Howard), der sich schon seit Beginn in den Film einmischt und mit den Personen auf der Leinwand redet, nur zu gut, wie er Chic stoppen kann.

    OLE Olsen and CHIC Johnson.

          Ole

        That nice sweet innocent girl –

          Chic
        That nice sweet innocent girl is just a –

    Eine Glocke läutet und von links wird ein Insert «CENSORED» hereingeschoben bis es die gesamte Leinwand füllt. Der Dialog ist nicht mehr hörbar.

    VORFÜHRKABINE. Louie hinter dem Projektor

        Louie

      There’s still a Hays Office [...].

    Die Glocke läutet erneut. Die Karte wird weggezogen. OLE und CHICK haben offensichtlich weitergesprochen während die Zensurkarte gezeigt wurde, aber wir haben die relevanten Dialogzeilen verpasst.

        Ole

      She’s worse than that!11

[35]
Einige Minuten später, als sie Jeff (Robert Paige) die Wahrheit über seine Verlobte Kitty sagen wollen, haben sie bereits gelernt. Ole beginnt zu sagen «that Kitty –, that Kitty is a –», aber bevor er das inkriminierte Wort ausspricht, blickt er nach oben, und die Glocke läutet. Dann wird wieder ein Teil der CENSORED Karte sichtbar. Chic macht eine Geste, als ob er das Insert stoppen wollte und beruhigt den Vorführer, «Okay, Louie.» Die Karte wird zurückgezogen, und Chic setzt sein Kommentar über Kitty mit weniger schlüpfrigen Wörtern fort.
[36]
Road to Utopia (Hal Walker, US 1945) ist ein weiterer Film, der für seine selbstreflexiven Momente bekannt ist. Eines der Beispiele berührt ebenfalls Zensurpraktiken: die beiden Hauptfiguren Duke Johnson (Bing Crosby) and Chester Hooton (Bob Hope) beobachten durch ein Fenster, wie die Erbin der Goldmine vom Bösewicht und seiner Freundin gefesselt wird.

        Chester

      Why – the dirty – – – –

    Völlige Stille, sogar die Hintergrundmusik hat aufgehört.

      (Chester bewegt lautlos seinen Mund)
        Duke

      I told you they wouldn’t let you say that!12

[37]
Auch wenn der Production Code schon lange nicht mehr in Kraft ist, scheint das Problem der unanständigen Sprache ein halbes Jahrhundert später nach wie vor virulent zu sein, zumindest in den grossen US Networks, die noch immer bestimmte Regeln hinsichtlich der Darstellung von Sex und Gewalt befolgen (müssen). Die Hauptfiguren der Serie Moonlighting (US-ABC 1985-89) wissen, dass sie im Fernsehen sind und in einer Serie auftreten, und daher wissen sie auch nur zu gut, was im Fernsehen – konkret bei ABC – erlaubt ist, und unter den zahlreichen selbstreflexiven Dialogfragmenten finden sich einige Kommentare dazu.
[38]
Am Anfang der Episode «Portrait of Maddy» (Peter Werner, US-ABC 1985; ep14/s2) stellen Maddie (Cybil Shepherd) und David (Bruce Willis) fest, dass ihre Detektivagentur endlich schwarze Zahlen schreibt. Maddie ist überglücklich und umarmt David, er legt seine Arme um sie. Maddie ist allerdings mit deren Position ganz und gar nicht einverstanden: «Get your hand off my behind.» Als David weiterblödelt beginnt Maddie zu diskutieren, «Would you get serious!». Aber wie üblich will David das letzte (zweideutige) Wort haben: «Maddie, I just had my hand on your behind. If I get any more serious, they’re gonna move us to cable.»13
[39]
In «Shirts and Skins» (Artie Mandelberg, US-ABC 1988; ep58/s5) arbeitet Bert Viola (Curtis Armstrong) am Computer, um einige Informationen über eine Klientin zu finden. Gerade als David hereinkommt, stößt Bert einen Freudenschrei aus, «Whoa, I think I did it!». Mit seiner Erklärung: «Sir, I have succeeded in penetrating the billing system of Hackensack Mutual Insurance» provoziert er allerdings Davids Antwort, «Penetration? They allow that on TV?» Einen weiteren Dialog zwischen Bert und David gibt es noch in einer späteren Episode («When Girls Collide»; Dennis Dugan, US-ABC 1989; ep63/s5): Bert beginnt über «the most beautiful word in the English language» zu reden, aber David warnt ihn davor weiterzusprechen: «Careful, this ain’t cable.»
[40]
Wenn in «Funeral for a Door Nail» (Allan Arkush, US-ABC 1986; ep23/s2) Maddie während einer der permanenten Debatten wieder einmal auf ihn wütend ist, gibt David am Ende einen noch direkteren Rat:

      Maddie

    You, are eye crust!!

      David

    The better to see you with, my dear.

      Maddie

    You, are navel lint!

      David

    Expensive navel lint.

      Maddie

    You are... ...

      David

    Don’t go much lower, they’ll take us off the air.

[41]
Vor Ende der 5. Staffel wurde die Serie Moonlighting von der eingeführten Sendezeit (Dienstag, 21 Uhr) auf Sonntagabend, 20 Uhr verschoben. Allerdings wurde der Sänger Al Jarreau offensichtlich nicht davon verständigt – so der selbstreflexive Eröffnungsgag von «Those Lips, Those Lies» (Dennis Dugan, US-ABC 1989; ep61/s5). Daher beginnt das Titellied dieser Episode rein instrumental und David beschwert sich lautstark. Im folgenden Gespräch wird klar, dass der neue Sendeplatz noch andere Konsequenzen hat, insbesondere für Davids Ausdrucksweise:

      David

    Why the hell didn’t somebody call –

      Maddie

    David, you can’t talk like that.

      David

    Like what?

      Maddie

    Like you just talked.

      David

    Why not?

      Maddie

    It’s eight o’clock, Sunday night, there are kids out there watching. You gonna’ve to clean your mouth up.

      David

    They are supposed to be in bed by now.

      Maddie

    From now on nil sexual innuendo. no more double entendres, no more off-color remarks.

[42]
Maddie weiß offensichtlich sehr genau, was im (US-amerikanischen) Fernsehen möglich ist und was nicht. Selbst in einer celebrity reality TV show wie The Osbournes (US-MTV 2002-05), deren Zielgruppe wohl kaum an Zweideutigkeiten Anstoß nimmt, fühlte sich der Sender verpflichtet, Kraftausdrücke durch das fernsehübliche «bleep» auszublenden.

3.3.

Vom Feigenblatt zum schwarzen Balken ^

[43]
Ein bekanntes Verfahren der visuellen Zensur (in Printmedien teilweise noch immer im Einsatz, wenn es gilt, männliche Geschlechtsteile zu verstecken) ist der schwarze Balken. Manchmal findet sich dieses Mittel auch im Film.
[44]
In den späten 1930er/1940er Jahren, als die Regeln noch wesentlich strenger waren, macht sich der bereits erwähnte Zeichentrickfilm Cross Country Detours über diese «Gefahr» lustig, eine nackte Person von vorne zu zeigen – selbst wenn es sich nur um eine weibliche Eidechse handelt, die aber zugegeben sehr sexy ist. In einem der Segmente über den Südwesten der USA wird eine Eidechse mit einer grundfalschen Beschreibung vorgestellt, aber das Tier folgt genau diesem zoologischen Unsinn auf eine höchst ungewöhnliche Weise.

    Saguaro, Feigenkakteen, eine grüne Eidechse kriecht von links nach rechts.

        Erzähler (v.o.)

       

      Here is a lizard which as you all probably know sheds its skin once a year. Let’s watch this interesting procedure.

    MUSIK: It has to be You.

    Die Eidechse stellt sich auf ihre Hinterbeine und beginnt zur Musik zu tanzen. Nach wenigen Sekunden beginnt sie sich «auszuziehen», zuerst den obersten Teil ihrer Haut/Kleidung, der wie ein kurze Jacke aussieht. Was als Tanz einer Eidechse angefangen hat, mündet nun in einen professionellen Striptease: sie öffnet ihre Haut am Rücken und legt sie wie ein enges Trikot langsam ab. Bevor sie sich aber von vorne ganz nackt zeigen kann, wird ihr Rumpf von einem kleinen Insert «CENSORED» abgedeckt. [cf. fn8]

[45]
August 2002 wurde das Etikett «zensiert» in einem gänzlich anderen Verwendungszusammenhang wiederbelebt. Bei einem nächtlichen Fernsehwerbespot14 für einen Sex-Telefondienst wird die Einstellung einer halbbekleideten jungen Frau, die sich lasziv rekelt, durch ein Testbild beendet, ergänzt durch den schräg darübergeblendeten Hinweis «zensiert» – demnach werden wir vor Bildern beschützt, die im Fernsehen nicht einmal spätnachts gezeigt werden dürfen. Allerdings kann man mittels Anruf bei der ebenfalls eingeblendeten Telefonsexnummer mehr über den sexy Inhalt herausfinden.
[46]

Mehrere österreichische Spots für Egger Bier aus 1992 leben ebenfalls vom Verbergen aufgrund von Regeln: bevor der bekannte Schauspieler Karl Merkatz sein verdientes Glas Egger trinken darf, zieht er von oben ein Rollo mit dem Brauereilogo herunter und erklärt, es wäre ihm auf dem Bildschirm nicht erlaubt, Bier zu trinken. Offensichtlich macht er genau das hinter dem Rollo, denn als es wieder hinaufspringt, ist das Glas nicht mehr ganz so voll und Merkatz wischt sich mit der Hand über den Mund…15

3.4.

Realität – verschwommen & verpixelt ^

[47]

Außer dem Verdecken von «unanständigen» Bilddetails gibt es noch andere visuelle Strategien, um dem Publikum diese Bildinhalte vorzuenthalten. Bei einem Verfahren, u.a. bei Filmen in Flugzeugen angewendet, werden Teile unscharf maskiert. Die elektronische Version ist das Verpixeln: Teile des Bildes werden auf große farbige Quadrate reduziert, als ob eine Computergrafik in extrem niedriger Auflösung zu sehen ist. Üblicherweise wird diese Technik benutzt, um die Identität einer Person im Filmbeitrag/auf einem Foto zu schützen oder um bestimmte Körperteile – wie etwa einen erigierten Penis – im Fernsehen unkenntlich zu machen.16 Aber auch diese visuelle Technik wird bewusst als Verfremdungseffekt eingesetzt oder, wie im Fall eines Werbespots für Smirnoff Vodka mit dem Titel «Censored» (Martin Denecke, CH 1999; Lowe/GGK)17, als selbstironisierende Verspottung von Verboten hinsichtlich der Fernsehwerbung für harte Getränke (cf. § 42b Alkoholgesetz).

[48]
Der Spot beginnt mit dem Insert «We proudly present the Swiss version of the international Smirnoff spot». Was darauf folgt, ist aber mehr als merkwürdig anzusehen. Keine einzige Einstellung ist klar zu erkennen, man kann nur erahnen, dass wir eine Szene in einer Bar mit einem flirtenden Paar sehen: alles ist extrem verpixelt, außer den Untertiteln, die uns erklären warum:

    Sorry, but the Paragraph 42b of the law on spirits advertising prohibits us from showing you the international Smirnoff Vodka commercial uncensored.

[49]

Der Spot endet mit den für die ZuschauerInnen beruhigenden Zeilen:

    But fortunately, there’s no law yet that prohibits you from enjoying Smirnoff Vodka.

[50]
Manchmal wird aber selbst die Parodie wahr, wenn Realität die Fiktion verdrängt. Wie erwähnt, bedient sich das Fernsehen der Verpixelung um (meist männliche) Nacktheit zu verdecken. Im Gegensatz zu mitteleuropäischen Standards scheint aber für das US-amerikanische Fernsehen auch der nackte Oberkörper einer Frau unanständig und skandalös zu sein. Janet Jacksons nackte rechte Brust (geschmückt mit einem silbernen Stern über der Brustwarze) war so ein Skandal, selbst wenn sie am 1. Februar 2004 während der Halftime-Show des Super Bowl XXXVIII nur für den Bruchteil einer Sekunde sichtbar war. Unter den Labeln «Nipplegate» oder harmloser «wardrobe malfunction» sind der Vorfall und der folgende jahrelange Rechtsstreit18 in die Fernsehgeschichte eingegangen. Eine Woche nach dem Ereignis hatte auf CNN ein Bericht über die bevorstehende 2004 Grammy Awards Ceremony folgenden Kommentar:

    The sights, the sounds, the threat of censorship. The 46th annual Grammy Awards offered them all. The fallout from Janet Jackson’s revealing Super Bowl flash prompted CBS to air the Grammy Awards using what the network calls «a new enhanced tape delay system». Now, instead of just seconds, network censors had several minutes to alter any offensive sounds or sights that might occur on stage. (CNN 2004-02-09)

[51]
Die Bilder, denen diese Worte unterlegt waren, wurden aber nicht mehr nur von Zensur bedroht, CNN hatte bereits zu Zensurmaßnahmen gegriffen (offensichtlich um nicht auch bei der FCC verklagt zu werden). Während des Satzes über «Janet Jackson’s revealing Super Bowl flash» wurden zwar die entscheidenden Sekunden der Show-Übertragung gezeigt, als Justin Timberlake den wesentlichen Teil von Janet Jacksons Ledertop wegriss, allein statt ihrer rechten Brust waren neun riesige hautfarbene Pixel zu sehen.
[52]
Die beteiligten Fernsehkanäle hätten sich viel Ärger erspart, wenn sie damals schon jene bahnbrechende Erfindung gehabt hätten, die der argentinische Regisseur Antonio Balseiro in seinem fake-Werbespot (AR 2008) anpreist: die Pixel Censor Technology. Ein nackter junger Mann präsentiert eine völlig neue Technologie, die leicht anwendbar ist – Instantpixels aus einer Schachtel, die jederzeit über bestimmte Körperstellen gelegt werden können und sich jeder Bewegung anpassen. Aber solange es diese Technologie noch nicht gibt, werden selbst ernannte Moralwächter weiter Fernsehanstalten und Filmkünstler mit ihren Klagen verfolgen.

4.

Literatur ^

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1. März 2013

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Jowett, Garth, « «A Significant Medium for the Communication of Ideas». The Miracle Decision and the Decline of the Motion Picture Censorship, 1952.1968», in: Couvares, Francis G. (ed.). Movie Censorship and American Culture, Smithsonian Institution Press: Washington–London 1996, 258–276.

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Staiger, Janet, «The Hollywood mode of production to 1930». In: Bordwell, David / Staiger, Janet / Thompson, Kristin, The Classical Hollywood Cinema, Columbia University Press: New York 1985, 85–153

Thompson, Kristin / Bordwell, David, Film History. An Introduction, McGraw-Hill: New York 1994

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Withalm, Gloria, «Reconsidering Filmic Self-Referentiality in Terms of Rossi-Landian Concepts», in: Petrilli, Susan (ed.) (2004). Lavoro immateriale (= Athanor – arte, letteratura, semiotica, filosofia. 7). Meltemi: Roma 2004, 325–335

Withalm, Gloria, «Le film dans le film – le film sur le film. Un modèle socio-sémiotique d’autoréférentialité filmique», in: Panier, Louis / Lamizet, Bernard (eds.). Signs of the World. Interculturality and Globalization. Proceedings of the 8th Congress of the IASS-AIS, Lyon 2004 / Les signes du monde – Interculturalité et globalisation. Lyon 2007a, Web: http://jgalith.univ-lyon2.fr/Actes/articleAsPDF/ WITHALM_pdf_20061109071118; retrieved: 12 novembre 2007

Withalm, Gloria, «The self-reflexive screen: Outlines of a comprehensive model», in: Winfried Nöth & Nina Bishara (eds.). Self-Reference in the Media (= Approaches to Applied Semiotics. 6), Mouton de Gruyter: Berlin 2007b, 125–142

Withalm, Gloria, «Filmic Communication on Controlling Film Culture: The Presentation of Movie Censorship within a Movie», in: Couto Cantero, Pilar / Enríquez Veloso, Gonzalo / Passeri, Alberta / Paz Gago, José María (eds.). Culture of Communication, Communication of Culture. Proceedings of the 10th World Congress of the International Association for Semiotic Studies IASS-AIS, La Coruña, 22–26 September 2009. Universidade da Coruña: A Coruña 2012, 2133–2145; [DVD: Mi%20disco://works/Withalm,%20Gloria.pdf]


 

Gloria Withalm, Abteilung für Kulturwissenschaften, Universität für angewandte Kunst Wien, Oskar-Kokoschka-Platz 2, 1010 Wien, Österreich; Vorsitzende des Instituts für Sozio-Semiotische Studien ISSS, Ehrenpräsidentin der International Association for Semiotic Studies IASS; Forschungsschwerpunkte: allgemeine Semiotik, Kultursemiotik, Filmwissenschaft. 19

  1. 1 Für eine Überblick meines Konzepts filmischer Selbstreferentialität und Selbstreflexivität cf. Withalm 2004; 2007a; 2007b.
  2. 2 Mein Transkript der deutschsprachigen Synchronfassung, gesendet SWR, 6. Juni 2000.
  3. 3 Die Transliteration der Namen der Hauptfiguren und des Titels des Films-im-Film variieren in den verschiedenen Quellen, z.B.
  4. 4 Mein Transkript der Originalfassung, gesendet DRS, 5. September 1996.
  5. 5 Jede Provinz hat ihre eigenen Vorschriften, die in den Formulierungen leicht variieren. Abschnitt 17(4) der «General Regulations» der Province of Nova Scotia, hatte z.B. (bis Frühjahr 2005) fast die identen Formulierungen wie der Filmdialog, bis auf die Abschnitte (e)–(g), die ausgelassen wurden (was nicht unbedingt heißt, dass Egoyan genau diese Quelle in seinem Film zitiert): «(4) The Board may prohibit the exhibition, sale, lease, rental, exchange or distribution of a film in Nova Scotia where the film contains: (a) a graphic or prolonged scene of violence, torture, crime, cruelty, horror or human degradation; (b) the depiction of the physical abuse or humiliation of human beings for the purposes of sexual gratification or as pleasing to the victim; (c) a scene where a person who is or is intended to represent a person under the age of sixteen years appears (i) nude or partially nude in sexually suggestive context, or (ii) in a scene of explicit sexual activity; (d) the explicit and gratuitous depiction of urination, defecation or vomiting; (e) the explicit depiction of sexual activity; (f) a scene depicting indignities to the human body in an explicit manner; (g) a scene where there is undue emphasis on human genital organs; (h) a scene where an animal has been abused in the making of the film.» (Province of Nova Scotia 1989, : 10) Auch im Theatres Act Ontario war im Abschnitt 14(2) diese Liste von Verbotsgründen bis Juli 2004 in Kraft (cf. Government of Ontario)
  6. 6 Im Fall Mutual Film Corp. v. Industrial Commission of Ohio hat der Supreme Court entschieden, dass «the exhibition of moving pictures is a business pure and simple, originated and conducted for profit, like other spectacles, not to be regarded [...] as part of the press of the country or as organs of public opinion.» (Mutual Film Corp. v. Industrial Commission of Ohio, 236 U.S., 230, 244 (1915) US Supreme Court; cf. Jowett 1996: 259–260) «[T]he freedom of expression guaranteed the press under the First Amendment» (Maltby 1995: 41) zur US-Verfassung wurde damit dem Film für die nächsten dreieinhalb Dekaden versagt. Erst 1948 begann sich die Haltung zu ändern. Im Verlauf des Paramount Antitrust Falles wurde festgehalten, dass «moving pictures, like newspapers and radio, are included in the press whose freedom is guaranteed by the First Amendment» (U.S. v. Paramount, 334 U.S. 131, 166 (1948); cf. Jowett 1996: 261). Aber erst mit der Entscheidung im The Miracle Fall 1952 (Joseph Burstyn Inc. v. Wilson, 343 U.S. 495 (1952), esp. 501–502 and 505–506) kam die Änderung: die «Supreme Court decision […] established that motion pictures are protected by the First Amendment, making state censorship unconstitutional» (Maltby 1995: 475).
  7. 7 Hays begann 1924 mit der sogenannten Formula, aber da die Richtlinien nicht effektiv waren, verfasste er striktere Regeln, die letztlich in den Motion Picture Production Code (Spitzname: Hays Code) von 1930 mündeten, der 1934 dann allgemein eingeführt wurde (Thompson & Bordwell 1994: 160, 239–240; cf. Maltby 1995: 340–341; hinsichtlich der Stummfilm-Zeit cf. auch Brownlow 1990). Der Production Code listet alles auf, was verboten ist, insbesondere in Hinblick auf Sex, selbst «[e]xcessive and lustful kissing, lustful embraces, suggestive postures and gestures are not to be shown» (Hayes 2000/2008, Produc tion Code, Particular applications, II.2(b)). Hinsichtlich der Darstellung von Gewalt sind sich die meisten Diskussionen des Codes einig über die Diskrepanz der Handhabung (cf. den Eintrag «Production Code» in Katz). Der gesamte Text ist sicher eine Lektüre wert, um den Hollywoodfilm der 1930er und 1940er Jahre besser zu verstehen (für eine Version mit Erläuterungen zu allen Änderungen zwischen 1930 und 1967 cf. Hayes 2000/2008).
  8. 8 Cf. die Abbildung eines «seal of approval» der MPPDA in Thompson & Bordwell (1994: 239, fig. 10.1). Ähnliche Versionen der Insertkarte oder einzelne Zeilen im Vor- oder Nachspann finden sich auch im europäischen Kino.
  9. 9 Mein Transkript Originalfassung, gesendet ORF, 22. August 1994; der Film ist u.a. auf YouTube verfügbar: http://www.youtube.com/watch?v=YPS9U7SBYW8.
  10. 10 Unter den Beispielen, die ich während der Entstehungszeit dieses Beitrags beobachten konnte, waren: das Filmmaterial über die ersten gefangenen US-Soldaten 2003 im Krieg gegen den Iraq, das zuerst von Al-Jazeerah und dann rasch von allen Networks gezeigt wurde; Videos von der Tötung von Personen, die im Iraq oder in Afghanistan 2004/2005 gekidnappt wurden; das serbische Video über die Erschießung von Gefangenen in Srebrenica, das im Mai 2005 ausgestrahlt wurde (z.B. von CNN). Ein Blick in die Fernsehnachrichten über Kriegshandlungen, Folterfotos oder schwere Krankheiten wird jederzeit neue Beispiele liefern.
  11. 11 Mein Transkript, VHS Kassette Originalfassung.
  12. 12 Mein Transkript, VHS Kassette Originalfassung.
  13. 13 Die fünf Seasons von Moonlighting sind als Sammlung von 4 DVD-Boxen verfügbar; alle Transkripte beruhen auf diesen DVDs.
  14. 14 Tele 5, 9. August 2002, Spot während der Ausstrahlung von Carvers Gate.
  15. 15 Zwei Spots sind auf der Website des Gestalters Edward Zoegl zu sehen: http://www.edvertising.at/de/MENU_MAIN/arbeiten-/fernsehen/egger1 bzw. http://www.edvertising.at/de/MENU_MAIN/arbeiten-/fernsehen/egger2.
  16. 16 Ein Beispiel dazu aus der Entstehungszeit des Beitrags fand sich im ORF, Juni 2005. Hier wurde die Verpixelung nicht verwendet, um die tatsächliche Identität einer Person zu verschleiern, sondern eher aus Angst vor einer Anklage. Wegen der Veröffentlichung von Fotos des damaligen Finanzministers Karl-Heinz Grasser auf denen er auf dem Pariser Flughafen jemanden küsst, wurde das Wochenmagazin News zur Zahlung von EUR 7.000,00 zur Entschädigung der Verletzung der Privatsphäre verurteilt. In Fernsehberichten über das Urteil – wie z.B. am 12. Juni 2005 – wurde zwar die inkriminierte Doppelseite gezeigt, aber in einer so niedrigen Auflösung, dass absolut nichts zu erkennen war.
  17. 17 Smirnoff «Censored» (Martin Denecke, CH 1999; Lowe/GGK) http://archives.canneslions.com/includes/movie.cfm?id=9206, download: 29 October 2002
  18. 18 Bereits wenige Tage nach der Sendung wurde gegen Jackson, Timberlake und die involvierten Medienorganisationen (CBS, MTV und VIACOM) im Namen von «all American citizens who watched the outrageous conduct» Beschwerde erhoben, und die FCC (die Federal Communications Commission) verurteilte CBS im September 2004 zu einer Strafe von mehr als einer halben Million Dollar. Vier Jahre später im Juli 2008 konnte CBS die Berufung gewinnen, als ein Gericht die Strafe als «arbitrary and capricious» ablehnt, worauf der Supreme Court den Fall an den Third U.S. Circuit Court of Appeals zurückwies, um die Entscheidung zugunsten von CBS erneut zu prüfen (FCC v. CBS Corp., No. 08–653), was dieser im November 2011 mit einer Bestätigung der Zurückweisung der als ungerechtfertigt bezeichneten Strafe seitens der FCC tat. Allein die Kläger ließen nicht locker aber dem Revisionsantrag (FCC & USA v. CBS Corp., et al., No. 11–1240) wurde vom Supreme Court am 18. Januar 2012 nicht stattgegeben.
  19. 19 Der Beitrag basiert auf meinem Vortrag «Filmzensur im Film» im Rahmen des 27. Seminars «Semiotik des Rechts» zum Thema Zeichen: Barrieren, Verbote, Zerstörung am 27. März 2004; eine erste Fassung wurde für die von Jeff Bernard und Thomas Ballhausen 2004/2005 geplante Publikation mit Beiträgen aus dem Seminar von Friedrich Lachmayer geschrieben. In der Zwischenzeit habe ich den Vortrag beim 10th Congress of the International Association for Semiotic Studies IASS 2009 in La Coruña präsentiert und in englischer Sprache in den proceedings publiziert (Withalm 2012). Der vorliegende Aufsatz ist eine überarbeitete und aktualisierte Fassung beider Vorträge.