1.
Einleitung ^
2.
Signatur als spezifisch kartographischer Terminus ^
3.
Die Aufgaben der Signatur in der Karte ^
Die Signatur vertritt in der Karte ein bestimmtes Objekt1 in dessen Eigenschaft als Teil einer mehr oder minder heterogenen Gruppe mit gemeinsamen Wesensmerkmalen. Diese Wesensmerkmale sind im Begriff verankert und mit ihm deckt sich die Bedeutung der Signatur. Die Signatur geht nicht auf individuelle Merkmale des Objekts ein, sondern beschreibt das Objekt als Gegenstand, auf den die Definition des Begriffs zutrifft.
Der Umstand, dass die Signatur allgemein als Begriffssymbol2 aufgefasst wird und als solches nicht auf individuelle Objektmerkmale eingeht, hat zur Folge, dass eine Gruppe von kartographischen Ausdrucksmitteln, nämlich die individuellen Figurenbilder, nicht als Signaturen bezeichnet werden können.
Die Signatur kann aber weder als graphisches Zeichen, noch als Begriffssymbol isoliert gesehen werden. Sie ist vielmehr eingebunden in das Signaturensystem der Karte und nimmt dort jenen Platz ein, der der Stellung des von ihr bezeichneten Begriffs im Begriffssystem entspricht. Das Signaturensystem der Karte wird so zur graphischen Entsprechung des ungesetzten Begriffssystems. Die Umsetzung folgt wissenschaftlich erarbeiteten Regeln und ist folglich weit entfernt von jeglicher künstlerischer Freizügigkeit, die der Kartographie immer noch allenthalben nachgesagt wird. Kombinationsfähigkeit und Gruppenfähigkeit3 der Signaturen sind wesentliche Voraussetzung für eine graphisch analoge Wiedergabe der gegenseitigen Beziehungen der Begriffe im Begriffssystem.
Eine sehr strikte Auffassung von geographischem Lagebezug veranlasst Wolfgang Pillewizer neben anderen Autoren, die Mengenpunkte nicht zu den Signaturen zu zählen. (1974, S. 350f) Er lässt nur solche graphische Mittel als Signaturen gelten, die dort gesetzt werden, «wo in der Natur das zu kennzeichnende Objekt tatsächlich vorhanden ist.» (1974, S. 350f) In der Tat ist der Mengenpunkt4 nach Imhof ein «zusammenfassendes Symbol für mehrere, über einen Raum gestreute Einzelobjekte» (1962, S. 99), seine Lage stimmt also nicht genau mit derjenigen der dargestellten Objekte überein.
4.
Graphischer Aufbau und Erscheinungsformen von Signaturen ^
Bei aller Verschiedenheit in Formentyp und graphischer Komplexität erweisen sich dennoch alle Signaturen als graphische Gebilde höherer Ordnung, weil sie das Ergebnis der Variation untergeordneter graphischer Elemente oder Bausteine sind. Als solche nennt Jacques Bertin (1973, S. 42) Punkt, Linie und Fläche, als ihre Variationsmöglichkeiten oder visuellen Variablen Größe, Helligkeitswert, Muster5, Farbe, Richtung, Form (taille, valeur, grain, couleur, orientation, forme). Auch wenn die Farbe in sich wiederum nach Farbrichtung, Reinheit und Farbgewicht variabel ist, kennzeichnet Bertin damit doch die prinzipiellen graphischen Möglichkeiten, nach denen bedeutungstragende graphische Zeichen, unter anderem auch Signaturen, gebildet werden können.6
War also diese Diskussion schon früh entschieden, so gibt es über die Signaturenhaftigkeit der flächig angewandten Farbtöne und Raster auch in der späteren kartographischen Literatur noch keine Übereinstimmung. V. Heissler und Günther Hake beispielsweise wollen flächige Farbtöne überhaupt nicht und Raster nur dann den Flächensignaturen zuzählen, wenn sie das freie Auge noch in ihre Elemente zerlegen kann (visuelle Raster). (1970, S. 154ff) Ihrem Signaturenbegriff liegt offenbar der Begriff der «graphischen Gestalt» im Sinne der Gestaltpsychologie zugrunde,7 der ein gewisses Maß an graphischer Geschlossenheit verlangt. Auch Georg Jensch scheint sich an einem ähnlichen Kriterium zu orientieren, wenn er die Signaturen zur Gruppe der «Formen als Punkt, Linie und Fläche» rechnet und ihr als zweite Gruppe die «Farben als bunte und unbunte Farben» gegenüberstellt. (1969, S. 29)
5.
Schluss: Definition eines funktionell bestimmten Signaturenbegriffs ^
Wie dieser kurze Überblick über die Funktionen, den graphischen Aufbau und andeutungsweise auch über die graphischen Erscheinungsformen der Signatur zeigen sollte, sind es vor allem die Funktionen in der Karte, die der Signatur ihre wesentliche Eigenart unter den übrigen Ausdrucksmitteln verleihen. Sie bestehen in der Aufgabe der Signatur, als Begriffssymbol innerhalb eines zweidimensional angelegten, auf ganzheitliche Wirkung bedachten Signaturensystems die ganze oder einen Ausschnitt der begrifflich klassifizierten räumlichen Wirklichkeit lagebezogen und nach wissenschaftlich fundierten Regeln mit graphischen Mitteln wiederzugeben und zu erläutern. Die besonderen Funktionen rechtfertigen letztlich erst den Signaturenbegriff als eigenständigen kartographischen Zeichenbegriff.
6.
Literatur ^
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Peter Jordan, Herausgeber des Atlasses Ost- und Südosteuropa, Chair der ICA-Commission on Atlases, Convenor der UNGEGN Working Group on Exonyms, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Institut für Stadt- und Regionalforschung Wien, Österreich.
- 1 Der Begriff Objekt ist hier (wie vorhin Gegenstand) im weitesten Sinn gebraucht und umfasst alle wahrnehmbaren und vorstellbaren Dinge, also auch abstrakte Zustände und Sachverhalte, wie sie vor allem in thematischen Karten dargestellt werden.
- 2 Unter Symbol ist hier anders als bei Theodor Stocks das Sinnbild oder Kennzeichen in seiner weitesten Bedeutung zu verstehen.
- 3 Im Sinne von Arnberger 1963, S. 208.
- 4 Bei Mengenpunkten kann es sich außer um Punkte im graphischen Sim auch noch um andere Formen (Quadrate, Dreiecke usw.) handeln.
- 5 Französisch grain ist mit Muster nicht eindeutig übersetzt. Jacques Bertin versteht unter der Variation des Musters «la variation de finesse des constituants d’une plage de valeur donée» (1973, S. 61), also die Variation der Strichstärke oder des Durchmessers von Rasterelementen bei gleichbleibendem Abstand der Rasterelemente voneinander. Beispiel: Größere Rasterpunkte – größerer Abstand der Rasterpunkte voneinander – Helligkeitswert des Rasters bleibt konstant.
- 6 Im Gegensatz dazu ist seine Systematik der Zuordnung von Zeichen und Sachverhalt, also seine Semantik, im deutschen Sprachraum auf heftige Kritik gestoßen, weil sie sich mit der Feststellung von Elementarbeziehungen begnüge, die für eine kartographische Systematik nur als Ausgangspunkt dienen könnten. Unter anderen weist Ernst Spiess (1970) auf die mangelnde Berücksichtigung von Kombinationen graphischer Variablen hin.
- 7 Über diesen Begriff referiert ausführlich Heinz Schmidt-Falkenberg 1962, S. 14f.