1.
Normenflut und Rechtsqualität ^
Immer wieder wird die Normenflut unserer Zeit beklagt1: Sie erschwere das Verständnis und die Durchsetzung des Rechts, sei rechtspolitisch bedenklich und bringe selbst professionelle und erfahrene Juristen an ihre Grenzen.
2.1.
Komplexität ^
2.2.
Rechtskomplexität ^
- Eine hohe Komplexität des Rechts liegt demnach dann vor, wenn viele juristische Akteure vorhanden sind und auf Basis von zahlreichen juristischen Artefakten (insbesondere Rechtsnormen) Entscheidungen treffen, die schwer vorhersehbar sind.
In der weiteren Darstellung wird der Fokus auf die Menge der Rechtsnormen und auf deren Rechtsqualität gelegt, also die «Rechtsnormquantität» und «Rechtsnormqualität»5 einfach als «Rechtsquantität» und «Rechtsqualität» bezeichnet.
2.3.
Bestandteile der Rechtskomplexität ^
k(R) = m / q
Steigt die Menge der Rechtsnormen m also deutlich und/oder fällt die Qualität der Rechtsnormen q deutlich unter ein bestimmtes Minimum, so steigt die Rechtskomplexität k(R) entsprechend an und es wird immer schwieriger, Vorhersagen über juristische Entscheidungen zu treffen.
2.4.
Auswirkungen zu hoher Rechtskomplexität ^
Vergegenwärtigt man sich, dass es – zumindest nach der Konzeption von Niklas Luhmann6 – der Zweck von Rechtsnormen ist, Verhaltenserwartungen zu sichern, so muss man der eingangs erwähnten Kritik recht geben: Die mangelnde Vorhersehbarkeit rechtlicher Entscheidungen wird wohl wenig geeignet sein, Verhaltenserwartungen zu sichern und so tatsächlich diese zentrale Funktion einer Rechtsnorm und des Rechts insgesamt untergraben.
- Je komplexer das Recht, umso schwieriger wird es, sich daran zu halten bzw. umso eher wird es ignoriert.
2.5.
Rechtskomplexität und Komplexität der Gesellschaft ^
Nehmen wir für einen bestimmten Staat bzw. eine bestimmte Gesellschaft die Komplexität k(G) an.
Wir gehen davon aus, dass es ein ideales Verhältnis bzw. eine ideale Bandbreite von Qualität q und Menge m von Rechtsnormen gibt, die die Rechtskomplexität in ein solches Verhältnis zur gesellschaftlichen Komplexität stellen, so dass es zu einer Reduktion von Konflikten und Kriminalität und zu einer Verstärkung des Gerechtigkeitsgefühl der Rechtsnormadressaten führt:
k(G) ~ k(R) = m / q
Gesellschaftliche Komplexität sollte mit der adäquaten Rechtskomplexität geregelt werden, aber nicht mit einer überschießenden. Gesucht wird also das Mindestmaß an Regelungskomplexität, das die gesellschaftliche Komplexität ausreichend kontrolliert7.
2.6.
Zwingende Zunahme von Rechtsnormen ^
Geht man zudem davon aus, dass die gesellschaftliche Komplexität zunimmt8 und folgt man der These der Ausdifferenzierung des Rechts9, so muss man ernüchtert feststellen, dass die Zahl der Rechtsnormen bei Beibehaltung dieses idealen Verhältnisses von gesellschaftlicher Komplexität und Rechtskomplexität zwangsläufig zunehmen muss.
3.
Komplexität und Rechtsqualität ^
Wenn die Rechtsnormen schon unabänderbar zunehmen: Besteht vielleicht aber bei der Rechtsqualität ein Ansatzpunkt, um entsprechend unserer aufgestellten Formel k(R) = m / q die Rechtskomplexität zu senken?
3.1.
Arten der Rechtsqualität ^
- Es gilt also, dass eine optimale initiale Rechtsnormqualität durch nichts ersetzt werden kann.
3.2.
Rechtsqualität als Verständlichkeit und Prägnanz ^
Aus dem Erkenntnis VfSlg 3130/1956 leitete der VfGH in diesem Erkenntnis weiter ab, «dass der Inhalt eines Gesetzes der breiten Öffentlichkeit in klarer und erschöpfender Weise zur Kenntnis zu bringen ist, weil der Normunterworfene die Möglichkeit haben muss, sich der Norm gemäß zu verhalten»10.
3.3.
Rechtsqualität und Zeitdauer ^
Das oben erwähnte Argument «archivarischer Fleiß» deutet in diese Richtung. Zwar schaut archivarischer Fleiß im Jahr 2013 anders aus als 1956, aber im Zeitalter des Internets und der überall verfügbaren Möglichkeiten von elektronischen Datenbanken mit Volltextsuche stehen leistungsfähige technische Hilfsmittel zur Verfügung11. Manuelle Suchaufwände in großen Archiven sind weitgehend Geschichte. Die Menge der Rechtsnormen und deren komplexe Bezogenheit aufeinander hat sich aber gleichermaßen erhöht und verdichtet. Gerade die europäische Gemeinschaftsbildung und die Globalisierung haben dazu in einem früher schwer vorstellbaren Maß beigetragen.
Die Zeitdauer hängt, aus Sicht eines außenstehenden Beobachters, nicht nur von der Menge der Rechtsnormen ab, sondern auch von der Dauer, bis es (endlich) zu einer Entscheidung kommt. Indirekt hängt diese Dauer natürlich von der Menge der Rechtsnormen und der Rechtsqualität ab, also der Rechtskomplexität k(R) insgesamt.
4.
Komplexität und Rechtsfall ^
4.1.
Juristische Unschärfe ^
↑∆R(f)⇒ ↑(z× k)
4.2.
Verlagerung der Unschärfe ^
Die juristische Unschärfe eines Rechtfalls ∆R(f) kann nie wirklich aufgelöst, sondern nur verlagert werden. Trotz des skizzierten hohen zeitlichen, intellektuellen und letztendlich finanziellen Aufwands führt eine gerichtliche oder behördliche «Klärung» einer juristisch unscharfen Ausgangssituation nämlich nur zu einer Einzelfallentscheidung. Die juristische Unschärfe wird also auch für weitere ähnliche gelagerte Fälle nicht aufgelöst, sondern bestenfalls gemildert.
↓q(R) ⇒↑k(R) ~ ↑∆R(f).
- Auch hier gilt also, dass initiale Rechtsqualität und damit einhergehende juristische Klarheit durch nichts ersetzt werden kann.
4.3.
Rechtsqualität und Bindungswirkung ^
Je unklarer es in einem konkreten Fall ist, was rechtens ist, umso mehr sinkt die gefühlte Verpflichtung, sich an das Recht zu halten. Kein Wunder: Schließlich weiß ja keiner mehr, was eben recht ist. Wie soll man sich denn an etwas halten, was man nicht vermittelt bekommt und mit angemessenem Aufwand in Erfahrung bringen kann, selbst eine beste Absicht vorausgesetzt?14
5.
Kampf gegen Windmühlen? ^
- So gesehen führt also eine (bewusst oder unbewusst) reduzierte Rechtsqualität zu einer erhöhten formaldemokratischen Integrationskraft.
Sprachliche Klarheit und Prägnanz sind im Rechtsbereich demnach zwar erwünscht. Sie treten aber im Fall des Aufeinandertreffens verschiedener Interessen gegenüber dem Ziel, überhaupt eine Einigung zu erzielen und damit einen Machterhalt zu sichern bzw. den Einflussbereich zu erhöhen, zurück15,16. Sprachliche Unschärfe vergrößert so den formalen Konsensbereich, den Einigungskorridor und erhöht die formale Integrationskraft, allerdings auf Kosten von sprachlicher Klarheit, Präzision und inhaltlicher Stärke.
- Die formaldemokratische Integrationskraft steigt durch eine sinkende Rechtsqualität und erhält bzw. vergrößert so den Machtbereich, allerdings auf Kosten der Rechtsnormqualität.
6.
Lucida Intervalla Iuris ^
Sein Anliegen ist stets, die dem Recht inhärente Macht wahrnehmbar zu machen und durch diese Transparenz die Grundlagen des Rechtsstaats und der Demokratie zu stärken17.
6.1.
Rechtsvisualisierung ^
Die Mächtigkeit von Visualisierung zur einfachen und unmittelbaren Kommunikation spricht eine seinsmäßige Grundbefindlichkeit des Menschen an, über kulturelle und über Sprachgrenzen hinweg21. Dieses Potenzial wird im professionellen juristischen Bereich22 nach wie vor stark unterschätzt23 bzw. gelegentlich sogar herablassend betrachtet.
Die Klarheit, die Visualisierung an dieser Stelle ermöglicht24, würde demnach Interessenkonflikte oder absichtliche Unklarheiten explizit machen und so möglicherweise den legislativen Abstimmungsprozess erschweren. Sprachliche Unklarheit wird hier nicht als Schwäche, sondern als Methode zur einfacheren formalen Einigung genutzt.
Die Chancen im Bereich der Rechtsdidaktik und der Rechtsvermittlung sind davon aber unbenommen: Im Gegenteil, je schlechter die Rechtsnormqualität umso mächtiger und notwendiger wird es, die Visualisierung im Bereich der Rechtsdidaktik einzusetzen25. Ein weiteres aktuelles Anwendungsgebiet sind Visualisierungen als Mittel der anwaltlichen Argumentation, bis hin zu Animationen und Videos.
6.2.
Strukturierung und Formalisierung ^
Strukturierung und Formalisierung sind die beiden zentralen Methoden der Rechtsinformatik, um für Klarheit und Übersichtlichkeit zu sorgen und diese zu generieren26.
Die schon 1973 im von Lang/Bock herausgegebenen Sammelband «Wiener Beiträge zur elektronischen Erschließung der Information im Recht» erhofften Ansätze, konnten weitgehend erfüllt werden, wenn auch nicht in so spektakulären Projekten, wie sie anfangs z.B. im Bereich der künstlichen Intelligenz erhofft worden waren27.
6.2.1.
Automatische Prüfung der Rechtsqualität? ^
6.3.
Semiotik ^
Die klassischen Bestandteile einer klassischen Gerichtsrede – exordium (Einstieg), narratio (Sachverhaltsdarstellung), propositio (Redegegenstand) und argumentatio (Argumentation) sowie conclusio (Abschluss) werden heute höchstens methodisch unreflektiert «on the job» gelernt und nicht im universitären Kontext.>
7.
Anwendung und Weiterentwicklung ^
7.1.1.
Complianceorientierte Rechtsnormen und Technische Normung ^
Ein klassisches Regelungsmuster dazu ist das der finalen Programmierung das heute als «Erwirkungsnorm» in Form complianceorientierter Regelungen sehr starke Verbreitung gefunden hat31.
Ein historischer Ausgangspunkt dazu war die Einsicht der Juristen, dass es zu Beginn der industriellen Revolution an fachlicher Einsicht fehlte, um die entstehenden technischen Geräte und Maschinen rechtsnormativ sicher zu gestalten32. Heute ist dies in Form des New Approach in der EU das seit 1985 fest etablierte Kombinationsmodell von rechtlicher und technischer Regelung33.
7.1.2.
Weitere komplexitätsreduzierende rechtliche Regelungsmodelle ^
Zu weiteren komplexitätsreduzierenden rechtlichen Regelungsmodellen zählen das Subsidiaritätsprinzip, die Mediation zur außergerichtlichen Streitbeilegung sowie die in FN 14 schon erwähnten neuen Begegnungszonen in der StVO.
7.2.
Bedürfnisorientierte Rechtsetzung und Entscheidungsfindung ^
Nach dem Konzept der «Gewaltfreien Konzeption» von Marshall Rosenberg35 lassen sich Konflikte vermeiden, wenn Fakten, Gefühle, dahinterstehende Bedürfnisse (Werte) und Bitten (als Verhaltenserwartungen) ganz klar auseinandergehalten werden. Rosenberg beruft sich dabei sowohl auf die gesprächsorientierten Ansätze von Carl Rogers36 als auch auf die Bedürfnispyramide von Maslow37.
7.3.
Regelbasiertes Schreiben und kontrollierte Rechtssprachen ^
So könnten z.B. die legistischen Richtlinien des Bundeskanzleramts40 in eine formalisiertere Darstellung überführt werden.
7.4.
Alternative Entscheidungsprozesse ^
8.
Literatur ^
Ballweg, Phronetik, Semiotik und Rhetorik, in: Ballweg, Ottmar / Seibert, Thomas-Michael / Viehweg, Theodor (Hrsg.), Rhetorische Rechtstheorie – zum 75. Geburtstag von Theodor Viehweg, Alber: Freiburg 1982, 27–71
Blum, Band I: Gutachten / Teil I – Abteilung Gesetzgebung: Wege zu besserer Gesetzgebung – sachverständige Beratung, Begründung, Folgeabschätzung und Wirkungskontrolle. Verhandlungen des 65. Deutschen Juristentages 2004, Bonn
Brauneder / Lachmayer, Österreichische Verfassungsgeschichte5, Manz: Wien 1989
Cyras, Distinguishing between knowledge visualization and knowledge representation in legal informatics,
http://www.rwi.uzh.ch/oe/zrf/abtrv/brunschwig/konferenzen/2008/muenchen/DistinguishingbetweenCyras.pdf – 14. April 2013
Ebenhoch, Legal knowledge representation using the resource descriptionframework (RDF), in: Tjoa, A. Min, Wagner, Roland (Hrsg.), 2th International Workshop on Database and Expert Systems Applications, IEEE: München 2001, 369–373
Ebenhoch, Visualisierung im Recht, in: Semiotische Berichte: Bildsprache, Visualisierung, Diagrammatik 20, Nr. 2–4, 1996, S. 139–152
Ebenhoch, Visualisierung und Formalisierung regulierter Selbstregulierung im Wirtschaftsrecht, Innsbruck 2009
Elias, Über den Prozess der Zivilisation26, Suhrkamp: Frankfurt a. M. 1976
Emmenegger, Gute Gesetzgebung als Gegenstand einer legislativen Methodenbewegung in der Rechtswissenschaft um 1900, Mohr Siebeck: Tübingen 2006
Frenzel: Jenseits der Metaphorik von «Normenflut» und «Gesetzeslawine», www.jurawelt.com/sunrise/media/mediafiles/13644/normenflut.pdf
Garnitschnig /Lachmayer, Computergraphik und Rechtsdidaktik, Manz: Wien 1979
Gericke, Möglichkeiten und Grenzen eines Abbaus der Verrechtlichung, Shaker: Herzogenrath 2004
Giger, Wirtschaft und Recht im Würgegriff der Regulierer: Normenflut als Resultat einer verfehlten Gesetzgebungspolitik, Orell Füssli: Zürich 1996
Heindl / Kahlig / Stingl, Mietrecht, Wohn- und Immobilien-Steuerrecht anschaulich, Manz: Wien 2007
Holtschneider, Normenflut und Rechtsversagen: Wie wirksam sind rechtliche Regelungen? Nomos: Baden-Baden 1992
Horn, Visual Language, MacroVU, Bainbridge Island: Wash 1998
Kahlig, Restrukturierung des Rechtsgebäudes mit formalen Mitteln. Seminar aus Rechtsinformatik. Innsbruck, 30. Mai 2008
Kaner / Lind, Facilitators Guide to Participatory Decision-Making2, Jossey-Bass: San Francisco 2007
Kreuzbauer, Visualisierung juristischer Argumentation, in: Hilgendorf, Eric (Hrsg.), Beiträge zur Rechtsvisualisierung, Logos-Verlag: Berlin 2005, 189–216
Kubeš, Theorie der Gesetzgebung, Verlag Österreich: Wien 1987
Lachmayer / Stöger, Die österreichischen legistischen Richtlinien 1990, in: Becker, Georg / Lachmayer, Friedrich / Oberleitner, Günter (Hrsg.), Gesetzgebung zwischen Politik und Bürokratie – gewidmet Hedwig Rathmeier-Wit, ÖBV, Pädagogischer Verlag: Wien 1994, 62–66
Lachmayer, Legistische Chiffrierung, in: Bundesministerium für Justiz (Hrsg.), Sozialintegrierte Gesetzgebung, 1979, 59–77
Lachmayer, Normentheorie und Legislatorik, in: Lang, Friedrich / Bock, Friedrich (Hrsg.), Wiener Beiträge zur elektronischen Erschließung der Information im Recht, IBM Österreich: Wien 1973, 59–72
Luhmann, Ausdifferenzierung des Rechts1, Suhrkamp: Frankfurt a. M. 1999
Luhmann, Das Recht der Gesellschaft5, Suhrkamp: Frankfurt a. M. 1995
Mach, Die ökonomische Natur der physikalischen Forschung, K.K. Hof- und Staatsdruckerei, Wien 1882
Maslow, Motivation und Persönlichkeit12, rororo: Reinbek 1981
Mayer-Maly, Rechtskenntnis und Gesetzesflut, Anton Pustet: München 1969
Pfeiffer, Zur Rolle der Sprache in der Gesetzgebung, in: Becker, Georg / Lachmayer, Friedrich / Oberleitner, Günter (Hrsg.), Gesetzgebung zwischen Politik und Bürokratie – gewidmet Hedwig Rathmeier-Wit, ÖBV, Pädagogischer Verlag: Wien 1994, 54–61
Reisinger, Probleme der Formalisierung und Symbolisierung im Recht, in: Winkler (Hrsg.), Rechtstheorie und Rechtsinformatik, Springer: Wien-New York 1975, 22–50
Reisinger, Strukturwissenschaftliche Grundlagen der Rechtsinformatik, Leykam: Graz-Wien 1987
Roam, Auf der Serviette erklärt, Redline: München 2009
Roam, Bla Bla Bla, Redline: München 2012
Röhl/Ulbrich, Recht anschaulich, Halem: Köln 2007
Rogers, Die klientenzentrierte Gesprächspsychotherapie19, Fischer: 2012
Rogers, Die nicht-direktive Beratung: Counseling and Psychotherapy, Fischer: 2010
Rosenberg, Gewaltfreie Kommunikation – eine Sprache des Lebens10, Junfermann: Paderborn 2012
Schuhr, Die Rechtsdogmatik als Wissenschaft, Duncker & Humblot: Berlin 2006
Smeddinck, Integrierte Gesetzesproduktion: Der Beitrag der Rechtswissenschaft zur Gesetzgebung in interdisziplinärer Perspektive, Wissenschafts-Verlag: Berlin 2006
Vec, Recht und Normierung in der industriellen Revolution, Klostermann: Frankfurt a. M. 2006
Dr. Peter Ebenhoch, PMP, Geschäftsführer, Schmeling und Consultants GmbH, Unternehmensberatung, Deutschland.
- 1 Stellvertretend für viele weitere: Holtschneider, Normenflut und Rechtsversagen: Wie wirksam sind rechtliche Regelungen? Nomos: Baden-Baden 1992; Giger, Wirtschaft und Recht im Würgegriff der Regulierer: Normenflut als Resultat einer verfehlten Gesetzgebungspolitik, Orell Füssli: Zürich 1996; Gericke, Möglichkeiten und Grenzen eines Abbaus der Verrechtlichung, Shaker, Herzogenrath, 2004; Frenzel, Jenseits der Metaphorik von «Normenflut» und «Gesetzeslawine», www.jurawelt.com/sunrise/ media/mediafiles/13644/normenflut.pdf .
- 2 Aktuell: «Das Rechtsstaatsprinzip bröckelt gewaltig», Interview von Reinhard Jellen mit Jürgen Roth, http://www.heise.de/tp/artikel/ 38/38830/1.html (abgerufen am 12. April 2013).
- 3 Auch hier stellvertretend für viele weitere: Mayer-Maly, Rechtskenntnis und Gesetzesflut, Anton Pustet: München 1969; Schönherr, Sprache und Recht (1985), Kubeš, Theorie der Gesetzgebung, Verlag Österreich: Wien 1987; Blum, Band I: Gutachten / Teil I – Abteilung Gesetzgebung: Wege zu besserer Gesetzgebung – sachverständige Beratung, Begründung, Folgeabschätzung und Wirkungskontrolle. Verhandlungen des 65. Deutschen Juristentages 2004, Bonn; Smeddinck, Integrierte Gesetzesproduktion: Der Beitrag der Rechtswissenschaft zur Gesetzgebung in interdisziplinärer Perspektive, Wissenschafts-Verlag: Berlin 2006.
- 4 Emmenegger, Gute Gesetzgebung als Gegenstand einer legislativen Methodenbewegung in der Rechtswissenschaft um 1900, Mohr Siebeck: Tübingen 2006.
- 5 Diese Rechtsnormqualität kann von der Rechtsstrukturqualität und der Rechtssystemqualität unterschieden werden kann. Die Einbeziehung der juristischen Akteure eröffnete eine weitere Analysedimension, die an dieser Stelle nicht geleistet werden kann. Siehe dazu auch unten in 3.1.
- 6 Luhmann, Das Recht der Gesellschaft5, Suhrkamp: Frankfurt a. M. 1995, S. 134.
- 7 Vgl. auch die Anmerkung von Mach, Die ökonomische Natur der physikalischen Forschung, K.K. Hof- und Staatsdruckerei, Wien, 1882 über die Naturwissenschaft, die den «sparsamsten, einfachsten begrifflichen Ausdruck der Tatsachen» als ihr Ziel erkennt. Zitiert nach und mit weiteren Nachweisen und Diskussion: Schuhr, Die Rechtsdogmatik als Wissenschaft, Duncker & Humblot: Berlin 2006, S. 199 f.
- 8 Elias, Über den Prozess der Zivilisation26, Suhrkamp: Frankfurt a. M. 1976, lässt sich wohl so verstehen.
- 9 Luhmann, Ausdifferenzierung des Rechts1, Suhrkamp: Frankfurt a. M. 1999.
- 10 «Nur allzuoft bleibt der Adressat schon bei der rein grammatikalischen Dechiffrierungsphase hoffnungslos stecken.» Lachmayer: Legistische Chiffrierung. In: Bundesministerium für Justiz (Hrsg.): Sozialintegrierte Gesetzgebung, 1979, 59–77, S. 65.
- 11 Grundlegend: Lachmayer, Normentheorie und Legislatorik., in: Lang, Friedrich / Bock, Friedrich (Hrsg.), Wiener Beiträge zur elektronischen Erschließung der Information im Recht, IBM Österreich: Wien 1973, 59–72, S. 59.
- 12 Ein einschlägiger Fachbegriff dazu lautet: «cognitive reorientation costs».
- 13 Die Zahl der Kommunikationswege nimmt bei jedem weiteren Beteiligten ja nicht einfach um eins zu, sondern nach der Formel (n*(n-1))/2, wobei n für die Anzahl der Beteiligten steht. Im Alltag wird einem die Bedeutung der Formel rasch klar, wenn E-Mails mit vielen CC-Empfängern jeweils von mehreren Empfängern an alle beantwortet werden…
- 14 Interessant die neuen Begegnungszonen in der StVO, eingeführt durch die 25. StVO-Novelle vom 31. Januar 2013: Hier werden Rahmenbedingungen (wie z. B. reduzierte Höchstgeschwindigkeit) eingeführt und in diesen der rechtliche Freiraum vergrößert, so dass das Recht de facto auf die situative Abstimmung der Beteiligten vertraut. Das Recht gibt hier einen Verhaltenskontext vor und nimmt sich dann praktisch selber zurück. Die Bindungswirkung wird quasi durch Verweis auf eigenverantwortliches Verhalten an die Rechtsadressaten zurückgespiegelt. So dürfen z. B. nach § 76c Abs 3 auch Fußgänger die gesamte Fahrbahn benutzen, sie dürfen «den Fahrzeugverkehr jedoch nicht mutwillig behindern». Siehe mehr zu solchen komplexitätsreduzierenden, alternativen Regelungstechniken unten in 7.1.
- 15 Aus den gleichen Gründen, nämlich dem Erhalt von Macht und Einflußbereich stoßen wohl auch einschlägige Verbesserungsvorschläge wie ein von Frenzel, Jenseits der Metaphorik, a.a.O., S. 11, erwähnter Vorschlag des ehemaligen dt. Bundesverfassungsrichters Kirchhof zur Einführung einer Prüfungsstelle bei den gesetzgebenden Instanzen auf taube Ohren: Er formuliert höflich, dass offenbar «eher auf eine strukturelle Abschottung Wert» gelegt werde und resümiert, dass Wissenschaft und Praxis wohl «noch einige Jahre damit beschäftigt sein [werden], auf diesem Gebiet zu gemeinsamen Ergebnissen zu kommen.»
- 16 In diesem Zusammenhang erwähnenswert ist die Aussage von Angela Merkel zur «marktkonformen Demokratie», die offenbar nicht nur die Rechtssprache sondern die ganze parlamentarische Mitbestimmung als disponibles Gestaltungsinstrument zur Erreichung von Marktkonformität betrachtet: [Wir werden] «Wege finden, die parlamentarische Mitbestimmung so zu gestalten, dass sie trotzdem auch marktkonform ist», http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2011/09/ 2011-09-01-merkel-coelho.html (abgerufen am 15. April 2013).
- 17 Siehe z.B. Lachmayer, Legistische Chiffrierung., a.a.O., S. 64 ff.
- 18 Siehe auch http://www.legalvisualization.com.
- 19 Garnitschnig / Lachmayer, Computergraphik und Rechtsdidaktik, Manz: Wien 1979.
- 20 Brauneder / Lachmayer, Österreichische Verfassungsgeschichte5, Manz: Wien 1989.
- 21 Horn, Visual Language, MacroVU, Bainbridge Island: Wash 1998.
- 22 Im Unterschied zum wirtschaftlichen Kontext, vergleiche nur z.B. die beiden Bücher Roam, Auf der Serviette erklärt, Redline: München 2009 und Roam, Bla Bla Bla, Redline: München 2012.
- 23 Vgl. Röhl / Ulbrich, Recht anschaulich, Halem, Köln, 2007; unermüdlich: Kahli: Restrukturierung des Rechtsgebäudes mit formalen Mitteln. Seminar aus Rechtsinformatik. Innsbruck, 30. Mai 2008. und Heindl / Kahlig / Stingl, Mietrecht, Wohn- und Immobilien-Steuerrecht anschaulich, Manz: Wien 2007.
- 24 Zur Visualisierung von Argumenten vgl.: Kreuzbauer, Visualisierung juristischer Argumentation, in: Hilgendorf, Eric (Hrsg.), Beiträge zur Rechtsvisualisierung, Logos-Verlag: Berlin 2005, 189–216.
- 25 Dieser «demonstrativen» Visualisierung für didaktische Zwecke, die komplexitätsreduzierend zeigt, was vorhanden ist, steht das Konzept einer «konstitutiven Visualisierung» als Formalisierung gegenüber. Auf Basis einer formalisierten (dazu gleich mehr) Rechtssprache könnten Rechtsnormen mit einem visuellen Editor mit höchstes Qualität «assembliert» werden. Wenngleich technisch umsetzbar, ist offenbar, dass dies unter den geschilderten Aspekten auf höchste Ablehnung stoßen würde. Dazu ausführlich Cyras, Distinguishing between knowledge visualization and knowledge representation in legal informatics, http://www.rwi.uzh.ch/oe/zrf/abtrv/brunschwig/konferenzen/2008/muenchen/DistinguishingbetweenCyras.pdf – 14. April 2013 sowie Ebenhoch, Visualisierung und Formalisierung regulierter Selbstregulierung im Wirtschaftsrecht. Innsbruck, 2009, 89 f. und Ebenhoch, Visualisierung im Recht, in: Semiotische Berichte: Bildsprache, Visualisierung, Diagrammatik 20 (1996) Nr. 2–4, S. 139–152.
- 26 Zu den Vorteilen der Formalisierung ausführlich, Ebenhoch, Visualisierung und Formalisierung, a.a.O., S. 153 ff., sowie Ebenhoch, Legal knowledge representation using the resource descriptionframework (RDF), in: Tjoa, A. Min, / Wagner, Roland (Hrsg.), 2th International Workshop on Database and Expert Systems Applications, IEEE: München 2001, 369–373; grundlegend schon Reisinger, Strukturwissenschaftliche Grundlagen der Rechtsinformatik, Leykam: Graz-Wien 1987.
- 27 Zu den Grenzen der Formalisierung siehe Ebenhoch, Visualisierung und Formalisierung, a.a.O., S. 159 ff., sowie schon Reisinger, Probleme der Formalisierung und Symbolisierung im Recht, in: Winkler (Hrsg.), Rechtstheorie und Rechtsinformatik, Springer: Wien-New York 1975, 22–50.
- 28 Pfeiffer, Zur Rolle der Sprache in der Gesetzgebung, in: Becker, Georg / Lachmayer, Friedrich / Oberleitner, Günter (Hrsg.), Gesetzgebung zwischen Politik und Bürokratie – gewidmet Hedwig Rathmeier-Wit, ÖBV, Pädagogischer Verlag: Wien 1994, 54–61.
- 29 Ballweg, Phronetik, Semiotik und Rhetorik, in: Ballweg, Ottmar / Seibert, Thomas-Michael / Viehweg, Theodor (Hrsg.), Rhetorische Rechtstheorie – zum 75. Geburtstag von Theodor Viehweg, Alber: Freiburg 1982, 27–71.
- 30 Handwerklich umso bestechender die entwickelte sprachliche Fertigkeit mancher Anwälte und Richter, die komplexe Schriftsätze unmittelbar mit dem Diktiergerät entwerfen und gleichzeitig ausformulieren können.
- 31 Ausführlich dazu Ebenhoch, Visualisierung und Formalisierung, a.a.O., S. 17 ff.
- 32 Dazu Ebenhoch, Visualisierung und Formalisierung, a.a.O., S. 33 ff. sowie Vec, Recht und Normierung in der industriellen Revolution, Klostermann: Frankfurt a. M. 2006.
- 33 Ebenhoch, Visualisierung und Formalisierung, a.a.O., S. 51 ff.
- 34 Eine wissenschaftliche Diskussion vor dem Hintergrund der komplexitätsreduzierenden Wirkung wäre eine lohnenswerte Aufgabe.
- 35 Rosenberg, Gewaltfreie Kommunikation – eine Sprache des Lebens10, Junfermann: Paderborn 2012. Da der Umkehrschluss unterstellte, dass sämtliche «normale» Kommunikation gewaltbehaftet ist, wird stattdessen häufig von wertschätzender Kommunikation gesprochen.
- 36 Mit Werken wie Rogers, Die nicht-direktive Beratung: Counseling and Psychotherapy, Fischer: 2010 und Rogers, Die klientenzentrierte Gesprächspsychotherapie19, Fischer: 2012.
- 37 Maslow, Motivation und Persönlichkeit12, rororo: Reinbek 1981.
- 38 Siehe dazu http://www.akwissensbilanz.org sowie http://de.wikipedia. org/wiki/Wissensbilanz.
- 39 Im Unterschied zum inhaltlich teilweise (noch?) recht undifferenzierten Konzept der Gemeinwohlökonomie ist die Gemeinwohlbilanz, wie es sich für eine Bilanz gehört, recht konkret festgelegt. Qualitative Attribute werden dabei mit Hilfe eines Punktesystems quantifizierbar gemacht. Dieses Regelungsmodell verdient in diesem Zusammenhang Interesse, unabhängig davon, ob jemand die damit verfolgten Ziele umfassend begrüßt oder als zu ideologisch ablehnt.
- 40 Lachmayer / Stöger, Die österreichischen legistischen Richtlinien 1990, in: Becker, Georg / Lachmayer, Friedrich / Oberleitner, Günter (Hrsg.), Gesetzgebung zwischen Politik und Bürokratie – gewidmet Hedwig Rathmeier-Wit, ÖBV, Pädagogischer Verlag: Wien 1994, 62–66.
- 41 Allgemein zu einfach anwendbaren partizipativen Entscheidungsmethoden: Kaner / Lind, Facilitators Guide to Participatory Decision-Making2, Jossey-Bass: San Francisco 2007, S. 283 ff.