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Warum der Lachmayer nicht im Deutschen Rechtswörterbuch steht

Zu den Möglichkeiten der Namensforschung und Wortfamilienrecherche über DRW-Online

  • Author: Andreas Deutsch
  • Category: Articles
  • Region: Germany
  • Field of law: Legal Visualisation
  • Citation: Andreas Deutsch, Warum der Lachmayer nicht im Deutschen Rechtswörterbuch steht, in: Jusletter IT 11 September 2014
Das Deutsche Rechtswörterbuch (DRW) behandelt als Großwörterbuch zur historischen deutschen Rechtssprache auch (zum Teil vergessene) Berufsbezeichnungen. Wie das Beispiel «Meier» zeigt, entwickelten sich aus diesen Bezeichnungen häufig Familiennamen, weshalb das DRW hilfreiche Informationen für die Namensforschung liefern kann; dies gilt insbesondere für die frei zugängliche Onlineversion des DRW mit ihren vielfältigen Zusatzrecherchemöglichkeiten (vgl. http://deutsches-rechtswoerterbuch.de).

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Einleitung
  • 2. Münzen, Maße und Berufe im DRW
  • 3. 138 Meier – und doch kein Lachmeier
  • 4. Ausdifferenzierung der Meier
  • 5. Meier mit gerichtlichen Aufgaben
  • 6. Lache, Lachen, Lachmeier
  • 7. Fazit
  • 8. Literatur

1.

Einleitung ^

[1]
Immer wieder hat der Jubilar betont, dass er zu den ausgesprochenen «Fans» des Deutschen Rechtswörterbuchs (DRW) zählt. Dies dürfte nicht nur an der multifunktionalen und um zahlreiche Meta- und Spezialsuchfunktionen angereicherten Onlineversion (www.deutsches-rechtswoerterbuch.de) liegen, sondern sicherlich auch an der Vielfalt des vom DRW behandelten Wortschatzes, der weit über das rein Rechtliche hinaus spannende und oft unerwartete Einblicke in die europäische Kultur- und Sozialgeschichte gewährt. Denn anders als der Name vermuten lässt, ist das DRW ein Wörterbuch zur historischen (deutschen und darüber hinaus westgermanischen) Rechtssprache. Die ältesten schriftlichen Aufzeichnungen (aus der Zeit um 450 n.Chr.) werden ebenso berücksichtigt wie der Wortschatz des frühen 19. Jahrhunderts, also alles in allem Rechts- und Sprachdenkmäler aus rund 1400 Jahren. Tausende Quellen aus weiten Teilen Europas – von Friesland bis Siebenbürgen, vom Baltikum bis in die Lombardei – wurden und werden für das DRW ausgewertet. Sobald ein Wort in rechtlichem Kontext eine bestimmte Bedeutung erhalten hat, wird es ins DRW aufgenommen. So erhielt das «Osterei» einen Artikel, denn dieses war in früherer Zeit eine Naturalabgabe. Auch findet sich der «Saubär» im DRW, denn dies ist nichts anderes als ein Zuchteber; da die dörfliche Gemeinschaft ein solches Tier benötigte, mussten es die Bewohner hinnehmen, wenn der Saubär in Gärten eindrang und dort Schaden anrichtete.1

2.

Münzen, Maße und Berufe im DRW ^

[2]
Über 90.000 Artikel zu Wörtern beginnend mit «A» wie «Aachenfahrt» bis «S» wie «schwedisch» sind derzeit fertig bearbeitet, das sind in der gedruckten Version zwölf Bände mit rund 20.000 Druckspalten. Neben Währungsbezeichnungen, Maßen und Gewichten werden auch zahlreiche Berufe im Rechtswörterbuch dargestellt, insbesondere wenn es sich um zunftgebundene Handwerke, Justiz-, Amts- oder Verwaltungstätigkeiten handelt. Da sehr viele der historischen Berufsbezeichnungen heute zu Familiennamen geworden sind, bietet das DRW auf diese Weise oft unerwartete Hilfestellungen auch für die Namensforschung. So ist beispielsweise «Schulze» nichts anderes als eine Kurzform zu «Schultheiß», meint also ursprünglich einen Verwaltungsbeamten mit gerichtlicher Funktion.2 Im Artikel «Schröter» (landschaftlich auch Schrader oder Schröder) ist zu erfahren, dass früher sehr unterschiedliche Berufe so bezeichnet wurden, was erklären kann, warum der Nachname heute so weit verbreitet ist: Mancherorts war mit «Schröter» ein Schneider3 (also Kleidungshersteller) gemeint, andernorts ein Verlader und Transporteur von Wein- oder Bierfässern, wieder andernorts einer der Münzen beschneidet – und das sind nur die häufigsten Bedeutungen.4 Ob Bauer, Fischer, Gruber, Müller, Schmied (Schmidt), Schneider oder Schuster – alle haben sie ihren Artikel im DRW erhalten,5 ebenso natürlich auch der Meier.

3.

138 Meier – und doch kein Lachmeier ^

[3]
Und der Lachmeier (so die normalisierte Schreibform zu «Lachmayer»)? Eine Stichwortsuche auf DRW-Online bleibt leider ergebnislos. Es gibt keinen Lachmeier im Rechtswörterbuch. Und dies obgleich die DRW-Datenbank derzeit nicht weniger als 138 unterschiedliche Meier nachweist, vom «Alpmeier» über den «Obermeier» bis zum «Sedelmeier» (letzterer noch nicht gedruckt). Zu zahlreichen dieser Meier bietet das DRW einen vollständigen Artikel (online ganz einfach aufrufbar durch eine linkstrunkierte Stichwortsuche nach *meier). Andere haben nur Wortkurznachweise erhalten, weil die rechtliche Relevanz nicht gesichert war oder keine hinreichend alten Belege für das Wort vorhanden waren. Diese sog. Wortbelegungen können ebenfalls online abgerufen werden. Hier findet sich z.B. ein «Neumeier», ein «Richtmeier» und ein «Schafmeier» – aber eben kein Lachmeier.
[4]
Was aber hat es mit diesen ganzen Meiern auf sich?6 Der DRW-Artikel «Meier» gibt uns Auskunft:7 Danach ist ein Meier ursprünglich ein «grundherrlicher Verwaltungsbeamter als Vorsteher eines Fronhofs und Leiter des Hofgerichts». Je nach Ort differenzierte sich das Aufgabenspektrum dieses Beamten unterschiedlich aus, sodass er dann zum Teil zum grundherrlichen oder von der Dorfgemeinschaft bestellten Ortsvorsteher mutierte oder beispielsweise zu einem städtischen Beamten oder Hausmeier. Mit Auflösung der Fronhofsverfassung verloren viele Meier ihre Verwaltungsaufgaben und wurden zu (meist freien) Bauern als Pächtern eines Meierguts. Mancherorts wurde schließlich auch der Großknecht, der die Aufsicht über das Gesinde eines Herrenhofs führte, «Meier» genannt. Im niederdeutschen (und mittelniederländischen) Raum war demgegenüber mit «Meier» oft ein städtischer Amtsträger gemeint – bis hin zum Bürgermeister (vgl. das Englische «mayor»).

4.

Ausdifferenzierung der Meier ^

[5]
Es leuchtet unmittelbar ein, dass mit einer Ausdifferenzierung und Spezialisierung der Aufgaben der Meier im Laufe der Zeit auch eine Diversifizierung ihrer Bezeichnung einherging; als einfachstes Mittel hierfür bot sich das Kompositum an: Während also das Grundwort («-meier») gleichblieb, bestimmte nun das Bestimmungswort, um was für einen Meier es sich handelte.8
[6]
Einige Meier haben ihre Zusatzbezeichnung danach erhalten, wo sich ihr Meierhof befand: So ist der «Alpmeier» der grundherrliche Verwalter eines Alphofes, der «Bergmeier» Inhaber eines in den Bergen gelegenen Bauernguts und der «Dünenmeier» Pächter eines Dünenstückes. Beim «Geismeier», «Hofgeflügelmeier», «Kälbermeier» usw. gibt die Berufsbezeichnung Auskunft über die Art ihres Bauerngutes; so auch beim «Hummelmeier», der Farren hielt; Hummel meint hier nämlich einen Zuchtstier.
[7]
Bisweilen spiegelt sich in der Bezeichnung der Meier auch die Form ihrer Bestellung, also das rechtliche Verhältnis zu ihrem Herrn: Der «Briefmeier» hatte sein Amt aufgrund eines Meierbriefs. Der «Erbmeier» war erblich belehnt, der «Erbzinsmeier» erbzinspflichtig. Der «Lehnmeier» hatte sein Gut als Lehen, während der «Pacht-» oder «Bestandmeier» nur Pächter war und der «Schaftmeier» schaftpflichtig (also vermögenssteuerpflichtig).
[8]
Häufiger lässt die Bezeichnung erkennen, in wessen Diensten der Meier stand bzw. wem das Gut zugehörte, das er verwaltete oder bewirtschaftete: Da gibt es «Dommeier» (Meier auf domkapitularischem Besitz), «Dompropsteimeier», «Fürstenmeier», «Gotteshausmeier» (Verwalter eines Klosterguts), «Grundmeier» (Meier eines Grundherrn), «Herrenmeier», «Junkermeier», «Kammermeier», «Kirchenmeier», «Königsmeier» (Verwalter eines Freiguts), «Mönchmeier», «Predigermeier» und «Ratsmeier» (Pächter von Grundstücken des städtischen Magistrats).
[9]
Sehr oft hat die Bezeichnung der Meier etwas mit besonderen, ihnen zugewiesenen Aufgaben oder Pflichten zu tun: So war der «Amtssteuermeier» ein Steuereinnehmer, der «Dinghofmeier» ein Vorsteher des Dinghofbezirks, der «Dorfmeier» ein Gemeindevorsteher oder Mitglied des Ortsvorstandes. «Friesenmeier» nannte man den Vorgesetzten der Friesen; das waren bestimmte Damm- und Erdarbeiter. Der «Gültmeier» hatte rückständige Gülten (Abgaben) einzutreiben. Dem «Hagen-» oder «Heckenmeier» oblag die Aufsicht über das Faselvieh der Gemeinde, während der Zürcher «Hardmeier» dem Hardamt vorstand und über die städtische Gemeintrift im Hard (Wald) Aufsicht führte. Der «Holzmeier» fungierte als Waldaufseher und der in Flandern vorkommende «Moor-» oder «Moosmeier» als städtischer Aufseher über die Straßenfeger, ähnlich wie der «Schleichmeier» in Kleve (zu «Schleich» mit der Bedeutung Schlick, Dreck, Unrat). Der «Reismeier» schließlich war für das im Rahmen städtischer Befestigungen verwendete Reisig zuständig.
[10]
Immer wieder lässt die Dienstbezeichnung erkennen, welchen Zuständigkeitsbereich ein Meier als Verwalter hatte. Man mag hier zunächst an den «Hausmeier» («major domus») denken, den (vor allem am Hofe der Merowinger) mächtigen Vorsteher von Haus und Hof mit Oberaufsicht über die fürstliche Tafel. Die anderen Meier haben vergleichsweise geringere Kompetenzen: So steht «Fronmeier» zumeist für «Verwalter eines Fronhofs», «Hofmeier» für «Verwalter eines Hofs» (unterschiedlicher Art). Der «Mattmeier» war ein grundherrlicher Beamter, der die Matten (Grasland) verwaltete, der «Pfründmeier» ein Verwalter eines Pfründguts und der «Scheuermeier» Verwalter einer Scheuer (also eines Magazins), während dem «Schlossmeier» die Administration eines Schlosses oblag.
[11]
Manche Meier-Bezeichnungen lassen einen Rang, eine Hierarchie unter verschiedenen Meiern erkennen. So unterschied sich der «Obermeier» vom «Untermeier» durch größere Kompetenzen, etwa in Bezug auf die Wahrnehmung von Herrschaftsrechten. Und während «Oberlandmeier» als leitender Amtsträger in einer Landmeierei tätig war, dürfte mit «Nachmeier» der (örtliche) Stellvertreter eines Meiers gemeint gewesen sein. Und der «Notmeier» fungierte nur «aushilfsweise» als Vertreter eines Meiers.

5.

Meier mit gerichtlichen Aufgaben ^

[12]
Die Berufsbezeichnungen «Richtmeier», «Gerichtsmeier» und «Hochgerichtsmeier» lassen deutlich gerichtliche Funktionen erkennen; aber nicht nur diese hatten judikative Kompetenzen: Der «Hegemeier» saß einem Schöffengericht vor (dem «gehegten Ding»).9 Ein «Hufmeier» musste als grundherrlicher Beamter das Hufengericht (über die Hufbauern oder Hufer, daher der Name «Huber»)10 abhalten; ein «Klostermeier» war als Wirtschaftsverwalter eines Klosters zugleich für das klösterliche Gericht zuständig. «Reitemeier» (in westfälischer Schreibung: «Redemeyer») wurde der Pächter eines Haupthofs (Reitehofs) genannt, der die Gerichtsbarkeit über die Reiteleute (Hintersassen) innehatte. Und – um noch ein letztes Beispiel zu nennen – dem «Salzmeier» oblag als Vorsteher und Leiter eines Salzwerks zugleich die niedere Gerichtsbarkeit in Angelegenheiten der Saline und ihrer Beschäftigten.
[13]
In den gerichtlichen Zusammenhang gehört auch der im Elsass und in Luxemburg nachweisbare «Scheißmeier».11 Die Etymologie des Wortes ist unklar und hatte (zumindest ursprünglich) wohl durchaus ernsten Hintergrund, auch wenn das Wort heute einen derb-parodistischen Klang haben mag. Semantisch schließt es jedenfalls unmittelbar an die Bedeutung von Meier als Verwalter mit Richterfunktionen an: Als «Scheißmeier» wurde nämlich der Vorsitzende eines aus der Bevölkerung heraus gebildeten «Gerichts» zu Fragen der (insb. ehelichen) Moral bezeichnet; dieses (mancherorts zur Fastnachtszeit) abgehaltene Tribunal könnte auf einen sehr alten Volksbrauch zurückgehen. Von 1478 haben sich die Straßburger «Artickel und Gerichts prothocoll dess Scheis meigers und seiner Schöffel» (RevAlsace 96 (1957) 60) erhalten.12 Und 1503 machten Luxemburger Bürger vor der Obrigkeit geltend «von dem Rentmeister, auch Pastoire und Zentner hetten sy Urloib eynen Scheissmeyer zu machen ..., [da] habe er [Richter] gesagt, er lasse in das auch zu» (PublLux. 40 (1889) 317).
[14]
Ursprünglich parodistisch dürfte demgegenüber die Bezeichnung «Entenmeier» gewesen sein:13 Gemeint ist damit ein Winkeladvokat, ein nicht akkreditierter Rechtsvertreter ohne hinreichende Ausbildung. Das Wort hatte sich im 16. Jahrhundert derart etabliert, dass es sogar in seriösen Gesetzestexten wie dem bekannten Württembergischen Landrecht von 1555 gebraucht wurde: «Die Entenmaier aber, so sich viler Erfarung der Rechten rhümen vnnd doch im Grundt … zů jrem Gesůch und Vorthel unsere Underthonen verfüren … sollen unsern Underthonen vor Gericht weder rhaten, reden noch Beistandt thůn und demnach an unsern Gerichten weder gehört noch geduldet … [sondern] der Gebür nach durch unsere Amptleüt gestrafft werden.» (WürtLR. 1555 S. 32).
[15]
Auch beim «Gescheidmeier» könnte man denken, es handele sich um eine spaßige Wortbildung, aber weit gefehlt: Gemeint ist damit der Vorsitzende eines Gescheids, also eines Gerichts zur Schlichtung von Grenz- und Feldstreitigkeiten:14 So heißt es in einer Waldkircher Quelle von 1757 über das Gescheid: «der Präsident heisset Gescheidmeier, dessen Bediente sind die Bannwarten» (Waldkirch,Einl. II Anh. 35). Analog dazu gab es in Basel den «Scheidmeier» als Vorsteher des dortigen Feldgerichts (Scheid oder Schied bedeutet Grenze):15 «jerlich uf den Aufartstag muoß der Scheidmeyer mit den Banwarten und der Gotsheuseren Schaffneren ... umb der großen Statt Basel Bann ... reithen, dan reithen ... 400 junger Burger mit, damit man der Statt Bann ... in frischer Gedechtnuß ... erhalte» (1597 Ryff,BaselRegiment 28). Die Zuständigkeit von Meiern zur Überwachung von Grenzen und zur Ausübung der Gerichtsbarkeit bei Grenzstreitigkeiten scheint es somit häufiger gegeben zu haben.16

6.

Lache, Lachen, Lachmeier ^

[16]
Was aber hat es nun mit dem Lachmeier auf sich? Nach dem Vorangehenden dürfen wir auch hierin eine alte Berufsbezeichnung vermuten.17 Denkbar wäre es, den Lachmeier (ebenso wie den «Lohmeier») mit dem Loh (m., n.) im Sinne von Wald oder – etwas wahrscheinlicher – der Loh (f.) mit der Bedeutung Sumpf (vgl. die heutige «Lache») in Verbindung zu bringen, dann würde die Bezeichnung wohl einen Hinweis auf die Beschaffenheit des Bauernguts abgeben, das er verwaltete oder bewirtschaftete. Man könnte auch daran denken, dass eigentlich ein «Lochmeier» gemeint sei, vielleicht zu Loch im Sinne von Gefängnis,18 dann wäre er so etwas wie ein Lochmeister oder Lochwirt (Gefängnisverwalter) gewesen.19 Allzu plausibel erscheinen diese Zuordnungen indes alle nicht.
[17]
Bei einer Suche nach «Lach*» (rechtstrunkiert) in DRW-Online begegnet eine ganze Wortfamilie mit dem Simplex «Lach(e) (vorwiegend n.), Lachen (vorwiegend f. u. n.)»20. Das bereits im Althochdeutschen belegte und auch latinisiert vorkommende Wort bedeutet zunächst Grenzmarkierung (an einem Baum oder Stein), dann meint es auch den markierten Baum oder Stein selbst bzw. einen Grenzpfahl; schließlich wird das Wort zusätzlich für die (mit Markierungen gekennzeichnete) Grenze verwendet.
[18]
In den Quellen des DRW begegnet bereits 770 n.Chr. eine «incisio arborum …, quae vulgo lachus appellatur» (Lorscher Kodex, MGSS. 21 S. 350). Die weiteren DRW-Belege spiegeln sowohl die Schreibformenvielfalt als auch die regionale Bandbreite des Wortes wider. So heißt es beispielsweise um 1322 in einer schweizerischen Quelle: «dis sint die Lâchen vnd Rechte des Hofes ze E. vnd die Lâchen des Kreißes desselben Hofes» (Argovia 9 (1876) 9). Ein Wiener Text von 1371 handelt von «den Kreizzen vnd Lavchinen ze Ringe vmb ir Closter, als die mit Marich steynen, mit Wasser rvnsen vnd mit andern Gemerken von Alter vz gezeichenet sind» (ZGO. 6 (1855) 363). Eine Vorschrift des berühmten Freiburger Stadtrechts von 1520 verbietet bei Ehren- oder Todesstrafe das Manipulieren der Lachen: «welcher wissentlich heimlich zuo Schaden vnd Nach teil dem andern Marckstein vnd Lochen verendert, der sol von allen Eren gesetzt vnd sunst nach Gelegenheit der Sachen am Guot darzuo gestrafft werden. Und einer moechts so offt vnd dick thuon, es gieng jm an sin Leben» (FreiburgStR. V 18). Ein niederösterreichisches Weistum (Dorfrecht) aus dem späten 16. Jahrhundert lässt demgegenüber eine (hohe) Geldstrafe genügen: «wann die Vierer gehen auf Reihen und auf Rain zu Dorf und zu Perg, nach iren Treuen Außzaigen und Lahen stessen, und wer dieselben Lahen nacher bricht oder anderst stost, der ist zu Wandl nach ieder Lahen umb 72 dn.» (ÖW. VII 930). In einer württembergischen Verordnung von 1644 wird das Setzen der Grenzmarkierungen erläutert: «Lauchen oder Louchen hauet man zwischen zweyen angränzenden Wäldern, die so dik verwachsen sind, daß man die unten stehende Marksteine ... nicht sehen kann: man hauet also von der Rinde mehrerer Bäume, die auf dem Mark stehen, etwas weniges weg, und die auf einander passende an diese Bäume gehauene Blässen sind die Louchen» (AbhFeldsteußler 23). Wilhelm Gottfried von Moser erklärt «Lache» 1790 in seinem «Forstarchiv» ein wenig anders: «Lauche ist ein gebrennter oder gezeichneter, zuweilen auch ungezeichneter eichner Pfahl, der die Stelle eines Marksteins vertritt oder auch neben den Stein geschlagen wird» (Moser, ForstArch. VI 150).
[19]
Zur Lache als Grenze oder Grenzmarkierung gibt es nicht nur ein heute fast vergessenes Verb «lachen» mit der Bedeutung «mit Grenzzeichen versehen, abgrenzen»21 (nicht zu verwechseln mit dem damit homonymen «Lachen», wenn etwas Spaß macht). Es haben sich hierzu auch zahlreiche Komposita herausgebildet, die einen guten Eindruck vom Bedeutungsspektrum abliefern:22 So ist ein «Lachgraben» ein Grenzgraben, ein «Lachpfahl» ein als «Lachzeichen», also zur Grenzmarkierung, dienender Pfahl und ein «Lachstein» nichts anderes als ein Grenzstein. «Lachbaum» oder «Lachenbaum» bezeichnet einen auf einer Grenze stehenden, mit einem Grenzzeichen versehenen Baum; «lachbaumen» bedeutet dementsprechend «mit Lachenbäumen abgrenzen». Es gab vielerlei unterschiedliche Lachbäume; in Rechtsquellen erwähnt werden beispielsweise «Lachbuchen», «Lacheichen» und «Lachtannen».
[20]
Als «Lachenbuch» wurde das Verzeichnis der Grenzmarkierungen einer Gemeinde bezeichnet. Und bei einer der früher regelmäßig, oft jährlich vorgenommenen Grenzbegehungen (sog. «Lachung») wurde mancherorts ein sogenanntes «Lachenbüchlein» als Protokollbuch mitgenommen. Zudem konnte bei Grenzstreitigkeiten ein «Lachengericht» tätig werden. Da dieses in seinen Aufgaben frappierend an das «Scheid-» oder «Gescheidgericht» erinnert, dem der «Scheid-» bzw. «Gescheidmeier» vorstand, stellt sich unwillkürlich die Frage: Sollte auch der Lachmeier ein solcher Grenzrichter gewesen sein?

7.

Fazit ^

[21]
Nicht nur beim Namen «Lachmeier», sondern auch vielen anderen «Meiern» scheint ein sprachlicher Bezug zu einer Grenze wahrscheinlich. Neben dem (als Namen seltenen) «Grenzmeier» lässt sich etwa an den «Friedmeier» (zu «Fried»: Zaun, Grenze)23, den «Hattermeier» (zu «Hatter»: Grenzzeichen)24, den «Letzemeier» (zu «Letze»: Grenze, Grenzbefestigung)25, den «Markmeier» (zu «Mark»: Grenze, Grenzgebiet)26 und den «Schnatmeier» (zu «Schnat»: Grenze, Grenzzeichen)27 denken. Diese Anhäufung von Meiern mit Grenzbezug unterstützt die These, dass es sich auch beim Lachmeier um eine Art «Grenzmeier» handelte. Anders als beim «Scheid-» und «Gescheidmeier» kann allerdings weder in Bezug auf den «Lachmeier» noch in Bezug auf einen der anderen genannten Meier ein Beleg dafür gefunden werden, dass es sich dabei, bevor aus der Berufsbezeichnung ein Name wurde, um den Vorsitzer eines Gerichts über Flur- und Grenzstreitigkeiten gehandelt hat. Da gerade rechtliche und insbesondere gerichtliche Tätigkeiten sehr häufig (früher oder später) einen schriftlichen Niederschlag gefunden haben, spricht der Umstand, dass in den Quellen des DRW nirgendwo ein «Lachmeier» begegnet, sogar sehr deutlich gegen eine richterliche Funktion. Am wahrscheinlichsten erscheint mithin, dass ein «Lachmeier» ursprünglich ein Meiergut in Grenznähe innehatte.28 Dies freilich ist für sich genommen nicht rechtlich genug für einen Artikel im DRW. Da das DRW zudem ein Belegwörterbuch ist, dürfte ein solcher Artikel schon in Ermangelung der Quellenbelege nicht erstellt werden. Darum also steht der Lachmeier nicht im Deutschen Rechtswörterbuch.

8.

Literatur ^

Bach, Adolf, Deutsche Namenkunde, 3. Bde., Heidelberg 1952-1956.

Bauer, Gerhard, Deutsche Namenkunde, 2. Aufl., Berlin 1998.

Berlin, Konrad, Die verlängerten Meyers, in: Muttersprache 69 (1959), Seite 309-313.

Debus, Friedhelm, Namenkunde und Namengeschichte, Berlin 2012.

ders./Seibicke, Wilfried (Hrsg.), Namentheorie, Reader zur Namenkunde I, Germanistische Linguistik 98/100 (1989).

Deutsch, Andreas, Das Deutsche Rechtswörterbuch – ein Sprachwörterbuch zur Rechts- und Kulturgeschichte, in: Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes 57 (2010), Seite 419–431.

ders., The «Dictionary of Historical German Legal Terms» and its European concept, in: Brewer, Charlotte (Hrsg.), The Fifth International Conference on Historical Lexicography and Lexicology (ICHLL5), Oxford University Research Archive (ORA), http://ora.ox.ac.uk/objects/uuid:ef5d07d3-77fc-4f07-b13f-d4c24b4d1848, 2011.

ders., Von «tausend Wundern» und einem «gewaltigen Zettelschatz» – Aus der Geschichte des Deutschen Rechtswörterbuchs, in: ders. (Hrsg.), Das Deutsche Rechtswörterbuch – Perspektiven, Heidelberg 2010, Seite 21-45.

Gottschald, Max, Deutsche Namenkunde, mit einer Einführung in die Familiennamenkunde von Rudolf Schützeichel, 6. Aufl., Berlin 2006.

Heintze, Albert/Cascorbi, Paul, Die deutschen Familiennamen: geschichtlich, geographisch, sprachlich, 7. Aufl., Halle (Saale)/Berlin 1933.

Kohlheim, Rosa/Kohlheim, Volker (Bearb.), Duden: Familiennamen – Herkunft und Bedeutung, 2. Aufl., Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich 2005.

Koß, Gerhard, Namenforschung – eine Einführung in die Onomastik, 3. Aufl., Tübingen 2002.

Lemberg, Ingrid, Die Entstehung des Deutschen Rechtswörterbuches, in: Lexicographica 12 (1996), S. 105-124.

dies., Lexikographie und Kulturgeschichte: 1.400 Jahre Rechtskultur im Spiegel des Deutschen Rechtswörterbuchs, in: Kämper, Heidrun/Eichinger, Ludwig (Hrsg.), Sprache, Kognition, Kultur: Sprache zwischen mentaler Struktur und kultureller Prägung, Berlin/New York 2008, Seite 151-173.

Müller, Gunter, Schulte und Meier in Westfalen, in: Reader zur Namenkunde II, Germanistische Linguistik 115/118 (1993), Seite 351-372.

Nübling, Damaris, Namen: eine Einführung in die Onomastik, Tübingen 2012.

Rühl, Ulrike, Von Lust, Landgeschrei und Luftmäusen: Einblicke in Recht und Brauch vergangener Zeit, Signa Iuris 8, Halle (Saale) 2011.

Speer, Heino, Art. «Deutsches Rechtswörterbuch», in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte I, 2. Aufl., Berlin 2008, Spalte 1007-1011.

Wenzel, Walter, Familiennamen, in: Andrea Brendler (Hrsg.), Namenarten und ihre Erforschung, ein Lehrbuch für das Studium der Onomastik, Hamburg 2004, Seite 705-742.


 

Andreas Deutsch, Leiter der Forschungsstelle Deutsches Rechtswörterbuch an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften und Lehrbeauftragter der Universität Heidelberg.

  1. 1 Mehr zum DRW etwa bei: Speer, Art. «Deutsches Rechtswörterbuch», in: 2HRG I, Sp. 1007-1011; Deutsch, Das Deutsche Rechtswörterbuch – ein Sprachwörterbuch zur Rechts- und Kulturgeschichte, S. 419–431; ders., The «Dictionary of Historical German Legal Terms» and its European concept; Lemberg, Die Entstehung des Deutschen Rechtswörterbuches, in: Lexicographica 12 (1996), S. 105 ff.; Lemberg, Lexikographie und Kulturgeschichte: 1.400 Jahre Rechtskultur im Spiegel des Deutschen Rechtswörterbuchs, S. 151 ff. Zur kulturhistorischen Bandbreite des Quellenmaterials: Rühl, Von Lust, Landgeschrei und Luftmäusen. Zur Geschichte des DRW etwa: Deutsch, Von «tausend Wundern» und einem «gewaltigen Zettelschatz», S. 21-45.
  2. 2 Vgl. Art. «Schultheiß», DRW 12, Sp. 1416 ff.
  3. 3 Auch der Schneider selbst hat natürlich einen Artikel: vgl. DRW 12, Sp. 976-980.
  4. 4 Hierzu Art. «Schröter», DRW 12, Sp. 1230 ff.
  5. 5 Dies nur als Beispiele – orientiert an den Häufigkeitslisten der Nachnamen im deutschsprachigen Raum, vgl. etwa: Nübling, Namen, S. 147. Bei diesen Listen ist deshalb Vorsicht geboten, weil unterschiedliche Schreibungen von Namen (Meier, Maier, Mayer usw.) meist getrennt gezählt werden, weshalb Namen mit eher einheitlicher Schreibweise (Müller, Schneider) in der Statistik «nach oben rutschen».
  6. 6 Dieser Beitrag möchte die Bandbreite der Berufsbezeichnungen mit Grundwort «Meier» anhand der Artikel des DRW darstellen; ein onomastischer Anspruch besteht ausdrücklich nicht. Dennoch sollen die nachfolgenden Beispiele zeigen, dass das DRW durchaus Anstöße für die Namensforschung liefern kann. Ohne rechtshistorische Kenntnisse jedenfalls drohen manche Namensdeutungen so zweifelhaft zu werden wie im Beitrag von Berlin, Die verlängerten Meyers, in: Muttersprache 69, S. 309 ff. Aus Platzgründen sei anstelle eines ausführlichen Literaturnachweises zum Thema aus namenskundlicher Sicht exemplarisch verwiesen auf: Müller, Schulte und Meier in Westfalen, in: Germanistische Linguistik 115/118 (1993), S. 351 ff.; Gottschald, Deutsche Namenkunde, insb. S. 346 f. Allg. auch: Koß, Namenforschung, insb. S. 37 ff.; Bauer, Deutsche Namenkunde; Debus, Namenkunde und Namengeschichte; Brendler (Hrsg.), Namenarten und ihre Erforschung, dort insb. Kapitel 27 (Familiennamen) von Walter Wenzel, S. 705 ff.
  7. 7 Art. «Meier», DRW 9, Sp. 415-419.
  8. 8 Die nachfolgenden Berufsbeschreibungen folgen den entsprechenden Artikeln des DRW zu den einzelnen «-meiern»; aufgrund der großen Vielzahl wurde auf eine genaue Fundstellenangabe verzichtet.
  9. 9 Vgl. GrW. II, 54 (1535).
  10. 10 Vgl. den Art. Hufer, DRW 6, Sp. 1-4.
  11. 11 Vgl. DRW 12, Sp. 405 f.
  12. 12 Das Belegzitat stammt (wie alle folgenden, soweit nichts anderes angegeben ist) stets aus dem jeweils zitierten Artikel des DRW, weshalb als Quellenangabe lediglich die betreffende Sigle des DRW mitangegeben wird. Zur Auflösung der Siglen sei auf das Quellenverzeichnis in DRW-Online verwiesen. Zum besseren Verständnis wurde in den Belegtexten die Groß- und Kleinschreibung den heutigen Gepflogenheiten angepasst. Sollte ein Wort unbekannt sein, empfiehlt sich eine Suche über «Schreibformen der Stichwörter» in DRW-Online.
  13. 13 Vgl. DRW 2, Sp. 1546.
  14. 14 DRW 4, Sp. 434.
  15. 15 DRW 12, Sp. 370.
  16. 16 Möglicherweise gehört hierhin auch der Friedmeier (DRW. III Sp. 938 – zu 2Friede, Fried – Zaun, Einfriedung, Grenze, heute noch z.B. in «Umfriedung»)
  17. 17 Die meisten namenkundlichen Wörterbücher deuten «Lach-» als Lagebezeichnung, sei es für den Wohnsitz des Meiers, sei es für seinen Hof, wobei in der Regel offengelassen wird, ob eher die Lage an einer Grenze oder an einem Sumpf gemeint ist; vgl. etwa Gottschald, Deutsche Namenkunde, S. 314 u. 346 f.; Adolf Bach, Deutsche Namenkunde, 3. Bde., Heidelberg 1952-1956, u.a. I § 237, II § 379 (zu Lache als Grenze) und II §§ 296, 309 (zu Lache als Sumpf); Albert Heintze/Paul Cascorbi, Die deutschen Familiennamen: geschichtlich, geographisch, sprachlich, 7. Aufl., Halle (Saale)/Berlin 1933, S. 316; Duden, Familiennamen – Herkunft und Bedeutung, bearb. von Rosa und Volker Kohlheim, 2. Aufl., Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich 2005, S. 408.
  18. 18 Vgl. im DRW (online über rechtstrunkierte Suche: Loch*) die Artikel Loch, lochen, Lochgefängnis, Lochgeld, Lochhaus, Lochhüter, Lochordnung, Lochschreiber, Lochwärter, DRW 8, Sp. 1376 ff.
  19. 19 DRW 8, Sp. 1378.
  20. 20 DRW 8, Sp. 237-239.
  21. 21 Vgl. im DRW die Artikel «1lachen» und «2lachen», DRW 8, Sp. 239-240.
  22. 22 Vgl. DRW 8, Sp. 237 ff.
  23. 23 DRW 3, Sp. 911-912.
  24. 24 DRW 5, Sp. 236.
  25. 25 DRW 8, Sp. 1241-1242.
  26. 26 Vgl. Art. «1Mark (II)», DRW 9, Sp. 194 f.
  27. 27 DRW 12, Sp. 961 f.
  28. 28 Vgl. hierzu auch den Art. «Lachenschuppose», DRW 8, Sp. 241.