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Authentische Kundmachung der Landesgesetzblätter im Rechtsinformationssystem des Bundes

  • Author: Andreas Rosner
  • Category: Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: Jurisprudence
  • Citation: Andreas Rosner, Authentische Kundmachung der Landesgesetzblätter im Rechtsinformationssystem des Bundes, in: Jusletter IT 11 September 2014
Art. 101a B VG ermöglicht seit 2012 die authentische Kundmachung der Landesgesetzblätter im Rahmen des Rechtsinformationssystems des Bundes. Der Beitrag untersucht die Entstehung dieser Bestimmung und stellt dar, wie die Länder diese Möglichkeit zu nutzen gedenken.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Einleitung
  • 2. Initiativen der Länder
  • 2.1. Länderumfrage 2004
  • 2.2. Landesamtsdirektorenkonferenz 2006/2007
  • 2.3. Länderforderungen an die Bundesregierung 2009
  • 2.4. Gemeinsames Länderersuchen 2011
  • 2.5. Landesamtsdirektorenkonferenz 2011
  • 3. Umsetzung des Länderersuchens
  • 3.1. Regierungsvorlage 2011
  • 3.2. Gemeinsames Länderersuchen 2012
  • 3.3. Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012
  • 4. Welche Länder werden die Option nützen?
  • 4.1. Länder, die beabsichtigen, das Landesgesetzblatt im Rahmen des RIS kundzumachen
  • 4.2. Abwartende Länder
  • 5. Zusammenfassung und Ausblick
  • 6. Literatur

1.

Einleitung ^

[1]
Das Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS) ist für die juristische Praxis in einem Maße unverzichtbar geworden, dass man sich nur mehr mit Staunen und Unbehagen an die Zeit zurückerinnert, in der allein das Auffinden der geltenden Rechtslage in einem etwas entlegeneren Gebiet stundenlange Bibliotheksrecherche erforderte. Eines der zahlreichen bleibenden Verdienste Friedrich Lachmayers ist eben dieses RIS in seiner jetzigen Gestalt als für jedermann zugängliche kostenfrei abrufbare Internetapplikation1. Längst haben auch Inhalte anderer Normsetzer als jenen des Bundesbereiches Einzug in das RIS gehalten, was das RIS in Wahrheit nicht bloß als Rechtsinformationssystem des Bundes, sondern vielmehr als – wenngleich vom Bund betriebenes – Rechtsinformationssystem der Republik Österreich erscheinen lässt. Durch eine spezielle bundesverfassungsgesetzliche Ermächtigung ist es nunmehr seit 2012 möglich, dass die Länder die Landesgesetzblätter authentisch im RIS kundmachen können, was eine noch stärkere Integration des Landesrechts in das «gesamtstaatliche Rechtsportal»2 RIS fördern wird.

2.

Initiativen der Länder ^

2.1.

Länderumfrage 2004 ^

[2]
Aus Anlass der Einführung der elektronischen authentischen Kundmachung des Bundesgesetzblattes mit Wirkung vom 1. Jänner 2004 durch das Kundmachungsreformgesetz 2004, BGBl I 100/2003, führte die Verbindungsstelle über Antrag von Wien eine Länderumfrage durch, ob Pläne zur Einführung einer elektronischen authentischen Kundmachung auch im Landesbereich bestünden3.
[3]
Kärnten berichtete im Zuge dieser Umfrage über den Schriftverkehr mit dem Bundeskanzleramt, wonach dieses eine authentische Kundmachung von Landesgesetzen im Rahmen des RIS für bundesverfassungsrechtlich nicht zulässig erachtete. Hauptargument dafür sei Art. 97 Abs. 1 BVG («Zu einem Landesgesetz sind […] und die Kundmachung durch den Landeshauptmann im Landesgesetzblatt erforderlich»).
[4]
Niederösterreich und Tirol zeigten grundsätzliches Interesse an einer elektronischen authentischen Kundmachung, Oberösterreich und Steiermark sahen die Sache als nicht prioritär an, Vorarlberg war über den Nutzen skeptisch. Salzburg kündigte die Einführung der elektronischen authentischen Kundmachung durch eine eigenständige Lösung außerhalb des RIS an (Kundmachungsreformgesetz 2005 – Sbg LGBl 18/2005).

2.2.

Landesamtsdirektorenkonferenz 2006/2007 ^

[5]
In der Tagung der Landesamtsdirektorenkonferenz am 5. Oktober 2006 in Traunkirchen berichtete der – den Sitzungen der Landesamtsdirektorenkonferenz stets beigezogene4 – Leiter des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst, von einigen Ländern sei der Wunsch an den Bund herangetragen worden, das Landesgesetzblatt authentisch im RIS kundmachen zu können. Dem stünden jedoch nach geltender Rechtslage die unter 2.1 erwähnten bundesverfassungsgesetzlichen Vorschriften entgegen. Das Bundeskanzleramt stellte in Aussicht, sich schriftlich mit Lösungsvorschlägen an die Länder zu wenden.
[6]
Mit Schreiben vom 16. Oktober 20065 bekräftigte der Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst die Rechtsansicht, eine Kundmachung des Landesrechtes im RIS sei nach geltender Verfassungslage unzulässig und bedürfte daher einer vorherigen Änderung der Bundesverfassung. Burgenland, Kärnten und Oberösterreich seien bereits mit dem Wunsch einer authentischen elektronischen Publikation im RIS an das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst herangetreten.
[7]
Die Länder begrüßten die Ermöglichung der authentischen elektronischen Kundmachung im RIS, betonten jedoch, es solle lediglich eine Ermächtigung und keinesfalls eine Verpflichtung für die Länder geschaffen werden.
[8]

In Kenntnis dieser Entwicklung befasste sich die Landesamtsdirektorenkonferenz in ihrer Tagung am 16. März 2007 in Mattsee neuerlich mit der Frage. Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst teilte dabei seine Absicht mit, eine bundesverfassungsrechtliche Grundlage im Wege einer B-VG-Novelle zu schaffen, welche die Kundmachung im RIS für die Länder, die dies möchten, ermöglicht. Eine Verpflichtung für die Länder wäre damit nicht verbunden.

[9]

Die Landesamtsdirektorenkonferenz fasste daraufhin folgenden Beschluss6:

    «Die Landesamtsdirektorenkonferenz begrüßt die Absicht des Bundes, eine bundesverfassungsrechtliche Grundlage für die Kundmachung des Landes- und Gemeinderechts im Rahmen des Rechtsinformationssystems des Bundes (RIS) zu schaffen. Diese Grundlage soll eine Ermächtigung, jedoch keine Verpflichtung der Länder zur Kundmachung im RIS beinhalten.»

2.3.

Länderforderungen an die Bundesregierung 2009 ^

[10]
Die Landeshauptleutekonferenz beschloss am 22. Jänner 2009 in Wien «Länderforderungen an die neue Bundesregierung»7. Darin griff die Landeshauptleutekonferenz diesen nicht umgesetzten Länderwunsch auf und hielt fest: «Der Bund sollte die Möglichkeit (nicht die Verpflichtung) schaffen, dass auch Landes- und Gemeinderecht im Rechtsinformationssystem des Bundes authentisch kundgemacht werden kann.»

2.4.

Gemeinsames Länderersuchen 2011 ^

[11]
Die Länderexpertenkonferenz der Verfassungsdienste der Länder befasste sich im Jänner 2011 mit der nach wie vor unveränderten Situation. Tirol berichtete dabei, dass einerseits Salzburg eine Lösung auf eigenständigem Weg verwirklicht habe, andererseits eine Reihe anderer Länder Bestrebungen zur elektronischen authentischen Kundmachung des Landesgesetzblattes im RIS des Bundes verfolge, was bislang mangels bundesverfassungsgesetzlicher Grundlage nicht möglich gewesen sei. Wenn es diese Bestrebungen weiterhin geben sollte, dann könnte überlegt werden, neuerlich an den Bund heranzutreten, um durch eine entsprechende Änderung des B-VG den Ländern die Option einer authentischen elektronischen Kundmachung im RIS zu eröffnen.8
[12]

Die Beratungen der Verfassungsdienste der Länder mündeten schließlich in folgendes gemeinsame Länderersuchen:

«Unter Hinweis auf in einigen Ländern bestehende Überlegungen, zum Teil relativ kurzfristig eine Form elektronischer authentischer Kundmachung des Landes- und Gemeinderechts zu installieren, erinnern die Länder an Initiativen, eine elektronische authentische Kundmachung des Landes- und Gemeinderechts im Rahmen des Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS) zu ermöglichen (‹Ermächtigung, jedoch keine Verpflichtung zur Kundmachung im RIS ›), vor allem

  • den Beschluss der Landesamtsdirektorenkonferenz vom 16. März 2007 (VSt-1866/17 vom 19. März 2007) sowie
  • ein entsprechendes Ersuchen in den ‹Länderforderungen an die neue Bundesregierung › (Beilage zu VSt-56/966 vom 22. Januar 2009, S. 5).

Die Länder erneuern dieses Ersuchen und bitten um Bekanntgabe eines konkreten Zeitplans, allenfalls um Bekanntgabe entgegenstehender Hindernisse.»9

2.5.

Landesamtsdirektorenkonferenz 2011 ^

[13]
In der Tagung der Landesamtsdirektorenkonferenz am 29. April 2011 in Bad Ischl wurde dem anwesenden Leiter des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst das Ersuchen der Länder an den Bund um Schaffung einer Möglichkeit authentischer Kundmachung des Landes- und Gemeinderechtes im RIS neuerlich vorgetragen. Dieser sagte zu, dies im Zuge einer kommenden BVG-Novelle vorzusehen.10

3.

Umsetzung des Länderersuchens ^

3.1.

Regierungsvorlage 2011 ^

[14]

Die am 14. Dezember 2011 im NR eingebrachte Regierungsvorlage für eine Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, 1618 BlgNR 24. GP11, sah in ihrem Art. 1 Z 47 folgenden Art. 101a BVG vor:

    «Artikel 101a. Die Kundmachung der im Landesgesetzblatt zu verlautbarenden Rechtsvorschriften kann im Rahmen des Rechtsinformationssystems des Bundes erfolgen.»

[15]

In den Erläuterungen wird dazu ausgeführt:

    «Entsprechend dem Wunsch einzelner Länder soll durch den vorgeschlagenen Artikel die Kundmachung der im Landesgesetzblatt zu verlautbarenden Rechtsvorschriften im Rahmen des Rechtsinformationssystems des Bundes ermöglicht werden. Ob die Länder von dieser Möglichkeit Gebrauch machen oder die Kundmachung im Landesgesetzblatt in ihrer bisherigen Form beibehalten, ist Sache der Landes(verfassungs)gesetzgebung.»

3.2.

Gemeinsames Länderersuchen 2012 ^

[16]

Unter Bezugnahme auf die Regierungsvorlage erarbeiteten die Verfassungsdienste der Länder ein gemeinsames Länderersuchen, in dem die Länder das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst «im Interesse einer erforderlichen und vor allem auch zeitgerechten Aufbereitung der Entscheidungsgrundlagen um Bekanntgabe insbesondere organisatorischer, technischer und gegebenenfalls finanzieller Rahmenbedingungen für eine allfällige Inanspruchnahme dieser Ermächtigung» ersuchten12.

[17]
Das Bundeskanzleramt übermittelte daraufhin den Ländern technische Spezifikationen des Dokumentenaustausches und unterstrich erstens, es sei von den Ländern an das Bundeskanzleramt für die rechtlich verbindliche Kundmachung des Landesgesetzblattes im RIS kein Entgelt zu zahlen und zweitens, es würde begrüßt, wenn die Länder von dieser Option Gebrauch machten13.

3.3.

Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 ^

[18]
Die am 15. Mai 2012 im NR und am 31. Mai 2012 im BR jeweils einstimmig beschlossene Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 wurde mit BGBl I 51/2012 am 5. Juni 2012 kundgemacht. Art. 101a BVG ist darin in gegenüber der RV unveränderter Fassung enthalten und gem. Art. 151 Abs. 51 Z 6 BVG mit 1. Juli 2012 in Kraft getreten.

4.

Welche Länder werden die Option nützen? ^

[19]
Eine entsprechende Anfrage des Bundeskanzleramtes wurde von den Ländern im Frühjahr 2012 wie folgt beantwortet:

4.1.

Länder, die beabsichtigen, das Landesgesetzblatt im Rahmen des RIS kundzumachen ^

[20]
Die authentische Kundmachung des Landesgesetzblattes im Rahmen des RIS streben an Burgenland14 (frühestens mit 1. Juli 2013), Kärnten15 (spätestens mit 1. Jänner 2014), Oberösterreich16 (möglicher Realisierungstermin 1. Jänner 2014), Steiermark17 (möglicher Realisierungstermin 1. Jänner 2014), Tirol18 (spätestens mit 1. Jänner 2014), Vorarlberg19 (möglicher Realisierungstermin 1. Jänner 2014) und Wien20.

4.2.

Abwartende Länder ^

[21]
Niederösterreich21 teilte mit, die Möglichkeit der authentischen Kundmachung im RIS in künftige Überlegungen einzubeziehen. Hinzuweisen ist hier auf die niederösterreichische Besonderheit der Kundmachung des Landesgesetzblattes in Lose-Blatt-Form22, die möglicherweise bei einer authentischen elektronischen Kundmachung nicht sinnvoll beibehalten werden könnte.
[22]
Salzburg23 beabsichtigt derzeit nicht, von der Option Gebrauch zu machen. Die eigenständige Salzburger Lösung habe sich in der Praxis bewährt. Für den Fall, dass sich alle anderen Länder für die Kundmachung im RIS entscheiden, werde auch Salzburg im Hinblick auf die für die Anwender vorteilhafte Einheitlichkeit erwägen, die Option zu nützen.

5.

Zusammenfassung und Ausblick ^

[23]
Das Bundesgesetzblatt wird seit dem 1. Jänner 2004 im Rechtsinformationssystem des Bundes authentisch elektronisch kundgemacht. Die authentische Kundmachung der Landesgesetzblätter im RIS war nach der Rechtslage vor dem 1. Juli 2012 bundesverfassungsrechtlich ausgeschlossen. Nunmehr bietet Art. 101a BVG die Möglichkeit, dass auch die Länder ihre Landesgesetzblätter im RIS authentisch kundmachen.
[24]
Sieben Länder planen derzeit, diese Möglichkeit ab den Jahren 2013/2014 zu nützen. Zwei Länder verhalten sich derzeit noch abwartend, jedoch scheint es nicht ausgeschlossen zu sein, dass am Ende des Meinungsbildungsprozesses alle neun Länder das Angebot des Bundes annehmen.
[25]
Die durch Art. 101a BVG ausgedrückte Bereitschaft des Bundes, den Ländern eine technische Plattform zur elektronischen Kundmachung ihres Rechts zur Verfügung zu stellen, ist bezeichnend für den in Österreich weithin herrschenden Geist des kooperativen Bundesstaates.

6.

Literatur ^

Irresberger, Das RIS als gesamtstaatliches Rechtsportal, FS 60 Jahre Verbindungsstelle der Bundesländer (2011) 493

Lienbacher, Die Landeshauptleutekonferenz, die Landesamtsdirektorenkonferenz und das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst, FS 60 Jahre Verbindungsstelle der Bundesländer (2011) 147


 

Andreas Rosner, Leiter der Verbindungsstelle der Bundesläder, Wien, Österreich.

  1. 1 www.ris.bka.gv.at/.
  2. 2 Irresberger, Das RIS als gesamtstaatliches Rechtsportal, FS 60 Jahre Verbindungsstelle der Bundesländer (2011) 493.
  3. 3 VSt-1866/8 vom 17. August 2004.
  4. 4 Dazu Lienbacher, Die Landeshauptleutekonferenz, die Landesamtsdirektorenkonferenz und das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst, FS 60 Jahre Verbindungsstelle der Bundesländer (2011) 147.
  5. 5 VSt-1866/13 vom 23. Oktober 2006.
  6. 6 VSt-1866/17 vom 19. März 2007.
  7. 7 VSt-56/966 vom 22. Januar 2009.
  8. 8 VSt-6526/5 vom 11. Januar 2011.
  9. 9 VSt-1866/19 vom 17. Februar 2011.
  10. 10 VSt-2/1047 vom 4. Mai 2011.
  11. 11 http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/I/I_01618/index.shtml.
  12. 12 VSt-1866/22 vom 15. Februar 2012.
  13. 13 VSt-1866/29 vom 25. Mai 2012.
  14. 14 VSt-1866/25 vom 24. April 2012.
  15. 15 VSt-1866/25 vom 24. April 2012.
  16. 16 VSt-1866/30 vom 29. Mai 2012.
  17. 17 VSt-1866/28 vom 8. Mai 2012.
  18. 18 VSt-1866/26 vom 26. April 2012.
  19. 19 VSt-1866/32 vom 6. Juni 2012.
  20. 20 VSt-1866/27 vom 4. Mai 2012.
  21. 21 VSt-1866/31 vom 6. Juni 2012.
  22. 22 § 1 Abs. 2 NÖ Verlautbarungsgesetz, LGBl 0700.
  23. 23 VSt-1866/24 vom 12. April 2012.