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«Transparenz» von Mobilfunkverträgen

  • Author: Susanne Forizs
  • Category: Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: Telecommunications law
  • Collection: Tagungsband IRIS 2014
  • Citation: Susanne Forizs, «Transparenz» von Mobilfunkverträgen, in: Jusletter IT 20 February 2014
Die IRIS 2014 steht unter dem Generalthema «Transparenz». Dieser Beitrag widmet sich der Transparenz von Endkundenverträgen. Im Bereich der Telekommunikation wird täglich eine große Anzahl von Verträgen, die einander inhaltlich weitgehend gleichen, abgeschlossen. Anders als in anderen Bereichen, werden im Telekommunikationsbereich nicht nur auf Grund der Rationalisierung, sondern auch auf Grund der bestehenden gesetzlichen Verpflichtung (§ 25 Abs. 1 bzw. 2 TKG 2003) Allgemeine Geschäftsbedingungen diesen Verträgen zu Grunde gelegt. Betreiber von Telekommunikationsdiensten und –netzen sind daher verpflichtet, Allgemeine Geschäftsbedingungen, die einen bestimmten Mindestinhalt (§ 25 Abs. 4 TKG 2003) aufweisen, zu erstellen. Im Zusammenhang mit der Gestaltung von Endkundenverträgen existieren zahlreiche nationale und unionsrechtliche Regelungen, die es zu beachten gilt. Vertragsbedingungen von Telekommunikationsbetreibern waren in den vergangen Jahren Gegenstand von Verbandsverfahren in Österreich. In allen Verfahren wurden vom Obersten Gerichtshof eine Vielzahl von Klauseln als rechtwidrig erkannt. Verletzungen des § 864a ABGB (überraschende und benachteiligende Bestimmungen), § 879 Abs. 3 ABGB (gröbliche Benachteiligung) und § 6 Abs. 3 KSchG (Intransparenz) führen oft zur Unwirksamkeit der vorgesehenen Vertragsklausel. An Hand zivilrechtlicher Judikatur sollen die bestehende Rechtsunsicherheit (Zahlscheinentgelt, einseitiges gesetzliches Änderungsrecht, usw.) und die damit verbundene Intransparenz von Telekommunikationsverträgen sowohl für die Endkunden als auch für die Betreiber von Telekommunikationsdiensten dargestellt werden. Abschließend behandelt der Vortrag die Frage, wie die geplante EU-VO zum digitalen Binnenmarkt sich auf die Transparenz von Endkundenverträgen auswirken könnte.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. «Transparenz» von Mobilfunkverträgen
  • 1.1. Einleitung
  • 2. Klassische Transparenz nach § 6 Abs. 3 KSchG
  • 3. Rechtsprechung in Österreich
  • 3.1. Zahlscheinentgelt
  • 3.2. Indexanpassungsklauseln
  • 3.3. Mindestvertragsdauer
  • 4. Verordnungsvorschlag zum digitalen Binnenmarkt (DSM)
  • 5. Schlussfolgerungen
  • 6. Literatur

1.

«Transparenz» von Mobilfunkverträgen ^

1.1.

Einleitung ^

[1]
In diesem Beitrag sollen verschiedene Problembereiche der «Transparenz» diskutiert werden. Zuerst wird ein kurzer Überblick über das klassische Verständnis von Transparenz i.S.d. § 6 Abs. 3 KSchG gegeben und in weiterer Folge wird sich der Schwerpunkt des Beitrags damit beschäftigen, dass aufgrund unklarer Gesetzgebung selbst für Rechtkundige und Experten der jeweiligen Rechtsgebiete Unklarheiten bezüglich der Bedeutung gesetzlicher Regelung bestehen. Diese Unklarheiten machen lange Verfahren, meist zu Lasten der Kunden, zur Klärung notwendig und ebenso aufwendige Rückabwicklungen von einzelnen Ansprüchen im Rahmen der bestehenden Dauerschuldverhältnisse. Aufgrund der dynamischen Änderungen der rechtlichen Grundlagen, die im Telekommunikationsbereich weitgehend durch Unionsrecht in Form von Richtlinien bzw. Verordnung determiniert werden, besteht das Risiko eines Zustandes permanenter Intransparenz in einigen Bereichen des Telekommunikationsrechts.
[2]
Im Bereich der Telekommunikation wird täglich eine große Anzahl von Verträgen, die einander inhaltlich weitgehend gleichen, abgeschlossen. Nach § 25 Abs. 1 TKG 2003 sind Betreiber verpflichtet, Vertragsbedingungen (Allgemeine Geschäftsbedingungen und Entgeltbestimmungen) zu erstellen und zu den erstellten Bedingungen – auf Grund des relativen Kontrahierungszwanges – Verträge abzuschließen. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der «Transparenz» von Endkundenverträgen im Telekommunikationsbereich. Endkundenverträge sind Verträge, die zwischen dem Betreiber eines Telekommunikationsnetzes bzw. –dienstes (z.B. Mobilfunkbetreiber) und einem Endnutzer (z.B. der Mobilfunkkunde) zu Stande kommen.

2.

Klassische Transparenz nach § 6 Abs. 3 KSchG ^

[3]
Ausdrücklich ist das Transparenzgebot im Konsumentenschutzgesetz (KSchG) in § 6 Abs. 3 KSchG verankert. Nach dieser Bestimmung sind die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen Regelungen unwirksam, wenn sie unklar oder unverständliche abgefasst werden. Aus § 6 Abs. 3 KSchG sind mehrere Einzelgebote des Transparenzgebotes abzuleiten: Das Gebot der Erkennbarkeit (Klarheit) und Verständlichkeit, das Gebot, den anderen Vertragsteil auf bestimmte Rechtsfolgen hinzuweisen, das Bestimmtheitsgebot, das Gebot der Differenzierung, das Richtigkeitsgebot und das Gebot der Vollständigkeit. Aus dem Gebot der Verständlichkeit wird u.a. abgeleitet, dass Inhalt und Tragweite der Vertragsklauseln für den Verbraucher durchschaubar sein müssen. Aus dem Richtigkeitsgebot wird abgeleitet, dass eine Klausel die Rechtslage nicht verschleiern oder undeutlich darstellen darf, da dadurch der rechtsunkundige Verbraucher über die tatsächliche Rechtslage getäuscht werden kann. Dieser Beitrag beschäftigt sich in weiterer Folge nicht mit der Transparenz im Sinne des § 6 Abs. 3 KSchG, sondern mit jenen Fällen, in denen die tatsächliche Rechtslage sowohl für Betreiber als auch für Kunden nicht erkennbar ist. Zu der Frage der klassischen Transparenz gibt es zahleiche Entscheidungen und umfassende Literatur1.

3.

Rechtsprechung in Österreich ^

[4]
Verletzungen des § 864a ABGB (überraschende und benachteiligende Bestimmungen), § 879 Abs. 3 ABGB (gröbliche Benachteiligung) bzw. § 6 Abs. 3 KSchG (Intransparenz), aber auch von Sonderregelungen wie sie z.B. im Telekommunikationsgesetz (TKG 2003) oder Zahlungsdienstegesetz (ZaDiG) vorkommen, können zur Unwirksamkeit von Vertragsklauseln führen, die in den Vertragsbedingungen vorgesehen sind.
[5]
An Hand von drei beispielhaft gewählten Themenbereichen, die für sämtliche Betreiber und Kunden relevant sind und auch in den Vertragsbedingungen als zwingender Mindestinhalt nach § 25 Abs. 4 bzw. Abs. 5 TKG 2003 aufzunehmen sind, werden die sowohl für Betreiber als auch Teilnehmer bestehenden Unklarheiten im Zusammenhang mit Endkundenverträgen dargestellt. Es werden dazu der aktuelle Stand der Judikatur zu den Bereichen Zahlscheinentgelt, Indexanpassungen und Mindestvertragsdauer und die offenen Fragen dargestellt.

3.1.

Zahlscheinentgelt ^

[6]
Die Frage, ob ein «Zahlscheinentgelt» zulässiger Weise vorgeschrieben werden kann, beschäftigte viele Jahre die Betreiber von Telekommunikationsdiensten und deren Endkunden.
[7]
Das «Zahlscheinentgelt» wurde als Entgelt dafür vorgesehen, dass Kunden keine Einzugsermächtigung erteilt haben. Das Zahlscheinentgelt kam daher bei sämtlichen Teilnehmern, die ohne Einzugsermächtigung bezahlten, z.B. auch im Falle einer Onlineüberweisung, zur Anwendung.
[8]

Im Jahr 2000 bestätigte der OGH im Rahmen eines Verbandsverfahrens2 nach § 28 KSchG die Wirksamkeit der Vereinbarung eines Zahlscheinentgeltes in Höhe von damals S 30,00. Der Oberste Gerichtshof führte aus, dass das Einzugsermächtigungsverfahren für alle Beteiligte Vorteile bieten und andere Zahlungsweisen einen Mehraufwand für den Betreiber darstellen. Nach den Ausführungen des Obersten Gerichtshofes sei es daher i.S.d. § 879 Abs. 3 ABGB nicht gröblich benachteiligend, jene Kunden, die Kosten tragen zu lassen, die diesen Mehraufwand verursacht haben.

[9]
Am 1. November 2009 ist in Österreich § 27 Abs. 6 Zahlungsdienstegesetz (BGBL I Nr. 66/2009 – ZaDiG) in Kraft getreten. Mit dem Zahlungsdienstegesetz wurde die Zahlungsdiensterichtlinie (RL 2007/64/EG) umgesetzt. In weitere Folge wurden die Vertragsbedingungen von mehreren Mobilfunkbetreibern, die die Verrechnung eines Zahlscheinentgeltes vorgesehen haben, im Rahmen eines Verbandsverfahrens geprüft. Der Oberste Gerichtshof hatte zu prüfen, ob seit dem Inkrafttreten des § 27 Abs. 6 ZaDiG die Verrechnung eines Zahlscheinentgeltes noch wirksam vereinbart werden kann, da § 27 Abs. 6 ZaDiG vorsieht, dass die Erhebung von Entgelten durch den Zahlungsempfänger für die Nutzung eines bestimmten Zahlungsinstrumentes unzulässig ist.
[10]

Im Rahmen des Verbandsverfahrens brachte der Betreiber vor, dass die Auslegung des § 27 Abs. 6 ZaDiG bzw. die gesamte Gesetzesbestimmung unionsrechtswidrig sei. Der Oberste Gerichtshof3 legte vor diesem Hintergrund die Frage dem Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 AEUV im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens4 vor.

[11]
Die im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens von Frankreich, Italien, Portugal und der Europäische Kommission abgegebenen Stellungnahmen bestätigten die im Rahmen des Verbandsverfahrens vom Verein für Konsumenteninformation vertretene Rechtsansicht.
[12]
Aus den Stellungnahmen folgt, dass das ZaDiG auf den Fall der Verrechnung von Zahlscheingebühren durch Unternehmen (z.B. Mobilfunkbetreiber) anwendbar sei. Weiters werde der unterschriebene Zahlschein (bzw. die Überweisung per Online-Banking) als sog. «Zahlungsinstrument» im Sinne der gesetzlichen Bestimmung angesehen. Ebenso werde die nationale Umsetzung – die Verrechnung von zusätzlichen Entgelten generell zu verbieten (und nicht nur effektive Zahlungsmittel, z.B. Kreditkarten) – als zulässig erachtet. Diesen Stellungnahmen entsprachen auch die Feststellungen des Generalanwaltes in der mündlichen Verhandlung. Eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes wird für das Jahr 2014 erwartet.

3.2.

Indexanpassungsklauseln ^

[13]
Im Rahmen eines Verbandsverfahrens nach § 28 KSchG prüfte das OLG Wien die AGB eines Telekommunikationsunternehmens, das mit Verbrauchern Mobilfunkverträge abschließt (OLG Wien 16. Mai 2013, 5 R 4/13i).
[14]
Unter anderem war eine AGB-Klausel, die eine Indexanpassung der monatlichen Grundentgelte vorsah, verfahrensgegenständlich. Das OLG Wien hatte insbesondere das Verhältnis von § 6 Abs. 1 Z 5 KSchG und § 25 Abs. 3 TKG 2003 zu beurteilen.
[15]

Bis zu der Entscheidung 5 R 4/13i des OLG Wien vom 16. Mai 2013 lagen zwei einander widersprechende Entscheidungen des HG Wien vor.5 Nunmehr liegen zwei Entscheidungen des OLG Wien vor, die auch widersprüchlich sind.

[16]
Zur Ausganglage: In der Entscheidung 19 Cg 122/12f vom 14. Februar 2013 kommt das HG Wien betreffend die AGB eines Mobilfunkbetreibers zu dem Ergebnis, dass die vorgesehene Indexanpassungsklausel nicht unter § 25 TKG 2003 zu subsumieren sei, weil bei der Ausübung des bei Vertragsabschluss vertraglich vereinbarten Rechtes auf Anpassung an den VPI die nach § 25 TKG 2003 erforderliche Einseitigkeit fehlen würde.
[17]

Demgegenüber gelangt das HG Wien in der Entscheidung 39 Cg 26/12k-6 vom 25. Oktober 2012 betreffend die AGB eines anderen Mobilfunkbetreibers zu dem Ergebnis, dass die vorgesehene Indexanpassungsklausel eine nicht ausschließlich begünstigende Änderung nach § 25 TKG 2003 darstelle. Das in § 25 TKG 2003 normierte kostenlose Kündigungsrecht und das Prozedere sei daher einzuhalten. Eine nähere Begründung dieser Rechtsansicht geht aus dem erstinstanzlichen Urteil nicht hervor. Dieses Urteil wurde nunmehr vom OLG Wien mit Hinweis auf die Entscheidung des OGH 3 Ob 107/11y vom 6. Juli 2011 zum Zahlungsdienstegesetz (ZaDiG) bestätigt und die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision ausgesprochen.

[18]
Mit dem Verhältnis von § 25 Abs. 3 TKG 2003 zu § 6 Abs. 1 Z 5 KSchG hat sich das OLG Wien auch im Rahmen eines zweiten Verbandsverfahrens (OLG Wien 7. Oktober 2013, 4 R 119/13v) betreffend die Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines anderen Mobilfunkbetreibers auseinandergesetzt. In diesem Verbandsverfahren kam (m.E. zutreffend) das OLG Wien unter Hinweis auf die Rechtsansicht von Ertl6 zu dem Ergebnis, dass Entgeltanpassungen, die auf Grund eines bereits vereinbarten Index vorgenommen werden, vom Schutzzweck des § 25 Abs. 3 TKG 2003 nicht erfasst sind. Nach dieser Entscheidung müssen daher Mobilfunkbetreiber das Prozedere nach § 25 TKG 2003 nicht einhalten und den Teilnehmern auch kein «kostenloses» Kündigungsrecht nach § 25 TKG 2003 einräumen.
[19]
Es bleibt zu hoffen, dass der OGH diese höchstgerichtlich noch nicht entschiedenen Rechtsfragen im Rahmen der außerordentlichen Revision bzw. der ordentlichen Revision klären kann und damit sowohl für Betreiber von Telekommunikationsdiensten als auch für Mobilfunkkunden Rechtssicherheit entsteht.

3.3.

Mindestvertragsdauer ^

[20]
Auch im Zusammenhang mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Mindestvertragsdauer mit Endkunden wirksam vereinbart werden kann, besteht derzeit noch keine Rechtssicherheit.
[21]
Die höchstgerichtliche Judikatur zur Mindestvertragsdauer kann folgendermaßen zusammengefasst werden:
[22]
In der Entscheidung 6 Ob 69/05y vom 21. April 2005 setzte sich der Oberste Gerichtshof erstmalig mit einer Klausel im Zusammenhang mit der Mindestvertragsdauer eines Mobilfunkvertrages auseinander. Diese Klausel sah einen Kündigungsverzicht von 18 Monaten für den Fall vor, dass der Kunde ein preisgestütztes Endgerät erwirbt. Im vorliegenden Fall brachte der Kläger lediglich vor, dass der vorgesehene Kündigungsverzicht mit den zwingend kürzeren Kündigungsfristen nach § 15 KSchG nicht vereinbar sein und daher wurde die Unterlassung der Berufung auf die Klausel durch den beklagten Mobilfunkbetreiber sowie die Urteilsveröffentlichung begehrt. Der Oberste Gerichtshof verneint die Anwendbarkeit des § 15 KSchG auf Mobilfunkverträge, da dem für die Anwendbarkeit des § 15 KSchG erforderlichen werkvertraglichen Element lediglich eine untergeordnete Rolle beim Mobilfunkvertrag zukommen würde. Eine analoge Anwendbarkeit des § 15 KSchG wurde auch verneint, da die planwidrige Lücke als Voraussetzung nicht vorliege. Inwiefern die vorgesehene Vertragsbindung von 18 Monaten bei dem Erwerb eines preisgestützten Endgerätes § 6 Abs. 1 Z 1 KSchG entspricht, war nicht Gegenstand des Verfahrens, da ein entsprechendes Vorbringen fehlte. Mir dieser Entscheidung wurde daher geklärt, dass Mobilfunkverträge nicht unter § 15 KSchG fallen.
[23]

In der Entscheidung 3 Ob 121/06z vom 30. Mai 20067 setzte sich der Oberste Gerichtshof erstmalig mit der Frage auseinander, ob mit Verbrauchern eine Mindestvertragsdauer von zehn Jahren wirksam in Vertragsformblättern vereinbart werden kann. Gegenstand der genannten Entscheidung war die vorgesehene Mindestvertragsdauer von 120 Monaten bei der Miete einer Telekommunikations-Anlage (Anzumerken ist, dass es sich bei diesem um keinen Vertrag um keinen Telekommunikationsvertrag handelt). Für den Fall einer vorzeitigen Vertragsauflösung waren «Restentgelte» in Höhe der Hälfte des monatlichen Mietzinses vorgesehen. Von der Tatsacheninstanz wurde festgestellt, dass der Vermieter der TK-Anlage erst ab dem 79. Monat eines derartigen Mietverhältnisses einen Gewinn erzielen kann, daher erscheine ein Kündigungsverzicht für einen Zeitraum von 120 Monaten nicht als unangemessen hoch. Weiters wurde im Rahmen des Verfahrens festgestellt, dass der Verbraucher unter mehreren Vertragsvarianten wählen könne. Wähle der Verbraucher eine Variante mit einem niedrigen monatlichen Mietzins so habe er eine entsprechend längere Mindestvertragsdauer in Kauf zu nehmen, damit dem Vermieter nicht nur die Deckung der Investitionen für die Anschaffung der Anlage, sondern auch ein angemessener Gewinn ermöglicht werde. Eine gröbliche Benachteiligung des Vertragspartners liege daher dann nicht vor, wenn dem Vertragspartner eine vertragliche Alternative angeboten wird, bei deren Wahl die Übernahme eines wirtschaftlichen Risikos durch den Anbieter mit einem höheren Preis abgegolten wird, weil es diesfalls an der – von § 879 Abs. 3 ABGB verpönten – «verdünnten Willensfreiheit» und einer besonders gravierenden Ungleichgewichtslage in vertraglich festgelegten Rechtspositionen mangelt.

[24]
Aus der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes kann abgeleitet werde, dass auch gegenüber Verbrauchern eine längere Vertragsdauer zulässig sein kann, wenn der Unternehmer sein unternehmerisches Risiko durch eine sachgerechte Kalkulation rechtfertigen kann, zumal dem Unternehmer auch ein Gewinn zuzubilligen ist.
[25]

In der Entscheidung 4 Ob 91/08y8 vom 10. Juni 2009 prüfte der Oberste Gerichtshof, ob die im Anmeldeformular eines Mobilfunkbetreibers vorgesehene Bindungsfrist von 24 Monaten im Zusammenhang mit dem Erwerb eines preisgestützten Endgerätes § 6 Abs. 1 Z 1 KSchG («unangemessen lange Frist, […] während derer der Verbraucher an den Vertrag gebunden ist») verletzt. Die zu beurteilende Klausel lautete wie folgt: «24 Monate Mindestvertragsdauer im Zusammenhang mit dem Erwerb eines preisgestützten Endgerätes.» Der Oberste Gerichtshof bestätigte die Wirksamkeit dieser Klausel und führte aus, dass der Teilnehmer die Möglichkeit hätte, auch einen Vertrag ohne Mindestvertragsdauer abzuschließen, wenn er ein Endgerät ohne Subvention erwerben würde. Im Gegensatz zur Entscheidung 3 Ob 121/06z vom 30. Mai 2006 hat der OGH die sachgerechte Kalkulation, unter Berücksichtigung des Wertes des Endgerätes, nicht geprüft. Inwiefern eine sachgerechte Kalkulation tatsächlich in jedem Fall gegeben sein muss, ist daher bis jetzt noch nicht beantwortet worden. Im Mobilfunkbereich ist ein gestütztes Endgerät in der Regel ein Mobiltelefon, das sich der Kunde aussucht. Für Mobiltelefone ist die Preisspanne sehr groß. Ein günstiges Mobiltelefon ist bereits jedenfalls ab ca. € 13,00 zu erwerben. Smartphones hingehen können mehrere hundert Euro kosten. Handelt es sich bei dem «gestützten Endgerät» um ein günstiges Mobiltelefon, so scheint angesichts der in der Entscheidung 3 Ob 121/06z dargestellten Grundsätze fraglich, ob dadurch eine Mindestvertragsdauer von 24 Monaten tatsächlich gerechtfertigt werden kann.

[26]
Im Zusammenhang mit der Mindestvertragsdauer im Mobilfunkbereich ist seit BGBl I 2011/102 nunmehr in § 25d Abs. 1 TKG 2003 eine Sonderregelung für Telekommunikationsverträge vorgesehen: «Verträge über Kommunikationsdienste zwischen Betreibern und Verbrauchern im Sinne des KSchG dürfen eine anfängliche Mindestvertragsdauer von 24 Monaten nicht überschreiten. Jedem Teilnehmer ist die Möglichkeit einzuräumen, je Kommunikationsdienst einen Vertrag mit einer Mindestvertragsdauer von maximal zwölf Monaten abzuschließen
[27]
Aus dieser Sonderregelung ergeben sich weitere offene Rechtsfragen in Zusammenhang mit der Mindestvertragsdauer.
[28]
Zivilgerichtliche Judikatur zu § 25d TKG 2003 fehlt zwar noch. Es liegt aber schon ein Widerspruchsbescheid der Telekom-Control-Kommission vor: Die Telekom-Control-Kommission kann nach § 25 Abs. 6 TKG 2003 angezeigten Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Entgeltbestimmungen mit Bescheid widersprechen, wenn diese nicht dem Prüfungsmaßstab des § 25 Abs. 6 TKG 2003 entsprechen. Der Widerspruch bewirkt die Untersagung der weiteren Verwendung der Vertragsbedingungen. Der Prüfungsmaßstab ist nicht ausschließlich auf telekommunikationsrechtliche Vorschriften eingeschränkt, sondern umfasst auch §§ 879 und 864a ABGB und §§ 6 und 9 KSchG.
[29]
Mit Bescheid G 133/12-06 vom 3. September 2012 hat die Telekom-Control-Kommission den Entgeltbestimmungen eines Mobilfunkbetreibers widersprochen. In den Entgeltbestimmungen war eine Mindestvertragsdauer von 24 Monaten ohne jegliche sachliche Rechtfertigungen vorgesehen.
[30]
Die Telekom-Control-Kommission prüfte, ob die vom Mobilfunkbetreiber vorgesehene Mindestvertragsdauer von 24 Monaten in den Entgeltbestimmungen eine unangemessen lange Frist i.S.d. § 6 Abs. 1 Z 1 KSchG darstellt, während deren der Verbraucher an den Vertrag gebunden ist.
[31]

Der Mobilfunkbetreiber führte aus, dass sich aus § 25d TKG 2003 ergeben würde, dass mit Verbrauchern i.S.d. KSchG jedenfalls eine Mindestvertragsdauer von 24 Monaten wirksam vereinbart werden kann, ohne dass weitere Voraussetzungen erfüllt sein müssten. Die Telekom-Control-Kommission teilte auf Grund des klaren Wortlautes der Erläuternden Bemerkungen zu § 25d TKG 2003 die vom Mobilfunkbetreiber vertretene Rechtsansicht nicht. Die Erläuternden Bemerkungen zu § 25d TKG 2003 sehen vor, dass die Judikatur des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Verhältnismäßigkeit bei langen Vertragsbindungen zu berücksichtigen ist. Durch § 25d TKG 2003 wurde nach Ansicht der Telekom-Control-Kommission lediglich eine maximale Obergrenze für die anfängliche Mindestvertragsdauer für Verträge, die mit Verbrauchern abgeschlossen werden, eingezogen. Steinmaurer/Polster9 vertreten die Ansicht, dass es sich bei § 25d Abs. 1 TKG 2003 um eine lex specialis gegenüber § 6 Abs. 1 Z 1 KSchG handle, begründen diese Ansicht jedoch nicht. Weiters indiziere ihrer Ansicht nach die Festlegung der 24-Monatsfrist, dass der Gesetzgeber bei Ausnutzung dieser Frist keinen besonderen Vorteil für den Verbraucher zur Bedingung dafür macht. Auf die Ausführungen in den EB zum § 25d TKG 2003 nehmen Steinmaurer/Polster keinen Bezug.

[32]
Der Widerspruchsbescheid G 133/12-06 ist auf der Website der RTR-GmbH abrufbar10. Der betroffene Mobilfunkbetreiber hat eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht. Das Verfahren ist noch anhängig.

4.

Verordnungsvorschlag zum digitalen Binnenmarkt (DSM) ^

[33]

Der Verordnungsvorschlag11 des Europäischen Parlaments und des Rates über Maßnahmen zum europäischen Binnenmarkt der elektronischen Kommunikation vom 12. September 2013 sieht im Endnutzerbereich eine Vollharmonisierung vor. Vollharmonisierung bedeutet, dass es Mitgliedstaaten untersagt ist, abweichende innerstaatliche Rechtsvorschriften aufrecht zu erhalten oder einzuführen, auch wenn es sich dabei um strengere Rechtsvorschriften zur Gewährung eines höheren Niveaus handelt. Im Zusammenhang mit dem Harmonisierungsgrad ist auch immer der durch einen Rechtsakt harmonisierte Bereich relevant. Unter dem «harmonisierten Bereich» versteht man die Menge jener Rechtsfragen, die durch den Rechtsakt (Verordnung) in Europa zu einem gewissen Grad vereinheitlicht werden sollen. Welche Rechtsfragen es genau sind, ist der zukünftigen Verordnung und ihren einzelnen Vorschriften im Wege der Auslegung zu entnehmen. Dabei ist zu untersuchen, welchen Harmonisierungsanspruch eine bestimmte Vorschrift in sachlicher und inhaltlicher Hinsicht hat.12

[34]
Der Verordnungsentwurf regelt u.a. sowohl die Mindestvertragsdauer als auch einseitige Vertragsänderungen.

    «Artikel 28 – Vertragsbeendigung

    (1) Verträge zwischen Verbrauchern und Anbietern öffentlicher elektronischer Kommunikation dürfen keine Mindestvertragslaufzeit beinhalten, die 24 Monate überschreitet. Anbieter öffentlicher elektronischer Kommunikation müssen Endnutzern die Möglichkeit anbieten, einen Vertrag mit einer Höchstlaufzeit von 12 Monaten abzuschließen.

    (2) Sofern nichts anderes vereinbart wurde, haben Verbraucher und andere Endnutzer das Recht, einen Vertrag unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat zu kündigen, wenn seit Vertragsschluss mindestens sechs Monate vergangen sind. Außer dem Restwert verbilligter Endgeräte, die bei Vertragsschluss an den Vertrag geknüpft waren, und einer zeitanteiligen Rückzahlung anderer Angebotsvorteile, die bei Vertragsschluss als solche beworben worden waren, darf keine weitere Entschädigung verlangt werden. Spätestens bei Zahlung einer solchen Entschädigung muss der Anbieter alle Beschränkungen der Nutzung der Endgeräte in anderen Netzen kostenlos aufheben. […]

    (4) Bei Bekanntgabe von Änderungen der Vertragsbedingungen, die der Anbieter öffentlicher elektronischer Kommunikation vorschlägt, haben Endnutzer das Recht, ihren Vertrag ohne Kosten zu kündigen, sofern die vorgeschlagenen Änderungen nicht ausschließlich zum Vorteil des Endnutzers sind. Anbieter müssen Endnutzern solche Änderungen mit ausreichender Frist, und zwar mindestens einen Monat zuvor, bekanntmachen und sie gleichzeitig auf ihr Recht hinweisen, den Vertrag ohne Kosten zu kündigen, wenn sie die neuen Bedingungen nicht annehmen. Absatz 2 gilt entsprechend.»

[35]
Auf Grund des derzeit im Entwurf vorgesehenen Verordnungstextes ist davon auszugehen, dass die Fragen, ob eine Mindestvertragsdauer von 24 Monaten ohne sachliche Rechtfertigung (i.S.d. § 6 Abs. 1 Z 1 KSchG) vereinbart werden kann bzw. welche sachliche Rechtfertigungen dafür in Frage kommt und, ob bei einer Entgelterhöhung auf Grund eines bereits bei Vertragsabschluss vereinbarten Indexklausel (i.S.d. § 6 Abs. 1 Z 5 KSchG) dem Teilnehmer erneut ein kostenloses Kündigungsrecht nach Art. 28 Abs. 4 des Verordnungsvorschlagen (derzeit noch in § 25 Abs. 3 TKG 2003 geregelt) einzuräumen ist, zukünftig auf Grund der neuen möglichen Rechtslage erneut (sofern bis dahin überhaupt Entscheidungen des OGH vorliegen), allerdings dann vom EuGH, entschieden werden müssen und bis dahin wieder Rechtsunsicherheit herrschen wird.

5.

Schlussfolgerungen ^

[36]
Das in § 6 Abs. 3 KSchG verankerte Transparenzgebot kann dann nur in jenen Fällen sinnvoll dazu beitragen, dass rechtsunkundige Verbraucher nicht über die tatsächliche Rechtslage getäuscht werden, wenn die tatsächliche Rechtslage zumindest für Rechtskundige klar ist. Gerade im Bereich der Telekommunikation ist festzuhalten, dass es sich um eine komplexe Materie handelt, insbesondere bei der Beurteilung des Zusammenspiels von nationalen Verbraucherschutzbestimmungen und Sonderprivatrecht, das durch das Unionsrecht geschaffen wird. Der Gesetzgeber sollte sich daher bei der Umsetzung von unionsrechtlichen Vorgaben besonders berufen fühlen, auf eine transparente und eindeutige innerstaatliche Regelung zu achten.

6.

Literatur ^

Ertl, Die AGB-Kontrolle nach § 25 TKG 2003, MR 2005, 139 [141 f.].

Feiel/Lehofer, Telekommunikationsgesetzt 2003, Verlag Medien & Recht, (2004), [94].

Forizs, jusIT 2013/42.

Hasberger, Gestaltung von Mietverträgen über TK-Anlagen mit Verbrauchern, MR 2006, [288].

Langer in Kosesnik-Wehrle, KSchG3, (2010) § 6 [Rz. 110 ff.].

Max Leitner, Das Transparenzgebot, MANZ, (2005).

Pichler, Erneut unzulässig AGB in Mobilfunkverträge, ecolex, 2008, [100].

Steinmaurer/Polster in Stratil (Hrsg.), TKG 20034, MANZ, (2013) [101].

Wendehorst in Jud/Wendehorst (Hrsg.), Neurodnung des Verbraucherprivatrechts in Europa (2009) [162 ff.].


 

Susanne Forizs

Juristin, Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH, Mitarbeiterin der Rechtsabteilung

Mariahilfer Straße 77-79,. 1060 Wien, AT

susanne.forizs@rtr.at; http://www.rtr.at

 


  1. 1 Max Leitner, Das Transparenzgebot, MANZ, (2005).
  2. 2 4 Ob 50/00g vom 14. März 2000.
  3. 3 OGH 10 Ob 31/11y; 8. November 2011.
  4. 4 C-616/11.
  5. 5 Zur Ausgangslage siehe Forizs, jusIT 2013/42.
  6. 6 Max Stefan Ertl, Die AGB-Kontrolle nach § 25 TKG 2003, MR 2005, 139 [141 f.].
  7. 7 Siehe auch Hasberger, Gestaltung von Mietverträgen über TK-Anlagen mit Verbrauchern, MR 2006, 288.
  8. 8 Siehe auch Pichler, Erneut unzulässig AGB in Mobilfunkverträge, ecolex, 2008, 1001.
  9. 9 Steinmaurer/Polster in Stratil (Hrsg.), TKG 20034, MANZ, (2013) [101].
  10. 10 https://www.rtr.at/de/tk/G_133_12/Bescheid_G_133_12-6.pdf.
  11. 11 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Maßnahmen zum europäischen Binnenmarkt der elektronischen Kommunikation und zur Verwirklichung des vernetzten Kontinents und zur Änderung der Richtlinien 2002/20/EG, 2002/21/EG und 2002/22/EG und der Verordnungen (EG) Nr. 1211/2009 und (EU) Nr. 531/2012.
  12. 12 Siehe Wendehorst in Jud/Wendehorst (Hrsg.), Neurodnung des Verbraucherprivatrechts in Europa (2009) [162 ff.].