1.
Kampfmaschinen statt Soldaten ^
2.
Umfeld Recht ^
«Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt.»1
Nichtsdestotrotz finden – wie uns die Nachrichten mitteilen – bewaffnete Einsätze zu politischen Zwecken statt, also so etwas wie kriegerische Handlungen. Und zwar unabhängig von ihrer völkerrechtlichen Qualifikation oder Rechtfertigung. Für den Ablauf solcher kriegerischer Handlungen gilt also entweder unmittelbar die Haager Landkriegsordnung oder es gelten deren Grundsätze analog als ungeschriebenes Völkerrecht für bewaffnete Konflikte, die nicht als Krieg eingestuft werden. Das Kriegsvölkerrecht ist nicht nur Völkergewohnheitsrecht, sondern zum Teil ausdrücklich in den Haager Landkriegsordnungen geregelt. Artikel 24 der HLKO erlaubt z.B. explizit die Anwendung der notwendigen Mittel, um sich Nachrichten über den Gegner und das Gelände zu verschaffen. Dieser Satz kann Aufklärungsdrohnen eine Rechtsgrundlage bieten. Es ist hingegen sogar im Krieg untersagt, «unverteidigte Wohnstätten» zu beschießen. Dies regelt Artikel 25 des Abkommens betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs, abgeschlossen in Den Haag am 18. Oktober 1907, unter anderem unterzeichnet von Österreich, der Schweiz, den USA und Deutschland, bzw. von deren Rechtsvorgängern.2
Eine zentrale internationale Vorschrift, die bewaffneten Konflikten jeglicher Art einen äußersten Rechtsrahmen geben will, ist die Vierte Genfer Konvention vom 12. August 19493 und das Zusatzprotokoll vom 8. Juni 19774 (letzteres von den USA nicht ratifiziert). Im Falle eines bewaffneten Konflikts – ohne jede nachteilige Unterscheidung, die auf Art oder Ursprung des bewaffneten Konflikts beruht –, ist demnach jede der am Konflikt beteiligten Parteien gehalten, wenigstens die folgenden Bestimmungen anzuwenden:
Sänitätseinheiten, -transporte und Personen, die ein Schutzzeichen (Rotes Kreuz, Roter Halbmond) tragen, dürfen nach der 1. Genfer Konvention nicht angegriffen werden.5
«Ein Luftfahrzeug, das ohne Pilot geflogen werden kann, darf ohne Pilot das Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates nur mit besonderer Bewilligung dieses Staates und gemäß den Bedingungen dieser Bewilligung überfliegen. Jeder Vertragsstaat verpflichtet sich, dafür zu sorgen, dass der Flug eines solchen Luftfahrzeuges ohne Pilot in Gebieten, die Privatluftfahrzeugen offen stehen, so überwacht wird, dass eine Gefährdung von Privatluftfahrzeugen vermieden wird.»
3.
Umfeld Informatik ^
Solange unbemannte Militärmaschinen ferngesteuert und mit vollständiger Radarüberwachung oder Echtzeitbildübertragung und -beeinflussung betrieben werden, befindet sich die gesamte juristische (und moralische) Verantwortlichkeit jederzeit transparent in Menschenhand. Es gibt Kartenmaterial, Radarüberwachung, Videokameras, Funksignale, eine Bodenstation mit Datenbanken, Rechnern, Piloten, weiterem Personal und Einsatzleitung. Bei gutem Willen kann also die Einhaltung des Rechtsrahmens sichergestellt werden, solange die Drohne in der Luft ist, und es kann sogar dokumentiert werden, welche Regeln befolgt und welche Informationen jeweils ausgewertet wurden. Es findet bereits jede Menge Informatik statt, bis eine solche ferngelenkte Drohne kontrolliert dorthin fliegt, wo sie soll, und eventuell noch einen Kampfeinsatz besteht. Aber die Kontrolle, ob Rechtsregeln eingehalten werden, wird dabei von Menschen ausgeübt. Die Situation wird in der Einsatzzentrale bewertet und es werden Befehle an den Piloten der Drohe gegeben. Wenn die Rechtslage unsicher wird, wenn z.B. unvorhergesehen eine Staatsgrenze überschritten wird oder wenn die Identifikation der Zielperson nicht mehr klar ist, kann der Einsatz aufgrund veränderter Informationen abgebrochen werden. Dabei handelt es sich um juristische «Handarbeit», nicht um Rechtsinformatik. Denn die Automatisierung des Drohnenfluges hat zuerst nur mit technischen Vorgängen zu tun und nicht mit juristischen Kategorien. Zu dem Problem, dass «überraschend jederzeit eine Busladung Nonnen am Einsatzort eintreffen könnte», schrieben die Autoren des NDR und der Süddeutschen Zeitung auf den Seiten http://www.geheimerkrieg.de/#entry-68-7048-das-brummen-des-todes:
«(...) Auch in Ramstein, das weiß man von anderen Afrika-Einsätzen, steht vor den Monitoren ein Militärjurist, der Fragen stellt wie: Ist das Ziel sicher identifiziert? Sind die Mittel angebracht? Ist der geschätzte Kollateralschaden vertretbar im Rahmen der Mission? Erst wenn er hinter allen Punkten Häkchen setzen kann, wird gefeuert. Ein Vorgehen, das nur innerhalb der Logik des US-Drohnenkriegs schlüssig ist – bedenkt man, dass nur wenig später eine völkerrechtswidrige Exekution stattfindet.»
4.
Erhöhung des Autonomiegrades ^
Aber es gibt bereits bodengestützte autonome Wach- und Schießgefährte (sogenannte UGV), zumindest außerhalb von Deutschland. Z.B. Guardium von IAI in Israel7, bei dem ausdrücklich von «brain» gesprochen wird. Die online-Werbung preist ein «felderprobtes unbemanntes autonomes Bodensystem» an, während es in Wikipedia nur als «ferngesteuert» beschrieben wird. Auf der Seite http://defense-update.com/products/g/guardium.htm steht:
«Das Guardium System setzt autonome unbemannte Bodenfahrzeuge (UGV) ein, die von einer Kommandozentrale aus gesteuert werden können, Routinepatrouillen ausführen können und schnell auf sich entwickelnde Notfälle reagieren können. Sie können verdächtige Elemente nahe an der Grundstücksgrenze abwehren und solange zurückhalten, bis bemannte Sicherheitskräfte eintreffen, oder auch verschiedene kraftvolle Mittel einsetzen, um die Gefahr zu eliminieren, wenn diese anwendbar sind.»
Abbildung 1: Guardium aus Israel, Creative Commons Photo: Cpl. Zev Marmorstein, IDF Spokesperson’s Unit
Für Sprengstoffbeseitigungsroboter gibt es Add-ons, die sie «semiautonom» machen, beschrieben auf der Homepage http://www.rec.ri.cmu.edu/projects/aa.8 Sehr interessant ist auch der Wikipedia-Eintrag zum Lemma «Abstandsaktive Schutzmaßnahmen»: ein Bordcomputer eines Panzers entscheidet in Millisekunden darüber, «hardkill»-Munition einzusetzen, wobei eine Gefahr für Personen im Umkreis besteht.
Denn die autonome Stealth-Drohne Northrop Grumman X-47B wird von der «NDIA» (national defense industrial association), also von einem US-Kriegswaffenhersteller-Interessenverband, explizit als «airborne autonomous vehicle» bezeichnet, nachzulesen auf der Webseite http://www.nationaldefensemagazine.org/blog/Lists/Posts/Post.aspx?ID=11999.
5.
Verantwortung der Rechtsinformatik ^
Dieser müsste, z.B. anhand
- von stets aktualisierten GPS-Daten,
- von Bildmaterial und
- von biometrischen Daten,
eventuell auch anhand
- von Geräuschen,
- des SSR-Radarsignals eines Sanitätsluftfahrzeugs11
laufend (!) überprüfen, ob seine Mission mit seinen Befehlen, mit Kriegsvölkerrecht oder mit örtlichen Polizeivorschriften noch im Einklang steht.
Ein autonomer Kampfroboter sollte also nicht einfach ein einmal eingegebenes Ziel aufsuchen und zerstören; denn bis er am Ziel angekommen ist, könnte sich die Lage geändert haben. Daher sollte er Symbole wie Kriegsflaggen, eine weiße Flagge, das Rote Kreuz und den Roten Halbmond erkennen können, so wie ein Navigationsgerät Verkehrsschilder am Straßenrand erkennt. Er müsste über seine eigene Position und den Verlauf von Staatsgrenzen Bescheid wissen, was anhand des derzeitigen Standes der Technik über GPS keine wirkliche Herausforderung darstellen dürfte. Er müsste aber auch offen getragene Waffen ausmachen können, um bewaffnete Kombattanten von unbewaffneten Zivilpersonen zu unterscheiden. Und beim gezielten Einsatz gegen als gefährlich eingestufte Individuen müsste er Gesichter live gegen eine Datenbank mit biometrischen Daten von gesuchten Personen einerseits und von zu schützenden Personen andererseits abgleichen. Diese Anforderungen beruhen letztlich auf Rechtsfragen, die sich im Idealfall aus den Befehlsstrukturen der handelnden Militärmacht ableiten, sich aber mindestens aus dem Verhältnismäßigkeitsgebot im Polizeirecht, Staatsrecht und Völkerrecht sowie aus den oben teilweise zitierten Abkommen zum Kriegsvölkerrecht ergeben, zuoberst aus der UN-Charta und ansonsten insbesondere aus den Genfer Konventionen mit Zusatzprotokollen und auch aus der Haager Landkriegsordnung. Dabei ist nicht gesagt, dass die Beachtung dieser Anforderungen den Einsatz rechtfertigt und die Tötung von Menschen aus der Ferne legalisiert; aber umgekehrt steht meines Erachtens fest, dass der Einsatz autonomer Kampfmaschinen OHNE solche juristischen Zusatz-Programmierungen a priori rechtswidrig wäre. Die genannten rechtlichen Gebote müssen von den Video-Joystick-Piloten der derzeit bekannten Kampfdrohnen «nebenbei» beachtet werden.12 Aber die Automatisierung schreitet fort. Und wenn nun Computertechniker anstelle eines Drohnenpiloten ein Programm schreiben, dann tragen sie dessen bisherige Verantwortung, wenn sie per Algorithmus eine autarke Entscheidungsfindung «Schuss oder nicht Schuss» durch ein Kampfgerät veranlassen oder gar unterlassen, obwohl dies angebracht wäre. Diese Verantwortung der Militärpraktiker erfordert wissenschaftliche Begleitung oder besser noch Vorbereitung.
Alexander Konzelmann
Abteilungsleiter Rechtsdatenbanken, Richard Boorberg Verlag Stuttgart
Scharrstraße 2, 70563 Stuttgart, DE
a.konzelmann@boorberg.de; http://www.boorberg.de
- 1 http://www.unric.org/de/charta.
- 2 Fundstelle: http://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19070034/index.html.
- 3 Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten, Fundstelle: http://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19490188/index.html.
- 4 Zusatzprotokoll vom 8. Juni 1977 zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte, Fundstelle: http://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19770112/index.html.
- 5 Insbesondere laut Artikeln 12, 19, 24 35 und 36 in Verbindung mit Artikel 38 (Schutzzeichen) des Genfer Abkommens vom 12. August 1949 zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der bewaffneten Kräfte im Felde, Fundstelle: http://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19490186/index.html.
- 6 http://www.spiegel.de/wissenschaft/technik/bundesregierung-will-2014-ueber-drohnen-kauf-entscheiden-a-940030.html.
- 7 Mit Foto auf http://g-nius.co.il.
- 8 Zuletzt abgerufen am 30. Dezember 2013.
- 9 Zuletzt abgerufen am 30. Dezember 2013.
- 10 Zitat aus dem Abstract: «From a consequentialist view, it would indeed be highly immoral to develop robots capable of performing acts involving life and death, without including some kind of moral framework.» (http://link.springer.com/article/10.1007%2Fs10676-012-9301-2).
- 11 Artikel 9 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte (Protokoll I) vom 8. Juni 1977.
- 12 Siehe die oben zitierte Homepage http://www.geheimerkrieg.de(«stets anwesender Militärjurist»); Autoren: Christian Fuchs, John Goetz, Antonius Kempmann, Hans Leyendecker, Abdalle Ahmed Mumin, Frederik Obermaier, Bastian Obermayer, Niklas Schenck, Tanjev Schultz, Jan Lukas Strozyk, Alexander Tieg, Tobias Zick.