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Open Data: Status Quo, Trends und Nutzung

  • Authors: Robert Ritter / Bernhard Jäger / Gerald Dissauer
  • Category: Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: Data Protection
  • Collection: Tagungsband IRIS 2014
  • Citation: Robert Ritter / Bernhard Jäger / Gerald Dissauer, Open Data: Status Quo, Trends und Nutzung, in: Jusletter IT 20 February 2014
Open Data als globale Bewegung erlebt ein rasantes Wachstum und ist von einer hohen Dynamik geprägt. Ausgehend von der Bereitstellung offener Daten im öffentlichen Sektor, werden in immer mehr Bereichen und von unterschiedlichsten Akteuren neue Potentiale in der Nutzung dieser Daten erkannt und realisiert, aber auch Initiativen zur Bereitstellung eigener Daten verfolgt. Ein maximaler Nutzen und globaler Mehrwert erfordert dabei die zunehmende Forcierung von Standardisierungs- und Harmonisierungsmaßnahmen. Auch die Klärung rechtlicher Rahmenbedingungen bedarf noch großer Aufmerksamkeit.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Open Data erobern die digitale Welt
  • 2. Trends und Entwicklungspotenziale
  • 3. Nutzung im rechtlichen Kontext
  • 4. Fazit und Ausblick

1.

Open Data erobern die digitale Welt ^

[1]
Open Data erobert zunehmend die digitale Welt und zählt zu den sich am stärksten ausbreitenden Phänomenen im Informationszeitalter. Bei Open Data handelt es sich zumeist um umfangreiche, frei verfügbare Datensätze, die aktuell verstärkt vor allem von öffentlichen Einrichtungen (Open Government Data, OGD) zur Verfügung gestellt werden. Dazu zählen beispielsweise kontinuierlich gesammelte statistische Daten, Geodaten, Finanzunterlagen etc. Grundidee ist es, diese meist bereits bestehenden Datensätze in standardisierter Form der gesamten Bevölkerung zugänglich zu machen. Open Data kann somit zum einen die Transparenz behördlicher Vorgänge für Bürger erheblich steigern und zum anderen als Innovationstreiber fungieren, indem Unternehmen angespornt und gefördert werden, diese Daten zur Erstellung und Verwertung eigener Applikationen zu verwenden. Dabei ist festzuhalten, dass im Bereich der öffentlichen Verwaltung die Forderung nach einer Öffnung von Datenbeständen für Bürger und Gesellschaft keineswegs neu ist, sondern bereits lange zurückgeht. Durch das Internet als treibende Kraft und aufgrund seiner Prävalenz werden diese Forderungen allerdings erst in jüngster Zeit zunehmend realisiert.
[2]

Die «Open Government Data Working Group» der Open Knowledge Foundation publizierte 2012 den Open Data Census1, eine globale Sammlung von Open-Data-Katalogen um einen ersten Überblick über die Open-Data-Situation in den entsprechenden Ländern zu geben. Dabei wird deutlich, dass Initiativen zur Veröffentlichung von Datensätzen sowohl auf lokaler als auch auf nationaler Ebene nach wie vor eher fragmentiert und unüberschaubar sind und auch die «Offenheit», Vollständigkeit und Qualität der Daten hinsichtlich ihrer Wiederverwendbarkeit sehr stark schwanken. Um die zunehmenden Open-Data-Bestände in Form von Katalogen, Hubs oder Repositories effizient zu nutzen sind weitere Harmonisierungsprozesse und Tools, die die aktuelle Open-Data-Topologie überschaubar machen, von besonderer Bedeutung. Da die aktuelle Lage vor allem für Einsteiger in diesem Bereich unübersichtlich ist, stagniert der Austausch von Know-how und national wie auch international bleiben wertvolle Ressourcen und Potentiale ungenutzt. Um diesen Problemen beizukommen, strebt das jüngst gestartete EU-Projekt «OpenDataMonitor’2 eine umfassende Analyse und Beobachtung der Open Data Situation im EU Raum an, um ein größeres Verständnis hinsichtlich der Verfügbarkeit von Open Data und bestehender Datenlücken zu erreichen und somit sowohl Herausgeber als auch Nutzer von Open Data optimal in ihren Vorhaben zu unterstützen.

[3]

Das gesteigerte Bewusstsein, dass Open-Data-Initiativen nicht nur getrennt voneinander auf nationaler oder regionaler Ebene verfolgt werden sollten, sondern es einer globalen Bewegung bedarf, unterstreicht die Unterzeichnung der Open Data Charta3 beim G8-Gipfel im Juni 2013. In dieser Erklärung versprechen die G8-Mitglieder die Veröffentlichung von Daten in einer für jedermann zugänglichen und wiederverwendbaren Form. Eine Implementierung der Prinzipien für offene Daten in die Politik der G8-Staaten sowie deren technischer Implikationen soll bis 2015 abgeschlossen sein und sich an fünf Prinzipien orientieren.4 (1) Open Data by Default – Die Unterzeichner der Charta verpflichten sich dazu, dass alle Regierungsdaten standardmäßig bereitgestellt werden sollen. Dazu soll von den Ländern in einer öffentlichen Absichtserklärung die Strategie sowie ein Zeitplan, ein nationales Datenportal und ein Aktionsplan für Open Data veröffentlicht werden. (2) Qualität und Quantität – Die veröffentlichten Daten sollen so genau, aktuell und umfangreich wie möglich sein und Meta-Daten, die den jeweiligen Datensatz erklären, sollen verwendet werden. (3) Nutzbar von allen – Die Unterzeichner verpflichten sich, die Daten in einer Weise zu veröffentlichen, die allen Menschen hilft, sie zu nutzen und sie weiterzuverwenden. (4) Veröffentlichung von Daten für besseres Regierungshandeln – Die G8-Mitglieder verpflichten sich zu einem Austausch über Techniken und die Veröffentlichung von Regierungsdaten sowie zu Transparenz bei der Datensammlung und Veröffentlichung. (5) Veröffentlichung von Daten für Innovation – Hier verpflichten sich die Unterzeichner ihre Daten nicht nur für die nicht-kommerzielle, sondern auch jede kommerzielle Nutzung zu öffnen.

[4]
Während das Hauptaugenmerk im Open-Data-Bereich derzeit auf Datenbestände öffentlicher Organisationen gerichtet ist, bieten sich eine Reihe weiterer Felder an, die von dem Open-Data-Gedanken maßgeblich profitieren können. Der folgende Abschnitt soll daher einen kurzen Überblick über entstehende Trends im Open-Data-Bereich liefern.

2.

Trends und Entwicklungspotenziale ^

[5]
Es ist zu erwarten, dass die oben beschriebenen Initiativen zum Voranschreiten der OGD-Bewegung auch als Nährböden zur verstärkten Nutzung von Open Data in anderen Sektoren dienen werden. Dies wird entsprechende Maßnahmen, sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene erfordern. Auf nationaler Ebene müssen relevante Sektoren identifiziert werden, in denen ein gesellschaftlicher oder wirtschaftlicher Mehrwert zu erwarten ist und verfügbare Daten in einem Format publiziert werden, das für Endnutzer mit unterschiedlichsten Anforderungen und Anwendungen nutzbar ist. Auf internationaler Ebene müssen verstärkt Kollaborationen angestrebt werden um die Standardisierung von Datenkategorien und Datentypen sowie die klare Definition von Metadaten-Elementen voranzutreiben. Ohne solche gemeinsamen Initiativen, ist davon auszugehen, dass nationale Open-Data-Entwicklungen unabhängig voneinander voranschreiten und somit mögliche Synergiepotenziale ungenützt bleiben werden.
[6]

Die positive Auswirkung von OGD auf den Wirtschaftssektor ist bereits wohlbekannt und dokumentiert5 und es ist in naher Zukunft von einer immer stärkeren Integration von frei verfügbaren Datenbeständen in das Geschäftsmodell von Unternehmen zu rechnen, wie die ersten Ergebnisse einer derzeit in den USA durchgeführten Studie6 zu 500 Unternehmen, die Open Data bereits nutzen, zeigen. Der umgekehrte Zugang, nämlich die Bereitstellung von unternehmensinternen Daten in einem offenen Format, sogenannte Open Business Data, hat hingegen bislang eher ein Nischendasein gefristet. Dies liegt in erster Linie daran, dass Unternehmen bei der Herausgabe solcher Daten eine mögliche Schwächung gegenüber Mitbewerbern durch den Verlust von Wettbewerbsvorteilen befürchten. Nichtsdestotrotz gibt es bereits Beispiele von Unternehmen wie Google oder ASOS, die demonstrieren, wie man von der Veröffentlichung interner Daten profitieren könnte7. ASOS, der größte britische Online-Versandhandel im Bereich Mode, konnte durch den offenen Zugang zu seiner Produktdatenbank und seinen Schnittstellen für externe Entwickler eine Programmierung neuer Anwendungen forcieren, die es ermöglichen, auch außerhalb der Unternehmenswebseite auf Produkte zuzugreifen.8

[7]

Eine jüngst von McKinsey & Company durchgeführte Analyse9 identifiziert sieben Domänen, in denen sich durch verstärkte Nutzung von Open Data ein gewaltiger ökonomischer Mehrwert auf globaler Ebene generieren ließe. Demnach sollten sich durch die verstärkte Nutzung von Open Data in den Bereichen Bildung, Transport, Konsumprodukte, Elektrizität, Öl und Gas, Gesundheitswesen sowie im Verbraucherfinanzwesen enorme Wachstumspotenziale in der Größenordnung von 3,2 – 5,4 Billionen USD pro Jahr realisieren lassen.

[8]

Gewissermaßen eine Ausnahmestellung in der Open-Data-Bewegung nimmt der Non-Profit-Sektor ein. Obgleich Nichtregierungsorganisationen (NGOs) einerseits zu den größten Profiteuren der zunehmenden Datenöffnung zählen, nutzen die wenigsten die potenziellen Verbesserungsmöglichkeiten durch Herausgabe eigens generierter Daten. Dabei arbeiten eine Vielzahl von Organisationen in ähnlichen Feldern und veröffentlichten individuell Berichte, ohne dass es nennenswerte Bestrebungen gibt ein gemeinsames Rahmenwerk zu entwickeln und Ergebnisse in der Form von Open Data strukturiert und öffentlich zugänglich zu machen. Viele NGOs sind als Kernaufgabe mit der Verbesserung und Überwachung der Transparenz im öffentlichen Bereich betraut. Dabei liegt es nahe, die Transparenz der eigenen Arbeit in entsprechendem Maße voranzutreiben. Dies trifft insbesondere auf Hilfsorganisationen zu. Obwohl die Öffnung von Daten und somit die Verpflichtung zur Transparenz noch in weiten Teilen den Organisationen selbst überlassen wird, gibt es bereits Beispiele von übergeordneten Kampagnen, die diese fördern sollen. So versucht etwa die «International Aid Transparency Initiative» (IATI)10 als freiwillige Initiative die Transparenz von Hilfsleistungen und somit in weiterer Folge die Effektivität in der Bekämpfung von Armut zu erhöhen.

3.

Nutzung im rechtlichen Kontext ^

[9]

Obwohl die Verbreitung von Open Data gerade im öffentlichen Sektor stetig zunimmt, bleiben eine Reihe rechtlicher Fragen ungeklärt. OGD besitzt in Österreich beispielsweise keine rechtliche Verankerung abseits von Materiengesetzen.11 Datenbereitsteller und Datennutzer bewegen sich also auf unsicherem Terrain und es ergeben sich Einschränkungen und Verbesserungspotenziale:

[10]

1) Einschränkungen in der Wiederverwendbarkeit: Während auf nationaler Ebene teilweise Standards zu Lizenzierung und Nutzungsbedingungen von in OGD Portalen veröffentlichten Datensätzen vorgegeben und auch eingehalten werden12, wird die Situation auf internationaler Ebene schnell unübersichtlich. Erstens gilt es, eine Vielzahl an möglichen unterschiedlichen Lizenzen13 zu berücksichtigen, die von uneingeschränkter bis äußerst restriktiver Nutzungserlaubnis reichen. Zweitens zeigt sich, dass von der Vielzahl der global verfügbaren «offenen» Datensätze ein relativ kleiner Teil tatsächlich über eine offene Lizenz verfügt. In solcher Weise wird Dritten, gerade in transnationalen Projekten, eine rechtlich bedenkenlose Arbeit mit OGD erheblich erschwert und Möglichkeiten zur Innovation bleiben eingeschränkt.

[11]

2) Optimierungspotenzial aus Nutzersicht: Der fehlende rechtliche Rahmen für OGD in Österreich behindert eine Ausweitung der Bemühungen im Open-Data-Bereich, da unterschiedliche Gesetze wie das Informationsweiterverwendungsgesetz oder Umweltinformationsgesetz sowie weitere Materiengesetze berücksichtigt und erst auf ODG-Tauglichkeit überprüft werden müssen. Um eine zunehmende Vereinheitlichung und Vereinbarkeit im OGD Bereich zu schaffen, wären daher zwingend normative und technische Standardisierungen notwendig. Neben der Überwindung solcher nationaler Hemmnisse sind langfristig auch einheitliche Definitionen und die Einhaltung globaler Standards notwendig, um den nachhaltigen Nutzen für Publisher wie auch Nutzer von Open Data zu gewährleisten. Aus Nutzersicht wäre es beispielsweise wünschenswert, die für einen Datensatz geltende Lizenz, mit einheitlichen visuellen Elementen14 im Katalog zu kennzeichnen.

4.

Fazit und Ausblick ^

[12]
Ausgehend von Initiativen im öffentlichen Sektor in der Form von Open Government Data, verschiebt sich die Open-Data-Bewegung immer weiter und zunehmend dynamisch auch in die Geschäftswelt, die sowohl als Nutzer als auch vermehrt als Anbieter von Open Data fungiert. In vielen Bereichen des alltäglichen Lebens (Bildung, Gesundheit, Transport, etc.) sollten sich durch die verstärkte Nutzung von Open Data enorme Verbesserungspotenziale realisieren lassen, sowohl ökonomischer Natur als auch im Sinne eines gesellschaftlichen Mehrwerts. Auch im Non-Profit-Sektor sollten sich in naher Zukunft durch die verstärkte Publikation von Daten, in strukturierter und offener Form, ungenutzte Chancen zur Erhöhung von Transparenz und Effizienz nutzen lassen.
[13]
Bei aller Euphorie und Dynamik, die der Open-Data-Bewegung derzeit innewohnt, sollte eine Verbesserung der Standardisierung und Harmonisierung von Datensätzen zu den obersten Zielen gehören und ebenso rechtliche Graubereiche, sowohl für Datenbereitsteller als auch für Datennutzer, zunehmend eliminiert werden.

 

Robert Ritter

SYNYO GmbH, Research and Development Department
Brucknerstraße 2/2, 1040 Wien, AT
robert.ritter@synyo.com; http://www.synyo.com

 

Bernhard Jäger

SYNYO GmbH, Research and Development Department
Brucknerstraße 2/2, 1040 Wien, AT
bernhard.jaeger@synyo.com; http://www.synyo.com

 

Gerald Dissauer

SYNYO GmbH, Research and Development Department
Brucknerstraße 2/2, 1040 Wien, AT
gerald.dissauer@synyo.com; http://www.synyo.com

 


  1. 1 Vgl. Open Knowledge Foundation, Open Data Census, http://census.okfn.org (2012).
  2. 2 Vgl. OpenDataMonitor, http://project.opendatamonitor.eu/ (2013).
  3. 3 Vgl. UK Cabinet Office, G8 Open Data Charta, https://www.gov.uk/government/publications/open-data-charter/g8-open-data-charter-and-technical-annex (2013).
  4. 4 Vgl. Open Knowledge Foundation, «Open is the new normal: G8-Mitglieder unterschreiben Open Data Charter», http://okfn.de/2013/06/open-is-the-new-normal-g8-mitglieder-zeichnen-open-data-charter (2013).
  5. 5 Vgl. Vickery, G, Review of recent studies on PSI re-use and related market developments, Information Economics, Paris (2011).
  6. 6 Vgl. Opendata500, http://www.opendata500.com (2013).
  7. 7 Vgl. Deloitte LLP, Open Data: Driving growth, ingenuity and innovation, http://www.deloitte.com/assets/dcom-unitedkingdom/local assets/documents/market insights/deloitte analytics/uk-insights-deloitte-analytics-open-data-june-2012.pdf (2012).
  8. 8 Vgl. Thompson, V., Asos to open data to external web developers, In RetailWeek http://www.retail-week.com/ technology/asos-to-open-data-to-external-web-developers/5032186.article (2011).
  9. 9 Vgl. McKinsey & Company, Open data: Unlocking innovation and performance with liquid information, http://www.mckinsey.com/insights/business_technology/open_data_unlocking_innovation_and_ performance_with_liquid_information (2013).
  10. 10 Vgl. IATI, http://www.aidtransparency.net/about.
  11. 11 Vgl. Donau-Universität Krems, Studie im Auftrag der Stadt Wien: Evaluation der Open Data Umsetzung der Stadt Wien, https://open.wien.at/site/wp-content/blogs.dir/5/files/2013/06/od-evaluation-2012.pdf (2012).
  12. 12 Vgl. Österreichische Vorgaben, E-Government Bund-Länder-Gemeinden, Rahmenbedingungen für Open Government Data Plattformen, http://reference.e-government.gv.at/uploads/media/OGD_1-0-0_20110928_02.pdf, S. 14 (2011).
  13. 13 Vgl. Open Knowledge Foundation, http://opendefinition.org/licenses/ (2013).
  14. 14 Beispielsweise Einbindung der Badges der Creative Commons: http://creativecommons.org/about/downloads.