Jusletter IT

Transparenz & Rechtsinformatik

  • Authors: Erich Schweighofer / Friedrich Lachmayer
  • Category: Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: Notes on the General Topic
  • Collection: Tagungsband IRIS 2014
  • Citation: Erich Schweighofer / Friedrich Lachmayer, Transparenz & Rechtsinformatik, in: Jusletter IT 20 February 2014
Transparenz heißt eine zentrale Herausforderung für moderne Wissensverarbeitung. Alles wissen, aber sich nicht mit allen Details beschäftigen zu müssen; der Zweck, allenfalls auch die Funktion, ist entscheidend für den Nutzer. Diese Parameter der IT sind nur im magischen Vieleck erfüllbar und erfordern in der Praxis schwierige Kompromisse. Die Wissenschaft kann durch kooperative Projekte mit Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft dazu beitragen, dass tragbare, realistische Lösungen gefunden und auch ausreichend getestet werden können. Der Gegensatz von Transparenz und Datenschutz wird uns noch viele Jahre intensiv beschäftigen. Ein erster Lösungsansatz wird kurz vorgestellt.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Einleitung
  • 2. Der vielschichtige Begriff
  • 3. Transparenz des Rechtssystems bei
  • 3.1. Freier Zugang zur Rechtsinformation und Bürgerinformation
  • 3.2. Freier Zugang zu öffentlichen Dokumenten & Datenschutz
  • 3.3. Freie wirtschaftliche Informationsweiterverwendung von öffentlichem Wissen
  • 4. Information, Partizipation & Rechenschaftslegung (Accountability) im politischen System
  • 5. Magisches Vieleck der Transparenz
  • 6. Lösungsansätze für die Zukunft
  • 7. Schlussfolgerungen

1.

Einleitung ^

[1]
Thema des diesjährigen IRIS ist «Transparenz» oder das Spannungsverhältnis zwischen Transparenz im Sinne von Sichtbarkeit (Politik und Recht) und Transparenz im Sinne von Unsichtbarkeit von hardware- bzw. softwaremäßigen Komponenten (Informatik).1
[2]
Transparenz gehört zu den Leitzielen der Rechtsinformatik mit dem Zweck einer Verbesserung des Rechtssystems. Der Zugang zum Recht ist durch den umfassenden Einsatz von Rechtsinformationssystemen wesentlich verbessert worden. Rechtsdokumente sind über das Internet für alle zugänglich.
[3]
Bürgerinformationssysteme haben die Unterstützung des Bürgers stark verbessert. Aber die Entwicklung geht weiter. Seit langem wird mittels einer Formalisierung des Rechts eine IT-gerechte Transformation von Rechtsnormen und Sachverhalten angestrebt, um rechtliche Entscheidungen zu unterstützen. Im E-Government steht Transparenz für Open Data und Open Government. Transparenz ist auch bedeutsam für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten, die beängstigend zunimmt. Partizipation und Rechenschaftslegung (Accountability) sind ohne Transparenz nicht denkbar. Die Internet Governance nimmt seit Langem eine Vorreiterrolle in diesem Dialog ein.

2.

Der vielschichtige Begriff ^

[4]
Die Assoziation von Transparenz (nach (lat. «transparens» durchscheinend) mit Durchsichtigkeit ist vordergründig plausibel. Noch verständlicher ist das Gegenteil der Intransparenz für für Undurchsichtigkeit. Die wissenschaftliche Fachsprache hat zwei wesentliche Gruppen von Begriffsverwendungen: Durchsichtigkeit, aber auch Nichtsichtbarkeit oder Nichtbemerkbarkeit.
[5]
In der Physik bedeutet Transparenz Durchlässigkeit in Bezug auf elektromagnetische Wellen, insbesondere des Lichts. Die Computergraphik bezeichnet damit durchscheinend wirkende Elemente in einer Bilddatei. In der Akustik wird unter Transparenz die die Unterscheidbarkeit zeitlich aufeinanderfolgender Töne bei musikalischen Schalldarbietungen verstanden. In der Politik steht der Begriff für von außen nachvollziehbare Vorgänge der Öffentlichkeit. Die Volkswirtschaftslehre spricht von Markttransparenz, wenn Informationen in und über einen Markt verfügbar sind.
[6]
In der Informatik ist eine Hardware oder Software transparent, wenn ihre Existenz für den Benutzer nicht erkennbar oder relevant ist. In der Kommunikation ist ein Signal transparent, wenn es sich beim Empfänger nicht bemerkbar macht. Das Gegenteil wäre Bewusstheit. Denkt man die an die riesigen Mengen der Internet-Kommunikation, wird klar, dass das Bewusstsein über die Komplexität der Kommunikation über die fünf Schichten der Internet Protokoll-Familie, das Verschicken von Datenpaketen weltweit über irgendwelche Kanäle, die vielen Routing-Anfragen und Zusicherungen etc. etc. jede Freude an der Internet-Nutzung verderben würde. Der Nutzer will genau das, was er heute bekommt: Information, Wissen und manchmal auch eine Lieferung bzw. Dienstleistung, ohne dass er sich um diese vielen Details kümmern muss.
[7]
In der Rechtsinformatik sind beide Bedeutungsausprägungen relevant. Einerseits sollen die durch IT-Systeme begleiteten bzw. erfolgenden Verfahren in Recht und Staat möglichst transparent sein und im Interesse der Benutzerfreundlichkeit aber auch möglichst wenig sichtbar sein. Das Ziel von IT-Systemen in Recht und Staat ist daher die Transparenz (auch der Transparenz).

3.

Transparenz des Rechtssystems bei ^

[8]
In der Rechtsinformatik hat man es auch mit Nutzergruppen zu tun, die möglichst wenig mit der IT und deren technischen Details zu tun haben wollen, zumal in der Jurisprudenz mehr die textuellen Kompetenzen als die technischen relevant sind. Die Erfüllung des jeweiligen Zwecks hat überragende Bedeutung; allenfalls hat die Funktionalität eine gewisse Rolle. Technische Details sind für die Nutzer zunehmend belastend. Leider ist die verwendetet IT immer noch sehr komplex. Es gibt riesige Datenmengen (z.B. die Textkorpora der Rechtsordnungen), das Auffinden relevanter Dokumente erfordert intelligente Suchunterstützung sowie den Einsatz von Ranking-Algorithmen, zunehmend werden «einfache Fälle» mit Methoden der AI & Recht (semi)automatisiert, die Rolle von E-Government, E-Justice und E-Democracy nimmt immer mehr zu. Das Beispiel von E-Voting zeigt die Komplexität der Debatte und die nahezu bestehende Unmöglichkeit, alle Aspekte in einer sachlichen Debatte einzubeziehen.
[9]
Dies bedeutet, dass die Technik transparent sein soll; transparent im Sinne der Informatik. Für den Nutzer von Dienstleistungen im Recht darf es nicht erforderlich seien, die komplexe Technik beherrschen zu müssen, um das System zu nutzen. Wohl aber muss die komplexe Technik den Anforderungen der Rechtsordnung entsprechen. Daher muss es notwendig sein möglich sein, die Technik gemäß diesen Anforderungen zu überprüfen. Daraus bedingt das Prinzip, dass letztendlich möglichst nur Open Software eingesetzt werden sollte.
[10]
In der Rechtsinformatik wurden drei Rechtsinstitute entwickelt, welche die Forderung nach Transparenz im Rechtssystem umsetzen: freier Zugang zur Rechtsinformation und Bürgerinformation, freier Zugang zu öffentlichen Dokumenten sowie freie wirtschaftliche Informationsweiterverwendung von öffentlichem Wissen. Als weiteres Prinzip könnte dazu noch der freie Zugang zu den rechtlich relevanten Programmen, zumindest zu deren Architektur, hinzugefügt werden, als eine Kontrollmöglichkeit, die derzeit im Bereiche des textuellen Rechtes eine Selbstverständlichkeit ist. Der zeitgemäße Rechtsschutz gegenüber den rechtlichen Formularen ist derzeit völlig unzureichend, wie Vytautas Čyras2 vollkommen richtig festgestellt hat.

3.1.

Freier Zugang zur Rechtsinformation und Bürgerinformation ^

[11]
Das Bestreben nach einem freien Zugang zur Rechtsinformation hat eine sehr lange Geschichte und geht letztlich auf den Beginn der Digitalisierung der juristischen Textkorpora zurück.3 Die Kosten waren und sind nach wie vor beträchtlich und können nur in sehr großen Rechtsordnungen über den Markt verdient werden (z.B. USA mit sogar zwei Anbietern – LexisNexis und Westlaw). Daher ist die öffentliche Hand (d.h. der Steuerzahler), die Wissenschaft, aber auch die Zivilgesellschaft gefordert, um die Wirtschaft bei der Produktion der Grund- wie Mehrwertprodukte zu unterstützen. Diese Subventionierung der freien Rechtsinformation bzw. der Rechtsinformationssysteme ist eine wesentliche Voraussetzung, damit Transparenz in der Rechtsordnung überhaupt möglich ist.
[12]
Drei Modelle der Subventionierung können unterschieden werden: das «österreichische Modell», das «australische Modell» und das kombinierte Modell.
[13]
Nach dem «österreichischen Modell» sorgt der Staat sowohl für den freien Zugang zur Rechtsinformation als auch die Metainformationen. Die Rechtsinformation wird umfassend verstanden und umfasst sowohl Normen als auch Gerichtsentscheidungen und der Entscheidungen von Verwaltungsbehörden sowie auch ansatzweise die internen Richtlinien der Verwaltungspraxis. Die Metainformationen sind beträchtlich und umfassen: die Geltung der Normen (mit semi-automatischer Konsolidierung), die Verweisungen, die Klassifikation sowie Abstracts in der sehr brauchbaren Form der vernetzten Rechtssätze zu Gerichtsentscheidungen. Nur wenige Staaten folgen zur Gänze dem «österreichischen Modell», weil hierfür auch sehr kompetente Dokumentationsdienste vorhanden sein müssen (in der Form der Evidenzbüros der Höchstgerichte). Bei den meisten Staaten bleibt es bei frei zugänglicher Textsammlung. Zur weltweiten Integration des «österreichischen Modells» in die entsprechenden Vereinigungen ist die Gründung eines Austrian Legal Information Institute vorgesehen (AustroLII).4
[14]
Das «australische Modell» geht auf eine Initiative der Cornell University (Peter Martin und Thomas R. Bruce, http://www.law.cornell.edu/) zurück; wurde aber vom Australasian Legal Information Institute (AustLII, http://www.austlii.edu.au) wesentlich ausgebaut und zu einer bis dahin nicht möglich gehaltenen Meisterschaft gebracht. Die bis dahin nur mit hoher Kostenschwelle zugänglichen australischen Jurisdiktionen wurden innerhalb kurzer Zeit kostenfrei zugänglich, und zwar mit sehr guter Suchmaschine (Sino) sowie automatisierter Vernetzung der Dokumente. In den letzten Jahren hat sich dieses Modell weltweit ausgebreitet; davon zeugt die imposante Mitgliederliste des World Legal Information Instituts (WordLII, http://www.worldlii.org) als auch die Fülle der nunmehr bedienten Jurisdiktionen. Die wesentliche Finanzierung erfolgt nach wie vor durch die beteiligten Universitäten sowie durch Forschungsfonds und Spenden.
[15]
Das «kombinierte Modell» beinhaltet beide Elemente und gibt den kommerziellen Verlagen eine größere Rolle. Mindeststandard sind frei verfügbare Textkorpora zu Normen und Gerichtsentscheidungen. Dies scheint sich als Standard zu etablieren; es gibt aber noch wesentliche «Rückzugsgefechte». 5 Verlage, Wirtschaft und Zivilgesellschaft profitieren jedenfalls von frei verfügbaren Textkorpora. Diesem Modell dürfte die Zukunft gehören, weil es die Subventionierung der Juristen (Anwaltschaft bzw. Notare und Rechtsabteilungen) hintanhält und von diesem einen gerechten Kostenbeitrag einfordert. Freie (und für den Bürger nutzbare) Mehrwertinformation hängt dann auch von universitären oder zivilgesellschaftlichen Initiativen ab, die auf den kostenfrei verfügbaren Textkorpora sowie Forschungsmitteln und Crowd Sourcing aufbauen. Es ist damit aber ein gangbarer Weg vorhanden.
[16]

Es ist nunmehr anerkannt, dass der Bürger mit dem Textkorpus alleine wenig anfangen kann, denn der syntaktische Zugang garantiert noch nicht den semantischen Zugang. Dazu sind diese Textkorpora zu umfangreich und zu komplex; die Rechtssprache sorgt mit ihren Besonderheiten für höchst unwillkommene Missverständnisse bei noch nicht eingelesenen Laien. Daher werden seit den 1990er Jahren Bürgerinformationssysteme aufgebaut, die je nach Lebenssachverhalt gut verständliche Informationen bereithalten als auch die erforderlichen Prozessschritte für das gewünschte Ziel beschreiben und durch Formulare beziehungsweise online Anträge wesentlich unterstützen (d.h. zuständige Behörden, notwendige Anträge, erforderliche Unterlagen etc.). Das österreichische HELP.GV.AT-System ist auch hier als Vorbild zu nennen (http://www.help.gv.at); gelungen ist auch das Modell der EU (Europe Direct – http://europa.eu/europedirect/index_en.htm).

3.2.

Freier Zugang zu öffentlichen Dokumenten & Datenschutz ^

[17]
Informationsfreiheit (Freedom of Information) gilt in vielen Ländern seit langem als wesentlicher Grundsatz; d.h. der Staat muss freien Zugang zu seinem Wissen geben. Vorreiter war Schweden und zwar mit dem Gesetz über die Pressefreiheit aus 1766.6 Bekannt ist das US-amerikanische Gesetz über die Informationsfreiheit aus 1966 (Freedom of Information Act). Österreich ist hier wesentlich zurückhaltender; jüngst wurde aber eine neue Initiative gestartet.7 Die Lösung des Gegensatzes mit dem Datenschutz ist mittels des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu lösen. Je nach Gewichtung des öffentlichen Zwecks sind Eingriffe in die Privatsphäre gerechtfertigt (oder auch nicht). So sind in Schweden und Finnland die Steuerdaten frei zugänglich, während diese in Österreich höchsten Schutz genießen. Hier bedarf es noch intensiver Forschung, um einen gerechten Ausgleich zu erzielen.

3.3.

Freie wirtschaftliche Informationsweiterverwendung von öffentlichem Wissen ^

[18]
Dank des Gemeinschaftsrechts existiert ein Standard von Prinzipien. Diese wurden in der Public Sector Information-Richtlinie8 festgelegt, die jüngst novelliert worden ist.9 Demnach dürfen allgemein zugängliche Daten für kommerzielle und nichtkommerzielle Zwecke wieder verwertet werden. Nur die Kosten der Produktion, bei der Produktion und Verteilung der Dokumente können verrechnet werden. Der Zugang hat nach den Prinzipien der Nichtdiskriminierung, Transparenz und des Verbots von Exklusivverträgen zu erfolgen. Mit der Überarbeitung der PSI-Richtlinie werden diese Grundsätze weiter ausgebaut und auch konkreter umgesetzt. Die Österreichische Praxis ist hier unterschiedlich. Einerseits besteht eine sehr gute Website mit allen Informationen zu Open Data (offene Daten Österreichs – lesbar für Mensch und Maschine, http://www.data.gv.at/), andererseits ist die Diskussion über die Nutzung der Justizdaten noch immer nicht beendet.10 Die Praxis scheint aber weniger konfliktträchtig als die Diskussion zu sein; auch der kommerzielle Wiederverwerter der Justizdaten hat bis dato sein Geschäftsmodell weitgehend unbeeinträchtigt fortsetzen können.

4.

Information, Partizipation & Rechenschaftslegung (Accountability) im politischen System ^

[19]

Rolf H. Weber hat mit seinem Dreieck von «Transparancy, Accountability and Partizipation» das Dilemma sehr gut beschrieben.11 Transparenz ist demnach ein wesentlicher Pfeiler jedes Mitbestimmungsmodells des Bürgers. Es ist daher erforderlich, eine Lösung hinsichtlich des Gegensatzes von Datenschutz und Informationsfreiheit zu finden. Hier können das «Wiener Modell» und das «Seattle Model» gegenüber gestellt werden. In Wien werden öffentliche Daten potentiell noch eher unter einem Mantel der Amtsverschwiegenheit gehalten; in Seattle, WA, sind diese vollkommen frei zugänglich (https://data.seattle.gov/). Seattle geht zu weit mit dem offenen Zugang zu höchstpersönlichen Daten, während Wien noch zu sehr in historischen Kontexten verhaftet bleibt. Es bedarf auch hier der Abwägung zwischen öffentlichem Zweck und Eingriff in die Privatsphäre.

[20]
Wissenschaftlich wurden bisher eher Randbereiche aufgearbeitet, wie die ICANN oder der Enthüllungsjournalismus (Caroline-Rechtsprechung).12 Die schwierige Abwägung zeigt sich auch im Verhältnis der Rechte auf Vergessen13 bzw. des Rechts auf Geschichte.

5.

Magisches Vieleck der Transparenz ^

[21]
Es gibt ein magisches Vieleck14 der Transparenz, das bei der Gestaltung von IT-Systemen in Recht und Staat beachtet werden muss:
  • Privatsphäre und Datenschutz: Das informationelle Selbstbestimmungsrecht sowie das «digitale Hausrecht» müssen beachtet werden.
  • Profiling-Bedürfnisse des Staates (Verdächtige) zwecks Verbrechensbekämpfung und Gefahrenabwehr, aber auch personalisierter Dienstleistungen im E-Government bzw. der Wirtschaft (Konsumenten) zwecks personalisierter Dienstleistungen
  • Open Government: Der Staat soll zunehmend «gläsern» werden und sein Wissen mit allen teilen.
  • Gläserne Wirtschaft: Die Wirtschaft möchte aber keine wesentliche Ausweitung der Publikationserfordernisse, um die Geschäftsgeheimnisse möglichst zu bewahren.
  • Gläserner Mensch: Open Government und personalisierte Dienstleistungen der Wirtschaft und des Staates sollen aber nicht dazu führen, dass alle Informationen über den Bürger verfügbar sind.
  • Die IT-Systeme sollen die Funktionen entsprechend der rechtlichen Vorgaben genau erfüllen; ansonsten aber möglichst wenig sichtbar sein (Transparenz im Sinne der Informatik). Trotzdem muss diese Transparenz auch transparent sein.

6.

Lösungsansätze für die Zukunft ^

[22]
Big Data15 ist eine Realität und wird nicht schon deswegen verschwinden, weil es fast unlösbare Datenschutzprobleme gibt. Die wirtschaftlichen Vorteile sind einfach zu wichtig und daher muss ein Kompromiss zwischen den Gegensätzen Big Data, Open Data und Datenschutz gefunden werden.
[23]
Eine Lösung könnte darin bestehen, dass möglichst viele Daten offen zugänglich sind, womit bereits sehr viele Dienstleistungen möglich sind. Dies würde aber sowohl für den Staat als auch die Wirtschaft und die Zivilgesellschaft, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß, gelten. Ergänzt könnte diese Lösung durch ein neues Zustimmungsmodell zur Datenverwendung. Während diese bisher durch den Menschen in Form von Willensäußerungen erfolgen muss, könnte diese Agenten übertragen werden, die nach vom Nutzer festgelegten Zustimmungsprofilen prüfen, ob das Datenschutzmodell des jeweiligen Anbieters die Voraussetzungen für eine automatische Zustimmung erfüllen. Dokumentationspflichten könnten leicht erfüllt werden; die Zustimmung sollte nicht mehr so frei wie bisher, aber innerhalb ausreichender Firsten gekündigt werden können. Auch kommerzielle Modelle des Datenkaufs sind damit möglich. Dieses Modell wäre aber auch geeignet, wenn das Zustimmungsmodell in Zukunft dominieren sollte; es würde sogar dessen Handhabbarkeit ermöglichen.

7.

Schlussfolgerungen ^

[24]
Transparenz heißt also die Herausforderung. Alles wissen, aber sich nicht mit allen Details beschäftigen zu müssen; der Zweck, allenfalls auch die Funktion, ist entscheidend. Diese Parameter der modernen Wissensverarbeitung sind nur im magischen Vieleck erfüllbar und erfordern in der Praxis schwierige Kompromisse. Die Wissenschaft kann durch kooperative Projekte mit Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft dazu beitragen, dass tragbare Lösungen gefunden und auch ausreichend getestet werden können. Der Gegensatz von Transparenz und Datenschutz wird uns noch viele Jahre intensiv beschäftigen.
[25]
Transparenz wie auch Tabus sind nicht auf Dauer fixiert. Es kann sein, dass Tabus in bestimmten gesellschaftlichen Bereichen wegfallen, um sich wieder woanders neu zu bilden. Mit der Transparenz ist es nicht anders. Beide sind den Sandbänken in den Flüssen vergleichbar, die sich nach dem Hochwasser oft verlagern, umgestalten. In der Gesellschaft gibt es auch so etwas wie Hochwässer, es sind dies die revolutionäre Vorgange, nicht nur im Politischen, sondern auch im Technischen. Ebenso zählen kulturelle Paradigmenwechsel dazu. Transparenz wie Tabus sind sozietale Grundgegebenheiten, die sich zwar wandeln aber dem Typus nach bleiben. Insofern eine dauernde Herausforderung.

 

Erich Schweighofer

Ao. Universitätsprofessor, Universität Wien, Arbeitsgruppe Rechtsinformatik (DEICL/AVR)

Schottenbastei 10-16/2/5, 1010 Wien, AT

Erich.Schweighofer@univie.ac.at; http://rechtsinformatik.univie.ac.at

 

Friedrich Lachmayer

Univ.-Dozent, Universität Innsbruck

Tigergasse 12/12, 1080 Wien, AT

Friedrich.Lachmayer@uibk.ac.at; http://www.legalvisualization.com

 


  1. 1 Wikipedia Deutsch, Transparenz. http://de.wikipedia.org aufgerufen 10. Februar 2.2014 (2014); Wikipedia Englisch, transpanrecy. http://en.wikipedia.org aufgerufen 10. Februar 2.2014 (2014).
  2. 2 Čyras, Vytautas, Lachmayer. Friedrich, Program Transparency for Legal Machines. In: IRIS2014 Tagungsband.
  3. 3 Bing, Jon (Ed.), Handbook of Legal Information Retrieval, North Holland, Amsterdam (1984); Schweighofer, Erich, Rechtsinformatik und Wissensrepräsentation, Springer, Wien (1999).
  4. 4 Vorab soll das Institut Teil des Wiener Zentrums für Rechtsinformatik (WZRI, http://wzri.eu) sein.
  5. 5 Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 7. Mai 2013 (Az. 10 S 281/12), LexXpress GmbH v. Bundesverfassungsgerichtshof. In diesem Urteil hat der VGH die Exklusivbelieferung von juris hinsichtlich der Veröffentlichung von Urteilen des BVerfG für unzulässig erklärt. Nach Revision ist nunmehr der BVerfG am Zuge.
  6. 6 Wikipedia Deutsch, Informationsfreiheit: http://de.wikipedia.org aufgerufen 10. Februar 2.2014 (2014).
  7. 7 Initiativantrag von Beate Meinl-Reisinger & Kollegen betreffend ein Informationsfreiheits-BVG vom 29. Oktober 10.2013, Nationalrat, XXV. GP, 6/A.
  8. 8 Richtlinie 2003/98/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 17. November 2003 über die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors, ABl. L 345/90 vom 31. Dezember 12.2003.
  9. 9 Richtlinie 2013/37/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Änderung der Richtlinie 2003/98/EG über die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors, ABl. L 175/1 vom 27. Juni 6.2013.
  10. 10 EuGH Rs. C-138/11, 12. Juli 2012, Compass-Verlag. Verfügbar: http://curia.europa.eu (2014).
  11. 11 Weber, Rolf H., The Crucial Triangle: Analysis of the Links between Transparency, Accountability and Participation in the Information Society. In: Tagungsband IRIS2014.
  12. 12 Tinnefeld, Marie-Theres, Einbrüche der Privatheit im digitalen Netz – Grundprobleme und technologische Ansätze des Grundrechtsschutzes. In: IRIS2010, S. 313-320 = Jusletter IT Ausgabe Feb. 2010, http://www.jusletter-it-eu (2010).
  13. 13 Mayer-Schönberger, Viktor, Delete. Princeton University Press (2009).
  14. 14 Wikipedia Deutsch, Magisches Vieleck. http://de.wikipedia.org aufgerufen 12. Februar 2.2014 (2014).
  15. 15 Mayer-Schönberger, Viktor/Cukier, Kenneth, Big Data. Hodder & Stoughton (2013).