1.1.
Ziel dieses Beitrags ^
Das Spiel beruht dabei zwar auf Gedanken, wie man sie auch im Präferenzutilitarismus3 findet, ist aber dennoch nicht präferenzutilitaristisch, weil keine evaluativen oder normativen Aussagen gemacht werden. Solche werden mit diesem Beitrag auch überhaupt nicht angestrebt, sondern lediglich empirisch-theoretische. Man kann das Spiel aber «präferenzethisch» nennen, da dieser Begriff weiter ist (siehe dazu gleich weiter unten) und es ist wichtig zu betonen, dass das Ziel jedenfalls darin besteht, auch deontologische und andere Prinzipien(-systeme) gleichberechtigt zu modellieren.
1.2.
Wichtige Begriffe der Ethik ^
Zunächst sollen die wichtigsten verwendeten Begriffe – insbesondere der Begriff der Ethik selbst – kurz geklärt werden: Englischsprachiger Usance lose folgend wird «Ethik» hier sowohl für den alltagsdiskursiven Begriff «Moralalltagsdiskursiv» als auch den eher wissenschaftsdiskursiven Begriff «Ethikwissenschaftsdiskursiv» verwendet, wobei letzterer im Deutschen für die Wissenschaft der bzw. über die Moral steht. Wenn hier von einer «Definition» eines bereits gebräuchlichen Begriffs die Rede ist, so ist damit die möglichst optimale, diskursneutrale, nicht-kreative philosophische Modellierung desselben gemeint. Unter Anknüpfung an frühere Überlegungen zu dieser Frage4 wird hier zwischen einer Ethik im engeren Sinn und einer Ethik im weiteren Sinn unterschieden. Ausgangspunkt ist – alltagsdiskursiv formuliert – das Leid, das Menschen sich gegenseitig zufügen. Philosophisch gesprochen wird hier – ohne dass Raum für weitere Vertiefung bleiben würde – davon ausgegangen, dass sich im Zuge der menschlichen Evolution mentale Verhalten als Reaktionen auf das Faktum entwickelt haben, dass sich Menschen durch ihr Verhalten gegenseitig in ihren Präferenzen und Präferenzverwirklichungschancen positiv oder negativ beeinflussen, das heißt insbesondere auch schädigen. Einige dieser mentalen Verhalten sind emotional oder kognitiv evaluativ, was im Allgemeinen so erlebt wird, dass man etwas als nicht richtig, nicht korrekt, unangemessen, böse etc. oder eben gegenteilig, also als richtig, korrekt, gut etc. erlebt.
«EthikieS» wird hier daher als die Gesamtheit aller evaluativen mentalen Reaktionen von Menschen auf die Förderung und Schädigung der Präferenzen und Präferenzverwirklichungschancen von Menschen durch das Verhalten anderer Menschen verstanden5. EthikieS bezieht sich somit auf die Förderungen und Schädigungen, die sich Menschen gegenseitig zufügen (wobei es im metaphorischen Sinne und in kulturell erklärbaren Ausnahmefällen auch um nicht-menschlichen Entitäten gehen kann). «EthikiwS» ist die kognitive und kulturelle Aus- und Überformung dieser Reaktionen, insbesondere die Produktion und Tradition kultureller Technologien über ethischeieS Themen. In diesem Kontext werden üblicherweise die beiden evaluativen Grundprädikate «gutethisch» und «böseethisch» verwendet, die im Standardfall intuitiv verstanden werden.6
- Normative Ethik versucht zu erforschen, was gut ist.
- Metaethik befasst sich mit der Analyse der Sprache, die zur Formulierung ethischer Sätze verwendet wird.
- Empirische Ethik: diese untersucht mittels Beobachtung und/oder theoretische Modellierung die Antworten, die Menschen auf die Frage: «Was ist gut?» geben.
Im Alltag können sprachlich und mental hinreichend kompetenten Personen die Frage, was gut ist, zwar im Standardfall intuitiv verstehen und[!] sie oft auch subjektiv oder sogar intersubjektiv befriedigend beantworten. Objektiv lässt sie sich jedoch nicht letztgültig beantworten, weil man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zeigen kann, dass sich relevante, nicht-triviale und gehaltvolle Antworten darauf aus prinzipiellen Gründen nicht intersubjektiv, rational hinreichend rechtfertigen lassen.7 Das gilt in analogem Sinne auch für die zweite wesentliche Frage der Ethik: «Was ist gesolltethisch?», die sich übrigens auf die erste rückführen lässt.8
1.3.
Großparadigmen der normativen Ethik ^
- Internalität oder Externalität:
- Internalität: In wie weit ist es relevant, was jemand bei der Setzung eines Verhaltens mental erlebt?
- Externalität: In wie weit ist es relevant, was in der materiellen Welt tatsächlich passiert, wobei «materiell» hier im Sinne eines Gegensatzes zum Mentalen aufzufassen ist.
- Verhalten oder Ergebnis (bzw. Erfolg): Kommt es auf die Setzung eines bestimmten Verhaltens an oder auf den dadurch bewirkten Sachverhalt?
- Regelbefolgung oder Innovation: Kommt es darauf an, dass eine ethische Regel befolgt wird oder nicht?
- Bei den so genannten teleologischen bzw. konsequentialistischen Ansichten sind die Ergebnisse das dominante Kriterium. Das heißt, dass in einer rein teleologischen Ethik ein Verhalten oder ein Prinzip nur danach beurteilt wird, welches Ergebnis es zeitigt. Wer aus Lust am Töten den Nachbarsjungen erschießt, ohne zu wissen, dass dieser gerade auf dem Weg zum Amoklauf war, und damit viele Menschen rettet, handelt damit ethisch gut, was kontraintuitiv ist.
- Bei deontologischen Ansichten wiederum geht es nur um die Erfüllung ethischer Prinzipien, unabhängig vom Ergebnis. Auch diese Ansichten sind problematisch. Zu jedem ethische Prinzip gibt es mindestens eine Alternative, nämlich dessen Negation, so wie sich zu «Du sollst nicht töten!» sofort das Prinzip «Du sollst töten!» formulieren lässt. Warum sollte man sich also für das erste Prinzip entscheiden und nicht für das zweite? Oder ethisch gefragt: Warum ist also das erste Prinzip offenbar gut und das zweite nicht? Ohne auf Ergebnisse oder höhere Prinzipien abzustellen – wobei letztere die Problematik ja nur prolongieren – scheint es unmöglich, diese wichtige Grundlagenfrage der Ethik zu diskutieren, geschweige denn sie zu entscheiden. Man wird also davon auszugehen haben, dass auch deontologische Ethiken ein teleologisches Minimum besitzen müssen.
- Beim Intentionalismus zählt die Intention, als Pendant zum strafrechtlichen Vorsatz verstanden. Auch der Intentionalismus ist in seiner Reinform nicht überzeugend, etwa weil man sich auch hier schwer tut Sorglosigkeit – Fahrlässigkeit – einzuordnen. Wer die Welt retten möchte, sie dabei aber unabsichtlich verwüstet, handelt hiernach ethisch gut, was ebenfalls kontraintuitiv ist.9
2.
Empirische Präferenzethik ^
Im Zentrum einer solchen Ethik steht der Begriff der Präferenz. Seine reale Basis ist das singulare mentale Erlebnis des Anstrebens eines Sachverhalts, welches viele Menschen kennen und im Ergebnis einem Zusammenspiel von Volition, Emotion und Kognition entspricht, was hier im einzelnen aber nicht weiter ausgeführt werden soll. Singulare mentale Präferenzereignisse lassen sich in hinreichendem Ausmaß zu zeitlich anhaltenden mentalen Dispositionen des Präferierens aggregieren, und auch hier genügt das in dieser Einfachheit. Individuen haben natürlich viele Präferenzen dieser Art, die sich zu Präferenzprofilen bündeln lassen.10 Gruppen – z.B. auch Gesellschaften – wiederum haben Systeme dieser Profile, und damit Präferenzsysteme11. Dem folgend meint empirische Präferenzethik die empirisch ethische Evaluierung von Präferenzsystemen.
3.
Das präferenzethische Spiel ^
Das hier zu entwickelnde «rechtphilosophische» Spiel dient dazu, (rechts-)ethische Sachverhalte zu modellieren, zu erklären und zu testen. Wie bereits erwähnt kann man es sich verkürzt wie das in Österreich sehr bekannte Spiel DKT («Das kaufmännische Talent»)12 mit ethischen Regeln vorstellen. Es wird dabei als Brett- und Computerspiel konzipiert, das sowohl von Menschen als auch von autonomen Programmen gespielt werden kann. Ähnlich wie bei DKT besteht das primäre Ziel der Spieler13 darin, ein bestimmtes Güterprofil, also eine vorgegebene strukturierte Menge von Gütern zu erwerben.14 Die Präferenzen der Spieler sind demnach auf den Erwerb der Güter15 gerichtet, was auch den Zusammenhang mit der Präferenzethik zeigt. Um die (rechts)philosophischen Ziele der Modellierung, Erklärung und des Tests ethischer Zusammenhänge zu erreichen muss das Spiel folgenden Kriterien gehorchen: (1) Es muss möglichst realistisch alle relevanten Aspekte modellieren, (2) möglichst einfach sein, (3) möglichst kulturinvariant, sodass es auf der ganzen Welt benutzt werden kann, und (4) eine leichte Kontrolle und Manipulation der Parameter ermöglichen.
3.1.
Bestandteile ^
- Autonome Spieler: Die zwischen zwei und unendlich vielen autonomen Spieler entsprechen Personen und werden von Menschen oder unabhängigen Programmen gesteuert. Sie interagieren miteinander und mit den nicht-autonomen Spielern mittels Transfers von Gütern (z.B. durch Tausch, aber auch durch Diebstahl etc.). Kollektive Akteure gibt es in Form von Allianzen erst ab der zweiten Ausbaustufe.
- Nicht-autonome Spieler: In der ersten Ausbaustufe gibt es zwei nicht-autonomen Spieler: (1) die Gemeinkassa und (2) das System-Out. Die Gemeinkassa ist lediglich eine Zurechnungsstelle im Gütertransfer, die selbst aber nicht handeln kann. Das symbolisiert Faktoren bzw. Personen, die selbst nicht handeln können, so wie Kinder, die Umwelt etc. (2) Das System-Out ist die Gesamtheit aller Güter, die keinen anderen Spielern zugeordnet sind. Gewissermaßen symbolisiert das alle vom Menschen (noch) nicht benutzen Güter und (noch) nicht beherrschten Kräfte. Das System-Out kann aber auch selbst Transfers durchführen, so wie es z.B. die Sanktionen bei Nichtbeachtung der Ethikkarten vollzieht.
3.2.
Spielziel, Spielverlauf, Spielende und Spielergebnis ^
3.3.
Weitere Ausbaustufen ^
4.
Modellierung normativ-ethischer Großparadigmen ^
5.
Modellierung des Brot-Kuchen-Prinzips ^
6.
Schlussfolgerungen ^
7.
Literatur ^
http://www.dkt.at/index/spiel/ (6. Januar 2014).
Kreuzbauer, Günther, Die Norm im Völkerrecht: Eine rechtsphilosophische und rechtstheoretische Untersuchung. LIT-Verlag, Wien (2006).
Kreuzbauer, Günther, Ist Recht die bessere Ethik? In: Fischer, Michael & Strasser, Michaela (Hrsg.), Rechtsethik, Lang, Frankfurt am Main et al., S. 65–86 (2007).
Kreuzbauer, Günther, Mögliche Ethische Welten und Normtypen. In: Geist, Anton, Brunschwig, Colette, Lachmayer, Friedrich, Schefbeck, Günther (Hrsg.), Strukturierung der Juristischen Semantik: Mit einem Beitrag zum Multisensorischen Recht, Festschrift für Erich Schweighofer, Liber amicorum/Editions Weblaw, Bern, S. 81–100 (2011).
Richerson, Peter J./Boyd, Robert, Not by Genes Alone: How Culture Transformed Human Evolution, University of Chicago Press, Chicago (2005).
Schurz, Gerhard, Grenzen rationaler Ethikbegründung: Das Sein-Sollen-Problem aus moderner Sicht, in: Ethik und Sozialwissenschaften, S. 163–176 (1995).
Schurz, Gerhard, Evolution in Natur und Kultur: Eine Einführung in die verallgemeinerte Evolutionstheorie, Spektrum Akademischer Verlag. Heidelberg (2011).
Singer, Peter, Praktische Ethik, 2. Aufl., Reclam, Stuttgart (1999).
Günther Kreuzbauer
Assistenzprofessor, Universität Salzburg, Fachbereich Sozial- und Wirtschaftswissenschaften
Churfürststraße 1, 5020 Salzburg, AT
guenther.kreuzbauer@sbg.ac.at; http://www.uni-salzburg.at
- 1 Siehe dazu weiter unten.
- 2 Zu diesem Begriff siehe sogleich weiter unten.
- 3 Vgl. dazu vor allem Singer 1999.
- 4 Vgl. Kreuzbauer 2007 und Kreuzbauer 2011.
- 5 Vgl. dazu die ähnliche, im Detail aber durchaus unterschiedliche Definition in Kreuzbauer 2007, 67.
- 6 Die Indizes werden im Weiteren weggelassen, was bedeutet, dass «gut» im weiteren Verlauf immer als «gutethisch» verstanden wird. Analoges gilt für «böse», das so definiert wird: Für alle x gilt: «böse x» =df. «gut ¬ x».
- 7 Behauptungen darüber, dass etwas gut der böse ist, lassen sich nämlich zumindest empirisch nicht rechtfertigen, was mit der Problematik des so genannten naturalistischen Fehlschlusses bzw. dem Sein-Sollen-Problem zusammenhängt. Vgl. dazu Schurz 1995 sowie mit weiteren Nachweisen Kreuzbauer 2006, 152 ff.
- 8 Dies gilt deshalb, weil sich Normen als ethisch bewertete Forderungen auffassen lassen, das heißt, dass etwas genau dann gesollt ist, wenn es gefordert ist und die Erfüllung der Forderung gleichzeitig als gut bewertet wird. Vgl. dazu Kreuzbauer 2006, 119.
- 9 In wie weit das von manchen geforderte Kriterium, dass ein Verhalten dann gut ist, wenn es Überwindung kostet, hier einzuordnen ist oder besser als eigene Kategorie aufgefasst wird, kann hier nicht weiter diskutiert werden.
- 10 Man beachte, dass weder menschliche Präferenzen noch deren Motivationskraft nach rein rationalen Kriterien entstehen. Die Präferenz für Drogen kann rational nicht erklärt werden, da Drogenkonsum ja bekanntlich potentiell gesundheitsschädigend ist. Das heißt, dass man davon ausgehen muss, dass Menschen oft die «falschen» Präferenzen haben, was unsere Überlegungen aber nicht weiter beeinträchtigt.
- 11 Es spricht dabei viel dafür, Präferenzaggregationen als Populationen aufzufassen, was hier jedoch nicht weiter vertieft werden kann (vgl. dazu Richerson/Boyd 2005, 5 ff.).
- 12 Vgl. http://www.dkt.at/index/spiel/ (6. Januar 2014).
- 13 Der Autor/die Autorin verzichtet aus Gründen der besseren Verständlichkeit im Weiteren auf die Anführung weiblicher Endungen.
- 14 Ansonsten unterscheidet sich dieses Spiel in praktisch allem von DKT oder ähnlichen anderen Spielen und wurde auch nicht dadurch beeinflusst, sondern beruht auf davon unabhängigen Überlegungen zur Didaktik der Ethik.
- 15 Vgl. dazu Kreuzbauer 2011, 86 ff.