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Die Intransparenz des Mietrechtsgesetzes

  • Authors: Wolfgang Kahlig / Eleonora Kahlig
  • Category: Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: Legal Visualisation
  • Collection: Tagungsband IRIS 2014
  • Citation: Wolfgang Kahlig / Eleonora Kahlig, Die Intransparenz des Mietrechtsgesetzes, in: Jusletter IT 20 February 2014
Insbesondere Wohnrechtsgesetze, die ja für den Bürger im Allgemeinen von hoher Bedeutung sind, sollten so verständlich wie nur möglich sein. Das ist jedoch in weiten Teilen nicht der Fall. Bedingt durch althergebrachte Gewohnheiten und Gepflogenheiten werden Methoden der Darstellung gewählt, die längt nicht mehr zeitgemäß sind, die daher eher verwirren, als aufklären. Abgeleitet aus den Techniken der Informationswissenschaft wurden jedoch parallel dazu Methoden entwickelt, wie Regelungen «einfach» und «übersichtlich» dargestellt und vom «durchschnittlich Begabten» verstanden werden können.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Allgemeines
  • 1.1. Prinzipien der Darstellung von Regelungen
  • 1.2. Arten der Informationsvermittlung
  • 1.3. Begriffsbestimmung
  • 2. Wohnrecht/ Mietrechtsgesetz
  • 2.1. Komplexität und Intransparenz von gesetzlichen Bestimmungen
  • 2.1.1. «Transparenz» / «Intransparenz» im Mietrechtsgesetz (MRG)
  • 2.1.2. Geltungsbereich des MRG
  • 2.1.3. Ausschließungskriterien
  • 2.2. Folgerungen
  • 2.3. Intransparenz bei Erhaltungsarbeiten
  • 3. Ergebnisse
  • 4. Literatur

1.

Allgemeines ^

1.1.

Prinzipien der Darstellung von Regelungen ^

[1]
Die Wohnrechtsgesetzte gehören wohl zu den für den Bürger wichtigsten Gesetzen. Jeder muss ja in irgendeiner Weise wohnen und nur relativ wenige können sich außerhalb der klassischen Regelungen aufhalten.
[2]
Insbesondere zu achten sein wird auf:
  • Mietrechtsgesetz
  • Wohnungseigentumsgesetz
  • ABGB
  • Umsatzsteuergesetz
  • Richtwertgesetz
  • Heizkosten-Abrechnungsgesetz
[3]
Die Frage, die sich für jeden Legisten/ Gesetzgeber bei der Formulierung von Regelungen stellen muss ist, dass natürlich einerseits die in den politischen Gremien ausgehandelten Inhalte möglichst authentische schriftlich festgehalten werden müssen. Dass aber die Darstellung und daher die Verständlichkeit in einer derartigen Form erfolgen müssten, dass der «Normalbürger» die Regelungen ohne übermäßigen Aufwand verstehen kann.

1.2.

Arten der Informationsvermittlung ^

[4]

Für die Darstellung von Regelungen/Gesetzen werden üblicherweise «Legistikregeln»1 herangezogen, die generell bundesspezifisch sind und vom Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes ausgegeben werden. Dazu gibt es auch landesspezifische Legistikregeln, die sich teilweise an die Bundesregelungen anlehnen.

1.3.

Begriffsbestimmung ^

[5]
Zielsetzung dieser Ausarbeitung ist, dass die Transparenz oder Intransparenz einer der wichtigsten gesetzlichen Bestimmungen diskutiert werden soll. Der Begriff «transparent» ist freilich von vielen Faktoren abhängig. «WIKIPEDIA» meint dazu

Abbildung 1: Transparenz- Bereiche

[6]
«Transparenz» ist also ein vorwiegend technischer Begriff, vereinfacht kann jedoch die Durchsichtigkeit oder Klarheit eines Materials, eines Verfahrens oder eines Zustandes verstanden werden.
[7]
im Zusammenhang mit dem Thema «Mietrecht» soll daher nicht untersucht werden, ob überhaupt jemand existiert, der die Bedeutung der einzelnen mietrechtlichen Bestimmungen in seiner vollen Bedeutung versteht, sondern ob der Inhalt und der Sinn für den «Durchschnittsbürger «transparent», also derartig «durchscheinend» ist, dass dieser den festgelegten Sinn versteht. Natürlich gibt es nun wieder die Unsicherheit des Begriffs, was wohl ein «Durchschnittsbürger» sein mag. Daher soll in der Folge versucht werden an einigen bedeutenden rechtlichen Bestimmungen, analytisch aufbereitet nachzuweisen, dass selbst bei Zerlegung in einfache, logische Einzelelemente, der gemeinte Inhalt bestenfalls wie durch einen Nebel erscheint und keinesfalls «transparent» ist.
[8]
Wird «GOOGLE» nach der Intransparenz von MRG / Mietrechtsgesetz befragt, so wird mit 1680 bzw. 113000 (!) Einträgen geantwortet:

Abbildung 2: «Intransparenz» lt. Internet/ GOOGLE

[9]
Transparenz bei Gesetzen scheint daher tatsächlich ein für viele brennendes Thema zu sein, die dringend verbessert werden müsste.

2.

Wohnrecht/ Mietrechtsgesetz ^

2
[10]
Einer der größten Rechtsphilosophen des deutschsprachigen Raumes, Hans Kelsen, trat für die formale Analyse des Rechts ein. In seinem Werk «Hauptprobleme der Staatsrechtslehre» vertritt er dabei zwar einen rein formalen Standpunkt, in Anlehnung an Kant wäre aber das Hauptmerkmal des Staates das Vorhandensein einer objektiven Rechtsordnung. Eine erkennbare Grundtendenz nach «logischen Zusammenhängen» wird sichtbar, die von Adolf Merkl entwickelte Normenpyramide zeigt moderne Ansätze zur logischen Strukturierung und Visualisierung von Rechtsnormen. Um eine «Hyperstruktur» der Rechtsformen zu entwickeln, führte Kelsen die sogenannte hypothetische Grundnorm ein, die als transzendentallogische Voraussetzung dient, um die Geschlossenheit eines Rechtssystems zu gewährleisten. Eine Norm gehöre nämlich nur dann einer Rechtsordnung an, wenn sie sich auf diese Grundnorm zurückführen lässt.
[11]
Friedrich Lachmayer, Vater des RIS – Rechtsinformationssystems des Bundes im Bundeskanzleramt in Wien, Mitinitiator der IRIS-Kongresse in Salzburg und Bewunderer von Kelsen hat ja – wie kein anderer – die Bedeutung der logischen Bilder für das Recht hervorgehoben. Lachmayer strukturiert konsequent die – meist textuell geformten – Regeln und bildet ein logisches Gerüst.

Abbildung 3: Beispiel Lachmayer für eine Logiksprache in der StVO

2.1.

Komplexität und Intransparenz von gesetzlichen Bestimmungen ^

[12]
Dass die vorhanden Gesetze selbst für Fachleute oft undurchschaubar sind, ist ja kein Geheimnis. Insbesondere das Wohnrecht bietet hier textuell für den täglichen Sprachgebrauch (also wie z.B. Medien, wie der ORF berichten oder wie Tageszeitungen schreiben) ungewöhnliche Formulierungen und Begriffe an, wie z.B. auch in einem Artikel des «Standard» 3 hingewiesen wird. Fast unzählige Experten versuchen die für den Durchschnittsbürger unklaren Formulierung und Inhalte verständlich darzustellen:

Abbildung 4: Versuche zur Entwirrung des «Dschungels an juristischen Bestimmungen»

2.1.1.

«Transparenz» / «Intransparenz» im Mietrechtsgesetz (MRG) ^

[13]
Der betroffene Bürger (Mieter oder Vermieter) sieht sich zunächst mit folgenden zentralen Fragen konfrontiert:
  • Geltungsbereich
  • Mietzinsbildung
  • Befristungen
  • Rechte und Pflichten

2.1.2.

Geltungsbereich des MRG ^

[14]

Soll etwa der Geltungsbereich überprüft werden, so bietet sich für den Bürger zunächst an, sich im RIS-System zu informieren. (Natürlich ist auch z.B. die MANZ'sche Sonderausgabe «Miet- und Wohnrecht» ein geeignetes Nachschlagewerk.) Es soll nun angenommen werde, dass beispielsweise eine Wohnung vermietet wird nach folgenden Kriterien:

  • Zinshaus mit 20 Mietgegenständen
  • Baubewilligung 1883
  • Durch Hauseigentümer ausgebaute Kat A Dachbodenwohnung mit Baubewilligung 1995
[15]

Es ergibt sich nun die Frage, ob diese Einheit im Vollanwendungsbereich oder im Teilanwendungsbereich oder außerhalb der Bestimmungen des MRG ist? 4

[16]
Das RIS-System bringt auf die Frage «Geltungsbereich» die Auskunft im § 1 MRG:

Abbildung 5: RIS-System des BKA, Ausschnitt aus dem MRG, Geltungsbereich

[17]
Zunächst wird also § 1 Abs. 1 überprüft:

§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz gilt für die Miete von Wohnungen, einzelnen Wohnungsteilen oder Geschäftsräumlichkeiten aller Art (wie im besonderen von Geschäftsräumen, Magazinen, Werkstätten, Arbeitsräumen, Amts- oder Kanzleiräumen) samt den etwa mitgemieteten (§ 1091 ABGB) Haus- oder Grundflächen (wie im besonderen von Hausgärten, Abstell-, Lade- oder Parkflächen) und für die genossenschaftlichen Nutzungsverträge über derartige Objekte (im folgenden Mietgegenstände genannt); in diesem Bundesgesetz wird unter Mietvertrag auch der genossenschaftliche Nutzungsvertrag, unter Mietzins auch das auf Grund eines genossenschaftlichen Nutzungsvertrages zu bezahlende Nutzungsentgelt verstanden.

[18]

Nach mehrfachem Durchlesen des § 1 Abs. 1 kommen die Betroffenen also zu dem Schluss, dass der zu mietende Mietgegenstand zwar nicht zur Gruppe

    «einzelnen Wohnungsteilen oder Geschäftsräumlichkeiten aller Art»

gehört, auch nicht zur Gruppe

    «samt den etwa mitgemieteten (§ 1091 ABGB) Haus- oder Grundflächen»,

ebenfalls nicht zur Gruppe

    «für die genossenschaftlichen Nutzungsverträge über derartige Objekte»,

aber sehr wohl zur Gruppe

    «Miete von Wohnungen» gehören müsste.
[19]

Allerdings kann trotzdem noch nicht entschieden werden, ob

    «Vollanwendungsbereich» oder

    «Teilanwendungsbereich» oder

    «Kein Anwendungsbereich»

vorliegt, der Schluss «Dieses Bundesgesetz gilt für die Miete von Wohnungen» wäre voreilig. Die Aussage «gilt für die Miete von Wohnungen» sofort als «Vollanwendungsbereich» oder zumindest als «Teilanwendungsbereich» einzustufen wäre – wie sich aus dem weiteren MRG-Text ergeben wird – völlig falsch und dadurch für den Anwender des Gesetzes intransparent. Im Gegenteil, trotz der scheinbaren unzweideutigen Feststellung von «Dieses Bundesgesetz gilt für die Miete von Wohnungen» könnten aus dem Absatz 1 lediglich einige Sonderfälle aus dem Mietrecht ausgeschlossen werden, wie Pacht, Bittleihe/Prekarium, Eigentum, Fruchtgenuss, Flächenmiete, …

2.1.3.

Ausschließungskriterien ^

[20]
Der Abs. 2 schließt für bestimmte Fälle die Zugehörigkeit aus:

Abbildung 5: RIS-System des BKA, Ausschnitt aus dem § 1 MRG Abs. 2

[21]

Abs. 2 Ziffer 1 besagt also, dass Mietgegenstände, die im Rahmen des Betriebes eines

  • Beherbergungsunternehmens oder eines
  • Garagierungsunternehmens oder eines
  • Verkehrsunternehmens oder eines
  • Flughafenbetriebsunternehmens oder eines
  • Speditionsunternehmens oder eines
  • Lagerhausunternehmens oder eines
  • Heimes, besonders errichtet für ledige oder betagte Menschen, Lehrlinge, jugendliche Arbeitnehmer, Schüler, Studenten
vermietet werden, nicht in den Anwendungsbereich des MRG fallen.
[22]
Diese Ausnahmekriterien sind für das Beispiel nicht zutreffend, daher gilt weiterhin «alles ist möglich», es muss weitergelesen werden.
[23]
Abs. 2 Ziffer 1a schließt auch Wohnungen und Wohnräume aus dem Anwendungsbereich aus, die «von einer karitativen oder humanitären Organisation im Rahmen sozialpädagogisch betreuten Wohnens vermietet werden».
[24]
Diese Ausnahmekriterien sind für das Beispiel nicht zutreffend, daher gilt weiterhin «alles ist möglich».
[25]
Abs. 2 Ziffer 2 schließt aus dem Anwendungsbereich auch Wohnungen aus, «die auf Grund eines Dienstverhältnisses oder im Zusammenhang mit einem solchen als Dienst- Natural- oder Werkswohnung überlassen werden».
[26]
Diese Ausnahmekriterien sind für das Beispiel nicht zutreffend, daher gilt weiterhin «alles ist möglich».
[27]

Abs. 2 Ziffer 3 bezieht sich nun auf Mietverträge, die durch Ablauf der Zeit ohne Kündigung erlöschen. Diese fallen ebenfalls nicht unter dieses Bundesgesetz. Allerdings nur dann, wenn weitere Kriterien zusätzlich zutreffen. Es darf nämlich die ursprüngliche oder verlängerte, vertragsmäßige Dauer ein halbes Jahr nicht übersteigen. Zusätzlich muss gelten, dass der Mietgegenstand

    eine Geschäftsräumlichkeit

    oder eine Wohnung der Ausstattungskategorie A oder B ist und der Mieter diese nur zum schriftlich vereinbarten Zweck der Nutzung als Zweitwohnung wegen eines durch Erwerbstätigkeit verursachten vorübergehenden Ortswechsels mietet.

[28]
Diese Ausnahmekriterien sind für das Beispiel nicht zutreffend, daher gilt weiterhin «alles ist möglich».
[29]
Abs. 2 Ziffer 4 bezieht sich auf «Ferienwohnungen». Von den Bestimmungen des MRG sind daher «Wohnungen und Wohnräume, die vom Mieter bloß als Zweitwohnung zu Zwecken der Erholung oder der Freizeitgestaltung gemietet werden» ausgeschlossen. Der nachfolgende Hinweis «; eine Zweitwohnung im Sinne der Z 3 und 4 liegt vor, wenn daneben ein gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne des § 66 JN besteht» bezieht sich rückwirkend auch auf Ziffer 3. Durch das Unterlassen dieses Hinweises direkt bei Ziffer 3 entsteht eine zusätzliche Unsicherheit und Intransparenz für den vom Gesetz Betroffen, da es sich auch bei diesem Punkt nicht sicher sein kann, dass ein späterer, an einer beliebigen Stelle vorkommender Passus, die gerade festgelegte Regel wieder aufhebt.
[30]
Diese Ausnahmekriterien sind nun aber für das Beispiel nicht zutreffend, daher gilt weiterhin «alles ist möglich».
[31]
Abs. 2 Ziffer 5 betrifft kleine «Miethäuser», nämlich solche, die höchstens 2 Tops/ Einheiten enthalten. Durch «Mietgegenstände in einem Gebäude mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen oder Geschäftsräumlichkeiten, wobei Räume, die nachträglich durch einen Ausbau des Dachbodens neu geschaffen wurden oder werden, nicht zählen» sind diese auch vom MRG ausgeschlossen.
[32]
Auch diese Ausnahmekriterien sind für das Beispiel nicht zutreffend, daher gilt weiterhin «alles ist möglich».
[33]
Abs. 3 bezieht sich auf «Mietgegenstände in Gebäuden, die von einer gemeinnützigen Bauvereinigung im eigenen Namen errichtet worden sind, gelten die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nach Maßgabe des § 20 des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes».
[34]
Da aber das betroffene Gebäude nicht von einer gemeinnützigen Bauvereinigung errichtet worden ist, sind diese Ausnahmekriterien sind für das Beispiel nicht zutreffend, Weiterhin gilt «alles ist möglich». Bemerkenswert ist jedoch, dass – sollte diese Ausnahmebestimmung doch zutreffen und der Verweis auf § 20 WGG relevant sein – in dieser Bestimmung des WGG wiederum zurückverweisen würde auf das MRG, was natürlich für die Transparenz – aus der Sicht das Anwenders – nicht sehr förderlich ist. Dies insbesondere dadurch, dass bei den zahlreichen Rückverweisen ein oftmaliges Suchen und Blättern unvermeidlich ist.

Abbildung 6: RIS-System des BKA, Ausschnitt aus dem § 20 WGG

[35]
Abs. 4 bezieht sich auf Ausnahmen, die aber nicht die Vollausnahme bewirken.

Abbildung 7: RIS-System des BKA, Ausschnitt aus dem § 1 MRG, Teilausnahmekriterien

[36]
Demnach gilt, wenn einer der der Ziffern 1 oder 2 oder 2a oder 3 zutreffen, das Folgende nicht:
  • § 14 Mietrecht im Todesfall
  • § 16b Kautionsbestimmung
  • § 29 Auflösung und Erneuerung des Mietvertrages, Zurückstellen des Mietgegenstandes
  • § 30 Kündigungsbeschränkungen
  • § 31 Teilkündigung
  • § 32 Ersatzbeschaffung
  • § 33 Gerichtliche Kündigung
  • § 33a Benachrichtigung der Gemeinde
  • § 34 Verlängerung der Räumungsfrist im Urteil
  • § 34a Räumungsschutz des Scheinuntermieters
  • § 35 Aufschiebung der Räumungsexekution
  • § 36 Ersatz des Ausmietungsschadens
  • § 45 Wertbeständigkeit des Mietzinses
  • § 46 Hauptmietzins bei Eintritt in einen bestehenden Mietvertrag über eine Wohnung
  • § 49 Kündigungsrechtliche Übergangsregelung
[37]
Abs. 4 Ziffer 1 schränkt die mietrechtlichen Bestimmungen in Bezug auf die aufgelisteten Paragrafen ein, wenn «Mietgegenstände, die in Gebäuden gelegen sind, die ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel auf Grund einer nach dem 30. Juni 1953 erteilten Baubewilligung neu errichtet worden sind». Im gegenständlichen Beispiel sind in der Angabe keine öffentlichen Mittel erwähnt, die Baubewilligung, also kann angenommen werden, dass der betroffene Mietgegenstand in einem Gebäude gelegen ist, das ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel neu errichtet worden ist. Die Baubewilligung für die Dachbodenwohnung stammt aus dem Jahre 1995, also nach dem 30. Juni 1953, daher könnte der Vermieter/ Mieter durchaus nun annehmen, dass Abs. 4 Ziffer 1 zutrifft und der Mietgegenstand im Teilanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes liegt. Bedauerlicherweise bezieht sich das Baubewilligungsdatum aber auf das Gebäude selbst, sodass daher auch diese Bestimmung bezüglich Teilausnahme nicht zutrifft. Ein weiterer Hinweis auf die Intransparenz des Mietrechts. Nun müssen noch die nächsten Bestimmungen gecheckt werden.
[38]
Abs. 4 Ziffer 2 schränkt ebenfalls ein, wenn es sich handelt um «Mietgegenstände, die durch den Ausbau eines Dachbodens oder einen Aufbau auf Grund einer nach dem 31. Dezember 2001 erteilten Baubewilligung neu errichtet worden sind, sowie unausgebaute Dachbodenräumlichkeiten, die mit der Abrede vermietet werden, dass – wenn auch zum Teil oder zur Gänze durch den Hauptmieter – entweder in ihnen oder in einem an ihrer Stelle durchgeführten Aufbau eine Wohnung oder Geschäftsräumlichkeit errichtet werde». Die Zuordnung in die Teilanwendung scheitert auch wieder, da die Dachbodenwohnung VOR 2002 errichtet worden ist.
[39]
Abs. 4 Ziffer 2a betrifft «Mietgegenstände, die durch einen Zubau auf Grund einer nach dem 30. September 2006 erteilten Baubewilligung neu errichtet worden sind». Auch diesbezüglich ist keine Übereinstimmung gegeben, da ja die Baubewilligung für den zu untersuchenden Mietgegenstand VOR dem 1. Oktober 2006 liegt.
[40]
Abs. 4 Ziffer 3 betrifft schließlich – im Rahmen des Abs. 4 «Mietgegenstände, die im Wohnungseigentum stehen, sofern der Mietgegenstand in einem Gebäude gelegen ist, das auf Grund einer nach dem 8. Mai 1945 erteilten Baubewilligung neu errichtet worden ist.». In dem zu untersuchenden Fall handelt es sich nicht um eine Eigentumswohnung. Daher ist auch Abs.4 Ziffer 3 unzutreffend.
[41]
Schließlich ist der Abs. 5 ebenfalls unzutreffend, da er Mietgegenstände in einem Wirtschaftspark behandelt:

Abbildung 8: RIS-System des BKA, Ausschnitt aus dem § 1 MRG, Wirtschaftspark-Bestimmung

2.2.

Folgerungen ^

[42]
Aus den vorhin abgeleiteten Schlussfolgerungen scheint sich nun zu ergeben, dass sich der Mietgegenstand im Vollanwendungsbereich des MRG befindet. Dieser Schluss wäre aber voreilig, denn eine völlig außerhalb des § 1 MRG (der ja den «Geltungsbereich» bestimmen sollte) gelegene Bestimmung kann den Geltungsbereich doch noch abändern:
[43]
Im Kommentar Würth, Zingher, Kovanyi, Miet- und Wohnrechts, MANZ, III. Hauptstück, § 53, Rz 1 und 2 wird daher auch festgestellt: «§ 53 MRG stellt sich wohl formal als Novellierung des RBG dar, materiell greift er jedoch in die Bestimmungen über die Mietzinsbildung nach § 16 MRG ein». Und weiter in Rz 2: « unterliegen Mietgegenstände,… nicht den Vorschriften des § 16».

2.3.

Intransparenz bei Erhaltungsarbeiten ^

[44]
Obwohl § 3 – bis vor relativ Kurzem – als abschließende und vollständige Bestimmung zu verstehen war, gibt es ja (Thermenproblematik) oberstgerichtliche Entscheidungen, aus denen hervorgeht, dass das KSchG ebenfalls in das Mietrecht eingreift…
[45]
Demgegenüber entsteht wieder eine kontroversielle Rechtsauffassung durch ein neueres OGH- Erkenntnis:

Abbildung 9: Internet-Infoseite «Mieterschutz Österreich»

3.

Ergebnisse ^

[46]
Bedingt durch die seit Jahrhunderten gewohnte Darstellung rechtlicher Vorschriften muss zwangsläufig «Intransparenz» entstehen. Die einzelnen Bauteile sind nicht – wie etwa in einem Uhrwerk – so zusammengefügt, dass jedes «Rädchen» in ein anderes greift und, wenn eines fehlt oder nicht mehr funktionsfähig ist, der Mechanismus stehen bleibt. Anders ist die Lage aber bei vielen Gesetzestexten, wie z.B. auch im § 46c MRG, der aus einem einzigen Satz besteht, aber 182 Worte und 1134 Zeichen enthält.
[47]
Rechtliche Regelungen müssten daher – in Interesse von Klarheit und Transparenz – maschinenähnlich aufgebaut sein. Nicht «schön» und mit «Blocksatz» dargestellt, sondern strukturiert, übersichtlich, mit gängigen, heute üblichen Begriffen ausgestattet und mit offensichtlichen Mechanismen, die «in einander greifen».
[48]
Mit diesen Möglichkeiten und Fragestellungen beschäftigt sich u.a. auch das Gebiet der «Rechtsinformatik». Strukturdarstellungen, Visualisierungen, Tabellen, Entscheidungsbäume, Diagramme wären mögliche Instrumente, um mehr Transparenz und Rechtssicherheit erreichen zu können.

4.

Literatur ^

Würth, Zingher, Kovanyi, Miet- und Wohnrecht, 21. Auflage, MANZ, Wien (2004).

Kahlig, Neue Denkansätze in der Legistik mit besonderer Bezugnahme auf das Wohnrecht, Kärntner Verwaltungsakademie, Bildungsprotokolle, Klagenfurter Legistikgespräche, Klagenfurt, 2005.

Kahlig, Dissertation: Rechtsmodellierung im E-Government, Fallbeispiele zur Legistik, Johannes Kepler Universität Linz, 2005.

Kahlig, Objektorientierte Denkansätze in der Legistik, Kärntner Verwaltungsakademie, Bildungsprotokolle, Klagenfurter Legistikgespräche, Klagenfurt, 2007.

Kahlig, Stingl, Immobilien – Steuerrecht, Manz, Wien, 2007.

Kahlig, Rechtsmodellierung im e-Government, VDO Müller, 2008.

Heindl, Kahlig, Mietrecht strukturiert, Manz, Wien, 2008.

Heindl, Kahlig, Mietrecht strukturiert, CD-Ausgabe, Manz, Wien, 2008.

Kahlig, Legal Cognitive Decision Processing towards a Dynamic Taxonomy, Digital Information Management, 2008. ICDIM 2008. Third International Conference on 13–16 November 2008, University-East London, 2008.

Kahlig u.a., Komplexitätsgrenzen der Rechtsinformatik/ UML für juristische Anwendungen, Schweighofer, Geist, Heindl, Szücs (Hrsg.), Tagungsband des 11. Internationalen Rechtsinformatik Symposions 2008, Bloomberg Verlag, Stuttgart, München, 2009.

Heindl, Kahlig, Österreicher, Sommer, WGG strukturiert, Manz, 2010.

Heindl, Kahlig, Österreicher, Sommer, WGG II strukturiert, Manz, 2012.

Heindl, Kahlig, Österreicher, Sommer, WGG I + II Navigator, CD- Ausgabe, Manz, 2012.

Heindl, Kahlig, Wohnungseigentum (WEG) strukturiert, Manz, Wien, 2012.

Heindl, Kahlig, Stingl, Wohnrecht strukturiert (WEG, MRG, UStG, EStG), CD-Ausgabe, Manz, Wien, 2012.

Kahlig Eleonora, Kahlig Wolfgang, Roman Law And Contemporary Legislation, 2013, The Third International Conference on Digital Information Processing and Communications\(ICDIPC2013\), International Journal of Digital Information and Wireless Communications (IJDIWC) 3(1): 106–118, The Society of Digital Information and Wireless Communications, 2013 (ISSN: 2225-658X),Islamic Azad University Dubai, U.A.E., 2013.

Kahlig Eleonora, Kahlig Wolfgang, The Law Just For Jurists?, 2013, Federal University of Minas Gerais (UFMG), Belo Horizonte, MG, Brazil, 2013.


 

Eleonora Kahlig, Wolfgang Kahlig

Vorstand, Prof., CONTAKT AG, Institut für Immobiliensoftware, Wohnrecht, Rechtsanalysen und Rechtsmodellierung, Arbeitsgruppe Rechtsinformatik

Rosenackerstraße 61, 1170 Wien, AT

kahlig@attglobal.net; http://www.conthaus.at

 


  1. 1 Siehe auch BKA, Verfassungsdienst, Dr. Karl Irresberger, http://www.bka.gv.at/site/3513/default.aspx.
  2. 2 Lt. Horst Dreier, Adolf Merkl, Friedrich Lachmayer, WIKIPEDIA.
  3. 3 http://derstandard.at/2418373.
  4. 4 Siehe auch Heindl Peter, Kahlig Wolfgang, Mietrecht strukturiert, Manz, 2008.