1.
Einleitung ^
Die für einen Vertragsabschluss erforderlichen korrespondierenden Willenserklärungen der beteiligten Parteien können – soweit der Gesetzgeber keine besondere Form vorschreibt – mündlich, schriftlich oder auch konkludent ausgeführt werden. Sollte eine Person in ihrer Fähigkeit zu einer mündlichen oder schriftlichen Willensäußerung eingeschränkt sein1, vermag sie auf andere ihr verbliebene kommunikative Ressourcen zurückzugreifen. Beispiele sind der Einsatz von körpereigenen alternativen Kommunikationsformen sowie nicht-elektronische oder elektronische Kommunikationshilfen.2 So können bei Verwendung von Kommunikationsgeräten mit Augensteuerungen willkürliche Blickbewegungen als expressiver Kommunikationskanal nutzbar gemacht werden (Verfolgung der Augenbewegungen mittels einer miniaturisierten Infrarotkamera, Auslösung des Eingabesignals durch Fixieren des Blickes auf ein Objekt im Display).3 Der Austausch übereinstimmender Willenserklärungen erfolgt in diesem Fall asymmetrisch: Während die Äußerungen der VertragspartnerIn verbal erfolgen und dabei Schriftsprache oder Abbildungen allenfalls als Verdeutlichung des Gesprochenen verwendet werden, kommuniziert die in der Laut- oder Schriftsprache beeinträchtigte AnwenderIn unter Zuhilfenahme ihres EDV-Equipments, welches nonverbale Motorik in (synthetisch) gesprochene oder geschriebene Sprache umsetzt. Ein derartiges Kommunikationsgerät (Kommunikator) kann zur Nutzbarmachung bei der Bewältigung von Rechtsgeschäften so programmiert werden, dass die AnwenderIn jene Kommunikationsinhalte abrufen kann, die bei Rechtsgeschäften notwendig werden können. Die Inhalte eines Rechtsgeschäftes können durch Abbildungen (die mit einem Wort hinterlegt sind), durch Stichworte, vorgefertigte Phrasen und Texte erfolgen, die auf dem Bildschirm durch Augenbewegungen ausgewählt und dann computergestützt in der Regel akustisch ausgegeben werden. Die AnwenderIn kann mit Hilfe einer Bildschirmtastatur auch jede beliebige Äußerung buchstabieren und vom Kommunikator ausgeben lassen. Die Handhabung wird durch eine Autovervollständigungsfunktion und durch Wortbibliotheken erleichtert und die Ausgabegeschwindigkeit bei einer geübten AnwenderIn der natürlichen Sprechweise zumindest angenähert. Eine AnwenderIn benötigt neben der operationalen Kompetenz (kognitive und augenmotorische Kontrolle der Kommunikationshilfe) auch soziale Kompetenz, um die Kommunikationshilfe situationsadäquat einzusetzen.4
2.1.
Klientin ^
2.2.
Kommunikationsmethoden ^
2.3.
Durchführung von rechtsgeschäftlichen Akten ^
2.4.
Hindernisse in der Rechtskommunikation ^
2.4.1.
Mangelhaftes Wissen einer VertragspartnerIn über Verbalsprache hinausgehende kommunikative Möglichkeiten ^
2.4.2.
Fälschliche Unterstellung einer nicht vorhandenen oder eingeschränkten Geschäftsfähigkeit ^
2.4.3.
Nicht erfüllbare Formvorgaben ^
3.
Schlussfolgerungen ^
- Aufklärungsarbeit über unterstützende Kommunikationsformen, bereits im Bildungswesen (Schulen), um Hindernisse für die Kommunikation solcher Menschen allgemein verringern zu helfen, insbesondere aber in weiterer Folge in rechtsnahen Bereichen hinsichtlich der Anwendungsmöglichkeiten im Rechtsverkehr;
- Aufklärungsarbeit, dass bei Personen mit Kommunikationsstörungen nicht unbedingt auch eine Einschränkung der Geschäftsfähigkeit vorliegt;
- Entwicklung und Verbreitung praktikabler Möglichkeiten zur Bewältigung von Formvorschriften (z.B. Unterschrift), etwa durch wechselseitige E-Mail-Bestätigungen oder digitale Unterschriften (Signaturen).
4.
Danksagung ^
5.
Literatur ^
Newesely, G., Über das Verbale hinausgehende rechtliche Willensbekundungen durch Personen mit Sprachstörungen, Jusletter-IT 1. September 2010.
Newesely, G./Pfeil, S./Holzer, A., Multimodaler Zugang für Personen mit Sprech- und Sprachstörungen bei der Abwicklung von alltäglichen Rechtsgeschäften. Jusletter-IT 20. Februar 2013.
Mattle, H./Mumenthaler, M., Neurologie, Thieme, Stuttgart (2008).
Nonn, K., Unterstützte Kommunikation in der Logopädie, Thieme, Stuttgart (2011).
Pannasch, S./Helmert, J.R., /Malischke, S./Storch, A./Velichkovsky, B.M., Eye Typing in application: A comparison of two systems with ALS patients. Journal of Eye Movement Research 6, 1-8 (2008).
Georg Newesely
fh gesundheit, FH-Bachelor-Studiengang Logopädie
Innrain 98, 6020 Innsbruck, AT
georg.newesely@fhg-tirol.ac.at; https://www.fhg-tirol.ac.at/page.cfm?vpath=fachhochschule/aktuell
Alois Holzer
fh gesundheit, FH-Bachelor-Studiengang Logopädie
Innrain 98, 6020 Innsbruck, AT
alois.holzer@fhg-tirol.ac.at, https://www.fhg-tirol.ac.at/page.cfm?vpath=fachhochschule/aktuell
Sven Pfeil
Tobii Technology GmbH
Niedenau 45, 60325 Frankfurt am Main, DE
sven.pfeil@tobii.com, http://www.tobii.com/
- 1 Es handelt sich um Personen, die – durch verschiedene Grunderkrankungen wie z.B. Multiple Sklerose, Amyothrophe Lateralsklerose, Morbus Parkinson bedingt –in ihren motorischen, nicht aber in ihren kognitiven Fähigkeiten beeinträchtigt sind. Allein von der Multiplen Sklerose sind bei einer Prävalenz von 30–110 Erkankten pro 100.000 Einwohner (Mattle/Mumenthaler, Neurologie, S. 351 [2008]) in Deutschland ca. 122.000, in Österreich ca. 8.500 und in der Schweiz ca. 10.000 Personen betroffen.
- 2 Newesely, Über das Verbale hinausgehende rechtliche Willensbekundungen durch Personen mit Sprachstörungen, in: Jusletter-IT 1. September 2010, Rz. 3.
- 3 Newesely/Pfeil/Holzer, Multimodaler Zugang für Personen mit Sprech- und Sprachstörungen bei der Abwicklung von alltäglichen Rechtsgeschäften, in: Jusletter-IT 20. Februar 2013, Rz. 3; Duchowski, Eye Tracking Methodology. Theory and Practice, passim (2007); Pannasch/Helmert/Malischke/Storch/Velichkovsky, Eye Typing in application: A comparison of two systems with ALS patients. Journal of Eye Movement Research 6, 1–8 (2008).
- 4 Nonn, Unterstützte Kommunikation in der Logopädie, S. 18 (2011).
- 5 Von diesen Erfahrungen berichtet Frau L auch in einer Schilderung, wonach sie als Jugendliche als Zeugin in einem Zivilprozess (Verkehrsunfall) vorgeladen wurde und der Richter erst zu überzeugen gewesen ist, dass sie durch die Verwendung ihres augenbewegungsgestützten Kommunikationsgerätes zu einer Aussage in der Lage war (http://kathrinlemler.de/fileadmin/dateien/archiv_geschichten/20050201Als_Zeugin_vor_Gericht.pdf [8. Januar 2014]).
- 6 Interview mit Frau L vom 16. Dezember 2013.
- 7 http://kathrinlemler.de/ (persönliche Homepage von Frau L).