Jusletter IT

Business Intelligence in der Justiz

  • Author: Thomas Aufner
  • Category: Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: E-Justice
  • Citation: Thomas Aufner, Business Intelligence in der Justiz, in: Jusletter IT 19 November 2015
Im Jahr 2005 wurde im Bundesministerium für Justiz begonnen, ein Data Warehouse für die Erstellung von Statistiken aufzubauen. In den Folgejahren entwickelte sich daraus eine Business Intelligence Applikation, die zur zentralen Drehscheibe für Statistiken und Auswertungen der Justiz wurde. Dieser Artikel soll einen Überblick über Geschichte, Umfang und weiteren Entwicklungen in diesem Bereich geben.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Einführung
  • 2. Ziele
  • 2.1. Zentralisierung der Services zu einem gemeinsamen Service
  • 2.2. Einheitliche Architektur der Statistiklösungen
  • 2.3. Applikationsübergreifende Statistiken
  • 2.4. Corporate Design
  • 2.5. Rasche Verfügbarkeit der Statistiken
  • 2.6. Klare Zugriffsstrukturen
  • 2.7. Transparenz der Daten
  • 2.8. Kostenreduktion
  • 3. Vom Papier zur Statistikdatenbank
  • 4. Technische Grundlagen
  • 4.1. Allgemeine Architektur
  • 4.2. Datensammlung
  • 4.3. Datenhaltung
  • 4.4. Datenaufbereitung
  • 4.5. Präsentation
  • 4.5.1. Statistikdatenbank
  • 4.5.2. Cognos Online Portal
  • 5. Überblick über das BI-Angebot
  • 5.1. Periodische Statistiken
  • 5.2. Prüf- und Kontrolllisten
  • 5.3. Sonderauswertungen
  • 5.4. Mengengerüst
  • 6. Grenzen statistischer Aussagekraft
  • 6.1. Grenzen in technischer Sicht
  • 6.2. Grenzen in fachlicher Sicht
  • 7. Ausblick

1.

Einführung ^

[1]
Dieser Artikel soll einen Überblick über den Einsatz von Business Intelligence, Tools und Methoden im Statistik-Bereich der Justiz, sowie über das aktuell bestehende Angebot an statistischem Material geben. Weiters sollen auch die Grenzen statistischer Auswertungen im Hinblick auf die Qualität des zugrundeliegenden Datenmaterials aufgezeigt werden.

2.

Ziele ^

[2]
Der Einsatz von Business Intelligence Technologien dient neben der allgemeinen Erhöhung der Qualität verfügbarer Statistiken, der Erreichung folgender Ziele:

2.1.

Zentralisierung der Services zu einem gemeinsamen Service ^

[3]
In der Vergangenheit wurden Statistiken als Teil der einzelnen Anwendungen gesehen und lagen auch in der Verantwortung der einzelnen Applikationen. Neben Statistiken für die Betriebskontrolle, wie z.B. Abfragestatistiken oder Auslastungsübersichten, gab es unterschiedliche fachliche Statistiken, die mehr oder minder umfangreich ausgestaltet waren. Anforderungen zur Ermittlung neuer Kenngrößen erfolgten direkt an die jeweilige Applikation. Dies führte auch immer wieder dazu, dass ein und das selbe Datum in den Applikationen unterschiedlich definiert wurde, obwohl es von der Begrifflichkeit die gleiche Bedeutung hatte1. Erst durch die Zentralisierung in einer eigenständigen BI-Applikation werden diese Unterschiede erkennbar und können entweder vereinheitlicht oder bei fachlicher Notwendigkeit der Differenzierung in der Beschreibung des Datums unterschiedlich dargestellt werden.
[4]
Ein weiterer Vorteil in der Zentralisierung liegt in der hohen Spezialisierung und Ausbildung der Mitarbeiter in der BI-Applikation und der Entlastung der Mitarbeiter von statistischen Belangen in den Fachapplikationen. Diese Synergien im Human Ressource Kapital werden ergänzt durch Einsparungen bei Lizenz- und Wartungskosten durch eine einheitliche und konsolidierte Architektur des Data Warehouse.

2.2.

Einheitliche Architektur der Statistiklösungen ^

[5]
Neben den oben beschriebenen inhaltlichen Unterschieden bei den Statistiken und Auswertungen der Fachapplikationen wurden auch unterschiedliche Tools eingesetzt. Zum Teil wurden Statistiken am Großrechner in der gleichen Programmiersprache erstellt, wie auch die Anwendung selber, andere Applikationen transferierten die Rohdaten in Excel2 oder Calc3 Dateien und generierten daraus pdf4-Dokumente. Durch Festlegung einer einheitlichen Ziel-Architektur des Data Warehouse und Übernahme der Statistiken der Fachapplikationen wird eine justizweite Basis geschaffen, wie und mit welchen Tools Statistiken und Auswertungen erstellt und verteilt werden. Eine detaillierte Darstellung dieser Zielarchitektur erfolgt unter 4 (Technische Grundlagen).

2.3.

Applikationsübergreifende Statistiken ^

[6]
Durch die Zentralisierung in einem Data Warehouse für die gesamte Justiz ist es auch möglich, Statistiken zu erstellen, die Daten aus mehreren Fachapplikationen verknüpfen. So wurde die VJ5-Kurzstatistik um Anfalls- und Erledigungswerten aus der Beglaubigungsanwendung und aus der EliAs6 Anwendung ergänzt und entwickelte sich so zur «Justiz-Kurzstatistik». An der Integration weiterer Anwendungen wird derzeit gearbeitet. Durch die damit verbundene einheitliche Definition der Daten erhöht sich auch die Vergleichbarkeit der einzelnen Anwendungen.

2.4.

Corporate Design ^

[7]
Ein weiteres Ziel, das mit einem justizweiten Data Warehouse erreicht wird, ist ein einheitliches Erscheinungsbild der Statistiken und Auswertungen, sowie die Möglichkeit rasch und an einer zentralen Stelle Änderungen durchführen zu können.

2.5.

Rasche Verfügbarkeit der Statistiken ^

[8]
Mit dem Wechsel von gedruckten Papierstatistiken zu elektronisch verfügbaren Dokumenten wird nicht nur der Empfängerkreis sondern auch die zeitliche Verfügbarkeit erhöht. Ausgehend von einem Erstellungsprozess von 2 bis 3 Tagen und dem anschließenden Postweg, langten Papierstatistiken frühestens eine Woche nach dem Stichtag bei den Dienststellen ein. Im Gegensatz dazu sind Statistiken aus dem Data Warehouse auch bei umfangreichen Qualitätssicherungsmaßnahmen in der Regel zwischen 1 und 3 Werktagen nach dem Stichtag bundesweit verfügbar.

2.6.

Klare Zugriffsstrukturen ^

[9]
Die Statistiken und Auswertungen werden grundsätzlich in der Statistikdatenbank7 veröffentlicht. Wenige, mit einem sehr eingeschränkten Empfängerkreis versehene Statistiken werden per Mail an die jeweiligen Funktionspostkörbe zugestellt und in der Statistikdatenbank nur archiviert. Die Statistikdatenbank ist mit einem umfassenden Berechtigungskonzept versehen, mit dem Zugriffsberechtigungen auf die veröffentlichten Dokumente mehrdimensional vergeben und gewartet werden können. Damit ist sichergestellt, dass jeder Justiz-Anwender nur Zugriff auf jene Dokumente hat, für die er auch berechtigt ist. Andere Statistiken sind ohne Leserechte gar nicht sichtbar.

2.7.

Transparenz der Daten ^

[10]
Bereits dargestellt wurde die Vergleichbarkeit der Kenngrößen durch eine einheitliche Definition. Darüber hinaus werden für einzelne Statistiken auch Leitfäden und Dokumentationen in der Statistikdatenbank veröffentlicht, die dem Anwender die Möglichkeit geben, die ausgewiesenen Daten in verständlicher Form nachzuvollziehen. Für einen eingeschränkten Benutzerkreis gibt es die Möglichkeit mit dem Cognos Online-Zugriff direkt auf die Rohdaten im Data Warehouse zugreifen zu können und bei bestimmten ausgewiesenen Kenngrößen auch die dahinterliegenden Aktenzeichen aus den Fachapplikationen zu ermitteln.

2.8.

Kostenreduktion ^

[11]

Durch die Schaffung des Data Warehouse konnten und können wesentliche Einsparungen sowohl in der Entwicklung, wie auch im laufenden Betrieb lukriert werden, insbesondere hervorzuheben sind Einsparungen bei den

  • Betriebskosten
    Die Erstellung der Statistiken erfolgt nunmehr auf den dezidierten DWH-Servern und nicht mehr am kostenintensiven Großrechner. So konnten z.B. bei der Erstellung der VJ Kurzstatistik die CPU-Kosten von ca. 150.000€ per anno auf ca. 13.000€ per anno reduziert werden, da nur mehr CPU Kosten für den Datenabzug aus der VJ in das Data Warehouse anfallen.
  • Personalkosten
    Einsparungen ergeben sich durch den Wegfall der Druckbearbeitung, der händischen Kuvertierung und des Versands der Papierstatistiken. Weiters können Einsparungen durch die automatisierte Erstellung (Berichte müssen nicht mehr mühsam händisch erstellt werden) und durch geringeren Aufwand in der Kundenbetreuung und Qualitätssicherung erzielt werden (Anwender können ausgewiesene Daten bei Unklarheiten selbst überprüfen)
  • Papier-/Portokosten
    Mit der Veröffentlichung in der Statistikdatenbank müssen Statistiken nicht mehr gedruckt und per Post versandt werden. Die daraus resultierenden eingesparten Kosten belaufen sich mit Stand Juli 2013 ausgehend von ~600.000 Seiten eingespartem Papier und ~21.000 eingesparten Postsendungen auf ~17.000 € per anno Papier und Druckkosten, sowie auf ~32.000 € per anno Portokosten.

3.

Vom Papier zur Statistikdatenbank ^

[12]
Im Jahr 2005 wurde im Bereich des Bundesministeriums für Justiz das erste Projekt8 zur Erstellung einer Statistik in einem Data Warehouse durchgeführt. Parallel dazu wurden auch im Bereich des Strafvollzuges erste Erkenntnisse mit einem Data Warehouse gewonnen. Bis dahin wurden Statistiken in den jeweiligen Fachapplikationen erstellt, im Bundesrechenzentrum gedruckt und per Post an die Gerichte versandt. Jährliche Publikationen9 wurden vom Bundesministerium für Justiz in gebundener Form erstellt und versandt.
[13]
Mit dem Projekt Verfahrensdauerstatistik Zivil fanden erstmals auch grafische Designelemente Eingang in die bis dahin rein aus Zahlen bestehenden Statistiken.
[14]
Aufbauend auf die Erfahrungen aus diesem Projekt wurde im – damals noch bei der Applikation Verfahrensautomation Justiz beheimateten – Statistikteam begonnen, weiteres Fachwissen mit Data Warehäusern zu sammeln. Nach Vorarbeiten 2007 wurde Anfang 2008 das Projekt PAR II zur Neugestaltung der Personalanforderungsrechnung gestartet. Neben der Mitarbeit im Fachprojekt zur Erhebung und Ermittlung von neuen Zeitwerten wurde in diesem Projekt auch die technische Architektur des Data Warehouse der Justiz auf einen konsolidierten Stand gebracht.
[15]
Im Oktober 2008 wurde der immer größer werdenden Bedeutung der Business Intelligence in der Justiz Rechnung getragen und das Statistik Team – zusammen mit dem Team der Ediktsdatei – aus der Verfahrensautomation Justiz herausgelöst und eine eigenständige Applikation «Ediktsdatei & Business Intelligence Justiz» gegründet.
[16]
Parallel zum Großprojekt PAR II wurden auch periodische Statistiken, allen voran die VJ-Kurzstatistik in das Data Warehouse übernommen. Durch den Wegfall des Papierversands musste ein neuer Weg bei der Veröffentlichung der Statistiken gefunden werden. Dabei konnten gleich die ersten Synergien innerhalb der neu gegründeten Applikation genutzt werden, um eine Datenbank auf Basis des in der Ediktsdatei verwendeten Lotus Notes zu entwickeln. Datensicherheit, Berechtigungskonzept und Zugriffsstrukturen konnten quasi «von der Stange» genutzt werden, was die Entwicklungszeit dramatisch reduzierte. Mit ständigem Zuwachs an neuen Statistiken wurde die Statistikdatenbank mittlerweile zum zentralen Veröffentlichungsmedium für interne Statistiken ähnlich der Ediktsdatei für Publikationen der Justiz an die Öffentlichkeit.

4.

Technische Grundlagen ^

[17]
Der folgende Abschnitt soll einen kurzen Überblick über die Architektur und die Funktionsweise eines Data Warehouse bieten, wobei anzumerken ist, dass die im Bereich der Justiz eingesetzten Tools und Werkzeuge natürlich nur eine Auswahl von mehreren, am Markt befindlichen Produkten darstellt. Von einer konkreten Produktbewertung wird daher explizit abgesehen.

4.1.

Allgemeine Architektur ^

[18]
Grundprinzip eines Data Warehouse ist die Trennung von operativen Systemen, wie etwa die Verfahrensautomation Justiz oder das Firmenbuch und den Systemen für Auswertungen und statistischen Berechnungen. Durch diese Trennung werden die Quellsysteme im Betrieb entlastet, da alle systembelastenden Auswertungen, etc nicht im Produktivsystem sondern abgeschottet im Data Warehouse erfolgen.
[19]
Die Daten aus dem Quellsystem werden in bestimmten Abständen in das Data Warehouse in die sogenannte «Staging Area» übertragen, dort werden die Daten aus anderen Quellsystemen verknüpft und für eine effiziente Auswertung im «Core» aufbereitet. Aus diesen aufbereiteten Daten werden dann für konkrete Statistiken «Data-Marts» gebaut aus denen dann die einzelnen Dokumente erzeugt und veröffentlicht werden. Über den Online-Zugriff «Cognos Online» ist es möglich auf die Daten im «Data-Mart» zuzugreifen um etwa Aktenzeichen der betroffenen Fälle ermitteln zu können.
[20]
Die folgende Grafik veranschaulicht diesen ETL10 Prozess:

4.2.

Datensammlung ^

[21]
Die Daten aus den Quellsystemen werden in unterschiedlichen Intervallen und über unterschiedliche Schnittstellen in das Data Warehouse abgezogen. Die Daten der Verfahrensautomation Justiz werden aufgrund der vielen unterschiedlichen Statistiken nahezu komplett abgezogen, lediglich personenbezogene Daten, wie etwa Namen der Verfahrensbeteiligten oder umfangreiche Textfelder, die einer Auswertung nicht zugänglich sind, werden nicht übernommen. Der Abzug erfolgt derzeit 4 mal pro Monat als Delta-Abzug, dies bedeutet, es werden alle Fälle, die sich seit dem letzten Abzug verändert haben, in das DHW überspielt. Seitens der Verfahrensautomation Justiz wurden für alle relevanten Tabellen Datenbank Views eingerichtet, die alle Datenfelder enthalten, die abgezogen werden. Der Abzug erfolgt dabei in den Nachtstunden um den Produktionsbetrieb nicht zu behindern.
[22]
Zu anderen Quellsystemen, wie etwa EliAs oder Firmenbuch wurden die Schnittstellen technisch über eigene Datenbanktabellen realisiert. Die Quellsysteme befüllen in regelmäßigen Abständen diese Tabellen mit den relevanten Informationen, die dann vom Data Warehouse weiter verarbeitet werden.
[23]
Eine weitere Variante der Datensammlung wurde im Bereich der IVV11 implementiert, wo die Konsolidierung der Daten bereits durch das Quellsystem erfolgt und im Data Warehouse nur mehr die Berichte erstellt werden.
[24]
Darüber hinaus bieten Data Warehouse Systeme eine Unzahl von verschiedenen Schnittstellen an, wodurch es möglich ist, sehr rasch und effizient Daten aus den verschiedensten Quellsystemen zu sammeln und weiter zu verarbeiten.
[25]
Aus Sicherheitsgründen ist in jedem Fall wesentlich, dass die Schnittstellen immer so definiert sind, dass bei Bedarf auch immer eine Alpha-Befüllung, also ein vollständiger, historischer Abzug aus dem Quellsystem möglich ist, wenn der unwahrscheinliche Fall eintreten sollte, dass trotz Backups Daten im Data Warehouse verloren gehen.

4.3.

Datenhaltung ^

[26]
Als Basis des Justiz Data Warehouse wird ein Microsoft® SQL Server® 2008 verwendet. Die Daten werden auf RAID10 Festplatten12 im dedizierten Justiz SUN Storage im BRZ gespeichert. Für die Datenkonsolidierung und die Erstellung der Data-Marts werden Script-Routinen verwendet. Die Aufbereitung der Daten im Core erfolgt dabei bereits mit einem auf Auswertbarkeit optimierten Datenmodell. Damit ist gemeint, dass die Daten nicht mehr fallorientiert, wie in den Quellsystemen, sondern bereits nach Kriterien für die Auswertbarkeit, wie etwa Zeitraum, Sprengel, etc. strukturiert werden.
[27]
Auf das Core aufbauend werden die Data-Marts nach dem sogenannten Star Schema gruppiert aufgebaut. Dies bedeutet, dass im Data-Mart keine Einzelsätze mehr vorhanden sind, sondern die Daten in mehrdimensionalen Datenstrukturen in zwei Arten von Tabellen abgelegt werden:
  • Einerseits in einer einzelnen sogenannten Faktentabelle, die die Kennzahlen für jede Dimension enthält (z.B. Anfall, Erledigungsart, Erledigungsdauer),
  • andererseits in einer Dimensionstabelle pro Dimension (z.B. Geschäftsabteilung, Gericht, Sprengel, Bundesland, Anfallsjahr, Verfahrensgattung, Fallcode).
[28]
Durch diese Art der Konsolidierung können die Berichte rasch erstellt werden.

4.4.

Datenaufbereitung ^

[29]
Für die Aufbereitung der Berichte wird im Justiz Data Warehouse aktuell IBM-Cognos 10 eingesetzt.
[30]
Die Berichte werden als pdf- und in den überwiegenden Fällen auch als Excel 2010- Dokumente erstellt. In wenigen Fällen werden aus historischen Gründen auch xls bzw. csv-Dateien erstellt. Die Berichte werden auf unterster Ebene für den Bereich einer Geschäftsabteilung erstellt, Prüflisten enthalten auch die jeweils betroffenen Aktenzeichen, darüber werden Berichte für die jeweilige Dienststelle und die übergeordneten Sprengel erstellt. Abgerundet werden die Berichte jeweils von einem Bundessummenbericht. Im Bereich der IVV und IWV13 umfassen die Berichte die einzelnen Justizanstalten und als übergeordnete Ebene die Vollzugsdirektion.
[31]
Die Excel-Dokumente folgen der gleichen Struktur und dienen als Grundlage für weitere Berechnungen und Ableitungen.

4.5.

Präsentation ^

[32]
In der Vergangenheit wurden die Papierstatistiken an die Dienststellen per Post versandt, die Frage der Zugriffsberechtigung stellte sich daher nicht. Mit Verfügbarkeit der elektronischen Dokumente war die Applikation nunmehr gefordert, ein technisches System zu entwickeln, wie und in welchem Umfang MitarbeiterInnen der Justiz Zugriff auf die Statistiken haben sollen und dürfen. Vom Bundesministerium für Justiz wurde die Linie vorgegeben, dass alle Dienststellenberichte und übergeordneten Sprengelberichte allgemein abfragbar sein sollen, die Statistiken und Auswertungen auf Ebene der Geschäftsabteilung oder mit Anführung von Aktenzeichen nur für die jeweilige Dienststelle und eigens definierten Anwendern der Obergerichte im Zuge der Dienstaufsicht.
[33]
Erste Überlegungen das Berechtigungskonzept im Cognos selbst zu implementieren wurden aufgrund der damit verbundenen hohen Lizenzkosten wieder verworfen, stattdessen wurde einer applikationsinternen Eigenentwicklung der Vorzug gegeben.

4.5.1.

Statistikdatenbank ^

[34]
Das im Justizbereich bereits seit 1999 im Einsatz befindliche Produkt Lotus Notes der Firma IBM überzeugte durch das integrierte Berechtigungssystem, die sehr kurzen Entwicklungszeiten und den Umstand, dass keine weiteren Lizenzkosten anfielen, da es auch als Mailsystem in der Justiz genutzt wurde und wird und daher alle Mitarbeiterinnen bereits flächendeckend ausgestattet waren.
[35]
Die Datenbank ist im Intranet der Justiz verfügbar und enthält neben den Statistikdokumenten auch Leitfäden und Informationen zu einzelnen Statistiken. Der Aufbau der Datenbank erfolgt dabei dynamisch abgestimmt auf die jeweiligen Rechte des angemeldeten Anwenders. Seit März 2013 ist die Statistikdatenbank auch über das Webportal der Justiz aufrufbar.
[36]
Die Struktur der Datenbank orientiert sich dabei an den einzelnen Statistiken, innerhalb dieser ist wiederum der organisatorische Aufbau der Dienststellenhierarchie, von der Bundessumme über die Sprengel der Ober- und Landesgerichte hinuntergebrochen bis zur einzelnen Dienststelle, abgebildet. Statistiken mit monatlicher Frequenz enthalten auch noch eine Gliederung nach Jahren.
[37]
Weiters gibt es die Möglichkeit, sich die Dokumente in einer chronologischen Sicht anzeigen zu lassen.
[38]
Zur besseren Erkennbarkeit von neuen Dokumenten werden diese eine Woche ab Veröffentlichung mit «neu» gekennzeichnet.
[39]
Die folgende Abbildung zeigt den Einstiegschirm der Statistikdatenbank mit einer alle Dokumente umfassenden applikationsinternen Administrationsberechtigung:
[40]
Neben dieser allgemeinen Veröffentlichungsplattform gibt es für einen eingeschränkten Benutzerkreis die Möglichkeit, direkt auf Daten im Data Warehouse zugreifen zu können.

4.5.2.

Cognos Online Portal ^

[41]
Über das Cognos Online Portal besteht die Möglichkeit, zu bestimmten ausgewiesenen Kenngrößen einer Statistik jene Aktenzeichen zu ermitteln, die der Berechnung dieses Wertes zugrunde liegen, also beispielsweise jene Fälle zu ermitteln, die vom Richter durch Urteil erledigt wurden. Dies bietet einerseits der Dienstaufsicht die Möglichkeit von Registerprüfungen, andererseits wird dadurch das Vertrauen der Anwender in die Statistik gesteigert, da sie die Ergebnisse selbst überprüfen können. Bei browserbasierten Anwendungen ist sogar der jeweilige Fall in der Zielanwendung verlinkt und direkt aufrufbar.
[42]
Für den Zugriff ist eine auf den Anwender ausgestellte Cognos Lizenz notwendig, weshalb diese aus finanziellen Gründen sehr restriktiv und nur auf die Zentralstelle und die Oberlandesgerichte sowie Oberstaatsanwaltschaften vergeben werden.
[43]
Darüber hinaus gibt es für den Bereich der FEX-PUL14 die Möglichkeiten auf Rohdaten aus dem Fahrnisexekutionsbereich direkt zuzugreifen und die Daten in ein Excel-Dokument zu importieren.

5.

Überblick über das BI-Angebot ^

[44]

Im folgenden Abschnitt wird das zum Stand Juli 2013 verfügbare Statistikangebot im Sinne einer Leistungsschau nach folgenden Kriterien tabellarisch dargestellt.

Bezeichnung der Statistik
Erstellungsintervalle Zugriffs-Berechtigung Anzahl der Berichtstypen Verfügbar seit:
Zielgruppe: in der weiblichen Form angeführt
Inhalt:

5.1.

Periodische Statistiken ^

Betriebliches Informationssystem der Justiz – BIS-JUSTIZ
Jährlich Alle Mitarbeiterinnen 8 2008
Management, Dienstaufsicht, Dienststellenleiterinnen
Darstellung des Aktenanfalls, der Erledigungen und der offen verbliebenen Verfahren im Bereich der Gerichte auf Ebene der Dienststelle
Betriebliches Informationssystem der Justiz – StaBIS-JUSTIZ
Jährlich Alle Mitarbeiterinnen 9 2008
Management, Dienstaufsicht, Dienststellenleiterinnen
Darstellung des Aktenanfalls, der Erledigungen und der offen verbliebenen Verfahren im Bereich der Staatsanwaltschaften auf Ebene der Dienststelle
Eingaben- und Zustellstatistik
Jährlich (Monatlich aktualisiert) BMJ, OLG Gruppe, OStA Gruppe 2 2012
Management
Darstellung der im elektronischen Rechtsverkehr eingebrachten und im Rückverkehr zugestellten Sendungen, sowie der über die zentrale Poststraße im BRZ abgefertigten Briefsendungen
Gerichtsvollzieherleistungsstatistik
Monatlich BMJ, OLG Gruppe 1 01/2011
Management, FEX Planungs- und Leitungseinheit, Dienstaufsicht
Darstellung bestimmter Kenngrößen betreffend die Tätigkeit der Gerichtsvollzieher, wie etwa Vollzugstage, betriebener Anspruch und Erlöse pro Gerichtsvollzieher im jeweiligen OLG Sprengel
Justizstatistik Straf
Jährlich Alle Mitarbeiterinnen 1 2010
Mit Strafsachen befasste Mitarbeiterinnen, Fachabteilungen im BMJ
Darstellung des strafgerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Anfalls und der Erledigungen in Bezug auf Anzahl, Nationalität, Alter und Geschlecht der beschuldigten Personen
Kostenevidenz

Monatlich / Quartal
Alle Mitarbeiterinnen 4


07/2012

Eigene Dienststelle und Sprengelgruppen 3
Dienststellenleiterinnen, Kostenbeamtinnen, Budgetabteilung
Summarische Zusammenfassung und tabellarische Auflistung aller Gebührenvorgänge bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften in Monats- und gesonderten Quartalsberichten
Kurzstatistik

Monatlich
Alle Mitarbeiterinnen 2


01/2009

Eigene Dienststelle und Sprengelgruppen 3
Alle Mitarbeiterinnen
Umfassende Anfalls- und Erledigungsstatistik der Justiz Verfahrensanwendungen VJ, Firmenbuch, EliAs und Beglaubigung
Kurzstatistik – FEX
Monatlich BMJ, OLG Gruppe 1 08/2009
Management, FEX Planungs- und Leitungseinheit, Dienstaufsicht
Darstellung von Daten aus dem Fahrnisexekutionsbereich in tabellarischer Form pro Oberlandesgericht
Kurzstatistik – Management – Summary
Jährlich Alle Mitarbeiterinnen 1 2009
Management
Kompakte Darstellung der Anfallsentwicklung ausgewählter Gattungen in tabellarischer und grafischer Form
Managementstatistik
Monatlich BMJ 1 2009
BMJ-Management
Vergleichende Darstellung der monatlichen Anfallsentwicklung ausgewählter Gattungen in tabellarischer und grafischer Form im Vergleich zur Vorjahresperiode
Mehrleistungszulagen – Statistik
Quartal Eigene Dienststelle und Sprengelgruppen 1 Q1/2012
Dienststellenleiterinnen, Personalreferate, Nichtrichterliches Personal
Ermittlung der für die Berechnung der Mehrleistungszulage notwendigen Kennzahlen aus der VJ
Personalanforderungsrechnung – PAR II
Jährlich Alle Mitarbeiterinnen 8 2009
Management, Dienststellenleiterinnen, Richterinnen
Ermittlung der theoretischen Planstellenauslastung im richterlichen Bereich anhand von vordefinierten Zeitwerten in Bezug zum Anfall der Dienststelle und im Vergleich zu den systemisierten Planstellen
Personalanforderungsrechnung – StaPAR II
Jährlich Alle Mitarbeiterinnen 6 2009
Management, Dienststellenleiterinnen, Staatsanwältinnen
Ermittlung der theoretischen Planstellenauslastung im staatsanwaltschaftlichen Bereich anhand von vordefinierten Zeitwerten in Bezug zum Anfall der Dienststelle und im Vergleich zu den systemisierten Planstellen
Strafvollzugsstatistiken Jahresberichte
Jährlich Alle Mitarbeiterinnen 1 2007
Strafvollzug, BMJ
Tabellarische und grafische Aufbereitung der in Haft befindlichen Personen nach Nationalität, Alter, Geschlecht, Haftart und -dauer
Strafvollzugsstatistiken Vollzugsberichte (IVV)
Monatlich JA Gruppe, VD Gruppe15 16 01/2010
Strafvollzug, BMJ
Daten aus dem Vollzugbereich zu Stand und Auslastung in den Justizanstalten
Strafvollzugsstatistiken Wirtschaftsberichte (IWV)

Monatlich / Quartal / Jährlich
JA Gruppe, VD Gruppe 7 01/2009
JA-MED-Gruppe 10 03/2013
Strafvollzug, BMJ
Daten aus dem Bereich der Wirtschaftsbetriebe der Justizanstalten zu den Bereichen Wirtschaft, Ökonomie und Medikamentenverwaltung
Verfahrensdauerstatistiken
Jährlich Alle Mitarbeiterinnen 3 2005
Management, BMJ Fachabteilungen
Ermittlung der durchschnittlichen Verfahrensdauer und im Median der im Berichtszeitraum erledigten Verfahren aus den Bereichen Zivil, Straf und Pflegschaft, wobei die Dauer in Relation zu bestimmten Kriterien, wie etwa Art des Verfahrens, Auslandsbezug oder Sachverständigenbeteiligung ermittelt wird

5.2.

Prüf- und Kontrolllisten ^

Prüfliste
Monatlich Eigene Dienststelle und Sprengelgruppen 2 12/2011
Dienststellenleiterinnen, Leiterinnen der Geschäftsstelle, Kanzleileiterinnen, Dienstaufsicht
Auflistung von Aktenzeichen mit Fällen, die sich nach bestimmten Kriterien für eine Überprüfung qualifizieren
Prüfliste – FEX
Monatlich BMJ, OLG Gruppe 1 05/2012
FEX Planungs- und Leitungseinheit, Gerichtsvollzieherinnen, Dienstaufsicht
OLG Sprengel weite Auflistung von Aktenzeichen mit Fällen, die dem Gerichtsvollzieherinnen zugeordnet und nach bestimmten Kriterien zu überprüfen sind
Auswertung Urteilsrückstände und überlanger Verfahren
Jährlich Eigene Dienststelle und Sprengelgruppen 15 2011
Richterinnen, Dienststellenleiterinnen, Dienstaufsicht
Jährliche, zum Stichtag 1.10. erstellte Auflistung von Verfahren mit einem über 2 Monate ausständigen Urteil bzw. von überlangen Verfahren. Zum 1.9. wird eine Vorwarnliste erstellt, eine Auswertung zum 1.4. kann bei Bedarf erstellt werden
Auswertungen zum Wahrnehmungsbericht der Staatsanwaltschaften
Jährlich Eigene Dienststelle 1 2010
Management der Staatsanwaltschaften
Die Auflistung von nach bestimmten Kriterien ermittelten Aktenzeichen aus dem Staatsanwaltschaftlichen Bereich dient dem Management einer StA bei der Erstellung des jährlichen Wahrnehmungsberichtes an das BMJ
Liste offener Fälle pro Senat und Referent
Monatlich Eigene Dienststelle und Sprengelgruppen 1 06/2013
Rechtsmittelrichterinnen, Dienststellenleiterinnen, Dienstaufsicht
Auflistung aller einem Rechtsmittelsenat zugeordneten und unerledigten Fälle
Sachverständigenauslastungsstatistik16 – Überblick
Wöchentlich Alle Mitarbeiterinnen 1 04/2013
Richterinnen, Staatsanwältinnen
Tabellarische Auflistung aller aktuell bestellten Sachverständigen mit Anzahl der offenen Gutachten in den Zeitkategorien 0 bis 3 Monate, 3 bis 6 Monate, 6 bis 12 Monate und über 12 Monate als Unterstützung bei der Auswahl von Sachverständigen im Bestellungsvorgang
Sachverständigenauslastungsstatistik – Detailbericht
Monatlich Präsidenten der listenführenden Landesgerichte 1 04/2013
Präsidentinnen der listenführenden Landesgerichte
Tabellarische Auflistung aller aktuell bestellten Sachverständigen mit dem jeweiligen Aktenzeichen und dem Bestelldatum als Unterstützung im Rezertifizierungsprozess

5.3.

Sonderauswertungen ^

[45]
Neben den regelmäßig erstellten Auswertungen und Statistiken werden von der Applikation BJ auch viele Sonderauswertungen im Anlassfall erstellt. Häufig sind dabei Anfragen der Fachabteilungen im BMJ und parlamentarische Anfragen. Der Bogen reicht dabei von Erledigungen im Strafverfahren bei bestimmten Delikten oder Deliktsgruppen über die Dauer von Pflegschafts- oder Obsorgevorgängen bis hin zu bestimmten Klagstypen im zivil-, arbeits- oder sozialrechtlichen Verfahren.
[46]
Zeitdruck durch knappe Fristen und die Notwendigkeit detaillierter fachlicher Kenntnis der einzelnen Verfahrensarten durch die teilweise komplexen Fragestellungen prägen diesen Bereich des Data Warehouse.
[47]
Die folgende Grafik veranschaulicht die Anzahl der Sonderauswertungen von Jänner 2008 bis Ende Juni 2013:

5.4.

Mengengerüst ^

[48]
Die Leistungsschau abschließen sollen einige ausgewählte Kenngrößen um dem Leser einen Eindruck vom Umfang des Data Warehouse der Justiz zu geben:
[49]
Monatlich werden ~6.000 verschiedene Kenngrößen17 ermittelt, dazu kommen ~1.000 weitere im Zuge der quartalsweisen bzw. jährlichen Statistiken. Betrachtet man auch alle Berechnungsebenen so ergeben sich alleine für die Kurzstatistik pro Monat ~24,5 Mio. potentiell berechnete Werte18.
[50]
In der Statistikdatenbank sind mit Stand Juni 2013 ~55.000 pdf- und ~15.000 Excel-Dokumente abgelegt, monatlich beträgt der Zuwachs ~1.000 Dokumente.
[51]
Aufgrund der ständig steigenden Anzahl von Dokumenten wird derzeit an einem Archivierungskonzept in der Statistikdatenbank gearbeitet, wobei der Zugriff auf alle Dokumente erhalten bleiben muss.

6.

Grenzen statistischer Aussagekraft ^

[52]
Der folgende Exkurs beschäftigt sich mit Grenzen von Statistiken und Auswertungen und soll anhand von Beispielen aus der Praxis aufzeigen, wo einerseits aufgrund mangelhaften Zahlenmaterials keine verwertbaren Ergebnisse erzielt werden können und andererseits aufgrund von fachlicher Überfrachtung eine statistische Scheinwahrheit erzeugt wird.

6.1.

Grenzen in technischer Sicht ^

[53]

Die Qualität des vorhandenen Datenmaterials bestimmt in erster Linie die Grenze der technischen Machbarkeit. Business Intelligence stößt dort an die Grenzen, wo kein Datenmaterial verfügbar ist oder nur in mangelnder Qualität vorliegt, wobei sich die folgenden Punkte nur als demonstrative Aufzählung aus der Erfahrung des Verfassers zur Annäherung an die Thematik und keinesfalls als eine abschließende Abhandlung verstehen.

  • Ausgewertet kann nur werden, was vorher erfasst wurde:
    Dieser eigentlich als Selbstverständlichkeit zu verstehender Grundsatz tritt immer dann in den Vordergrund, wenn aus politischen oder tagesaktuellen Anlassfällen der Bedarf nach statistischem Zahlenmaterial akut wird, die benötigten Informationen aber in den Quellsystemen nicht vorgesehen sind19.
  • Informationen aus Textfeldern nicht ermittelbar:
    Informationen, die in den Quellanwendungen nur in unstrukturierten Textfeldern enthalten sind, eignen sich wegen potentieller Schreibfehler nicht für eine Auswertung. Selbst bei fachlich vorgegebener Erfassungsregelung bleibt ein Qualitätsverlust durch Tippfehler übrig. Informationen aus solchen Datenfeldern können nur durch menschliche Auswertungen in Form von Strichlisten gewonnen werden.
  • Rasche Verfügbarkeit < > gesicherte Qualität
    Je dringender Daten benötigt werden, umso weniger Zeit bleibt für eine Qualitätskontrolle. Tendenziell sind daher auch Sonderauswertungen zwar rasch verfügbar aber auch mit einem höheren Fehlerpotential belegt als periodische Auswertungen, die den kompletten Entwicklungszyklus von Requirementserstellung über Analyse und Entwicklung bis zur Testphase durchlaufen20.
  • Änderungen bei den fachlichen Anforderungen < > Zeitreihen
    Fachliche Änderungen in den Geschäftsprozessen führen häufig dazu, dass es in den darauf basierenden statistischen Zeitreihen zu nicht validen Erkenntnissen kommt21. Bei Änderungen von Geschäftsprozessen müssen daher immer auch die Auswirkungen auf die Statistiken betrachtet werden.
  • Technische Tatsachen < > rechtliche Tatsachen
    Durch Erfassungsfehler oder im Zuge von gesetzlichen Änderungen kommt es immer wieder dazu, dass die technisch basierten Statistiken Ergebnisse bringen, die rechtlich nicht existieren dürfen22. In diesen Fällen stellt sich immer wieder die Frage, welche der beiden Welten der Vorzug zu geben ist.
  • Statistische Aussagekraft < > Größe der Grundmenge
    Ein wesentliches Qualitätsmerkmal für eine Auswertung stellt die Größe der Grundmenge dar. Je höher die Grundmenge ist, umso verlässlicher wird das Ergebnis der Auswertung sein. Ist die Grundmenge bereits sehr klein, können einerseits Schwankungen extrem große Sprünge auslösen und andererseits Fehler das Ergebnis merkbar beeinflussen23.

6.2.

Grenzen in fachlicher Sicht ^

[54]

Neben den Grenzen bei der technischen Auswertbarkeit gibt es auch immer wieder Grenzen oder Herausforderungen bei der fachlichen Definition von statistischen Anforderungen, wobei auch diese nur beispielshaft angeführt werden sollen:

  • Widersprechende Zielvorgaben

    Bei der Definition von Statistikanforderungen muss ein klares Ziel definiert werden, welche Information in welchem Kontext gemessen werden soll. Werden dabei innerhalb einer Statistik sich widersprechende Ziele definiert, führt dies zwangsläufig zu unterschiedlichen Ergebnissen und inkonsistenten Daten.

    Zur Verdeutlichung sei der Grundsatz der Differenzrechnung aus der Kurzstatistik angeführt.
[55]

Der Grundsatz der Differenzrechnung bedeutet, dass im aktuellen Berichtszeitraum statistisch relevante Änderungen oder Korrekturen aus den Vorperioden berücksichtigt werden. Im Gegensatz dazu betrachtet eine reine Anfallszählung nur die aktuelle Berichtsperiode ohne Änderungen. Wird ein Fall im Jahr 2012 in der Geschäftsabteilung 1 angelegt und wandert dieser im Jahr 2013 wegen einer Zuständigkeitsänderung in die Abteilung 2 des selben Gerichts hat dies nach der Differenzrechnung keine Anfallserhöhende Auswirkung im Jahr 2013, da der Fall bei der Abteilung 1 als Korrektur zum Vorjahr abgezogen wird (-1) und in der Abteilung 2 als Anfall zählt (+1) , somit in Summe null ergibt (-1 +1= 0).

[56]
Durchbrochen wird dieser Grundsatz, wenn der Akt in die Zuständigkeit eines anderen Gerichtes fällt, dann gilt die Regel, dass der selbe Akt bei beiden Gerichten zählt.
[57]
Bei der reinen Anfallszählung würde der Fall sowohl im Jahr 2012 als auch im Jahr 2013 als Anfall zählen, einmal in der Abteilung 1 und einmal in der Abteilung 2.
[58]
Die gleiche Thematik ergibt sich bei der Zählung der Urteile der Richterinnen, die dazu führt, dass ein Urteil aus dem Jahr 2012, das im Jahr 2013 durch die Rechtsmittelinstanz aufgehoben wird ein anderes im Jahr 2013 gefälltes Urteil «konsumiert».
[59]

Das Argument, dass Akten, die durch die Abteilungen wandern, nicht den Anfall erhöhen sollen, ist ebenso einleuchtend, wie jenes, dass Richterinnen Arbeit für zwei Urteile geleistet haben, auch wenn eines davon aufgehoben wurde. Für beide Berechnungsmethoden gibt es Pro- und Contra-Argumente, das Wesentliche dabei ist, dass man sich bei der Interpretation der Statistik bewusst ist, welches Ziel man verfolgt und Ziele innerhalb einer Statistik nicht vermengt.

  • Erfassungsaufwand
    Statistische Begehrlichkeiten erhöhen naturgemäß auch den Aufwand bei der Registerführung. Neue Statistikkennungen sollten daher nur dann eingeführt werden, wenn dies unbedingt notwendig ist, da damit immer ein hoher Erfassungsaufwand verbunden ist.
    Betrachtet man nur die Verfahrensautomation Justiz gibt es mit Stand Ende Juni 2013 256 Mio. händische Verfahrensschritte in der Datenbank.
  • Codierungsüberfrachtung
    Damit im Zusammenhang steht die enorme Anzahl von 1.275 verschiedenen Verfahrensschritten, deren Kenntnis und Anwendbarkeit von den Kanzleimitarbeiterinnen erwartet wird. Dass dies zu Fehlern und fehlenden Eintragungen führen kann liegt auf der Hand.
  • Statistik: «Abfallprodukt» < > Zielvorgabe
    Überall wo Statistiken aus Daten, die notwendig zur Registerführung sind, gewonnen werden, ist die Qualität der Statistiken erfahrungsgemäß höher als bei reinen Statistikcodierungen. Eine richtige Registerführung hat für die Organisationseinheiten eine höhere Priorität als etwa das Informationsbedürfnis der Wissenschaft.
  • Häufigkeit des Auftretens einer statistischen Relevanz
    Vielfach werden für die Erfassung von seltenen Verfahrenstypen eigene Kennungen eingeführt um diese Verfahren messen zu können. Dies birgt jedoch die Gefahr, dass gerade weil diese Verfahren so selten vorkommen, die Kennung dann vergessen wird. Im Ergebnis erhält man dann falsche und unvollständige Daten aus denen dann Rückschlüsse gezogen werden, die nicht mit der Realität übereinstimmen.
    Somit zeigt sich auch aus fachlicher Sicht, dass zu kleine Grundmengen problematisch sind.
  • Definition der statistischen Tatsache
    Eine große Herausforderung bei der Einführung von statistischen Kennungen stellt die genaue Definition dieser dar. Eine verallgemeinernde Definition bietet zu viel Spielraum für Interpretationen, eine zu genau Definition verliert sich in einer unüberschaubaren Kasuistik. So klar der Beginn eines Verfahrens ist24, so schwierig zu definieren ist dessen Erledigung, kann es sich doch um die registermäßige Erledigung, die Erledigung durch die erste Instanz, das Datum der Rechtskraft oder gar das Datum des Vollzuges handeln.
  • Interpretation der statistischen Tatsache
    Für Empfänger von Statistiken gilt zu beachten, dass vermeintlich gleiche Kenngrößen nicht miteinander verglichen werden dürfen, wenn diese aufgrund unterschiedlicher Datenmengen, Berechnungsmethoden oder Definitionen nicht tatsächlich gleich sind. So kann der Begriff «Anfall», wie oben ausgeführt, in einer Statistik mit Differenzrechnung anderes bedeuten, wie in einer Statistik mit Echtzählung, ebenso kann der «Anfall» im Strafverfahren fallbezogen oder bezogen auf die Anzahl der Beschuldigten in diesem Verfahren interpretiert werden. Vor diesem sprichwörtlichen «Äpfel mit Birnen vergleichen» sei jeder gewarnt.

7.

Ausblick ^

[60]
Neben der Umsetzung weiterer fachlicher Statistiken wird derzeit24 gerade an der Entwicklung eines Data Warehouse Würfels für den Strafbereich gearbeitet.
[61]
«Ein OLAP-Würfel oder Datenwürfel, auch Cube-Operator genannt, ist ein in der Data-Warehouse-Theorie gebräuchlicher Begriff zur logischen Darstellung von Daten. Die Daten werden dabei als Elemente eines mehrdimensionalen Würfels angeordnet. Die Dimensionen des Würfels beschreiben die Daten und erlauben auf einfache Weise den Zugriff. Daten können über eine oder mehrere Achsen des Würfels ausgewählt werden. Die Bezeichnung OLAP (Online Analytical Processing) stammt aus der Datenanalyse.
[62]

Diese Art der Darstellung ist für die Analyse von Daten von Vorteil, da auf verschiedene Aspekte (Dimensionen) der Daten auf gleiche Weise zugegriffen wird»25.

[63]
Im Strafbereich sind dies die Dimensionen strafbestimmende Paragraphen, Dienststellen und Jahre, verknüpft mit Anfall und Erledigungen. Der Würfel wird monatlich beladen und steht vorerst nur intern für die Beantwortung von parlamentarischen Anfragen zur Verfügung. Es ist aber geplant, auch Anwender der Fachabteilungen und allenfalls der Schulungszentren einzuschulen und mit einer Berechtigung auszustatten.
[64]

Die folgende Grafik symbolisiert den Strafwürfel:

[65]
Im Bereich des Statistikdatenbank-Online Zugriffes wird derzeit geprüft, ob es kostengünstigere Lizenzmodelle oder andere Tools gibt, um die teuren Cognos Lizenzen ersetzen zu können. Dies würde die Möglichkeit bieten, den derzeit sehr restriktiven Anwenderkreis auszuweiten und Prüfpakete und ad hoc Prüflisten für Revisoren und Innenrevision online bereitzustellen.

 

Thomas Aufner, Leiter der Applikation Ediktsdatei & Business Intelligence Justiz im Bundesministerium für Finanzen, Hintere Zollamtsstraße 2b, 1030 Wien, Österreich, thomas.aufner@bmf.gv.at.

  1. 1 Als Beispiel sei das Datum «Anfall» erwähnt: Die Zählung kann dabei nach Echtanfall (= im Berichtszeitraum neu angefallene Verfahren) oder nach der Differenzrechnung (= im Berichtszeitraum neu angefallene Verfahren vermindert um Löschungen aus den Vorperioden) erfolgen.
  2. 2 Microsoft Office Tabellenkalkulationsprogramm.
  3. 3 Open Office Tabellenkalkulationsprogramm Sun Microsystems, Inc.
  4. 4 Adobe Acrobat Reader.
  5. 5 VJ – Verfahrensautomation Justiz.
  6. 6 EliAs – Elektronische integrierte Assistenz bei den Staatsanwaltschaften.
  7. 7 Statistikdatenbank – im Intranet der Justiz allgemein verfügbare Lotus-Notes Datenbank zur Publizierung von Statistiken, Auswertungen und Prüflisten.
  8. 8 Verfahrensdauerstatistik Zivil.
  9. 9 Beispielsweise genannt sei das Betriebliche Informationssystem der Justiz BIS oder die Personalanforderungsrechnung PAR.
  10. 10 ETL steht für Entladen Transformieren Laden (extract transform load).
  11. 11 IVV – Integrierte Vollzugsverwaltung (Strafvollzug).
  12. 12 RAID Redundant Array of Independent Disks – Die Daten sind zum Schutz vor Festplattenfehlern auf mehreren Platten redundant gespeichert.
  13. 13 IWV – Integrierte Wirtschaftsverwaltung (Justizanstalten Wirtschaftsbetriebe).
  14. 14 FEX PUL Fahrnisexekution Planungs- und Leitungseinheit = Dienstaufsicht über die Gerichtsvollzieher.
  15. 15 JA – Justizanstalten, VD – Vollzugsdirektion.
  16. 16 Die Sachverständigenauslastungsstatistik gliedert sich in zwei Bereiche mit unterschiedlichen Zielgruppen und Erstellungsintervallen.
  17. 17 Davon ~5.700 in der Kurzstatistik.
  18. 18 5.700 Kenngrößen x 4.300 Geschäftsabteilungen und Sprengelsummen = 24.510.000.
  19. 19 Als Beispiel sei die Fragestellung «Wie hoch ist die potentielle Anzahl von Stiefkindadoptionen in Österreich» ausgelöst durch die Verurteilung Österreichs durch den EGMR (X. und andere gegen Österreich, Nr. 19010/07) angeführt.
  20. 20 Sonderauswertungen sind in dringenden Fällen binnen weniger Tage verfügbar, der Entwicklungsprozess einer periodischen Statistik beträgt bis zu 3 Monaten.
  21. 21 Als Beispiel sei Punkt 3.2 der VJ-Info 25/2012 vom 27. Juni 2012 angeführt, mit dem die vermehrte Setzung von Sachwalterschaftsvorgangsschritten angeordnet wurde, die wiederum zu einem nicht beabsichtigten Anstieg der PAR Auslastung im Sachwalterschaftsverfahren führte.
  22. 22 Als Beispiel seien die Gerichtszusammenlegungen und die damit verbundene Diskussion erwähnt, ob statistisch relevante Fallerledigungen bei den zusammengelegten Gerichten ausgewiesen werden sollen oder nicht, da diese rechtlich nicht mehr existent sind.
  23. 23 Ein fehlerhaft erfasster Exekutionsfall führt bei einem Anfall im Jahr 2012 von 1.018.450 Fällen zu einer Fehlertoleranz von 0,000098%. Ein fehlerhaft erfasster Heimaufenthaltsfall führt bei einem Anfall im Jahr 2012 von 192 Fällen zu einer Fehlertoleranz von 0,52%.
  24. 24 Stand Juni 2013.
  25. 25 Quelle: Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/OLAP-W%C3%BCrfel).