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Derzeit bestehen in den rund 500 österreichischen Notariatskanzleien, in denen an die 1.000 Juristen und zwischen 2.500 und 3.000 Angestellte arbeiten, folgende elektronischen Elemente/elektronischen Instrumente der Rechtsdienstleistung der Notarinnen und Notare.
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Das Österreichische Zentrale Testamentsregister (ÖZTR) seit 1972, das Treuhandregister des österreichischen Notariats (THR) seit 1995, die elektronisch gestützte sichere Bankabwicklung von Treuhandschaften, vornehmlich im Immobilienbereich, durch die Notartreuhandbank AG (NTB AG) seit 1999, das Österreichische Zentrale Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) seit Mitte 2007, das Patientenverfügungsregister (PatVR) des österreichischen Notariats seit Mitte 2007, die Ausstattung aller im österreichischen Notariat tätigen Notarinnen und Notare, Notariatskandidatinnen und Notariatskandidaten mit zweierlei sicheren elektronischen Signaturen, der Berufssignatur und der Beurkundungssignatur, die Tätigkeit eines erheblichen Teils der 500 Notarstellen als Zertifizierungsstellen für einen ZPA, die weitgehend autonome Versorgung des Berufsstandes mit Infrastrukturleistungen für die tagtägliche notarielle Berufstätigkeit durch das Angebotsspektrum der notariellen Dienstleistungsgesellschaft ÖGIZIN GmbH als Verrechnungs- und Übermittlungsstelle mit den konkreten Angeboten Grundbuchauszüge, Firmenbuchauszüge, ZMR-Abfrage, Gewerberegisterabfrage, DKM-Abfrage, ERV-Übermittlungsstelle.
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Allein diese Aufstellung zeigt, die IT ist ein selbstverständliches Wesenselement notarieller Rechtsdienstleistung geworden. Die Vorteile von e-Government und e-Justice können genutzt werden im Interesse der Klienten, das Niveau an durch die notarielle Beratung und Beurkundung geleisteter Rechtssicherheit bleibt unverändert hoch.
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Also, elektronische Dienstleistungselemente, Register und Archive sind heute selbstverständlich für das österreichische Notariat. Trotzdem sei, weil das Bundesministerium für Justiz und der Verantwortungsbereich von Dr. Martin Schneider dabei Partner, Mitspieler, Ermöglicher waren, ein kurzer Rückblick, vor allem zu den Archiven, gestattet.
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Traditionell wurden Verträge auf Papier beurkundet und der Vertrag oder eine Ausfertigung davon dem Register als Nachweis der vertraglichen Einigung übermittelt. Der althergebrachte an das Papier gebundene Arbeitsablauf verband sowohl den Notar als auch das Register durch Papier. Denn auch dort wurden die Verträge in ihrer körperlichen Papierform aufbewahrt, ein ebenfalls in Papierform geführtes Register mit den Suchbegriffen half bei der Organisation der riesigen Datenmengen.
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Die moderne Welt hingegen entwickelte andere Arbeitsabläufe. Die Umwälzung begann damit, dass in den Kanzleien Verträge nicht mehr mittels Schreibmaschine auf Papier geschrieben wurden. Im gesamten modernen Alltag hatte die Elektronik Einzug gehalten, auch Notare bedienten sich elektronischer Hilfsmittel, um Verträge zu Papier zu bringen.
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Auch die Verwaltungsbehörden hatten ihre Arbeitsabläufe umgestellt und bearbeiteten Akten elektronisch. Register wurden nicht mehr in Büchern auf Papier geführt und standen jedermann im Internet zur Einsicht zur Verfügung.
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Dennoch war das Bindeglied zwischen Notar und Gericht immer noch ein Papierdokument. An dieser Stelle setzten die Überlegungen ein, den doppelten Medienbruch zwischen der digitalen Welt der notariellen Amtsstelle und dem zu übermittelnden Papierdokument einerseits und dem Poststück und dem elektronischen Amtsarchiv andererseits zu überwinden.
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Mit 1. Januar 2000 wurde das digitale Langzeiturkundenarchiv des österreichischen Notariats – cyberDOC in Betrieb genommen. Das Archiv nutzt modernste kryptographische Technologien, hochsichere Rechenzentren und Hardware, die auch im Bank- und Kreditkartenbereich und bei militärischen Anwendungen eingesetzt wird. Der Kern des Systems war die Erfassung und Archivierung sämtlicher notariellen Urkunden. In einer weiteren Ausbauphase wurde das Archiv zur Kommunikationsplattform erweitert, um Notaren die Möglichkeit zu geben, Gerichten, Verwaltungsbehörden und Finanzämtern Zugang zu einzelnen, genau definierten Urkunden zu gewähren, ohne dass diese den gesamten Urkundenbestand einsehen können.
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Der österreichische Gesetzgeber hat diese Entwicklung als Muster für den elektronischen Verkehr mit Gerichten herangezogen und eine gesetzliche Grundlage geschaffen: Wichtigster Punkt ist die Originalurkundenfiktion, wonach eine Urkunde, welche ordnungsgemäß in das Archiv eingestellt wurde, als Original anzusehen ist, bis das Gegenteil erwiesen ist. Die Einstellung der Urkunde ins Archiv und der Zugriff der Behörde auf die im Archiv gespeicherte Urkunde befreien also den Einbringer von der Vorlage des Papier-Originals. Verfahren wurden dadurch beschleunigt, Kosten für Papier und Porto gesenkt.
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Das Archivsystem cyberDOC vereinigt in hervorragender Weise alle wichtigen Merkmale eines modernen hochsicheren Langzeitarchivs: Die Authentizität, also die Sicherstellung, dass die Mitteilung vom genannten Absender stammt, ist gewährleistet durch Verwendung qualifizierter Signaturen; die Vertraulichkeit, der Schutz vor mitlesenden Dritten außerhalb der Notariatskanzlei oder auf dem Übertragungsweg, wird durch lückenlose Verschlüsselung der Daten garantiert, sodass ohne Verwendung der kryptographischen Schlüssel der Datenbestand nicht auslesbar ist, auch wenn ein Angreifer direkten Zugriff auf die Speichermedien hätte. Die Integrität, die Erhaltung der Nachricht in vollständiger und unveränderter Form, ist ebenfalls durch die Verwendung qualifizierter Signaturen sowie durch das Archiv als sicherem Verwahrungsort gegeben. Dass die Urkunde beim Verlassen des Archivs mit einer dem aktuellen Stand der Technik entsprechenden starken Signatur versehen wird, ist ein besonderes Merkmal der Langzeitarchivierung. Gesamt wurden seit Start der verpflichtenden elektronischen Übermittlung im Juli 2007 bis Juni 2013 rund 4,1 Millionen Urkunden von Firmenbuch- und Grundbuchgerichten elektronisch aus cyberDOC abgeholt.
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Auch wenn sich durch die Ausweitung des Anwendungsgebietes in den letzten Jahren der Fokus zunehmend auf die Kommunikation mit den Gerichten verlagert hat, bleibt die Speicherung von notariellen Urkunden das Herzstück dieser großen Sicherheitslösung. «CyberDOC hat wesentlich dazu beigetragen, dass das österreichische Notariat zu einem der fortschrittlichsten Rechtsdienstleister der Welt zählt. Dieser ständige Weg des Fortschritts ermöglicht es unsere Kunden in der täglichen Arbeit noch besser zu unterstützen.»
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Das Bundesministerium für Justiz, konkret der Verantwortungsbereich von Leitenden Staatsanwalt von Dr. Martin Schneider, war für das österreichische Notariat in dieser Entwicklung über Jahrzehnte Partner, Forderer, Förderer, Mitspieler, Ermöglicher, Widerpart. Letztlich ist in gemeinsamer Anstrengung ein Weg beschritten worden, dessen Ergebnisse sich sehen lassen können und die zur Positionierung der österreichischen Justiz auf Spitzenplätzen in allen E-Government-Rankings nachhaltig beigetragen haben.
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Der Wunsch des Notariats lautet, auch künftighin möglichst früh, möglichst oft und möglichst intensiv mit seinen praktischen Erfahrungen in die IT-Vorhaben des Bundesministeriums für Justiz einbezogen zu sein.
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Bernhard Felderer schrieb 2006: «Die Zukunft des e-Commerce hängt vom Vertrauen in die Sicherheit der Systeme, in Rechtsverbindlichkeit und Rechtsdurchsetzbarkeit der Information ab.
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Notarielle Urkundenarchive haben das Potential, erhöhte Rechtssicherheit im e-Commerce zu bieten. Damit machen Notare authentisch Daten des öffentlichen Sektors sowie öffentliche und private Urkunden elektronisch für berechtigte Dritte verfügbar. Allfällige Unsicherheiten im e-Commerce und damit einhergehende Wohlfahrtsverluste können so minimiert werden.
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Notarielle elektronische Urkundenarchive können dafür die Qualität von Trusted Third Parties im virtuellen Markt bieten.»
Dr. Christian Sonnweber, Generalsekretär der Österreichischen Notariatskammer und Geschäftsführer ÖGIZIN GmbH.
Dr. Michael Lunzer, Öffentlicher Notar in Wien und Geschäftsführer ÖGIZIN GmbH.
Dr. Alfred Moser, Geschäftsführer cyberDOC GmbH & Co KG.