1.
Vorwort ^
2.
IBM als Unternehmen und aktuelle Themen ^
2.1.
IBM Österreich ^
2.2.
Trends & Aktuelle Themen ^
3.
Historie der Zusammenarbeit Justiz mit IBM ^
- Dr. Otto Oberhammer, Sektionschef der Präsidialsektion, der nach seiner Funktion als ORF Generalsekretär ins Justizministerium zurückgekehrt war. Ein für diese Zeit untypischer Beamter, der die Justiz als Unternehmen sah und begann Prinzipien der Unternehmensführung wie Kosten/Nutzen-Rechnung auch deutlich sichtbar auf das Ministerium anzuwenden, z.B. mit «Rationalisierung durch IT-Einsatz». Gleichzeitig hat er streng darauf geachtet, dass jede Nutzendarstellung quantifiziert wird, damit jede budgetäre Investition auch bis hinauf zum Bundesminister gerechtfertigt werden kann.
- Dr. Helmut Auer, Abteilungsleiter in der Präsidialsektion, der sich wirklich große Verdienste bei der Einführung der Grundstücksdatenbank erworben hat.
- Dr. Martin Schneider, ein scharfsinniger junger Staatsanwalt, der als Referent in der Abteilung von Dr. Auer begonnen hat und für sonstige IT-Anwendungen neben dem Grundbuch zuständig war, z.B. für das damalige mehrplatzfähige Wang Textverarbeitungssystem im BMJ. Auffällig war schon damals seine Aufgeschlossenheit für technische Innovationen, die er in Hinblick auf einen möglichen Nutzen für die Justiz untersucht und meistens auch selber gleich getestet hat. Mit dem zunehmenden Einsatz von IT-Anwendungen in der Justiz, die er wesentlich mitgestaltet hat, ist sein Aufgabenbereich kontinuierlich gewachsen und Dr. Martin Schneider hat sich als – national und international – hoch geschätzter Leiter der Rechtsinformatikabteilung und als stellvertretender Sektionsleiter der Präsidialsektion im österreichischen Bundesministerium für Justiz etabliert.
3.1.
Grundbuch ^
Fachlicher Hintergrund
Technik
Herausforderungen
Erfolgsfaktoren der österreichischen Grundstücksdatenbank
Folgewirkungen
Literatur zu Justizprojekten bis 1999:
- Klaus Hoffmann / Georg Weissmann (1999): «Festschrift Otto Oberhammer – Ambiente eines Juristenlebens», Manzsche Verlags- und Universitätsbuchhandlung.
3.2.
Die erste Version der Verfahrensautomation Justiz ^
- Verlassenschaftsverfahren (A)
- Zivilverfahren (C, Cg, Cga, Cgs) am Bezirksgericht und am Gerichtshof
- Pflegschaftsverfahren (P)
- Exekutionsverfahren (E)
- Rechtsmittelverfahren (RM)
- Strafverfahren (U, STA) beim Bezirksgericht und bei der Staatsanwaltschaft
- Sonstige Verfahren (N)
3.3.
Verteilte Datenverarbeitung ^
3.4.
PCs und lokale Netzwerke ^
Herausforderungen
- Die Erstellung von Installationssätzen für die PCs mit System- und Anwendungsprogrammen (als PC Betriebssysteme wurden zuerst PC-DOS, dann das von IBM heiß geliebte OS2 und später MS/Windows eingesetzt)
- Die Verwaltung der individuellen Konfigurationsdaten je Gerät
- Erstellung von Prozeduren für die automatische SW-Installation auf den PCs
- Netzwerk-Management
- Softwareverteilung bis auf die PCs
3.5.
Elektronischer Rechtsverkehr (ERV) ^
- 1990 ca. 5.000 ERV-Anträge,
- 1993 ca. 110.000 ERV Anträge.
- 1996 ca. 540.000 ERV-Anträge und
- 1998 bereits ca. 1.200.000 ERV-Anträge.
Die aktuellen Zahlen zum Nutzungsgrad des ERV sind wirklich eindrucksvoll:
- Etwa 10.000 ERV-Teilnehmer (Rechtsanwälte, Notare, Polizei und Großkunden wie Banken, Versicherungen, öffentliche Institutionen)
- Etwa 4,5 Millionen elektronische Anträge und Folge-Anträge an die Gerichte pro Jahr
- ca. 95% aller Anträge in Zivilverfahren erfolgen elektronisch
- ca. 70% der Exekutionsanträge erfolgen elektronisch
- Etwa 6,5 Millionen elektronische Zustellungen
- ca. 10 Millionen EUR jährliche Einsparung bei den Postgebühren
- Im Sommer 2013 konnte der e-CODEX Pilotbetrieb für das grenzüberschreitende Europäische Mahnverfahren gestartet werden.
- Aktuell kann ein österreichischer Anwalt bereits z.B. einen «Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls» (Formblatt A) elektronisch über den österreichischen ERV und via e-CODEX an das für ganz Deutschland zuständige Amtsgericht Wedding in Berlin schicken, um eine offene Forderung bei einem deutschen Schuldner zu betreiben.
3.6.
Firmenbuch ^
Fachlicher Hintergrund
- Ab Juli 1991 wurde der Echtbetrieb für Personengesellschaften (A-Firmen) aufgenommen.
- Ab 1993 konnten auch Kapitalgesellschaften (B-Firmen) ins Firmenbuch eingegeben werden.
Seither wurde das Firmenbuch laufend verbessert und an gesetzliche, organisatorische und technische Änderungen angepasst:
- Bereits 1993 war das Firmenbuch über Bildschirmtext (BTX) und entsprechende Verrechnungsstellen, die die Gerichtsgebühr für die kostenpflichtige Abfrage des Firmenbuchs eingehoben haben, extern abfragbar.
- Seit 1999 ist die kostenpflichtige Abfrage des Firmenbuchs über Internet möglich, ebenfalls über eine Reihe von der Justiz beauftragten Verrechnungsstellen.
- Die elektronische Vorlage der Jahresabschlüsse (Bilanzen) wurde 2001 eingeführt und ist aktuell sowohl über FINANZOnline und den Elektronischen Rechtsverkehr (ERV) der Justiz möglich.
- Ab 2002 erfolgten die Bekanntmachungen der Firmenbuchgerichte (z.B. Neueintragungen im Firmenbuch) automatisch über die Ediktsdatei (www.edikte.justiz.gv.at).
- Von 2003 bis 2006 wurden die Programme des Firmenbuchs von älterer Software auf moderne WebSphere-Software und Java-Technologie umgestellt. Dabei wurde auch die Benutzeroberfläche in Anlehnung an die Verfahrensautomation Justiz gestaltet. Diese Modernisierung schaffte die Voraussetzung für die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs im Firmenbuch.
- Seit 2005 werden alle dem Firmenbuch vorgelegten Urkunden (Eintragungsgrundlagen) elektronisch im Urkundenarchiv der Justiz gespeichert.
Technik
Die folgende Literatur gehört zu den Standardwerken über relationale Datenbanken:
- Edgar F. Codd (1970): «A Relational Model of Data for Large Shared Data Banks», Communications of the ACM, Volume 13, Number 6, June 1970,
- Edgar. F. Codd (1990): «The Relational Model for Database Management, Version 2.», Addison-Wesley Publishing Company 1990, ISBN 0-201-14192-2,
- Christopher J. Date (2003): «Introduction to Database Systems.», Addison-Wesley Longman, Amsterdam 2003, ISBN 0-321-18956-6.
Die Biografie von Edgar F. Codd ist in Wikipedia verfügbar, siehe: http://en.wikipedia.org/wiki/Edgar_F._Codd.
Erfolgsfaktoren
3.7.
Projekt «Redesign – Verfahrensautomation Justiz» ^
Vorgeschichte
- 1986: Mahnverfahren
- 1987: Zivilverfahren am Bezirksgericht
- 1990: Elektronischer Rechtsverkehr (ERV)
- 1992: Exekutionsverfahren, Verlassenschaftsverfahren, Zivilverfahren am Gerichtshof
- 1994: N-Verfahren
- 1995: Insolvenzverfahren, Pflegschaftsverfahren, Rechtsmittelverfahren
- 1996: Strafverfahren am Bezirksgericht, Staatsanwaltliches Verfahren
Vertragliche Grundlagen des Projektes
Das Projekt wurde auf Grundlage eines Vertrages zwischen dem Bundesministerium für Justiz (BMJ) und der IBM Österreich GmbH (IBM) abgewickelt. Gemäß § 89f des Gerichtsorganisationsgesetzes (GOG) oblag dem damaligen Bundesrechenamt (BRA), das zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses eine nachgeordnete Dienststelle des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) war, die Mitwirkung an der automationsunterstützten Führung von Gerichtsverfahren als Dienstleister. Auf dieser Basis waren die IT-Sektion des BMF und die Organisationseinheit «Applikation Verfahrensautomation Justiz» an der Erfüllung des Vertrages beteiligt.
Stakeholder des Projektes
- PR2 – Innenrevision: Controlling Informationen
- PR3 – Textbausteine und Formularwesen
- PR4 – IT-Infrastruktur
- Sektion I Zivilrecht: Rechtliche Normen, die im Zivilbereich der VJ zu berücksichtigen sind bzw. die automationsunterstützte Abwicklung von Verfahren im Bereich der Zivilgerichtsbarkeit durch die VJ ermöglichen.
- Sektion II – Straflegislative: Rechtliche Normen, die im Strafbereich der VJ zu berücksichtigen sind bzw. die automationsunterstützte Abwicklung von Verfahren im Bereich der Strafgerichtsbarkeit und der Staatsanwaltschaften ermöglichen.
- Sektion III – Verwaltung und Personal: Statistische Auswertungen aus der VJ dienen dieser Sektion zur Festlegung und Überprüfung des Personalbedarfs und der Erfüllung andere Verwaltungsaufgaben. Die Kontrolle der Projektausgaben und Innenrevision wurde von der Abteilung 2 dieser Sektion durchgeführt
- Sektion IV – Straf und Gnadensachen: Statistische Auswertungen aus der VJ dienen dieser Sektion zur Erfüllung ihrer Aufgaben.
- Sektion V – Strafvollzug: Gemeinsame IT-Infrastruktur mit der VJ
- Richter (vertreten durch die Richtervereinigung): Entsendung von Experten in Arbeitsgruppen; teilweise Arbeit mit der Applikation VJ; Zulieferung von Ergebnissen der VJ durch die Kanzleien;
- Nichtrichterliche Bedienstete (vertreten durch den Obmann des Zentralausschusses): Entsendung von Experten in Arbeitsgruppen; tägliche Arbeit mit der VJ;
- Staatsanwälte (vertreten durch den Verein der Staatsanwälte): Entsendung von Experten in Arbeitsgruppen; teilweise Arbeit mit der Applikation VJ; Zulieferung von Ergebnissen der VJ durch die Kanzleien;
- IT-Schulungszentren der Justiz: Tägliche Arbeit mit der VJ; Ausbildung der Mitarbeiter der Justiz für die VJ; wichtiger feed-back Lieferant auch im Bereich der VJ.
- Mitarbeit an der Entwicklung der VJ
- Betrieb der VJ-alt und VJ-neu
- Aufbau und Betrieb der IT-Infrastruktur für die Justiz
- Einbringen nationaler Gerichtserfahrung
- Einbringen von fachlichem Know-how bei der Entwicklung justizspezifischer Abläufe und Prozesse
- Einbringen von Projektmanagementerfahrung, modernen Vorgehensweisen im Bereich der Anwendungsentwicklung sowie Testerfahrung zur Qualitätssicherung
- Einbringen von Erfahrung und Mitarbeit vor allem in den folgenden Teilbereichen: Applikationsleitung, Migration Altverfahren, Fachbereich Zivil, Exekution, Strafverfahren, Rechtsmittelverfahren und Insolvenzverfahren, Kostenentwicklung und Planung, Statistik, ERV, Ediktsdatei, Handbuchredaktion, Sonderauswertungen, Koordination im Hostbereich (zentrale Ausdrucke), Controlling und Infrastruktur
- Mitarbeit an der Entwicklung der VJ
- Einbringen internationaler Gerichtserfahrung und Re-use von Entwicklungsergebnissen z.B. aus einem ähnlichen Projekt für ein Kreisgericht in DuPage County, Illinois (USA, Umgebung von Chicago)
- Einbringen von Erfahrung in Projektmanagement, technischem Projektmanagement und Qualitätssicherung
- Einbringen von Expertise mit modernen Vorgehensweisen und Techniken im Bereich der Anwendungsentwicklung, insbesondere beim Einsatz von Objekt-Technologie und plattform-unabhängiger Anwendungsentwicklung mit Java.
- Bereitstellen von Entwicklungspersonal insbesondere in den Bereichen Objekt-Technologie-Design und Java
- Einbringen von Expertise und Mitarbeit vor allem in den Bereichen Host-Design und DB2 Entwicklung, Learning Services, Konzeptionelles Infrastruktur-Design und Netzwerkdesign, Lotus Notes Infrastruktur, Lotus Notes Anwendungs-Design und Entwicklung
- Rechtsanwaltskammer als Vertretung der Rechtsanwälte: Entsendung von Experten in Arbeitsgruppen; Benutzer des elektronischen Rechtsverkehrs (ERV);
- Notariatskammer als Vertretung der Notare: Entsendung von Experten in Arbeitsgruppen; Benutzer des ERV;
- Datakom (Telekom): Abwicklung des ERV durch Anschluss der Rechtsanwälte und Privat-Firmen
- Softwarehäuser: Software für den ERV für Anwälte und andere Kunden
Projektorganisation
Ziele des Projektes
Die Projektziele wurden wie folgt festgelegt:
- Rationalisierung und Beschleunigung der Gerichtsverfahren durch den Einsatz von Informationstechnologie
- Bessere Information für die Parteien, z.B. durch übersichtlichere Gestaltung der Beschlüsse und an die Rolle der Partei angepasste Rechtsmittelbelehrung
- Eine konsistente Anwendung für 40 unterschiedliche Verfahrensarten
- Mehr als 100 zusätzliche Funktionen im Vergleich zur VJ-alt
- Neue Verfahren, z.B. das Strafverfahren am Gerichtshof, Diversionsverfahren bei den Staatsanwaltschaften
- Benutzerfreundliche grafische Benutzeroberfläche, integrierte Online-Hilfe und Dokumentation, bessere Integration der Textverarbeitung
- Ediktsdatei (siehe www.edikte.justiz.gv.at) für rechtsverbindliche Veröffentlichungen an die breite Öffentlichkeit
- Beibehaltung von Funktionen mit hohem Rationalisierungseffekt
- Poststraße
- Elektronischer Rechtsverkehr (ERV)
- Österreichweites Namensverzeichnis
- Internationale Wiederverwendbarkeit von Teilen der Anwendung
Funktionen der Verfahrensautomation Justiz – Registerführung
- der Zahlungsbefehl (inklusive Zahlschein, Rechtsmittelbelehrung und Einspruchsformular) im Mahnverfahren
- die Exekutionsbewilligung im Exekutionsverfahren inklusive der automatischen Drittschuldneranfrage und
- Diversionsbeschlüsse im Strafverfahren.
Poststraße und österreichweite Namensabfrage
Grafisches User Interface, integrierter Texteditor, Online Hilfe
Gerichtsgebühren und Kosten
Statistik
Elektronische Schnittstellen: ERV, Ediktsdatei und externe Abfragen
Veröffentlichungen, die für die breite Öffentlichkeit bestimmt sind, erfolgen mit Hilfe der Ediktsdatei (www.edikte.justiz.gv.at) und wurden zuerst im Insolvenzverfahren und bei den Liegenschaftsversteigerungen eingesetzt. Wegen des großen Erfolges und der signifikanten Kostenersparnis verglichen mit den Kosten für Zeitungsinserate wurden diese Funktionen auch für sehr viele weitere Verfahrensbereiche eingesetzt.
Realisierte Verfahrensarten (Geschäftsregister und Geschäftsbehelfe):
- Sachen der streitigen Gerichtsbarkeit (C, Cg, Cga, Cgs)
- Exekutionssachen (E)
- Außerstreitige Sachen (A, Msch, P, T)
- Rechtshilfesachen (Hc, Hs)
- Rechtsmittelsachen (R, Ra, Rs, Ob, Oba, Obs)
- Unterbringungssachen (Ub)
- Fristsetzungen (Fsc, Fss)
- Strafsachen (U, Ur, Hv, BE)
- Anklagesachen (BAZ, St, UT)
- Allgemeine Registersachen (Nc, Ns, NSt)
Realisierte Verfahrensarten nach der Ebene der Gerichte und bei den Staatsanwaltschaften:
- Bezirksgerichte (A, C, E, Hc, Hs, Msch, Nc, Ns, Ub, P, U)
- Gerichtshöfe erster Instanz (Cg, Cga, Cgs, Fsc, Fss, Hc, Hs-FC 36 u. 37, Nc, Ns, R, T, Ur, Hv, BE)
- Oberlandesgerichte (Fsc, Fss, Hc-FC 34, Hs-FC 39, Nc, R, Ra, Rs)
- Oberster Gerichtshof (Fsc, Fss, Hc-FC 34, Hs-FC 39, Nc, Ob, Oba, Obs)
- Staatsanwaltschaften einschließlich Bezirksanwälte (BAZ, NSt, St, UT)
Besondere Herausforderungen
- Der notwendige hohe Aufwand zum Erarbeiten detaillierter Soll-Vorgaben
- Einarbeiten von 258 Change-Requests (Änderungen) bis zum Projektende
- Bearbeiten von 94 neuen Requirements (Anforderungen) während der Projektlaufzeit
- Jahr 2000 Umstellung
- EURO Umstellung
Erfolge des Projektes und der Nutzen für die Justiz
- Sie ist für die Benutzer «einfach zu lernen und zu benutzen».
- So wurde zum Beispiel das Strafverfahren bundesweit in 3 Monaten umgestellt; dies inklusive der neuen Funktion Strafverfahren am Gerichtshof.
- Das Zivilverfahren inklusive Mahnverfahren wurde – nicht zuletzt durch den Zeitdruck auf Grund der EURO-Einführung – in weniger als 2 Monaten umgestellt.
- Die bundesweite Umstellung des Exekutionsverfahrens erfolgte innerhalb von drei Monaten.
- Die Anwendung ist plattform-unabhängig: skalierbar vom Notebook bis zum Großrechner
- Die neue Verfahrensautomation bewährt sich auch unter hoher Last: so erfolgten im März 2003 österreichweit bereits mehr als 6,7 Millionen Fallzugriffe und es wurden in diesem Monat 730.000 Schriftstücke an Parteien oder deren Vertreter erstellt und über die Poststraße oder über den Rückverkehr im Elektronischen Rechtsverkehr (ERV) verschickt. (Hinweis: Die aktuelle Last im Jahre 2013 ist natürlich durch den weiteren Ausbau der VJ noch sehr viel höher).
- «Ökomanager 2000» und «Justitia 2000» für die Ediktsdatei
- «EU eGovernment Label» für den Elektronischen Rechtsverkehr (ERV)
- Zahlreiche ausländische Justiz-Delegationen haben das BMJ besucht um von den Erfahrungen und den Ergebnissen des Projektes als «best practice»-Beispiel zu lernen.
Die Projektkennzahlen zum Zeitpunkt des Projektabschlusses waren (Quelle dieser Zahlen ist der Projektabschlussbericht für das Projekt «Redesign – Verfahrensautomation Justiz» von BMJ und IBM vom Oktober 2003):
- Oberster Gerichtshof
- 4 Oberlandesgerichte
- 20 Gerichtshöfe erster Instanz (Landesgerichte)
- 150 Bezirksgerichte (Hinweis: ursprünglich gab es 192 Bezirksgerichte, zur Steigerung der Effizienz wurden Kleinstbezirksgerichte zusammengelegt).
- 7.400 Mitarbeiter (Stand 1. Juli 2002)
- davon 1.992 Richter und Staatsanwälte und 5.417 andere Bedienstete.
Infrastruktur:
- 331 Server, 9.814 Client-PCs (Gerichte: ~ 8.800; Strafvollzug: ~1.000)
Leistungsvolumen der Justiz:
- ca. 3,6 Millionen neue Fälle pro Jahr (Quelle: Betriebliches Informationssystem 2002) mit
- insgesamt 40 unterschiedlichen Verfahrensarten, davon:
- 850.000 Zivilverfahren
- 1.160.000 Exekutionsverfahren
- 120.000 Strafverfahren
- 610.000 Staatsanwaltliche Verfahren
Budgeterfolg 2002:
Die Einnahmen decken 72% des Justizbudgets (Ausgaben: 873 Mio. Euro, Einnahmen 630 Mio. Euro). Das Defizit resultiert aus den Kosten für den Strafvollzug, die Gerichte arbeiten kostendeckend durch die Gerichtsgebühren.
Kennzahlen zum Entwicklungsaufwand
Analyse Ergebnisse:
- 170 Use Case Szenarien
- ca. 2.000 Geschäftsregeln
JAVA Module (Rel 3.a):
- 280 Packages
- 1.723 External Classes
- 3.223 Internal Classes
- 26.470 Methods
- 147.219 Statements
für Benutzeroberfläche, Geschäftslogik und Kommunikationslogik zum Lesen und Schreiben der Geschäftsobjekte.
Host Module:
- 906 Module
- 337.970 Lines of Code (Librarian records)
für zentrale Ausdrucke, Statistiken, Datenbank-Zugriffsmodule und Migration.
Methoden und Vorgehensweisen
Werkzeuge und Programmiersprachen
Laufzeit des Projektes:
Projektstart: 20. Januar 1997 (Erster Lenkungsausschuss, Kick-Off)
Projektende: 3. Oktober 2002 (Abschließender Lenkungsausschuss)
Meilensteine im tatsächlichen Projektverlauf:
- Jänner: Formelle Projekt-Start-Sitzung
- März: Überblicks-Matrix Anwendungsfunktionen
- Oktober: Funktionsliste und Prioritäten an Key-User-Group
- Jänner: Schätzung Rel 1: A-Verfahren
- Juni: Konzeptionelles Infrastruktur-Design
- Mai: Rel 1.1 Technischer Pilot Verlassenschaftsverfahren
- Dezember: Parallelbetrieb Rel 1.2 Verlassenschaftsverfahren
- Februar: Rel 1.2 Verlassenschaftsverfahren
- Oktober: Rel 2.1 Gerichtsgebühren
- März: Rel 2.2 Strafverfahren
- November: Rel 2.3 Zivilverfahren inklusive Mahnverfahren und universelle Registerführung
- September: Rel 3a: Exekutionsverfahren inklusive Pflegschaft, Rechtsmittel Zivil und «kleinere» Verfahren
- Oktober: Start des landesweiten Roll-out Rel 3.a = Ende des Redesign Projektes
Aufwand und Kosten
Die Gesamtkosten des Projektes beliefen sich auf 21.012.000.– Euro inklusive Umsatzsteuer. In diesem Betrag sind alle Kosten beginnend mit der Vorstudie bis zum Abschluss des Projektes 2002 enthalten. Dabei sind nicht nur für das BMJ budgetwirksame Kosten enthalten, sondern auch die Kosten der eigenen Mitarbeiter der Justiz und des BMF.
3.8.
Ediktsdatei – www.edikte.justiz.gv.at ^
Fachlicher Hintergrund
Edikte im Insolvenzverfahren
Die Einführung der Ediktsdatei mit dem Unterkapitel «Insolvenzdatei» für alle Veröffentlichungen im Insolvenzverfahren wurde ein durchschlagender Erfolg. Der Grund war die sehr viel übersichtlichere und leicht zugängliche Art der Veröffentlichung im Internet und die signifikante Reduktion der Publikationskosten von vorher etwa 1.000 Euro auf nur mehr zirka 50 Euro keim typischen Insolvenzfall. Das entspricht einer Reduktion der Publikationskosten um 95%, die den Parteien zu Gute kam.
Firmenbuchedikte
Bekanntmachungen der Masseverwalter
Edikte im Strafverfahren
Edikte im Exekutionsverfahren
Sonstige Erweiterungen
- Gerichtssachverständigen- und Dolmetscherliste (SDG-Liste)
- Mediatoren-Liste
- Insolvenzverwalterliste
- Zwangsverwalterliste
- Lobbying- und Interessenvertretungsregister (LIV-Register)
Technik
Herausforderungen
Erfolgsfaktoren
3.9.
Europäisches Mahnverfahren ^
Entwicklungskooperation
Vorteile der Lösung
- Die Lösung kann wegen ihrer lose gekoppelten Architektur leicht in andere EU-Mitgliedsstaaten übertragen, dort genutzt und integriert werden.
- Die Trennung landesspezifischer Ergänzungen von der Entwicklung des Kerns für das EU Mahnverfahren ist Grundlage für eine durch die Anwendergruppe fachlich gesteuerte, versionsorientierte Masterlösung.
- Die Verwendung der Prinzipien einer Service Orientierten Architektur (SOA) bietet einfache Möglichkeiten der Einbindung geplanter Komponenten, wie z.B. den Anschluss zur Unterstützung einer sicheren Kommunikation für das elektronische Einbringen von Anträgen.
Funktionen der Lösung
- Fallmanagement: Einfache Bearbeitung von Fällen des EU Mahnverfahrens.
- Übernahme der Antragsdaten aus Formblatt A und Erstellung weiterer Formblätter und Verfahrensschritte im System.
- Output Management: Druck der verschiedenen Formblätter und Bescheide des EU Mahnverfahrens.
- Textbausteine: Einfache Verwendung von zentral verwalteten Textbausteinen für formlose Anschreiben oder Freitext-Felder in Formularen.
- Anbindung an den elektronischen Rechtsverkehr: Antragstellung und Rückübermittlung von Gerichtszustellungen über das Elektronische Verwaltungs- und Gerichtspostfach (EGVP) in Deutschland bzw. den Elektronischen Rechtsverkehr (ERV) in Österreich.
- Erweiterte Plausibilitätsprüfungen: Hoher Automatisierungsgrad durch automatische Prüfungen der Antragsdaten.
- Statistiken zur Auswertung.
Erfolgsfaktoren
4.
Würdigung: Erfolgsfaktoren der Justiz und des Jubilars ^
- Günstige Umgebungsparameter: Das BMJ ist ein vergleichsweise kleines Ministerium mit starker Sachorientierung, klarer Regelung von Kompetenzen und kurzen Entscheidungswegen. Der Bereich Justizverwaltung ist Bundeskompetenz, was die Einführung von bundesweiten IT-Lösungen zur Unterstützung der unabhängigen Gerichte erleichtert.
- «Leadership» auf der Management-Ebene: Die Ziele und Prioritäten werden unter Einbeziehung des Top-Managements entwickelt und klar kommuniziert. Das Management von Projekten und IT-Anwendungen wird als Kernaufgabe wahrgenommen und ist hierarchisch genügend hoch aufgehängt um notwendige Begleitmaßnahmen in Bereichen wie Legislative, Organisation, Personal und Budget umsetzen zu können. Das Management arbeitet aktiv im Lenkungsausschuss an den Projekten mit, um wichtige Entscheidungen zu treffen und gemeinsam mit dem Projektteam allenfalls Korrekturmaßnahmen beim Auftreten von fachlichen und technischen Problemen oder Änderungen im Projektverlauf zu setzten.
- Einbeziehung der Endbenutzer und der betroffenen Stakeholder: Vertreter der Endbenutzer der IT-Anwendungen sowie Vertreter aller relevanten Stakeholder wie Legistik-Abteilungen, Personalvertretung, Richtervereinigung, Rechtsanwaltskammer und Notariatskammer werden bereits sehr früh bei der Anforderungserhebung und Prioritätensetzung und auch später umfassend in den gesamten Projektverlauf eingebunden. Bei Bedarf werden auch Praktiker von den Gerichten in die Projektteams integriert und z.B. als fachliche Experten bei der Evaluierung von Design-Alternativen, beim Review des Userinterface-Design und beim Test von neuen Funktionen eingesetzt.
- Qualität des eingesetzten Personals: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim BMJ sind anerkannte Experten auf ihrem juristischen Fachgebiet und bringen zudem große praktische Erfahrung von ihrer Tätigkeit als Richter oder Staatsanwalt mit, die Voraussetzung für eine Aufnahme im BMJ ist.
- Er verkörpert in Person die «e-Justice» Vision der österreichischen Justiz und stellt in bemerkenswerter Weise sicher, dass die großen Ziele dieser Vision auch über lange Zeiträume nie aus dem Auge verloren werden und stufenweise in kontrollierten Schritten durch Projekte umgesetzt werden. Dabei ist er aber flexibel genug um auf geänderte externe Rahmenbedingungen zu reagieren und sorgt daher auch für die periodische Anpassung und Aktualisierung der (Detail-) Ziele und Maßnahmen.
- Seine aktive Suche nach der «best practice»: Auf Grund seiner Initiative stellt sich die österreichische Justiz dem internationalen Vergleich und sucht aktiv «best practice» Beispiele nicht nur in Österreich sondern auch in anderen Ländern, seien es Ideen, Trends, Konzepte, Organisation, Vorgehensweisen, Regelungen, Architekturen und Techniken, die sich im echten praktischen Einsatz bewähren. Solche «best practice» Beispiele werden aufgegriffen um die eigenen Konzepte zu verbessern und um sie auch im eigenen Bereich umzusetzen. Ebenso lernt man aus der Diskussion mit ausländischen Besuchern bei der österreichischen Justiz.
- Durch ihn und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist die österreichische Justiz aktiv in allen wichtigen «e-Justice» Gremien im EU Rat (z.B.: «Working party e-Justice and e-Law») und bei der EU Kommission vertreten. Er ist ein überaus geschätzter Partner bei internationalen EU-Projekten. Durch sein pragmatisches unbürokratisches Vorgehen und seine Handschlagqualität vermittelt er seinen Projektpartnern Vision, Richtung und Vertrauen in den Projekterfolg und er ist daher ein stabilisierender Ankerpunkt für jedes von ihm mitgestaltete Projekt.
- Seine Aufgeschlossenheit für Innovation lässt ihn neue Lösungsmöglichkeiten frühzeitig erkennen. Er ist bereit kontrollierte Risiken einzugehen, damit nützliche Innovationen möglichst schnell eingesetzt werden können.
- Er versteht es Teams zu motivieren, indem er Mitarbeiterinnen und internen und externen Partnern zwar herausfordernde Ziele setzt, ihnen aber auch Freiräume für eigene Entscheidungen im jeweiligen Aufgabenbereich lässt. Insbesondere in kritischen Situationen lässt er seine Mitarbeiter und Teams aber nicht alleine im Regen stehen, sondern er trägt zu einer sachlichen Problemlösung bei. Er lässt sie am Projekterfolg teilhaben, was zu einer hohen Motivation auch in organisationsübergreifenden Teams mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Justiz, BMF, Bundesrechenzentrum und externen Subunternehmern wie IBM führt, die sich mit hoher Identifikation alle als Mitglieder des «Justiz-Teams» erleben. Wir haben selten Projekte erlebt, wo dieser organisationsübergreifende Schulterschluss von fachlichen und technischen Experten so gut gelingt!
Mag. Tatjana Oppitz, Generaldirektorin der IBM Österreich.
Mag. Sonja Grassberger, IBM Kundenbetreuerin für die Justiz, verantwortlich für Großkunden im öffentlichen Sektor wie BMJ und BMF.
Dipl.‐Ing. Johann Kickinger, IBM Retiree. Aktuell als freier Dienstnehmer bei der Bundesrechenzentrum GmbH für EU Projekte im Justizumfeld tätig, johann.kickinger@brz.gv.at.