Jusletter IT

Der Einsatz moderner Technik im Zivilverfahren – Der elektronische Rechtsverkehr

  • Author: Barbara Kloiber
  • Category: Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: E-Justice
  • Citation: Barbara Kloiber, Der Einsatz moderner Technik im Zivilverfahren – Der elektronische Rechtsverkehr, in: Jusletter IT 19 November 2015
Der elektronische Rechtsverkehr stellt eine wichtige Kommunikationsform zwischen dem Gericht und den Verfahrensparteien dar. Die zu diesem Themenkomplex ergangene höchstgerichtliche Judikatur ist noch spärlich, es ist aber durch die steigende Zahl der zur Teilnahme Verpflichteten anzunehmen, dass sich die Gerichte in Zukunft öfter mit Fragen des elektronischen Rechtsverkehrs auseinanderzusetzen haben werden.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Der elektronische Rechtsverkehr
  • 1.1. IT in der Ziviljustiz
  • 1.2. Die Entwicklung des elektronischen Rechtsverkehrs
  • 2. Eingaben an das Gericht
  • 2.1. Persönlicher Anwendungsbereich
  • 2.2. Sachlicher Anwendungsbereich
  • 2.3. Vorschriften für die Einbringung
  • 2.3.1. Technische Form der Übermittlung
  • 2.3.2. Inhalt und Unterschrift
  • 2.3.3. Verbesserung
  • 2.3.4. Internet
  • 2.4. Einlangen der Eingabe
  • 2.4.1. Zeitpunkt des Einlangens
  • 2.4.2. Berechnung der Frist
  • 3. Zustellung durch das Gericht
  • 3.1. Persönlicher Anwendungsbereich
  • 3.2. Sachlicher Anwendungsbereich
  • 3.3. Vorschriften für die Zustellung
  • 3.3.1. Technische Form der Übermittlung
  • 3.3.2. Inhalt und Unterschrift
  • 3.4. Bewirken der Zustellung
  • 3.4.1. Zeitpunkt der Zustellung
  • 3.4.2. Technische Probleme
  • 4. Schlussworte

1.

Der elektronische Rechtsverkehr ^

1.1.

IT in der Ziviljustiz ^

[1]
In einem Bericht des Justizministers an den Nationalrat über Maßnahmen zur Verfahrensbeschleunigung aus dem Jahr 1992 heißt es, dass auf dem Gebiet der Informationstechnologien «wohl die größten Möglichkeiten der Rationalisierung und Beschleunigung von Abläufen in der Justiz liegen»1. Tatsächlich hat die österreichische Justiz – mit der nötigen Unterstützung des Gesetzgebers – dieses Potential auch in exemplarischer Weise genützt2.
[2]

Schon 1973 wurden mit dem Bundesgesetz über die Verwendung von Schallträgern im zivilgerichtlichen Verfahren3 erste Schritte zu einem Einsatz moderner Technik unternommen. Einen entscheidenden Schritt stellte die Umstellung des Grundbuchs auf automationsunterstützte Datenverarbeitung in den 80-iger Jahren dar. Österreich verfügt seitdem über ein modernes und anerkanntes System der Grundbuchsführung, das mittlerweile bereits einem Redesign unterzogen wurde4. Nach dem Grundbuch wurde auch das Firmenbuch auf ADV umgestellt5. Ein weiterer ganz wesentlicher Schritt war die Einführung des ADV-Mahnverfahrens mit der Zivilverfahrensnovelle 19836, ohne das die Bewältigung des Massenanfalls an Zahlungsklagen gar nicht mehr vorstellbar wäre.

[3]
Die IT-Anwendungen der Justiz erstrecken sich mittlerweile auch auf die automationsunterstütze Registerführung, die Aus- und Abfertigung gerichtlicher Erledigungen, die Insolvenz- und Ediktsdatei, sowie die Verwendung von technischen Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung bei der Beweisaufnahme7.

1.2.

Die Entwicklung des elektronischen Rechtsverkehrs ^

[4]

Mit der Wertgrenzen-Novelle 19898 wurde der elektronische Rechtsverkehr, der die papierlose Kommunikation zwischen Parteien und Gericht ermöglicht, eingeführt. Seine Beschränkung auf Rechtsanwälte, Notare, Körperschaften öffentlichen Rechts und bestimmte andere Rechtsträger wurde durch das Budgetbegleitgesetz 20009 aufgehoben, sodass heute jedermann im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs Schriftsätze und Beilagen10 an das Gericht übermitteln kann11. Seit 1. Jänner 2013 besteht auch die Möglichkeit der Einbringung über die Website der Justiz12.

[5]
Der elektronische Rechtsverkehr wurde im Laufe der Zeit für die direkte Übernahme von Dokumenten in die Datenbank der Verfahrensautomation und auch für die Bilanzvorlage im Firmenbuch verfügbar gemacht. Dies erspart die nochmalige elektronische Erfassung von Anträgen bei Gericht und bewirkt damit eine reale Personaleinsparung und die Vermeidung von Eingabefehlern. Damit können Verfahren noch schneller durchgeführt werden, weil sich die Zeit der Übermittlung der Eingaben gegenüber dem herkömmlichen Postweg auf ein Minimum reduziert. Die damit im Endausbau erzielbare Personaleinsparung der Justiz wird auf 133 Personalkapazitäten geschätzt.
[6]

Im Jahr 2012 wurden mehr als 95% der Mahnklagen und mehr als 70% der Exekutionsanträge, das sind zusammen mit sonstigen Schriftsätzen insgesamt 4,2 Millionen Eingaben für dieses Jahr, elektronisch eingebracht.

[7]
Seit 1999 ist auch der elektronische Rückverkehr im Einsatz, mit dem die elektronische Übermittlung von Dokumenten vom Gericht zum ERV-Nutzer möglich ist. Abgesehen von der Zeitersparnis wird dadurch auch ein großer Teil der Aufwendungen für den Postversand eingespart.
[8]
Im Jahr 2012 wurden 6,8 Millionen elektronische Sendungen über den Rückverkehr durchgeführt, wodurch über zehn Millionen Euro allein an Postgebühren eingespart wurden.
[9]
Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über die gesetzlichen Regelungen gegeben und die dazu ergangene Judikatur dargestellt werden.

2.

Eingaben an das Gericht ^

2.1.

Persönlicher Anwendungsbereich ^

[10]
§ 89a des Gerichtsorganisationsgesetzes (GOG) sieht vor, dass Eingaben statt mittels eines Schriftstücks auch elektronisch angebracht werden können. Offen steht diese Einbringungsmöglichkeit jedermann; verpflichtend ist diese Einbringungsart nur für einen bestimmten Personenkreis. So haben z.B. seit 1. Juli 2007 Rechtsanwälte ihre Eingaben im elektronischen Rechtsverkehr einzubringen. Mittlerweile hat sich der Personenkreis der Verpflichteten weiter erhöht. Gemäß § 89c Abs. 5 GOG sind nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten13 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie Verteidigerinnen und Verteidiger in Strafsachen, Notarinnen und Notare, Kredit- und Finanzinstitute (§ 1 Abs. 1 und 2 des Bankwesensgesetzes [BWG]), inländische Versicherungsunternehmen (§ 1 Abs. 1 des Versicherungsaufsichtsgesetzes [VAG]), Sozialversicherungsträger (§§ 23 bis 25 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes [ASVG], § 15 des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes [GSVG], § 13 des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes [BSVG], § 9 des Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes [B-KUVG], § 4 des Notarversicherungsgesetzes 1972 [NVG 1972]), Pensionsinstitute (§ 479 ASVG), die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (§ 14 des Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetzes [BUAG]), die Pharmazeutische Gehaltskasse (§ 1 Gehaltskassengesetz 2002), der Insolvenz-Entgelt-Fonds (§ 13 des Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetzes [IESG]) und die IEF-Service GmbH (§ 1 des IEF-Service-GmbH-Gesetzes [IEFG]), der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger (§ 31 ASVG), die Finanzprokuratur (§ 1 des Finanzprokuraturgesetzes [ProkG]) und die Rechtsanwaltskammern sowie der Österreichische Rechtsanwaltskammertag zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr verpflichtet14.
[11]
Diese Personengruppen und Institutionen haben den elektronischen Rechtsverkehr zwingend zu verwenden. Ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs ist wie ein Formmangel zu behandeln, der zu verbessern ist15. Für Eingaben ab dem maßgeblichen Stichtag 1. Mai 201216, die auf dem Postweg und nicht im elektronischen Rechtsverkehr eingebracht werden, ist demnach ein Verbesserungsverfahren durchzuführen und bei einem Ausbleiben der Verbesserung die Eingabe zurückzuweisen17.
[12]
Die bisherige Rechtsprechung18, die in der nicht auf elektronischem Weg eingebrachten Eingabe keinen die geschäftsordnungsgemäße Behandlung hindernden Formmangel erkannte und von einem folgenlosen Verstoß gegen eine reine Ordnungsvorschrift ausging, kann infolge Änderung der Rechtslage für solche Eingaben seit 1. Mai 2012 nicht mehr aufrecht erhalten werden; vielmehr müssen die in § 89c Abs. 5 GOG genannten ERV-Teilnehmer in Hinkunft den elektronischen Rechtsverkehr zwingend verwenden19.
[13]
Die Verpflichtung zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs entfällt dann, wenn die konkreten technischen Möglichkeiten im Einzelfall ausnahmsweise nicht vorliegen. Dies ist vom zum elektronischen Rechtsverkehr verpflichteten Teilnehmer in der nicht im elektronischen Rechtsverkehr übermittelten Eingabe zu bescheinigen. Es bedarf diesfalls auch keiner Verbesserung20. Hat der Einbringer das Vorliegen der Voraussetzungen in seiner Papiereingabe nicht bescheinigt, so kann er dies innerhalb der Verbesserungsfrist nachholen21.
[14]
«Im Einzelfall ausnahmsweise» bringt m.E. zum Ausdruck, dass sich die einbringende Person oder Stelle nicht darauf berufen kann, grundsätzlich in ihrer Kanzlei / ihrem Betrieb keine technischen Möglichkeiten zur elektronischen Einbringung zu haben, sondern stellt auf nur kurzfristige Störungen der vorhandenen Soft- oder Hardware ab.
[15]
Ein Verbesserungsverfahren ist aber nicht erforderlich, wenn die Eingabe vom Rechtsanwalt deshalb im Postweg eingebracht wird, weil er dabei den vom Erstgericht erteilten Verbesserungsauftrag zur Unterfertigung des Revisionsrekurses durch einen Rechtsanwalt erfüllte22. In diesem Fall ist die Nichtverwendung des elektronischen Rechtsverkehrs nicht zu beanstanden, sondern zulässig. Gleiches gilt, wenn die Vorlage des Papieroriginals im konkreten Fall aus materiell-rechtlichen oder verfahrensrechtlichen Gründen erforderlich ist, sowie immer, wenn das Gericht die Vorlage einer Originalurkunde in Papier verlangt.
[16]
Die Durchführung eines Verbesserungsverfahrens erübrigt sich auch bei einem unzulässigen Rechtsmittel23.

2.2.

Sachlicher Anwendungsbereich ^

[17]
Welche Eingaben im elektronischen Rechtsverkehr angebracht und welche Entscheidungen auf diesem Weg zugestellt werden dürfen, ist gemäß § 89a GOG von der Justizministerin im Verordnungsweg zu bestimmen. Ebenso ist die nähere Vorgangsweise bei der Übermittlung zu regeln.
[18]
Dies ist mit der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr (ERV 1995)24 erfolgt, die mittlerweile mehrfach geändert wurde. Derzeit steht die Verordnung ERV 200625 in Kraft, die zuletzt 2012 geändert wurde26.
[19]
Danach sind grundsätzlich alle Eingaben und deren Beilagen an Gerichte und Staatsanwaltschaften elektronisch einzubringen. Dies gilt auch dann, wenn für die jeweilige Eingabe keine gesonderte Struktur zur Verfügung steht. Der Schriftsatz ist diesfalls als «sonstige Ersteingabe» mit PDF-Anhang einzubringen27.
[20]
Sonderbestimmungen gibt es für das Firmenbuchverfahren28, das Grundbuchsverfahren29 und die Vorlage der Jahresabschlüsse nach den §§ 277ff. des Unternehmensgesetzbuches (UGB)30.
[21]
Wird im Exekutionsverfahren die Vorlage des Exekutionstitels im Original aufgetragen, so reicht die Übermittlung im elektronischen Weg (als PDF-Anhang) ebensowenig aus wie die Übersendung von Kopien31. Dies gilt nicht, wenn der betreibende Gläubiger den Exekutionstitel selbst ausgestellt hat32.
[22]
Sachverständige und Dolmetscher können ihre Gutachten bzw. Übersetzungen über die Website «www.des.justiz.gv.at» elektronisch einbringen33, sind hiezu jedoch nicht verpflichtet. Dies ist zwar in der ERV geregelt, es handelt sich aber nicht um einen elektronischen Rechtsverkehr i.S.d. §§ 89a ff. GOG, sodass ein Rückverkehr (z.B. Zustellung der Entscheidung über die Gebührennote) nicht in Frage kommt. Wohl aber können die Gutachten und Übersetzungen an die Parteien (im Rückverkehr) zugestellt werden.
[23]
Seit 1. Juli 2008 können Schriftstücke, die nach § 112 der Zivilprozessordnung (ZPO) zu übersenden sind, auch über das Medium «elektronischer Rechtsverkehr» übersendet werden. Eine gesetzliche Regelung findet sich hiezu nicht. Da sich derartige Übermittlungen lediglich der Infrastruktur bedienen, stellen sie keinen elektronischen Rechtsverkehr im eigentlichen Sinn dar. Es ist daher der neu gestaltete § 89d Abs. 2 GOG nicht anzuwenden, sondern wie bisher auf das «Einlangen» abzustellen.
[24]
Anders ist dies bei der Übermittlung von Entscheidungen der Sozialgerichte an das BMASK nach § 81 ASGG. Hier wird die Übermittlung im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs ausdrücklich angeordnet.

2.3.

Vorschriften für die Einbringung ^

2.3.1.

Technische Form der Übermittlung ^

[25]
Elektronischer Rechtsverkehr bedeutet nicht einfach irgendeine Form der Einbringung unter Benützung elektronischer Mittel, sondern es handelt sich um eine technisch genau vorgegebene Übermittlungsart innerhalb eines Teilnehmerkreises, in dem die einzelnen Mitglieder identifiziert und die Eingaben sicher zuordenbar sind. Elektronisch eingebrachte Eingaben und elektronisch zuzustellende Erledigungen sowie Beilagen müssen der Schnittstellenbeschreibung nach § 5 Abs. 2 ERV entsprechen. Die Einbringung erfolgt in den meisten Fällen mit Hilfe von sogenannten Übermittlungsstellen34, bei denen der Einbringer registriert sein muss. Die Übermittlungsstellen sind autorisierte Stellen zur Weiterleitung von elektronischen Eingaben und Erledigungen; sie werden von der Bundesministerin für Justiz auf der Website der Justiz «www.edikte.justiz.gv.at» bekannt gemacht. Die Übermittlungsstelle hat u.a. sicherzustellen, dass elektronische Eingaben und elektronisch zuzustellende Erledigungen sowie Beilagen nur dann übernommen und weiterverarbeitet werden, wenn sie der Schnittstellenbeschreibung nach § 5 Abs. 2 ERV entsprechen.
[26]
Weiters benötigt der Einbringer eine spezielle (ERV-fähige) Software, um die Daten in einer Struktur gemäß der Schnittstellenbeschreibung des Bundesministeriums für Justiz erzeugen zu können35. Die Eingaben können gemäß § 5 Abs. 1 ERV auch als PDF-Anhang übermittelt werden. Das übermittelte PDF-Dokument stellt die schriftliche Eingabe dar36. Mahnklagen, Exekutionsanträge und Klagen im Europäischen Mahnverfahren sowie Grundbuchgesuche sind in strukturierter Form, die die automationsunterstützte Weiterverarbeitung ermöglicht, zu übermitteln; die Einbringung als PDF-Anhang ist nicht zulässig37.
[27]
Es besteht auch die Möglichkeit der Einbringung ohne Übermittlungsstelle, nämlich den sogenannten Direktverkehr, bei dem unmittelbar bei der Bundesrechenzentrum GmbH eingebracht wird. Voraussetzung ist eine Anordnung der Bundesministerin für Justiz, die getroffen werden kann, wenn dies auf Grund der technischen Möglichkeiten zweckmäßig ist oder einer einfacheren und sparsamen Verwaltung dient. Derzeit sind die Einbringungsstelle beim OLG Wien und die Polizei im Direktverkehr, aber auch die neu geschaffene Möglichkeit der Einbringung über die Website der Justiz gilt als eine Form des Direktverkehrs38.
[28]
Ausdrücklich klargestellt wird in § 5 Abs. 1a ERV, dass Fax und E-Mail keine zulässigen Formen des elektronischen Rechtsverkehrs i.S.d. §§ 89a ff. GOG sind.

2.3.2.

Inhalt und Unterschrift ^

[29]
§ 89c Abs. 1 GOG ordnet an, dass für Eingaben im elektronischen Rechtsverkehr die Bestimmungen über den Inhalt schriftlicher Eingaben gelten; sie bedürfen keiner Gleichschriften und Rubriken. Soweit solche benötigt werden, hat das Gericht die entsprechenden Ausdrucke herzustellen. Eingaben im elektronischen Rechtsverkehr entfalten auch die Rechtswirkungen der Schriftlichkeit im Sinne des § 886 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB); § 4 Abs. 2 des Signaturgesetzes (SigG) ist insoweit nicht anzuwenden.
[30]
Soweit dies in der Verordnung nach § 89b Abs. 2 angeordnet ist, sind die Eingaben mit einer geeigneten elektronischen Signatur zu unterschreiben. Es kann aber auch ein anderes sicheres Verfahren, das die Authentizität und die Integrität des übermittelten elektronischen Dokuments sicherstellt, angewandt werden.
[31]
Derzeit bedürfen Eingaben im elektronischen Rechtsverkehr keiner (elektronischen) Unterschrift. Da die Einbringer einerseits durch ihren Anschriftscode identifiziert und andererseits gemäß § 6 Abs. 1 ERV verpflichtet sind, zur Sicherung vor Missbräuchen durch geeignete technische und organisatorische Maßnahmen zu gewährleisten, dass die Eingabe nur von demjenigen elektronisch eingebracht werden kann, der in der Eingabe als Einbringer bezeichnet wird (regelmäßig durch Sicherung des Zugangs zum Web-ERV-Programm durch ein Passwort), ist dies nicht erforderlich39. Auch der einer elektronischen Eingabe angeschlossene PDF-Anhang (also der Mitteilungsschriftsatz selbst) bedarf keiner weiteren Unterfertigung40.
[32]
Beim Anschriftcode handelt es sich gemäß § 7 Abs. 1 ERV um eine Zeichenfolge, unter der der Name und die Anschrift des Einbringers sowie eine Kennung, in welcher Art er am elektronischen Rechtsverkehr teilnimmt, in der Bundesrechenzentrum GmbH gespeichert werden; der Anschriftcode dient der Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr und ist dem einzelnen Einbringer ausschließlich zugeordnet.
[33]
Nach § 7 Abs. 4 ERV haben elektronisch eingebrachte Eingaben den jeweiligen Anschriftcode des Einbringers zu enthalten.
[34]
Beilagen zu elektronischen Eingaben sind in Form von elektronischen Urkunden (Urschriften oder elektronischen Abschriften von Papierurkunden) anzuschließen. Sind diese in einem elektronischen Archiv nach den §§ 91b ff. GOG gespeichert, so genügt ein Verweis hierauf.

2.3.3.

Verbesserung ^

[35]
Auch bei Übermittlung im elektronischen Rechtsverkehr gelten die Bestimmungen über die Verbesserung, so auch jene zum «leeren» Rechtsmittel. Daher ist auch ein im elektronischen Rechtsverkehr eingebrachtes leeres Rechtmittel grundsätzlich nicht verbesserungsfähig. In diesem Sinn hat der OGH bereits mehrfach ausgesprochen, dass die fristgerechte bloße Übermittlung eines «Deckblatts» nicht verbesserbar ist und daher nicht zu einer Fristverlängerung oder einem Verbesserungsverfahren führt41. Dies folgt aus der Rechtsprechung, wonach eine inhaltliche Verbesserung nur erfolgen darf, wenn sich der Schriftsatz nicht bloß in der Benennung des Rechtsmittels oder in der Erklärung erschöpft, die Entscheidung zu bekämpfen. Da diese Beschränkung der gesetzlich vorgesehenen Verbesserungsmöglichkeiten allerdings darauf abzielt, prozessuale Vorteile zu verhindern, die durch bewusstes Fehlverhalten bei der Einbringung von Schriftsätzen entstünden, ist grundsätzlich ein Verbesserungsauftrag zu erteilen, wenn nichts darauf hindeutet, dass durch bewusst unvollständige Einbringung – etwa nur des «Deckblatts» – die Erschleichung eines Verbesserungsauftrags – und damit eine Fristverlängerung – erreicht werden sollte42. Gerade mit der automationsunterstützten Verfassung und Einbringung von Schriftsätzen sind zahlreiche mögliche Fehlerquellen verbunden, weshalb bei im elektronischen Rechtsverkehr übermittelten Eingaben eine Fehlerhaftigkeit oder Unvollständigkeit in der Regel ohne jede böse Absicht erfolgt43. In einem solchen Fall ist daher ein fristgebundener Verbesserungsauftrag zu erteilen44.

2.3.4.

Internet ^

[36]
Seit 1. Jänner 2013 besteht als weitere Form des elektronischen Rechtsverkehrs auch die Möglichkeit der Einbringung im Wege eines Formulars über die Website der Justiz45 im sogenannnten Direktverkehr46. Dabei kann jedes beliebige Dokument im PDF-Format angeschlossen werden. Teilnahmevoraussetzung ist hier lediglich ein Internetbrowser sowie eine Bürgerkarte. Die Bürgerkarte ist entweder eine Chipkarte mit eindeutiger Personenbindung oder eine mobile Signatur über ein Mobiltelefon. Auch diese Art der Übermittlung ist eine Form des elektronischen Rechtsverkehrs, bei der das Bundesrechenzentrum als Übermittlungsstelle fungiert. Es gelten daher grundsätzlich alle Regelungen der §§ 89a ff. GOG und der ERV, insbesondere daher auch die Bestimmungen über den Rückverkehr. Da die meisten Einschreiter wohl nicht über eine elektronische Adresse verfügen, wird der Rückverkehr wahrscheinlich an den faktischen Gegebenheiten scheitern. Denkbar ist, dass der Einschreiter allenfalls bei einem Zustelldienst angemeldet ist, sodass ihm – weil ja grundsätzlich die Voraussetzungen für die Zustellung im elektronischen Rechtsverkehr vorliegen – gemäß § 89a Abs. 3 GOG über diesen zugestellt werden kann.

2.4.

Einlangen der Eingabe ^

2.4.1.

Zeitpunkt des Einlangens ^

[37]
Elektronische Eingaben gelten nach § 89d Abs. 1 GOG als bei Gericht angebracht, wenn ihre Daten zur Gänze bei der Bundesrechenzentrum GmbH eingelangt sind. Ist vorgesehen, dass die Eingaben über eine Übermittlungsstelle zu leiten sind (§ 89b Abs. 2), und sind sie auf diesem Weg bei der Bundesrechenzentrum GmbH tatsächlich zur Gänze eingelangt, so gelten sie als bei Gericht mit demjenigen Zeitpunkt angebracht, an dem die Übermittlungsstelle dem Einbringer rückgemeldet hat, dass sie die Daten der Eingabe zur Weiterleitung an die Bundesrechenzentrum GmbH übernommen hat. Etwaige Verzögerungen in der Weiterleitung an das Bundesrechenzentrum oder der Verteilung der Daten vom Bundesrechenzentrum an die Gerichte gehen nicht zu Lasten des Einbringers47. Die Eingabedaten müssen aber letztlich tatsächlich bei der Bundesrechenzentrum GmbH einlangen48. Ist dies der Fall, so schadet ein unvollständiger Ausdruck bei Gericht nicht49.
[38]
Langen die Daten nicht zur Gänze bei der Bundesrechenzentrum GmbH ein, wird von der Übermittlungsstelle aber fälschlich die Weiterleitung gemeldet, so stellt dies wohl einen Wiedereinsetzungsgrund dar.

2.4.2.

Berechnung der Frist ^

[39]
Gem. § 89 GOG werden die Tage des Postlaufs bei der Berechnung der Frist nicht eingerechnet. Dies gilt jedoch nur dann, wenn das Rechtsmittel an das richtige Gericht adressiert ist. Bei unrichtiger Adressierung (falsches Gericht und/oder falsche Adresse) kommt es auf das Einlangen beim richtigen Gericht an50. In diesem Fall ist die Zeit der Übersendung daher in die Rechtsmittelfrist einzurechnen51. Diese Judikatur gilt auch bei einer Einbringung im elektronischen Rechtsverkehr52. Zwar gilt die Eingabe gemäß § 89d Abs. 1 GOG als bei Gericht angebracht, wenn ihre Daten zur Gänze bei der Bundesrechenzentrum GmbH eingelangt sind, doch muss diese, um rechtzeitig zu sein, an das richtige Gericht adressiert sein. Daran ändert auch die in den Gesetzesmaterialien zu § 89d GOG so bezeichnete Funktion der Bundesrechenzentrum GmbH als «vorgelagerte Einlaufstelle des Gerichts» nichts. Ein im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs übermitteltes Schriftstück muss daher durch Angabe des jeweils zutreffenden «Dienststellenkürzels» an das richtige Gericht adressiert sein. Wird die Dienststellenkennzeichnung des Adressatgerichts anlässlich der Eingabe des Rechtsmittels unrichtig angegeben, und langt der Schriftsatz deshalb beim falschen Gericht ein, das ihn (mit Zeitverzögerung) an das zuständige Gericht übermitteln muss, so ist die Eingabe nur dann als rechtzeitig anzusehen, wenn sie noch innerhalb der Rechtsmittelfrist beim zuständigen Gericht einlangt53. Auch die richtige Adressierung an das zuständige Gericht ist bei Verwendung eines unrichtigen Dienstellenkürzels nicht ausreichend54. Für die Beurteilung der Fristwahrung von im elektronischen Rechtsverkehr eingebrachten Rechtsmitteln kommt dem Vorhandensein vereinigter Einlaufstellen i.S.d. § 37 Abs. 2 Geo – anders als bei sonstigen Einbringungsformen55 – keine Relevanz zu56.

3.

Zustellung durch das Gericht ^

3.1.

Persönlicher Anwendungsbereich ^

[40]
Gemäß § 89a Abs. 2 GOG kann das Gericht anstelle schriftlicher Ausfertigungen gerichtlicher Erledigungen die darin enthaltenen Daten auch elektronisch übermitteln. Voraussetzung ist, dass der Einschreiter bereits einmal eine Eingabe im elektronischen Rechtsverkehr eingebracht hat. Eine Verbindung zwischen dem Anbringen einer bestimmten Eingabe auf elektronischem Weg und der Zustellung von deren Erledigung auf eben diesem Weg ist nicht vorgesehen57. Darauf, ob der Einschreiter im vorliegenden Verfahren eine Eingabe auf diesem Weg getätigt hat, kommt es daher nicht an58.
[41]
Zulässig ist die Zustellung im elektronischen Rechtsverkehr auch dann, wenn dieser Art der Zustellung ausdrücklich zugestimmt wurde59.

3.2.

Sachlicher Anwendungsbereich ^

[42]
Im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs können alle gerichtlichen Erledigungen, d.h. Urteile, Beschlüsse, Ladungen, Mitteilungen usw., zugestellt werden. Übermittelt werden können auf diesem Weg auch Gleichschriften von elektronisch angebrachten Eingaben anderer Personen.
[43]
Ausdrücklich ausgenommen von der elektronischen Zustellung ist der Beschluss, mit dem eine Anmerkung der Rangordnung bewilligt wird60.
[44]
Auch wenn dies nicht ausdrücklich angeordnet ist, so ergeben sich bereits aus der Natur des jeweiligen zu übermittelnden Schriftstücks weitere Ausnahmen. So ist z.B. die Rückübermittlung von Originalen aus Anlass der Bereinigung eines Aktes nicht umfasst.

3.3.

Vorschriften für die Zustellung ^

3.3.1.

Technische Form der Übermittlung ^

[45]
Die elektronische Übermittlung von Erledigungen geschieht ebenfalls durch automationsunterstützte strukturierte Datenübertragung.
[46]
Es kann aber auch über elektronische Zustelldienste zugestellt werden, wenn die Zustellung im elektronischen Rechtsverkehr nicht möglich ist61. Es gelten die §§ 28 ff. ZustellG. Voraussetzung ist auch für diesen Fall, dass der Einbringer sich selbst schon einmal des elektronischen Rechtsverkehrs bedient hat oder dieser Art der Zustellung zugestimmt hat, also die Zustellung im elektronischen Rechtsverkehr nicht deshalb ausgeschlossen ist, weil dessen gesetzliche Voraussetzungen nicht vorliegen. Diese Zustellform ist subsidiär zur Zustellung im elektronischen Rechtsverkehr, sodass für die Zustellung gerichtlicher Erledigungen auch keine Wahlmöglichkeit für den Empfänger besteht. Ist er Teilnehmer am elektronischen Rechtsverkehr, so ist ihm primär im Wege des ERV zuzustellen62. Eine Wahlmöglichkeit für den Empfänger besteht nur bei Zustellungen von Verwaltungsbehörden63.

3.3.2.

Inhalt und Unterschrift ^

[47]
Für elektronisch übermittelte gerichtliche Erledigungen gelten die Bestimmungen über den Inhalt schriftlicher Ausfertigungen gerichtlicher Erledigungen64. In der Ausfertigung ist zwingend der Name des Entscheidungsorgans anzuführen. Die Ausfertigungen gerichtlicher Erledigungen sind mit der elektronischen Signatur der Justiz zu versehen, soweit dies in der Verordnung nach § 89b Abs. 2 GOG vorgesehen ist. Die elektronische Signatur der Justiz ist eine fortgeschrittene elektronische Signatur. Soweit die Rückführung der Ansicht des gesamten Dokuments in eine Form, die die Signaturprüfung zulässt, möglich ist, gelten für die Prüfbarkeit der elektronischen Signatur der Justiz und die Rückführbarkeit von Ausdrucken § 19 Abs. 3 und § 20 des E-Government-Gesetzes (E-GovG). Im Übrigen sind die Bestimmungen des SigG anzuwenden.
[48]
Die Bundesministerin für Justiz hat die notwendigen Zertifizierungsdienste für die elektronische Signatur der Justiz sowie die qualifizierten elektronischen Signaturen der zur Überbeglaubigung berechtigten Organe sicherzustellen. Jede Verwendung der elektronischen Signatur der Justiz ist automationsunterstützt in einem Protokoll, das den Namen des Anwenders ausweist, festzuhalten. Dieses Protokoll ist mindestens drei Jahre lang aufzubewahren.
[49]
Eine elektronische Signatur der Justiz i.S. dieser Bestimmung gibt es für den elektronischen Rechtsverkehr aber noch nicht.
[50]
Unbeschadet der Wirksamkeit der elektronischen Zustellung ist auf Antrag im Einzelfall die Erledigung auch schriftlich auf Papier auszufertigen65.

3.4.

Bewirken der Zustellung ^

3.4.1.

Zeitpunkt der Zustellung ^

[51]
Als Zustellungszeitpunkt elektronisch übermittelter gerichtlicher Erledigungen und Eingaben (§ 89d Abs. 2 GOG) gilt jeweils der auf das Einlangen in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers folgende Werktag, wobei Samstage nicht als Werktage gelten66. Als beim Empfänger eingelangt gelten elektronisch übermittelte Erledigungen und Eingaben, sobald ihre Daten technisch abrufbar in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangen67. Nach Frauenberger-Pfeiler/Raschauer/Sander/Wessely68 ist dies der Fall, sobald sich die Daten auf einem wo auch immer befindlichen Speichermedium befinden, der Empfänger über die Berechtigung zum Zugriff verfügt und auch darauf zuzugreifen vermag. Damit stellt sich die Frage des Begriffsinhalts von «Abwesenheit» neu69.
[52]

Nach 15 Os 37/10w ist ein Rechtsanwalt verpflichtet, die Organisation seines Kanzleibetriebs so zu gestalten, dass entweder ein täglicher Abruf des ERV-Computer-Systems gewährleistet ist oder auf jeden Fall zumindest auch der Sendebericht der im elektronischen Weg übermittelten Entscheidung angeschlossenen wird. Unterlässt ein Vertreter die Einrichtung eines derartigen Kontrollsystems zur Überwachung von Fristen, so liegt ein Versehen minderen Grades nicht mehr vor.

[53]
Die jeweilige Übermittlungsstelle hat das Datum (Tag und Uhrzeit), an dem die Daten der Erledigungen in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind, zu protokollieren und der Bundesrechenzentrum GmbH zur Weiterleitung an das absendende Gericht zu übermitteln. Das Datum (Tag und Uhrzeit), an dem die Daten der Erledigungen vom Empfänger tatsächlich übernommen wurden, ist ebenfalls zu protokollieren und auf Anfrage dem Absender bekannt zu geben70. Die tatsächliche Übernahme ist aber für den in § 89d Abs. 2 GOG angeordneten fiktiven Zustellzeitpunkt unerheblich71.
[54]
Die Regelung gilt nur die Zustellung durch die Gerichte, nicht auch für die Eingaben der Parteien an das Gericht72. Der Text spricht von der Zustellung «gerichtlicher Erledigungen» und von der Zustellung von «Eingaben» unter Hinweis auf § 89a Abs. 2 GOG. Dieser befasst sich damit, wie die gerichtliche Zustellung von gerichtlichen Erledigungen erfolgen kann, nämlich anstelle schriftlicher Ausfertigungen auch elektronisch, aber auch wie die Zustellung der Eingaben von Parteien durch das Gericht an die andere Partei erfolgen kann, also z.B. die Zustellung eines Schriftsatzes (Klage, Rekurs [...]) einer Partei. Angeordnet wird, dass anstelle von Gleichschriften und Rubriken dieser Parteieingaben die Übermittlung nur der elektronischen Daten möglich ist – wenn diese von der Partei elektronisch übermittelt wurden.
[55]
Bei vorübergehenden Abwesenheiten ist es auch möglich, der Übermittlungsstelle eine Abwesenheitsmeldung zu erstatten, was zur Folge hat, dass die Zustellung dann in Papier erfolgt73. Eine gesetzliche Grundlage hat diese Vorgangsweise nicht.

3.4.2.

Technische Probleme ^

[56]
Technische Gebrechen oder Wartungsarbeiten, die eine Zustellung faktisch unmöglich machen, sind einer Ortsabwesenheit vergleichbar, weshalb versuchte Zustellvorgänge während eines technischen Gebrechens als unwirksam anzusehen sind74. Wird also das zuzustellende Schriftstück von der Übermittlungsstelle zu einem Zeitpunkt in den Verfügungsbereich der Anwenderin gestellt, zu dem der Zugriff wegen eines technischen Gebrechens faktisch nicht möglich war, liegt nur ein versuchter Zustellvorgang vor, der – in ähnlicher Weise wie ein Zustellversuch während der Ortsabwesenheit des Empfängers – unwirksam ist75.
[57]
Ist die Zustellung hingegen wirksam, sind die Daten also in den Verfügungsbereich des Empfängers gelangt, und liegt der Hinderungsgrund für die tatsächliche Kenntnisnahme im Bereich des Empfängers (z.B. mangels Funktionsfähigkeit des Endgeräts), ist allenfalls eine Wiedereinsetzung möglich76.
[58]
Kann nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass im Bereich der Bundesrechenzentrum GmbH auftretende technische Probleme dazu geführt haben, dass die Empfängerin nur verzögert auf übermittelten Daten zugreifen konnte, ist im Zweifel von einem Einlangen erst zu dem Zeitpunkt auszugehen, zu dem der Zugriff möglich war77.

4.

Schlussworte ^

[59]
Der elektronische Rechtsverkehr ist eine große Errungenschaft für das Gerichtsverfahren. Auch wenn es in manchen Bereichen noch Verbesserungsbedarf gibt78, so ist doch die dadurch ermöglichte Übernahme von Inhalten der Parteienschriftsätze und deren weitere Bearbeitung ein unschätzbarer Vorteil. Die Verkürzung der Kommunikationswege und die Verringerung von Fehlerquellen bei der Zustellung sind weitere Vorteile79.
[60]
Dies alles ist zu einem großen Teil Martin Schneider zu verdanken, der in Fragen der technischen Unterstützung von Gerichtsverfahren ein Vordenker und Vorreiter nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa ist. Er wurde in seinem Streben immer von den jeweiligen Präsidialsektionschefs unterstützt. Ohne die von ihm stetig vorangetriebenen – mir persönlich zugebenermaßen oft zu rasch und zu weit gehenden – technischen Veränderungen und Neuerungen und ohne seine Visionen wäre die österreichische Justiz nicht dort wo sie ist, nämlich eine der technisch fortschrittlichsten in Europa.
[61]
Während sich Martin Schneider vor allem mit den technischen Möglichkeiten und deren Einsatz im Verfahren beschäftigt, liegt mein Interesse in den dahinter stehenden gesetzlichen Regelungen. Ich würde mir ein eigenes Gesetz und nicht bloß einige Paragraphen im «Gerichtsorganisationsgesetz» wünschen. In diesem könnte man ganz allgemein alle zulässigen Kommunikationsformen zwischen den Parteien und dem Gericht regeln80, also nicht nur die elektronische Kommunikation. Dabei wären auch Fragen der Zulässigkeit von Telefax und eEmail Eingaben81, aber auch etwa die angesprochenen Fragen der Abwesenheit und technischer Gebrechen zu lösen und gesetzlich zu regeln82. Auch die Übersendung von Schriftsätzen im Verfahren zwischen Rechtsanwälten nach § 112 ZPO, könnte allenfalls wieder über das Gericht laufen (automatische Übermittelung aller Eingaben an das Gericht an den Gegner).

 

Barbara Kloiber, Leiterin der Abteilung für Zivilverfahrensrecht im Bundesministerium für Justiz, barbara.kloiber@bmj.gv.at.

  1. 1 Bericht an den Nationalrat über Maßnahmen zur Verfahrensbeschleunigung (Entschließung des Nationalrats vom 16. Dezember 1992, E 84-NR 18. GP).
  2. 2 S. u.a. Fellner, IT Netzwerke Justiz in FS Weißmann (2003) 207; Gottwald, Aktuelles zum IT-Einsatz in der österreichischen Justiz in Schweighofer/Liebwald/Kreuzbauer/Menzel, Informationstechnik in der juristischen Realität, Aktuelle Fragen in der Rechtsinformatik (2004) 317; Gottwald, Ausgewählte IT-Anwendungen in der österreichischen Justiz in Jaksch/Ratajczak, Aktuelle Rechtsfragen der Internetnutzung (2010) 71; Gottwald/Viefhues, Elektronischer Rechtsverkehr in Österreich, MMR 2004, 792; Holly, EDV-Anwendungen in der österreichischen Justiz, in Roth, Zivilprozessrecht (2012), 215; Kodek, Der Zivilprozess und neue Formen der Kommunikationstechnik, ZZP 2002, 445ff.; Konecny, Länderbericht Österreich, in Rechberger, Die Entwicklung des Zivilprozessrechts in Mittel- und Südosteuropa seit 1918 (2011) 1; Schneider in CLC/IAPL, Procedural Law 261ff.; Winter, Automationsunterstützte Verfahren im Justizressort in FS Oberhammer (1999) 200; ders., Die Unterstützung rechtsberatender Berufe durch E-Government – ein Überblick, in FS Benn-Ibler (2011) 355 und insbesondere die noch nicht veröffentlichte, in dieser Festschrift gekürzt wiedergegebene Dissertation von Dr. Thomas Gottwald, Einsatz der Informationstechnologie in der österreichischen Justiz, für deren Zurverfügungstellung ich an dieser Stelle herzlich danke.
  3. 3 BGBl 1973/121.
  4. 4 Auinger, Die Grundbuchs-Novelle 2008, ÖJZ 2009/2.
  5. 5 Oberhammer, Das neue Firmenbuch – Meilenstein der Erneuerung des Justizbetriebs, AnwBl 1995, 7.
  6. 6 BGBl 1983/135; Bosina/Schneider, Das neue Mahnverfahren und die ADV- Drittschuldneranfrage (1987); Schneider, ADV- Mahnklage: Wie funktioniert das? EDVuR 1989, 110.
  7. 7 S. die Literatur in Fn. 2.
  8. 8 BGBl 1989/343.
  9. 9 BGBl I 2000/26.
  10. 10 Diese konnten ursprünglich nicht übermittelt werden, sodass Eingaben, denen eine Urkunde anzuschließen war, vom elektronischen Rechtsverkehr ausgenommen waren.
  11. 11 Schneider/Frank/Kirschbichler/Moravec/Roth, Elektronischer Rechtsverkehr (1999).
  12. 12 § 10a ERV.
  13. 13 Damit ist die Ausstattung der Justiz und nicht die Ausstattung der Einbringer gemeint.
  14. 14 § 89a Abs. 5 GOG i.d.F. BGBl I 2013/119.
  15. 15 § 89c Abs. 6 GOG i.d.F. BGBl I 2012/26.
  16. 16 § 98 Abs. 15 Z 1 GOG.
  17. 17 RS0128266; RS0124335 [T2].
  18. 18 RIS-Justiz RS0124215, RS0124335, RS0124555.
  19. 19 RS0128266; 7 Ob 27/13s vom 27. März 2013.
  20. 20 10 ObS 163/12m.
  21. 21 10 ObS 39/13b: Die Parteien sind aufzufordern, das Rechtsmittel im elektronischen Rechtsverkehr einzubringen oder zu bescheinigen, dass die konkreten technischen Möglichkeiten im Einzelfall ausnahmsweise nicht vorliegen.
  22. 22 6 Ob 154/12h: Die Entscheidung nimmt zur Frage, warum die Verbesserung (Unterschriftsleistung) nicht durch Einbringung im elektronischen Rechtsverkehrs erfolgen konnte (s. z.B. 2 Ob 174/12w, die eine solche Vorgangsweise nicht bemängelt), nicht Stellung.
  23. 23 1 Ob 141/12k; 6 Ob 154/12h.
  24. 24 BGBl II 1995/559.
  25. 25 BGBl II 2005/481.
  26. 26 BGBl II 2012/503.
  27. 27 5 Ob 58/13k.
  28. 28 § 8a ERV.
  29. 29 § 10 ERV.
  30. 30 § 9 ERV.
  31. 31 RWZ0000139.
  32. 32 § 54 Abs. 2 letzter Satz EO; zum Rückstandsausweis gem. § 37 GSVG: 3 Ob 161/06g; RWZ0000067 und LGZ0000012.
  33. 33 Ausführlich hiezu Aufner Thomas, Das Dokumenteneinbringungsservice der Justiz (DES) in Rant, Sachverständige in Österreich (2013) 215 ff.
  34. 34 Zu den Übermittlungsstellen s. auch Schneider, Elektronischer Rechtsverkehr aufgrund der Erweiterten Wertgrenzen-Novelle 1989, AnwBl 1989, 451 ff.
  35. 35 S. hiezu Schneider, Elektronischer Rechtsverkehr – Mißverständnisse in der Anwaltschaft, AnwBl 1990, 539 ff.
  36. 36 1 Ob 30/10h.
  37. 37 § 5 Abs. 1 ERV.
  38. 38 § 10a Abs. 1 zweiter Satz ERV.
  39. 39 Schneider, Elektronischer Rechtsverkehr aufgrund der Erweiterten Wertgrenzen-Novelle 1989, AnwBl 1989, 451 ff.; RS0125146.
  40. 40 RS0125146.
  41. 41 RS0036478 [T5, T8, T9 und T10].
  42. 42 S. auch 1 Ob 200/06b = RS0036478 [T7] (Übermittlung nur einer Seite der Eingabe mit Telefax und dann Abbruch der Übertragung).
  43. 43 RS0036478 [T12].
  44. 44 1 Ob 70/13w.
  45. 45 § 10a ERV.
  46. 46 § 3 Abs. 2 ERV.
  47. 47 Schneider, Elektronischer Rechtsverkehr aufgrund der Erweiterten Wertgrenzen-Novelle 1089, AnwBl 1989, 451 ff.
  48. 48 RS0126237.
  49. 49 5 Ob 188/12a.
  50. 50 RS0041608 T5; RS0041584; RS0041695; RS0006096.
  51. 51 RS0041584.
  52. 52 2 Ob 120/12d; 5 Ob 255/11b.
  53. 53 RS0124533.
  54. 54 RS0124533 [T2].
  55. 55 Eine unrichtige Adressierung schadet dann nicht, wenn die Einlaufstellen des Gerichts, bei dem die Eingabe einlangt, und jenes, bei dem es hätte einlangen müssen, i.S.d. § 37 Abs. 2 Geo. vereinigt sind (RS0041726).
  56. 56 RS0124533 [T4] und RS0041726 [T13] = 3 Ob 171/11k.
  57. 57 RS0121348.
  58. 58 RS0121348 [T2].
  59. 59 § 1 Abs. 3 ERV.
  60. 60 § 1 Abs. 5 ERV.
  61. 61 § 89a Abs. 3 GOG.
  62. 62 Nicht ausdrücklich differenzierend Frauenberger-Pfeiler in Frauenberger-Pfeiler/Raschauer/Sander/Wessely, Österreichisches Zustellrecht2, 89a GOG Rz. 2.
  63. 63 S. § 29 Abs. 1 Z 11 ZustellG; Frauenberger-Pfeiler in Frauenberger-Pfeiler/Raschauer/Sander/Wessely, Österreichisches Zustellrech2t, 89a GOG Rz. 2 und die zu § 29 ZustellG abgedruckten ErläutRV.
  64. 64 § 89c Abs. 3 GOG.
  65. 65 § 1 Abs 3 ERV.
  66. 66 Nach Auffassung des OGH 1 Ob 26/13z sind allfällige aus dem tatsächlichen Einlangenszeitpunkt resultierende Begünstigungen oder Benachteiligungen nicht durch die Neuregelung des § 89d Abs. 2 GOG bedingt, die einen einheitlichen und nicht zwischen den Teilnehmer/innen des elektronischen Rechtsverkehrs unsachlich differenzierenden Zustellzeitpunkt festsetzt und weder einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz noch einen Verstoß gegen Art. 6 EMRK («fair trial») darstellt . Kritisch zu den dadurch allenfalls bewirkten unterschiedlichen Fristen gegenüber der Postzustellung Frauenberger-Pfeiler/Schmon, Physische Zustellung, elektronische Zustellung und verhandlungsfreie Zeit: Einfluss auf den Lauf der Rechtsmittelfristen, JAP 2012/2013/5.
  67. 67 10 ObS 113/12h m.w.N.
  68. 68 Österreichisches Zustellrecht² § 89d Rz. 1 m.w.N.
  69. 69 S. hiezu die ausführlichen Überlegungen von Stumvoll in Fasching/Konecny2, ErgBd § 1 ZustG Rz. 30.
  70. 70 § 4 Abs. 3 ERV.
  71. 71 So auch Schwab, Anm. zu 10 ObS 113/12h, EvBl 2013/54.
  72. 72 So auch Frauenberger-Pfeiler/Schmon, Physische Zustellung, elektronische Zustellung und verhandlungsfreie Zeit: Einfluss auf den Lauf der Rechtsmittelfristen, JAP 2012/2013/5.
  73. 73 AnwBl 2011, 303 «Vorübergehende Abwesenheitsmeldung im elektronischen Rechtsverkehr».
  74. 74 10 ObS 113/12h; Frauenberger-Pfeiler in Frauenberger-Pfeiler/Raschauer/Sander/Wessely, Österreichisches Zustellrecht2, § 89a GOG Rz. 6.
  75. 75 10 ObS 113/12h.
  76. 76 10 ObS 113/12h.
  77. 77 10 ObS 113/12h.
  78. 78 S. nur beispielhaft zu teilweise nach wie vor aktuellen Themen Schillhammer, Gräuliche Zettelwirtschaft, RZ 2009, 253 und die Replik von Schneider, Wir verzetteln uns nicht, RZ 2010, 63.
  79. 79 Konecny, Länderbericht Österreich, in Rechberger, Die Entwicklung des Zivilprozessrechts in Mittel- und Südosteuropa seit 1918 (2011) 1.
  80. 80 S. die Kritik von Konecny, Schriftsatzrecht und Kommunikationsmittel in FS Sprung (2001) 217.
  81. 81 10 Ob 28/11g und Gitschthaler, E-Mail für den Richter – Ich erhebe Berufung!, EF-Z 2011, 174.
  82. 82 So z.B.: Was ist, wenn der ERV aufgrund eines technischen Gebrechens nicht funktioniert, aber eine andere Form der Einbringung (Papier, Fax usw.) nicht mehr zeitgerecht möglich ist? Bleibt hier nur die Wiedereinsetzung? Was tun, wenn die Rückmeldung der Übermittlungsstelle falsch ist und doch nicht die gesamte Eingabe eingelangt ist? Auch nur Wiedereinsetzung? Die Liste ließe sich noch fortsetzen.