Jusletter IT

Grundbuchsanträge Gestern – Heute – Morgen

Von der K&K Prosa zur IT‐Verknüpfung – freie Gedanken zum Verfahren in Grundbuchssachen

  • Author: Manfred Buric
  • Category: Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: E-Justice
  • Citation: Manfred Buric, Grundbuchsanträge Gestern – Heute – Morgen, in: Jusletter IT 19 November 2015
Das österreichische Grundbuch befindet sich im Umbruch – dem Zeitgeist und dem technischen Stand entsprechend hat sich auch der Grundbuchsantrag vom monarchistisch geprägten Anschreiben um 1870 bis zum digitalen ERV-Antrag ab 2006 entwickelt. Neben der ständigen Optimierung der Nutzung der technischen Möglichkeiten steht auch die Verbesserung der Übersichtlichkeit der Anträge im Fokus zukünftiger Entwicklungen. Federführend war und ist die Pr 5 unter ihren Abteilungsleiter, Dr. Martin Schneider.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Einleitung
  • 2. Grundbuchsanträge Gestern
  • 3. Grundbuchsanträge Heute
  • 4. Grundbuchsanträge Morgen

1.

Einleitung ^

[1]
Das österreichische Grundbuch befindet sich im Umbau – es soll technisch komplett modernisiert werden. Federführend für die Neugestaltung des Grundbuches ist die Präsidialabteilung 5. Neben vielen anderen Modulen ist die Antragstellung ein zentrales Thema für die neuen IT-Lösungen.

2.

Grundbuchsanträge Gestern ^

[2]
Um 1870 wurden Grundbücher, so wie wir sie bis in die 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts kannten, bei den Bezirksgerichten installiert. Riesige Folianten als Grundbücher. In Schweinsleder gehüllte Rechte an Liegenschaften. Mit diesem Zeitpunkt beginnt nicht nur die Geschichte des modernen österreichischen Grundbuches sondern auch die der Antragstellung, die zur Veränderung von Daten im Grundbuch notwendig ist.
[3]
Von Anfang an waren Anträge an das Grundbuchsgericht nicht wirklich einfach. Schon die monarchische Adressierung «An das hochlöbliche K&K Hofgericht zu N.N.» zeigte, in welcher Zeit man sich befand. Schon damals musste der Antragsteller neben der «Ansprache» des zuständigen Gerichtes einen Antrag in Beschlussform formulieren.
[4]

Das klang dann etwa so:

«Ob der dem N.N. und der N.N., Eheleute, ersterer Bäckermeister, zweitere Angestelle, beide wohnhaft am Alsergrunde sechzehn in Wien je zur Hälfte gehörigen Liegenschaft mit der Einlagezahl xx, inneliegend der Katastralgemeinde N.N. wird aufgrund des zu Wien am sechzehnten März achtzehnhundertachtundneunzig errichteten und vom gefertigten K&K Hofnotarius Dr. N.N. am d.d. beglaubigten Kaufvertrages sowie der Heiratsurkunde ausgestellt vom K&K Standesamt zu Hietzing am siebenten Oktober achtzehnhundertfünfundvierzig ... die Einverleibung des Eigentumsrechtes je zur Hälfte für die Eheleute N.N. und N.N., vom Beruf Fleischergeselle und Arbeiterin ...»
[5]
Die Zustellung dieses Beschlusses, wenn der Antrag die gestrenge Prüfung durch den Grundbuchsrichter überlebte, war Kanzleisache und entsprechend aufwändig. Rechtspfleger, geschweige denn Diplomrechtspfleger gab´s noch nicht – die kamen erst in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts – und da vorerst auch nur im Exekutionsverfahren.
[6]

Dem Wesen nach hat sich diese Form des Grundbuchsantrages bis über die Jahrtausendwende erhalten – die Monarchie ging unter und nach harten historischen Umbrüchen entstand die 2. Republik. Und mit ihr das Grundbuchsgesetz 1955 (GBG): eine revolutionäre Neufassung des österreichischen Grundbuchsrechtes.

[7]
Auch wenn der Antrag am Anfang einer jeden Änderung steht, findet man erst im § 76 GBG den ersten Hinweis zum Antragsprinzip: «von Amts wegen» wird nur im Ausnahmefall aufgrund eigener Bestimmungen im Grundbuch eingetragen.
[8]
Grundbuchsanträge sind schriftlich einzubringen, einfache Anträge können auch zu Protokoll gegeben werden (§ 83 GBG).
[9]
Das Grundbuchsgericht ist zu bezeichnen, darüber hinaus sind Vor- und Zuname, Geburtsdatum und Wohnort des Antragstellers und der Personen anzugeben, die zu verständigen sind; bei juristischen Personen ist die Firmenbuchnummer bzw. die Vereinsregisterzahl anzugeben (§ 84).
[10]
Nachdem im Grundbuch schon immer plombiert und eingetragen wurde, mussten die Grundbuchseinlagen, in denen eine Eintragung geschehen soll mit der «nämlichen» Bezeichnung angeführt werden, unter der sie im Grundbuch erscheinen (§ 85).
[11]
Damit bei den Grundbuchsgerichten nicht alles in einer einzigen Tagebuchzahl pro Jahr abzuarbeiten ist, gibt es den § 86 GBG, der regelt, was alles in einem Antrag «verpackt» werden kann und was auf mehrere Anträge aufzuteilen ist.
[12]
Alle Bestimmungen galten dem Grunde nach schon 1955. Einige Neuerungen der Neuzeit waren die Einführung des Verbesserungsverfahrens im Grundbuch und die Tatsache, dass die Unterlassung der Anführung des Berufes der Antragsteller nicht mehr verfahrenskritisch ist.
[13]

In den Jahren 1980 bis 1992 wurde das österreichische Grundbuch «digitalisiert». Etwa 500 Personenjahre waren notwendig, um die Inhalte der Hauptbücher in eine IMS-Datenbank zu übertragen. Damit ist es erstmals möglich geworden, den Grundbuchsstand technisch zu importieren. Der damalige Leiter des Grundbuchsdienstes bei Bezirksgericht Innere Stadt Wien, Amtsdirektor Regierungsrat Karl Kaufmann «erfand» eine strukturierte Antragsform, die dem damaligen Zeitgeist entsprang. Der Beschlussvorschlag sah systematisch folgendermaßen aus:

B e s c h l u s s.

I) GRUNDBUCHSSTAND:

II) EINTRAGUNGSGRUNDLAGEN:

III) NACHSTEHENDE EINTRAGUNGEN WERDEN B E W I L L I G T:

IV) HIEVON WERDEN VERSTÄNDIGT:
[14]
Schon während der Erstanlegung des digitalen Grundbuches wurden viele Entwicklungen vorangetrieben, die auch auf die Antragstellung Einfluss nahmen:
[15]

1986:

Erste Abfragemöglichkeit des Grundbuches von «außerhalb» der Justiz – damit wurden die ersten digitalen Datensätze in den Grundbuchsantrag eingebaut.

[16]

ab 1992:

Automatisationsunterstützte Führung des Grundbuches in ganz Österreich

[17]

ab 1. Juli 1999:

Weltweite Abfragemöglichkeit der Grundbuchsdaten.

[18]

Anfang 2006:

Einführung des ERV im Grundbuch («ERV 2006»).

[19]
Ein besonderer Meilenstein: Ab diesem Zeitpunkt konnte (und später musste) der Grundbuchsantrag auf digitalem Weg an das Grundbuchsgericht gesendet werden.
[20]

2006:

Einführung des elektronischen Urkundenarchives der Justiz

[21]

1. Juli 2007:

Verpflichtung zur Teilnahme der RA/Notare am ERV.

[22]

7. Mai 2012:

BIG BANG – Trennung der Grundstücksdatenbank – Neues Betriebssystem im Grundbuch

[23]

1. Juli 2013:

Automatisierung von Plandurchführungen (Grundstücksänderungen im Grundbuch und im Kataster)

[24]

seit August 2013:

Konsolidierung der neuen Anwendungen – unter Berücksichtigung aller Anwenderbereiche (eigene Anwender, Antragstellervertreter)

3.

Grundbuchsanträge Heute ^

[25]
Mit Fortschreiten der Technik wurde auch der Wunsch immer größer, sowohl die Antragsteller als auch die Grundbuchsgerichte in die Lage zu versetzen, die digitalen Vorteile optimal zu nutzen. Vor allem der Elektronische Rechtsverkehr (ERV) hat das seinige dazu beigetragen, Grundbuchsanträge radikal zu verändern.
[26]
Die heute (2013) aktuelle Form von Grundbuchsanträgen stellt mit Sicherheit nur einen Übergang zu weiteren Verbesserungen dar. Ziel muss es sein, einfach zu generierende Anträge herzustellen, die alle rechtlich notwendigen Inhalte aufweisen und dazu noch von den Parteien verstanden werden können. Wobei die Möglichkeit der direkten digitalen Verarbeitung der bei Gericht einlangenden Daten nicht unwesentlich ist.
[27]

Der Status quo in Sachen Grundbuchsantrag schaut heute beispielsweise so aus:

TZ 95XX/2013

ANTRAG vom 23.09.2013 09:46:32,00

Allgemeine Daten:

An das BG: 010 Innere Stadt Wien

Einbringer: Dr. Peter NN (N601XXX)

Tel: 0662/XXXXXXXX

E-Mail: office@notare-xxx.at

Vollmacht: Vollmacht gem. § 5 (4a) NO und § 77 Abs 1 u. 2GBG erteilt

GZ: 10122/W/

Gebühren: IBAN: AT80020000000XXXXXXX BIC: OPSKATWW

Notiz: Keine Angaben

Gesetzesgrundlage: Keine Angaben

Personen

1 Antragsvertreter Dr. Peter NN (N601XXX)

Tel: 0662/XXXXXX

E-Mail: office@notare-xxx.at

Vollmacht: Vollmacht gem. § 5 (4a) NO und § 77 Abs 1 u. 2GBG erteilt

GZ: 10122/W/

2 Antragsteller Emilie NN, geb. 01.04.1937

Kaiserweg 17, 1080 Wien

Urkunden

1 Rangordnungserklärung

vom 17.09.2013

Begehren

1 Rangordnung – Veräusserung – Anmerkung

in EZ 30X KG 01011 Wieden

in B-LNR 65

65 ANTEIL: 136/8465

Emilie NN

GEB: ADR: Johann Strauß-G. 4-6 1040

a 5954/1970 Wohnungseigentum an Haus 4a/19

b 3560/1974 IM RANG 8470/1973 Schenkungsvertrag 1973-12-20, Kaufvertrag

1973-11-30 Eigentumsrecht

die Anmerkung der Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung

Beschlussempfänger Dr. Peter NN GZ: 10122/W/,

Urkunden 1, Rangordnungserklärung, 17.09.2013

ANTRAG vom 23.09.2013 09:46:32,00 Seite 1/1

4.

Grundbuchsanträge Morgen ^

[28]
Der Antrag ans Grundbuchsgericht wird sich jedenfalls weiterzuentwickeln haben. Vor allem die Einfachheit und Verständlichkeit von Grundbuchsbeschlüssen, die nicht unwesentlich von der Form der Antragstellung abhängt, wird zu verbessern sein.
[29]
Ziel ist es, die bei den professionellen Antragstellervertretern vorhandenen digitalen Datensätze (z.B. aus Verträgen und sonstigen Urkunden) samt vielen anderen Metadaten (z.B. Name und ID-Nr. des Vertreters) beiderseits der Schnittstelle vom und zum Grundbuch gleicherweise verwenden zu können. Dazu sind leider noch nicht alle digitalen Strukturen vorhanden – die Pr 5 wird – wie in der Vergangenheit – die notwendigen Arbeiten vorantreiben und Lösungen präsentieren.

 

Manfred Buric, Referent in der Rechtsinformatikabteilung im Bundesministerium für Justiz, manfred.buric@bmj.gv.at.