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ejustice-Kompetenz – Plädoyer für ein Ausbildungskonzept

  • Author: Maximilian Herberger
  • Category: Articles
  • Region: Germany
  • Field of law: Legal Informatics, Information Technology, E-Justice
  • Citation: Maximilian Herberger, ejustice-Kompetenz – Plädoyer für ein Ausbildungskonzept, in: Jusletter IT 19 November 2015
Die bevorstehende flächendeckende Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs in der deutschen Justiz spätestens zum 1. Januar 2022 kann ohne ein adäquates Kompetenzniveau bei allen beteiligten Akteuren nicht erfolgreich sein. Diese notwendige Anwenderkompetenz muss auf allen Ausbildungsebenen – beginnend bereits in der Juristenausbildung – vermittelt werden. Das erfordert ein Curriculum, für das oberste Lernziele angegeben werden. Für die Ausbildungsinitiative «ejustice-Kompetenz» wird ein Konzept vorgeschlagen, das auf einer Differenzierung zwischen prinzipiellem IT-Orientierungswissen und Informatik-Detailwissen beruht. An Hand von Beispielen wird erläutert, wie diese Differenzierung zu verstehen ist.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. ejustice
  • 1.1. Der Begriff
  • 1.2. Die Entstehung
  • 2. ejustice-Kompetenz
  • 2.1. Die Handlungsnotwendigkeit
  • 2.2. Die Grundidee
  • 2.3. Prinzipielles Orientierungswissen vs. Detailwissen
  • 2.3.1. Beispiel Nr. 1: Phishing E-Mails
  • 2.3.2. Beispiel Nr. 2: Google Analytics und Datenschutz
  • 2.4. Beispiel Nr. 3: Der Facebook-Button auf Websites
  • 2.5. Normative Verankerung des Ausbildungsziels «ejustice-Kompetenz»
  • 3. Ausblick
  • 4. Literatur

1.

ejustice ^

1.1.

Der Begriff ^

[1]

«ejustice» (manchmal geschrieben als «eJustice») hat sich als Bezeichnung eingebürgert. Dabei steht das «e» für «elektronisch» und «justice» für das Justizwesen. «ejustice» lässt sich demnach praktisch in einer ersten Annäherung verstehen als Gesamtheit der Workflows im Gerichtswesen (die Kommunikation mit der Anwaltschaft eingeschlossen), die elektronisch abgewickelt werden. In theoretischer Hinsicht gehören dazu die Konzepte, die sich auf dieses Praxisfeld beziehen. Kraft Sachzusammenhangs sollte man noch die Kommunikation mit der Öffentlichkeit etwa über die Internet-Auftritte von Gerichten hinzurechnen, da es sich dabei gleichfalls um eine IT-basierte Funktion des Gerichtswesens handelt. Da außerdem in allen gerichtlichen Workflows das Wissensmanagement eine Rolle spielt, gehört auch das zu den Charakteristika von ejustice. Es besteht eine Verwandtschaft zum Begriff «elektronischer Rechtsverkehr». Dass eine gedankliche Verbindung von «eJustice» zu «elektronischer Rechtsverkehr» angenommen wird, zeigt beispielsweise die folgende Bemerkung aus Hessen zu der eJustice-Bundesratsinitiative: «Durch den Gesetzentwurf der sogenannten eJustice-Bundesratsinitiative wird die Vision eines bundesweit funktionsfähigen elektronischen Rechtsverkehrs im Sinne von «eJustice» weiter umgesetzt und stetig verbessert.»1 Insgesamt betrachtet erweist sich aber der elektronische Rechtsverkehr der vorgeschlagenen Begriffsbestimmung nach als ein Teilaspekt der umfassenderen Vorstellung von ejustice.2

[2]
Auch wenn man den omnipräsenten Anglizismen und der Neigung, durch Hinzufügen von «e» zu Englisch bezeichneten Lebens- oder Handlungsbereichen (von e-commerce bis zu e-health) attraktive Label zu schaffen, skeptisch gegenübersteht, kann man doch für den Begriff «ejustice» guten Gewissens eine Ausnahme machen. Denn das englische Wort «justice» verbindet in unübersetzbarer Weise die Bedeutungen «Justiz» und «Gerechtigkeit». Auf diese beiden Bedeutungen spielt beispielsweise die sprichwörtliche Äußerung «justice delayed is justice denied» an. Und weil diese beiden semantischen Aspekte im Wort «justice» untrennbar miteinander verbunden sind, erinnert «ejustice» daran, dass sich alle Vorhaben auf dem Feld von «ejustice» daran messen lassen müssen, ob sie sich in irgendeiner Weise als Mittel zur Verwirklichung von Gerechtigkeit begreifen lassen.3 Wegen des so in «ejustice» verkörperten normativen Mehrwerts, der dem Begriff «elektronischer Rechtsverkehr» gänzlich abgeht, sollte man im wohlverstandenen Sinne bei dieser Terminologie bleiben. Das hat im Übrigen zusätzlich den Vorteil, dass man auf diese Weise einer europaweit eingebürgerten und überwiegend einheitlich geprägten Terminologie folgen kann.4

1.2.

Die Entstehung ^

[3]

Die Marke «ejustice» wurde, was die europaweite Wirkung angeht, 2006 in Wien unter der österreichischen Ratspräsidentschaft mit dem Kongress «E-Justice & E-Law – New IT-Solutions for Courts, Administration of Justice and Legal Information Systems» geprägt. Sie trägt maßgeblich die Handschrift von Martin Schneider. Die folgenden Ratspräsidentschaften haben diesem Impuls aus Österreich folgend das Konzept fortgeschrieben.5 Vielleicht ist diese Festschrift zugleich der richtige Ort für die Mitteilung, dass Martin Schneider beim EDV-Gerichtstag 2010 im scherzhaften Gespräch nach seinem Eröffnungsvortrag die Marke «ejustice» der Public Domain gestiftet hat.6

[4]
Wenn man von ejustice spricht, muss man sich allerdings auch an die Mahnung erinnern, die Maud de Boer-Buquicchio in ihrem Grußwort als stellvertretende Generalsekretärin des Europarats seinerzeit 2006 in Wien so zum Ausdruck gebracht hat:

«E-justice, in my view, can stand for equitable justice; it can stand for efficient justice, or even for enlightened justice, but certainly not for electronic justice. What makes justice just, after all, is human judgment, applying a democratically accepted set of abstract rules to a specific situation. This can be greatly helped, but cannot be replaced by information technology, so I would prefer to speak about e-courts, or e-law, rather than e-justice7

[5]
Diesem Bedenken trägt das eben vorgeschlagene Verständnis Rechnung, das «e» in «ejustice» als Mittel zum (gerechten) Zweck zu verstehen und nicht als Qualifikationsmerkmal von «justice».
[6]
Und so war es in Wien 2006 sicher gemeint.

2.

ejustice-Kompetenz ^

2.1.

Die Handlungsnotwendigkeit ^

[7]

Die folgenden Überlegungen beziehen sich auf die Situation in Deutschland und gehen von der Tatsache aus, dass durch das «Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten»8 bis spätestens zum 1. Januar 2022 eine flächendeckende Struktur für den elektronischen Rechtsverkehr entstehen wird. Dies bedeutet – will man diesen elektronischen Rechtsverkehr effektiv gestalten –, dass alle in der Justiz Tätigen und die mit der Justiz Kommunizierenden über ein Kompetenzniveau verfügen müssen, das die Beherrschung und das Verstehen der für sie jeweils relevanten Routinen des elektronischen Rechtsverkehrs sicherstellt. Da der elektronische Rechtsverkehr notwendigerweise alle ejustice-Felder mit berührt, muss der gesetzliche Auftrag zur Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs konsequent weitergedacht zugleich eine Strategie bezogen auf die Vermittlung umfassender ejustice-Kompetenzen nach sich ziehen. Eine solche Strategie braucht u.a. ein Curriculum. Dieses wird allerdings für unterschiedliche Zielgruppen unterschiedlich ausfallen müssen. Im Folgenden wird die Zielgruppe derjenigen ins Auge gefasst, die justizbezogen Management-Verantwortung tragen. Für die Aus-, Fort- und Weiterbildung dieser Zielgruppe wird eine methodische Grundidee verbunden mit obersten Lernzielen vorgeschlagen, die das Curriculum «ejustice-Kompetenz» tragen sollen.

[8]
Dass Handlungsbedarf in dem skizzierten Sinne besteht, hat erfreulicherweise auch die Justizministerkonferenz gesehen und bei ihrer Sitzung in Wiesbaden am 13. und 14. Juni 2012 folgenden Beschluss gefasst:

«Sachsen, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Niedersachen werden beauftragt, ein Modell zur Förderung der eJustice-Kompetenzen – basierend auf einem länderübergreifenden Fortbildungsangebot – zu entwickeln, welches durch die Nutzung von Synergieeffekten ressourcenschonend den bestehenden IT-Fortbildungsbedarf der Justiz abdeckt.»9

[9]
So sehr dieser Beschluss zu begrüßen ist, so sehr muss doch zugleich für eine Erweiterung der Perspektive plädiert werden: Der «IT-Fortbildungsbedarf der Justiz» ist nur ein Teilaspekt der Bedarfslage auf den für ejustice relevanten Handlungsfeldern. Versteht man den Beschluss der Justizministerkonferenz aber nicht limitierend, sondern im Sinne eines ersten notwendigen Schrittes, kann er durchaus geeignet sein, die nötige Anfangsdynamik für weitere Schritte zu generieren.

2.2.

Die Grundidee ^

[10]

Der Sinn eines auf e-justice-Kompetenz ausgerichteten Curriculums kann nicht darin bestehen, informatik-technologische Detailkompetenz aufzubauen. Diese Detailkompetenzen werden in e-justice-Arbeitsumgebungen durch Spezialisten des jeweiligen Informatik-Sektors repräsentiert. Wohl aber geht es darum, den Entscheidungsträgern in Management-Positionen die Möglichkeit zu eröffnen,

  • prinzipielle, für ihren Verantwortungsbereich relevante Weichenstellungen kompetent beurteilen zu können,
  • die nötige Kommunikationskompetenz für den Dialog mit Informatik-Akteuren zu besitzen10,

und

  • in der Lage zu sein, Kooperationsprozesse zwischen Rechts- und Informatik-Instanzen effizient zu organisieren und zu begleiten.
[11]
Es ist deutlich, dass diese Grundidee davon abhängt, ob und wie sich prinzipielles Orientierungswissen von Informatik-Detailwissen abgrenzen lässt.

2.3.

Prinzipielles Orientierungswissen vs. Detailwissen ^

[12]
Um sich der Abgrenzung von prinzipiellem Orientierungswissen und Detailwissen weiter zu nähern, sind Beispiele hilfreich. Über die induktive Bedeutung dieser Beispiele hinaus wird bei einer solchen exemplarischen Annäherung zugleich deutlich, dass die Unterscheidungsidee praktisch funktionieren kann. In diesem Sinne wird auf Beispiele aus der Erfahrungswelt von IT-Anwendern zurückgegriffen, die Technik nicht nur anwenden, sondern zugleich verstehen wollen und sich einen offenen Blick für Technik-Phänomene bewahrt haben. Gegebenenfalls muss es zu einem ejustice-Ausbildungskonzept gehören, diese Grundmotivation herzustellen, die im Übrigen auch eine notwendige Bedingung für die Akzeptanz von IT-Projekten im Justizumfeld ist.
[13]
Es geht bei den folgenden Beispielen nur darum, gewissermaßen als «proof of concept» die Möglichkeit zu demonstrieren, prinzipielles IT-bezogenes Informationswissen von Informatik-Detailwissen abzugrenzen. Keineswegs soll das im Umfeld dieser Beispiele in Managementverantwortung benötigte Prinzipienwissen vollständig dargestellt werden. Dieses Wissen umfasst selbstverständlich mehr als die zur Veranschaulichung der Differenzierungsthese herangezogenen Teilaspekte.

2.3.1.

Beispiel Nr. 1: Phishing E-Mails ^

[14]
Wer die folgende E-Mail liest, wird sofort erkennen, was davon zu halten ist:
[15]
Es handelt sich um eine Phishing E-Mail, die darauf abzielt, zu manipulativen Zwecken an Konto-Daten zu gelangen. Diese Einschätzung setzt nur voraus, dass man das charakteristische Merkmal dieser Art von E-Mails kennt: Sie erwecken in unzutreffender Weise den Eindruck, von einer Bank zu kommen. Da man weiß, dass Banken derartige E-Mails nicht verschicken, ist die Diagnose klar.11
[16]
Man könnte diese Diagnose durch einen Blick in den vollen E-Mail-Header absichern. Dort würde man im vorliegenden Fall am Anfang der Übermittlungskette folgende Zeile entdecken:
[17]
So könnte man ebenfalls zu der Einsicht gelangen, dass die Deutsche Bank sich wohl kaum dieses Übermittlungswegs zu bedienen pflegt.
[18]
Es bedarf aber – das sollte dieses zugegebenermaßen einfache Eingangsbeispiel zeigen – nicht des Rückgriffs auf die Lektüre des vollständigen Mail-Headers, um die für die Gefahrenanalyse wesentliche Erkenntnis zu gewinnen, dass man es mit einer Phishing E-Mail zu tun hat. Dafür war es ausreichend, über ein generelles Einstufungskriterium zu verfügen (konkret: Banken versenden derartige E-Mails nicht). Der Test funktioniert also in diesem Beispiel: Es gibt eine Einschätzungskompetenzebene, die «oberhalb» von Code-Detailanalysen liegt.

2.3.2.

Beispiel Nr. 2: Google Analytics und Datenschutz ^

[19]
In der ursprünglichen Form verarbeitete Google Analytics die vollen IP-Adressen von Besuchern einer Website, auf der dieses Auswertungsprogramm installiert war. Dies führte zu Auseinandersetzungen mit den deutschen Datenschutzbeauftragten und schließlich zu einer aus Sicht der Datenschutzbeauftragten nach deutschem Datenschutzrecht akzeptablen Einsatzweise von Google Analytics.12 Ein Element dieser nunmehr als zulässig angesehenen Verwendungsweise ist die korrekte Implementation der Funktion _anonymizeIp im Javascript-Tracking-Code der Website. Diese Funktion bewirkt, dass das letzte Oktett der IP-Adresse gelöscht wird. Eine in dieser Form gekürzte IP-Adresse erlaubt keine individuelle Zuordnung mehr.
[20]

Dies dürfte in etwa die Essenz dessen sein, was man in verantwortlicher Position prinzipiell wissen muss, um die richtigen Fragen an die IT-Verantwortlichen stellen zu können, die eine Website betreuen. Das davon abzugrenzende IT-Detailwissen umfasst z.B. konkrete Kenntnisse vom Implementierungscode, der in einer Variante (auszugsweise) wie folgt aussieht13:

[21]
Mit der Betrachtung dieses Codes ist die Ebene des Detailwissens betreten, das zum prinzipiellen Verständnis der Entscheidungsproblematik nicht mehr benötigt wird.
[22]
Natürlich gehört bezogen auf das Tracking-Problem rund um eine verantwortlich zu betreuende Website noch mehr an prinzipieller Information. So muss man etwa wissen, dass die Art der Einbindung von Google Analytics durch Kontrollprogramme von außen überprüft werden kann.14 Und man muss auf dieser prinzipiellen Ebene beispielsweise noch wissen, dass es Tracking-Alternativen gibt. Eine davon ist das Open Source-Programm PIWIK, das – anders als Google Analytics – auf dem eigenen Server des Anwenders gehostet wird.15 Gestützt auf diese Information kann man etwa Entwickler, die Google Analytics implementieren wollen, danach fragen, warum sie nicht PIWIK gewählt haben, und so in einen Dialog mit ihnen treten.

2.4.

Beispiel Nr. 3: Der Facebook-Button auf Websites ^

[23]
Auf immer mehr Websites findet sich der Facebook Like-Button, ein Fall eines sogenannten sozialen Plugins. Dazu gehören übrigens auch Websites staatlicher Stellen. Es ist also durchaus denkbar, dass ejustice-Verantwortliche über die Frage mit zu entscheiden haben, ob der Like-Button datenschutzgerecht auf der Website der eigenen Institution angebracht werden kann. Die Antwort darauf setzt ein Grundverständnis der Funktionsweise dieses Facebook Like-Buttons voraus, der sich ja außerhalb von Facebook befindet.
[24]
Relativ leicht lässt sich feststellen, dass über den mit Hilfe eines von Facebook zur Verfügung gestellten Codes auf der Website platzierten Like-Button eine Kommunikation mit Facebook stattfindet. Um dies zu wissen, reichen schon die Auskünfte von Facebook aus:
  • «Externe Webseiten müssen ein iFrame von facebook.com auf ihrer Webseite integrieren. Sie gestehen Facebook quasi eine Präsenz auf ihrer Webseite zu. Wenn du eine dieser Webseiten besuchst, erkennt das Facebook-iFrame, ob du bei Facebook angemeldet bist16
  • «Wir erhalten Daten, wenn du eine Webseite mit einem sozialen Plug-in besuchst. Wir speichern diese Daten für einen Zeitraum von bis zu 90 Tagen. Danach entfernen wir deinen Namen sowie alle anderen personenbezogenen Informationen von den Daten oder kombinieren sie mit den Daten anderer Personen auf eine Weise, wodurch diese Daten nicht mehr mit dir verknüpft sind.»17
[25]
Es handelt sich bei diesen Auskünften um eine prinzipielle Funktionsbeschreibung, die trotz ihrer partiellen Vagheit («Wir erhalten Daten» – welche genau?) bereits ausreicht, um die mögliche datenschutzrechtliche Brisanz derartiger Übermittlungsvorgänge zu erkennen und gegebenenfalls einschlägige Fragen zu stellen.
[26]
Der iFrame-Code, den der Facebook Code-Generator für eine Beispiels-URL und Standard-Parameter auswirft, sieht wie folgt aus18:
[27]
Wiederum ist ersichtlich, dass das ejustice-kompetente Handlungswissen über eine prinzipielle Grundorientierung hinaus Kenntnisse von Informatik-Details beispielsweise in Code-Hinsicht nicht benötigt.

2.5.

Normative Verankerung des Ausbildungsziels «ejustice-Kompetenz» ^

[28]

Die Breitenwirkung des hier propagierten Lernziels «ejustice-Kompetenz» hängt davon ab, ob es in den Pflichtkanon der Juristenausbildung aufgenommen werden kann. Als Ort dafür bietet sich § 5 a Abs. 3 S. 1 DRiG an. In dieser Vorschrift werden die im Studium zu erwerbenden Schlüsselqualifikationen folgendermaßen beschrieben werden:

«Die Inhalte des Studiums berücksichtigen die rechtsprechende, verwaltende und rechtsberatende Praxis einschließlich der hierfür erforderlichen Schlüssel-qualifikationen wie Verhandlungsmanagement, Gesprächsführung, Rhetorik, Streitschlichtung, Mediation, Vernehmungslehre und Kommunikationsfähigkeit.»

[29]
Zu ergänzen wäre diese Liste um den Zusatz «ejustice-Kompetenz». Damit würde es der Rechtsinformatik möglich, ihre entsprechenden Ausbildungsprogramme über die bisherige sektorale Nachfrage hinaus mit Breitenwirkung in die Juristenausbildung zu integrieren.
[30]
Für die Verankerung in § 5 a Abs. 3 S. 1 DRiG spricht zusätzlich, dass dort «Gesprächsführung» als Studieninhalt genannt ist. Wie oben dargestellt19, gehört die Stärkung der kommunikativen Kompetenz im Übergangsfeld zwischen Informatik und Recht zu den Zielen einer ejustice-Ausbildung. Derartige Aktivitäten lassen sich als Gesprächsführungsmodul konzipieren und können insofern von den im Rahmen des Gesprächsführungstrainings gemachten didaktischen Erfahrungen profitieren.
[31]

Bei dieser Gelegenheit sei noch ein sachverwandtes Desiderat anderer Art zur Sprache gebracht. «Rhetorik» erscheint in der Liste von § 5 a Abs. 3 S. 1 DRiG ohne den antiken Begleitgefährten «Logik». Man sollte den Verbund «Logik und Rhetorik» in der Juristenausbildung wieder herstellen, zumal die Logik eine unverzichtbare Grundlagendisziplin für die Rechtsinformatik ist.20

3.

Ausblick ^

[32]
Auch wenn die vorliegenden Überlegungen die deutsche Situation zum Gegenstand haben, darf man doch den europäischen Rahmen nicht aus dem Auge verlieren. «ejustice» ist seit Wien 2006 ein europäisches Konzept, das die österreichische Ratspräsidentschaft den folgenden Ratspräsidentschaften weiter gegeben hat. Spätestens seit der Einrichtung des Europäischen ejustice-Portals ist diese europäische Dimension unübersehbar. Dies bedeutet, dass ejustice-Ausbildungskonzepte zwar eine nationale Verankerung in der Juristenausbildung brauchen, konzeptuell aber nicht national beschränkt sein dürfen. Glücklicherweise hat die von vornherein europäische Dimension der Herausarbeitung des ejustice-Konzepts insoweit zu einer richtigen Weichenstellung beigetragen. Diese konzeptuelle europäische Kohärenz gilt es aufrechtzuerhalten und weiterzuentwickeln. In dieser Hinsicht bietet die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 18. Dezember 200821 weiterhin zukunftsweisende Ansatzpunkte. Darin wird die Kommission eingeladen, den europäischen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts um einen ejustice-Raum zu ergänzen. Damit diese «European area of e-Justice» ausreichende Sichtbarkeit gewinnen kann, soll ein Label «EU e-Justice» oder «EU-Justice» geschaffen werden. Und als ein weiteres Ziel wird genannt, dass man «elektronische Werkzeuge bei der Entwicklung einer europäischen Rechtskultur umfassend einsetzt
[33]
Es ist gut, dass die Idee von ejustice auf diese Weise in dienender Funktion mit der Entwicklung der europäischen Rechtskultur in Beziehung gesetzt wird. Das lässt Raum für die Hoffnung, dass die Technokratie nicht die Oberhand über unsere Leitwerte gewinnt, eine Hoffnung, die nicht nur für den europäischen ejustice-Raum gelten sollte.

4.

Literatur ^

Uwe Berlit, E-Justice – Chancen und Herausforderungen in der freiheitlichen demokratischen Gesellschaft, JurPC Web-Dok. 171/2007.

 

Maximilian Herberger, Zehn Anmerkungen zum «Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten», JurPC Web-Dok. 81/2013.

 

Martin Schneider, e-Justiz in Österreich – Umsetzung der IT-Strategie – EDV–Gerichtstag Saarbrücken 2010 (Eröffnungsvortrag), JurPC Web-Dok. 196/2010.


 

Maximilian Herberger, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Rechtsinformatik an der Universität des Saarlandes, Universitätscampus Geb. A 5.4, D-66123 Saarbrücken, herberger@rechtsinformatik.de, http://www.jurpc.de.

  1. 1 http://bit.ly/16bYWvQ.
  2. 2 Grundlegend dazu Uwe Berlit, E-Justice – Chancen und Herausforderungen in der freiheitlichen demokratischen Gesellschaft, JurPC Web-Dok. 171/2007.
  3. 3 Vgl. zu diesem Begründungshintergrund Maximilian Herberger, Can computing in the law contribute to more justice? JurPC Web-Dok. 84/1998.
  4. 4 Ersichtlich aus https://e-justice.europa.eu; vgl. zu diesem Portal Martin Schneider, EU e-Justice Portal, Ideen – Anfänge – Gegenwart – Zukunft, http://www.univie.ac.at/zib/pdf/EU_e_Justice_2013.pdf.
  5. 5 «Work on eJustice», Bremen, 2007; «E-Justice & E-Law», Portorôsz (Slowenien), 2008; «From e-Justice to European e-Justice», Dijon, 2. Oktober 2008.
  6. 6 Tatsächlich findet sich im DPMA-Register «Marken» kein Eintrag für «ejustice» oder «e-justice» (Stand: 21. August 2013).
  7. 7 Zitiert nach den Konferenzunterlagen.
  8. 8 BGBl. I 2013, 3786. Vgl. zum Werdegang dieses Gesetzes: http://dipbt.bundestag.de/extrakt/ba/WP17/500/50035.html; und zur allgemeinen Einschätzung Maximilian Herberger, Zehn Anmerkungen zum «Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten», JurPC Web‐Dok. 81/2013.
  9. 9 http://www.justiz.bayern.de/media/pdf/top_i.10_ejustice_kompetenz.pdf.
  10. 10 Übrigens müssen – soll der Dialog gelingen – auch die Informatik-Akteure über die nötige Kommunikationskompetenz im Umgang mit juristischen Entscheidungsträgern verfügen. Es wäre eine eigene durchaus lohnenswerte Aufgabe, ein darauf bezogenes Ausbildungsprogramm zu entwerfen und über dessen Verankerung im Informatik-Studium (Nebenfach Rechtsinformatik) nachzudenken.
  11. 11 In solchen Phishing E‐Mails enthaltene Grammatikfehler (wie auch im vorliegenden Beispiel anzutreffen) sind ein deutliches Indiz für einen Angriff. Man darf sich aber nicht auf solche Fehler verlassen, weil es mittlerweile zahlreiche Phishing E‐Mails ohne derartige Fehler gibt.
  12. 12 Vgl. zu diesem Konflikt und der gefundenen Übereinkunft http://www.lda.bayern.de/onlinepruefung/googleanalytics.html.
  13. 13 https://developers.google.com/analytics/devguides/collection/gajs/methods/gaJSApi_gat# _gat._anonymizeIp.
  14. 14 Vgl. zur Reichweite einer solchen Online-Überprüfung die Informationen des Bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht http://www.lda.bayern.de/onlinepruefung/googleanalytics.html.
  15. 15 Vgl. dazu http://de.piwik.org/ und (zur Datenschutzthematik) https://www.datenschutzzentrum.de/tracking/piwik/.
  16. 16 https://www.facebook.com/help/443483272359009.
  17. 17 https://www.facebook.com/about/privacy/your-info-on-other.
  18. 18 https://developers.facebook.com/docs/reference/plugins/like/.
  19. 19 Vgl. 2.2.
  20. 20 Shahid Rahman, Plädoyer für Logik in der Rechtsinformatik, JurPC Web-Dok. 194/2002.
  21. 21 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 18. Dezember 2008 mit Empfehlungen an die Kommission zur E-Justiz (2008/2125(INI)) (2010/C 45 E/12), Amtsblatt der Europäischen Union vom 23. Februar 2010 (C 45 E/63), http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:C:2010:045E:0063:0066:DE:PDF. Die Übersetzung «E-Justiz» für «e-Justice» ist problematisch, weil sie den assoziationsreichen Begriff «e-Justice» auf einen Teilaspekt reduziert. Besser wäre es, im deutschen Text einfach «e-Justice» stehen zu lassen.