1.
Allgemeines ^
Das Grundrecht auf Datenschutz fand nach der Schaffung des DSG im Jahr 1978 bzw. des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000) bis zur Zivilverfahrens-Novelle 2004 BGBl I 2004/128 (ZVN 2004) zunächst keinen ausdrücklichen Niederschlag in den Justiz- bzw. Zivilverfahrensgesetzen. Akten der Gerichtsbarkeit waren seit jeher vom speziellen Rechtsschutzsystem des DSG ausgenommen und nicht der Überprüfung der Datenschutzkommission (ab 2014: Datenschutzbehörde1) unterworfen (§ 5 Abs. 4 und § 31 Abs. 1 und DSG 20002 bzw. §§ 36 Abs. 1 Z 1 des Datenschutzgesetzes 1978 [DSG 1978]). Daraus ist freilich nicht abzuleiten, dass materiellrechtliche datenschutzrechtliche Fragen insb. das Grundrecht auf Datenschutz für die Justiz unbeachtlich waren bzw. sind. Die Datenschutzrechte galten inhaltlich immer auch schon für die Gerichtsbarkeit.3 Personenbezogene Geheimhaltungsinteressen waren im Zivilprozess schon vor der ZVN 2004 bzw. auch vor dem DSG zu beachten. Schon nach den zivilgerichtlichen Verfahrensbestimmungen können datenschutzrechtlichen Vorgaben weitgehend umgesetzt werden, wenngleich nach der Stammfassung der Zivilprozessordnung (ZPO) nicht alle damit verbundenen Probleme gelöst wurden. Die ZPO hat Antwort auf eine Reihe von Problemstellungen im Spannungsfeld der Informations- zu den Geheimhaltungsinteressen (vgl. etwa die Bestimmungen über die Akteneinsicht, die Urkundenvorlage, den Ausschluss der Öffentlichkeit oder die Aussageverweigerungsgründe). Von der Rsp. wurde in verfahrensrechtlichen Konstellationen auf den Begriff des Datenschutzes, abgesehen von Fragen der Akteneinsicht,4 explizit freilich bislang nur am Rande eingegangen.5 Vom eher spärlichen Schrifttum vor der ZVN 2004 wurden die datenschutzrechtliche Auswirkungen auf das Zivilverfahren vor allem dahin untersucht, ob das Informations- bzw. Auskunftsinteresse eines am Verfahren nicht beteiligten Dritten die vom Datenschutz umfasste Sphäre der Parteien oder anderer Personen berührt, etwa bei der Akteneinsicht Dritter und bei der Einschränkung der Volksöffentlichkeit.6
2.1.
Verfassungsrechtliche und europarechtliche Grundlagen ^
2.2.
Allgemeines zum Schutzbereich nach § 1 DSG 2010 ^
2.3.
Einschränkung des Schutzbereichs auf Dateien? ^
Dieser Rsp. ist insoweit zuzustimmen, als sie nicht nur automationsunterstützte Dateien, sondern auch manuell hergestellte Dateien unter den Begriff der Datei subsumiert. Mit einer Einschränkung auf Dateien22 wäre auch der Schutzbereich des Datenschutzrechts beträchtlich eingeschränkt und jedenfalls ein praktikabler Umgang mit dem Datenschutz im Zivilprozess möglich. Die vom Obersten Gerichtshof vorgenommene Einschränkung des Grundrechts auf Dateien ist aus dem Gesetz aber nicht ableitbar. Wenngleich der Datenschutz nach dem DSG bei Dateien ausgeprägter ist, ist das Grundrecht auf Datenschutz (§ 1 Abs. 1 DSG 2000) darauf nicht beschränkt. Auch die außerhalb einer Datei aufscheinenden personenbezogenen Daten fallen unter das Grundrecht auf Geheimhaltung;23 nur die sogenannten «Begleitgrundrechte» (Auskunft, Richtigstellung und Löschung) gelten für eine automationsunterstützte oder manuell-strukturierte Datenverwendung.24 Rosenmayr-Klemenz wies zutreffend darauf hin, dass in 6 Ob 148/00h nicht zwischen § 1 Abs. 1 DSG 2000 und Abs. 3 leg. cit. differenziert werde.25 In der Tat regelt Abs. 1 den Schutz der personenbezogenen Daten, während der Anwendungsbereich für die Begleitgrundrechte nach Abs. 3 leg. cit. auf die Verarbeitung von Daten in Dateien eingeschränkter ist. Auch die Bezugnahme auf die Datenschutzrichtlinie kann die Einschränkung auf Dateien nicht begründen, weil es durch die Umsetzung der Datenschutzrichtlinie nicht zu einer Verringerung des durch die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften garantierten Schutzes kommen darf.26 Die Entscheidung 4 Ob 50/04p lässt indes einen breiteren Anwendungsbereich des DSG erkennen.27 Schließlich nimmt auch § 219 Abs. 2 ZPO eindeutig nur auf (Papier)Gerichtsakten Bezug,28 die keine Dateiqualität haben.29
2.4.
Das schutzwürdige Interesse ^
2.5.
Eingriffe in den Schutzbereich ^
Datenschutz hat keine unbeschränkte Wirkung.35 Der Schutzbereich des Grundrechts weist mit Blick auf andere Grundrechte Beschränkungen auf, was im Bereich der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Grund- und Menschenrechte üblich ist. Für das Zivilverfahren sind bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Eingriffen in das Datenschutzgrundrecht vor allem das Recht auf Gehör und der Justizgewährungsanspruch von großer Bedeutung (Art. 6 EMRK), zumal die im Spannungsfeld zu Geheimhaltungsinteressen bzw. zum Datenschutz stehenden prozessuale Aufklärungs-, Mitwirkungs- und Auskunftsrechte sich auf Art. 6 EMRK stützen können.36 Nicht nur das Datenschutzrecht, sondern auch die dazu im Spannungsfeld stehenden Rechte auf effektive Rechtsverfolgung, Rechtsverteidigung bzw. auf unbehinderte Prozessführung37 sind somit verfassungsrechtlich geschützt.
Die damit verbundenen Eingriffe in den Schutzbereich des Datenschutzrechts müssen nicht notwendigerweise auch dessen Verletzung zur Folge haben. Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang an die für diverse verfassungsrechtlich geschützten Rechte im Fall von grundrechtlichen Normenkollisionen entwickelten Grund-sätze,38 an Gesetzesvorbehalte und an die Idee sog. immanenter Grundrechtsschranken. Schon im Regelungstatbestand vieler Grundrechte sind Einschränkungen bzw. Ausnahmen vorgesehen, manche Grundrechte stehen unter einem allgemeinen oder eingeschränkten Gesetzesvorbehalt. Art. 8 Abs. 2 EMRK normiert die Zulässigkeit von Eingriffen in das Recht auf Privatleben (im weiten Verständnis auch auf Datenschutz). Im Bereich der GRC wird verlangt, dass Ausnahmen gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt der Grundrechte achten müssen.39 Art. 8 Abs. 2 GRC legt fest, dass personenbezogene Daten für festgelegte Zwecke nach Treu und Glauben und mit Einwilligung der betroffenen Person oder auf einer sonstigen gesetzlich geregelten legitimen Grundlage verarbeitet werden können.
3.1.
Neuregelung des § 219 ZPO durch die ZVN 2004 ^
In ihrer grundlegenden Untersuchung über datenschutzrechtliche Probleme im Zivilprozess untersuchte Simotta neben der Problematik der Volksöffentlichkeit45 auch die Frage der Akteneinsicht Dritter.46 Simotta weist zutreffend darauf hin, dass der Datenschutz ungeachtet der Zustimmung der Parteien bei der Akteneinsicht Dritter zu beachten ist, zumal der Inhalt des Akts nicht nur die Sphäre der Parteien betrifft. Die Akteneinsicht sei entweder von der Zustimmung der vom Geheimhaltungsrecht geschützten Person abhängig zu machen oder hänge davon ab, dass die Einsicht zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet und erforderlich sei und der Eingriff in die Geheimsphäre nicht unverhältnismäßig schwer wiege. Wenn die Parteien nicht zustimmen, müsse sowohl ein rechtliches Interesse nach § 219 ZPO als auch ein berechtigtes Interesse nach § 1 Abs. 2 DSG 2000 vorliegen. Diese Interessen würden sich im Regelfall aber decken. Es müsse geprüft werden, ob die Akteneinsicht (zur Rechtsverfolgung oder -verteidigung) unbedingt nötig ist und sie nicht einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Privatsphäre der Parteien oder anderer Personen darstellt.47
Die vom Gesetz ausdrücklich vorgegebene Beachtung der datenschutzrechtlichen Geheimhaltungsinteressen Dritter ist unabhängig davon, ob die Parteien der Akteneinsicht zustimmen. Stimmen die Parteien der Akteneinsicht eines Dritten zu, sind sie in die Interessensabwägung des § 219 Abs. 2 Satz 1 ZPO freilich nicht einzubeziehen. In einem solchen Fall liegt kein schutzwürdiges Interesse der zustimmenden Person vor.54 Zur Akteneinsicht der Parteien vgl. die Ausführungen zu Punkt 5.
3.2.
Geschützte Interessen anderer Personen ^
3.3.
Interessensabwägung nach § 219 ZPO ^
3.4.1.
Beschränkung auf Aktenteile ^
Es ist nicht ausdrücklich geregelt, ob die Akteneinsicht auf Teile des Akts beschränkt werden kann. Nach verständiger Würdigung der auszulegenden Norm, muss eine solche Vorgangsweise möglich sein.68 Gerade die normierte Interessensabwägung legt eine flexible Handhabung und keine Alles oder Nichts-Lösung nahe. Auch der Wortlaut des § 219 Abs. 2 ZPO stützt diese Meinung, weil das Wort «soweit» und nicht «sofern» gewählt wurde. Es ist nicht einzusehen, einem Dritten die Einsicht in einen bestimmten Teil des Akts (z.B. ein Gutachten) nur deshalb zu verwehren, weil eine andere Person Anspruch auf Geheimhaltung ihrer Daten hat, die sich aus einem anderen Aktenteil ergeben. Der derart beschränkten Akteneinsicht stehen in einem solchen Fall keine damit gegenläufigen Interessen entgegen. Zudem kann eine Beschränkung der Einsicht auf Teile des Akts auch auf § 298 Abs. 2 ZPO gestützt werden (vgl. Punkte 4.2 und 5).
3.4.2.
Verstoß gegen das Verbot des Ausforschungsbeweises? ^
3.4.3.
Akteneinsicht in Rechtsmittelakten? ^
Ein solch kategorischer Ausschluss des Akteneinsichtsrechts lässt sich freilich auch aus der referierten Rsp. nicht ableiten, weil darin betont wird, dass die Zustellung der Entscheidungsausfertigung «im Regelfall» zur Wahrung der verfahrensrechtlichen Interessen der Partei hinreichend sei.75 Wenngleich es dem Inhalt des § 219 ZPO widerspricht, von den Parteien die Darlegung oder Behauptung eines rechtlichen Interesses zu verlangen, wird mit der Abstellung auf den Regelfall ein darüber hinausgehendes Interesse der Betroffenen nicht ausgeschlossen. Es sind aber durchaus Fälle denkbar, bei denen eine Einsicht in einen Rechtsmittelakt nicht sinnlos erscheint. So etwa dann, wenn das Rechtsmittelverfahren noch nicht abgeschlossen ist und die aus dem Akt ersichtlichen Verfahrensschritte (Protokolle, Beschlüsse, Verfügungen) noch nicht Teil des erstinstanzlichen Akts sind. Auch für die Prüfung eines Fristsetzungs- oder Ablehnungsantrags ist es nicht ausgeschlossen, dass der Inhalt des Rechtsmittelakts für die Partei wichtig ist. Schließlich kann auch die Einsicht in die Urschrift auf ein Interesse gestützt werden, wenn etwa fraglich ist, ob die Ausfertigung mit der Urschrift übereinstimmt. Von der Beurteilung dieser Frage hängt nämlich ab, ob die Entscheidung mit einem Rechtsmittel zu bekämpfen oder ein Berichtigungsantrag zu stellen ist.
4.1.
Aktenübersendung als Akt der Rechtshilfe ^
Auch bei der Aktenübersendung ist allerdings zu achten, dass die Eingriffe in das Grundrecht zur Rechtsverfolgung oder -verteidigung nur im notwendigen Umfang erfolgen,80 zumal ein Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten zum Ziel führenden Art vorgenommen werden darf (§ 1 Abs. 2 DSG). Um diese Vorgabe zu erreichen, ist danach zu differenzieren, inwieweit die übermittelten Akten für das Verfahren des ersuchenden Gerichts von Relevanz sind oder nicht.81 Ein Großteil der zivilverfahrensrechtlichen datenschutzrechtlichen Probleme ließe sich weitgehend entschärfen, wenn im Verfahren personenbezogene Daten nur zur eigentlichen Prüfung der Rechtssache verwendet werden (vgl. dazu auch Punkt 5). Im Zusammenhang mit der Aktenübersendung und Verwertung von Beiakten ergeben sich problematische Konstellationen vor allem daraus, dass den Parteien, den akteneinsichtnehmenden Dritten, den Sachverständigen82 oder der Öffentlichkeit Umstände bekannt werden, die in keinem Zusammenhang mit der eigentlichen Streitsache stehen. Werden etwa umfassende Fremdakten beigeschafft und im Prozess verlesen, dargetan oder sonst verwertet, fließen zahlreiche Informationen auch ohne überwiegende berechtigte Interesse der Parteien in das Verfahren ein, was die Geheimhaltungsinteressen der davon Betroffenen empfindlich berühren könnte. Bei nicht notwendigen oder unverhältnismäßigen Eingriffen in den Datenschutz besteht die Gefahr, dass das Grundrecht verletzt wird.
4.2.
Anwendung des § 298 ZPO für Akten? ^
Was sieht sie ZPO vor, um datenschutzrechtliche Verletzungen im Zusammenhang mit übersandten Akten zu vermeiden? Einer beweispflichtigen Partei wird es durch § 298 Abs. 2 ZPO bei der Urkundenvorlage ermöglicht, nicht relevante Urkundenteile von der Einsicht des Gegners und in weiterer Folge damit auch von der Verwertung im Verfahren auszuschließen.83 Das korreliert auch mit § 1 Abs. 2 DSG 2010, wonach Eingriffe in den Datenschutz nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden dürfen. Fraglich ist aber, ob ein gesamter Akt unter den Begriff der Urkunde nach der ZPO (und damit auch in den Anwendungsbereich des § 298 Abs. 2 ZPO) fällt oder er aus mehreren eigenständigen Urkunden besteht. § 183 Abs. 1 Z 2 ZPO verleiht dem Begriff des Akts gegenüber einzelnen Urkunden eine eigenständige Bedeutung, sodass es verfehlt wäre, beide Begriffe a priori gleichzusetzen. Es ist aufgrund der systematischen Stellung des § 298 ZPO davon auszugehen, dass sich diese Bestimmung auf einzelne Urkunden bezieht. Auch die Formulierung in § 298 Abs. 2 ZPO deutet darauf hin, dass damit nur ein einzelnes Schriftstück zu verstehen ist (arg. « ... dem Eingange, dem Schlusse, dem Datum und der Unterschrift ...»).84 Im Sinne von Fasching ist der Akt aber als Ganzes als eine öffentliche Urkunde zu betrachten,85 wobei die einzelnen Bestandteile für sich alleine aber – je nachdem – Privaturkunden oder öffentliche Urkunden bleiben.86 Nach einer hier gebotenen extensiven Auslegung des Begriffs Urkunde ist darunter auch ein gesamter Akt zu verstehen. Es erscheint daher (ohne Rückgriff auf Analogie) geboten, auf Akten grundsätzlich die Bestimmungen des Urkundenbeweises anzuwenden, insoweit dies bei einzelnen Regelungen nach deren Sinn nicht ausgeschlossen ist. Nach § 298 ZPO sind die dem Beweisverfahren zugrundezulegenden Urkunden dem Gericht und dem Gegner vorzulegen. Letzterer hat sich dazu zu erklären; die für die Streitsachen nicht relevanten Urkundenteile fließen hingegen nicht in das Verfahren ein. Die aus dieser Bestimmung abzuleitenden Wertungen (Offenlegung der relevanten Urkundenteile und die Abgaben entsprechender Erklärungen; Verschluss und keine Verwertung der irrelevanten Teile) treffen auch auf Akten zu, sodass Fremdakten nur insoweit ins Verfahren einfließen dürfen, als sie sich auf den Streitgegenstand beziehen.87 Auch die Materialien zur ZVN 2004 stützen einen Ausschluss von Teilen beigeschaffter Fremdakten, «die den Streitgegenstand nicht betreffen und daher nicht in das Verfahren einbezogen werden», auf § 298 Abs. 2 ZPO.88
4.3.
Handhabung der Geheimhaltung bei Aktenübersendung ^
Nach Ansicht des OLG Wien soll die Bestimmung des § 39 Abs. 2 des Kartellgesetzes (KartellG) (wonach Akteneinsicht nur mit Zustimmung der Parteien des Kartellverfahrens gewährt werden darf)96 bei der Rechtshilfe vom ersuchten Kartellgericht geprüft werden. Eine Aktenübersendung wäre bei Fehlen der Voraussetzungen des § 39 Abs. 2 KartellG unzulässig.97 Stimmen in der Literatur stützen diese Ansicht. Nach Polster/Zellhofer habe das um Aktenübermittlung ersuchte Kartellgericht die Zustimmung der Parteien des kartellgerichtlichen Verfahrens einzuholen.98 Die Autoren begründen das mit dem vom Gesetzgeber in den Materialien vertretenen Vorrang des Geheimnisschutzes vor der Förderung von «Private Enforcement». Ähnliches vertreten Bauer/Kitzberger,99 wonach die Amtshilfe durch Geheimhaltungspflichten beschränkt werden könne. § 39 KartellG sei die Wertung des Gesetzgebers zu entnehmen, dass Geschäftsgeheimnisse, die die Bundeswettbewerbsbehörde im Zuge ihrer Tätigkeit als Aufgriffsbehörde erhält, nicht für Parteien anderer Verfahren verwendbar sein sollten. Das Aufklärungsinteresse der Bundeswettbewerbsbehörde sei vorrangig, weil Unternehmen andernfalls zu verhindern suchten, ihrer Auskunftspflicht nachzukommen. Diese Wertung sollte daher den Umfang der Amtshilfe mitbestimmen. Es sollte überdacht werden, ob die Wertung des Gesetzgebers eine Beschränkung der Amtshilfe rechtfertigen könnte, wenngleich die Autoren für eine gesetzliche Klarstellung plädieren.100 Auch nach Solé hat das Kartellgericht bei einem Ersuchen um Aktenübersendung im Rahmen der Amtshilfe zu prüfen, ob bei der ersuchenden Behörde durch diesen Vorgang am kartellgerichtlichen Verfahren Nichtbeteiligten Akteneinsicht gewährt werden wird; bejahendenfalls sei eine Aktenübermittlung nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 39 Abs. 2 KartG zulässig.101
5.
Parteiöffentlichkeit und Datenschutz ^
Auch im Kartellverfahren wurden nach dem Vorbild des Strafprozesses Modelle entwickelt, die eine Verwertung von Beweismitteln unter Ausblendung von nicht relevanten Umständen zulässt. Nach § 12 Abs. 5 des Wettbewerbsgesetzes (WettbG) hat bei einer Hausdurchsuchung der Inhaber von geschäftlichen Unterlagen (zur Sicherung von Geheimhaltungspflichten bzw. -rechten) die Möglichkeit, deren Durchsuchung oder Einsichtnahme zu verweigern.116 Die Unterlagen sind in der Folge zu versiegeln («auf geeignete Art und Weise gegen unbefugte Einsichtnahme oder Veränderung zu sichern») und dem Kartellgericht vorzulegen, ohne dass sie zuvor durchsucht oder eingesehen werden. Das Kartellgericht hat die Unterlagen zu sichten und darüber zu entscheiden, ob und in welchem Umfang sie durchsucht, eingesehen und Abschriften und Auszüge daraus angefertigt werden dürfen oder sie dem Inhaber zurückzustellen sind. Diese Sichtung soll auch ermöglichen, die für das konkrete Verfahren unerheblichen Teile von den erheblichen Teilen zu trennen.117
Schließlich ist auch daran zu erinnern, dass die Befundaufnahme des Sachverständigen außerhalb der mündlichen Verhandlung im Rahmen eigenständiger Ermittlungstätigkeiten des Sachverständigen erfolgen kann (§ 359 Abs. 2 ZPO). Wenngleich die Ermittlungstätigkeiten des Sachverständigen i.d.R. als materielle Beweisaufnahme121 zu qualifizieren und nur dann zulässig sind, wenn die Grundsätze des Parteiengehörs (vor allem die Anwesenheit der Parteien bei der Befundaufnahme) eingehalten werden, besteht (schon mangels fixer Vorgaben) auch hier die Möglichkeit, die Parteienöffentlichkeit einzuschränken. Das ist dann zu bejahen, wenn die Zuziehung der Parteien für andere Personen nicht zumutbar ist (wenn der Beteiligung also berücksichtigungswürdige Interessen entgegenstehen)122 bzw. wenn die Beteiligung evidentermaßen zwecklos wäre. Eine Zurückdrängung der Parteiöffentlichkeit bei der Befundaufnahme wird vom Obersten Gerichtshof in einem obiter dictum zu 3 Ob 27/06a neben den Fällen medizinischer Untersuchungen einer Partei durch einen sachverständigen Arzt auch im Zusammenhang mit Geschäftsgeheimnissen bejaht und darauf verwiesen, dass eine nachträgliche Eröffnung einer Äußerungsmöglichkeit, wie sie in einer der Befundaufnahme des Sachverständigen nachfolgenden Tagsatzung regelmäßig eingeräumt wird, zumindest eine Nichtigkeit ausschließt. Gleichzeitig wird aber betont, dass einer gerichtlichen Entscheidung keine Tatsachen- und Beweisergebnisse zugrunde gelegt werden dürfen, zu denen sich die Beteiligten nicht äußern konnten.123 Auch daraus kann abgeleitet werden, dass die Zurückdrängung der Parteienöffentlichkeit bei der Befundaufnahme dann zulässig ist, wenn es darum geht, für das Verfahren nicht relevante Geheimnisse zu schützen, die der Prozessgegner quasi zufällig erfahren könnte.
6.1.
Datenschutzrechtliche Einschränkungen bei der Einholung von Auskünften und bei Aufträgen zur Vorlage von Urkunden ^
6.1.1.
Problematik ^
Von der Rsp. und Lehre noch weitgehend ungeklärt sind die Fragen, ob die Berufung auf den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Datenschutz die traditionelle starke Stellung des Gerichts (materielle Prozessleitung und diskretionären Gewalt) einschränkt und ob unter Hinweis auf den Datenschutz die Aufnahme, Erlangung oder Verwertung von Beweisen abgelehnt werden kann. Nach einer verbreiteten Praxis im Bestandverfahren werden auch schon vor Beginn der Verhandlung Auskünfte von Versorgungsunternehmungen eingeholt, wenn es etwa darum geht, die Benutzung einer Wohnung durch den Strom-, Gasverbrauch oder das Telefonverhalten zu überprüfen. Eine ähnliche Vorgangsweise ist bei der Einholung einer Gehaltsauskunft in Unterhaltsprozessen zu beobachten. Röhsner sieht in der Übermittlung der Daten durch Unternehmen und in weiterer Folge in der Verwendung der Daten durch das Gericht mit Blick auf §§ 1, 6 und 7 DSG 2000 mangels Vorliegens einer Ausnahmebestimmung eine Verletzung des Grundrechts auf Datenschutz.127 Aufgrund der Verletzung eines verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrechts bedrohe die eingeholte und verlesene Auskunft das Verfahren mit Nichtigkeit, zumindest aber stelle sie einen gravierenden Verfahrensmangel dar.128 Nach der Entscheidung 40 R 121/12b des LGZ Wien soll eine amtswegige Auskunft über den Stromverbrauch ohne Zustimmung des Mieters «gegen den österreichischen Datenschutz» verstoßen; eine Verweigerung der Zustimmung durch den Mieter dürfe nicht gewürdigt werden. Aus der Entscheidung geht hervor, dass die Einholung bei einem Antrag der Parteien zulässig gewesen wäre.
6.1.2.
Ganzheitliche Sicht im Lichte der ZPO und des DSG ^
In diesem Zusammenhang ist wichtig hervorzuheben, dass zwischen der Befugnis des Gerichts und einer entsprechenden Pflicht zu unterscheiden ist. Aus den Bestimmungen über die materielle Prozessleitung ist abzuleiten, dass das Gericht amtswegig (nahezu) zur umfassenden Beweisaufnahme befugt ist. Das Gesetz sieht nämlich im engen Zusammenhang mit der Erfüllung der dem Vorsitzenden nach § 182 ZPO obliegenden Verpflichtungen in § 183 Abs. 1 ZPO demonstrativ vor, welche Verfügungen und Erhebungen das Gericht treffen darf, aber nicht muss (arg. «kann»). Bereits die Materialien zur ZPO halten unmissverständlich fest, dass es zur Umsetzung der materiellen Prozessleistung des Richters weitreichende Vollmachten bedarf.137 Soweit erforderlich und ausführbar, soll es dem Gericht demnach ermöglicht werden, alle ihm aus dem Prozess bekannt gewordenen Beweismittel auch von amtswegen heranzuziehen.138 Auch aus der in § 183 Abs. 2 ZPO normierten Einschränkung der diskretionären Gewalt des Gerichts hinsichtlich Urkunden und Zeugen bei ablehnenden Erklärungen beider Parteien, ist die Möglichkeit zu derartigen Beweisaufnahmen auch ohne Antrag abzuleiten. Es ist wohl nicht davon auszugehen, dass eine Partei einen Beweisantrag stellt, sich dann aber mit ihrem Gegner gegen eine entsprechende Verfügung des Gerichts wendet.139 Erhebungen des Gerichts können auch vor Beginn der mündlichen Verhandlung angeordnet werden, wobei es seit der ZVN 2002 nicht mehr zu besorgen sein muss, dass sich die für die Entscheidung wichtigen Umstände andernfalls nicht mehr feststellen ließen oder ein Beweismittel später nicht mehr oder doch nur unter erheblich schwereren Bedingungen benützt werden könnte. Die Materialien zur ZVN 2002 erteilen wohl «inquisitorischen Maßnahmen» eine Absage, halten aber gleichzeitig fest, dass § 183 Abs. 3 ZPO die amtswegige Beischaffung beantragter Beweismittel, wie etwa von Akten oder Urkunden, ermöglicht.140 Ungeachtet der etwas missverständlichen (bzw. widersprüchlichen) Formulierung von der «amtswegigen Beischaffung beantragter Beweismittel» erfordert auch § 183 Abs. 3 ZPO keinen Beweisantrag. Gemeint ist vielmehr, dass das Gericht nicht ohne konkrete Tatsachenbehauptungen amtswegig ermitteln kann und sich im Rahmen des Vorbringens halten muss. Wenn das Gericht Auskünfte einholt oder Urkunden abverlangt, muss für die Zulässigkeit einer derartigen Vorgangsweise nicht danach unterschieden werden, ob dem ein Antrag zugrunde liegt oder ob das Gericht amtswegig ermittelt. Die dem Richter durch die diskretionäre Gewalt eingeräumten Befugnisse werden nicht durch Anträge beschränkt oder von diesen abhängig gemacht.
Auch eine Unterscheidung einer zulässigen Einholung einer Auskunft bei einem Antrag und einem unzulässigen amtswegigen Vorgehen i.S.d. der oben unter Punkt 6.1.1 referierten Entscheidung 40 R 121/12b des LGZ Wien erscheint mit Blick auf die starke Stellung des Richters auch im streitigen Zivilverfahren verfehlt. Nur dann, wenn das wechselseitige Vorbringen der Streitteilen keine Grundlage dafür bietet, Feststellungen zu treffen, die mit der Auskunft im Zusammenhang stehen oder sich beide Parteien gegen die Vorgangsweise des Gerichts aussprechen (§ 183 Abs. 2 ZPO),141 ist ein amtswegiges Vorgehen unzulässig.
Röhsner ist zwar zuzugestehen, dass die allgemeine datenschutzrechtliche Privilegierung für den öffentlichen Bereich i.S.d. § 7 Abs. 2 DSG 1978144 nicht ins DSG 2000 übernommen wurde. Dessen ungeachtet können in einem Zivilprozess Daten auch ohne Zustimmung bzw. gegen den Willen des Betroffenen verwendet werden. Der Übermittlung von Daten an das Gericht kann insb. nicht entgegengehalten werden, dass Daten nur für den Zweck, zu dem sie (rechtmäßigerweise) erhoben wurden, verwendet werden dürfen (§ 6 DSG 2000). Zum einen ist hier davon auszugehen, dass die Daten vom Versorgungsunternehmen zum Zwecke der Feststellung des jeweiligen Verbrauchs erhoben wurden. Gerade der Verbrauch soll auch im Zivilprozess festgestellt werden, sodass sich die Zwecke decken. Das enge Verständnis von Röhnser von § 6 DSG 2000, der offenbar in der Verwendung von Verbrauchsdaten in einem Verfahren einen anderen Zweck sieht, hätte zur Folge, dass nahezu jegliche Verwendung von Daten in einem behördlichen Verfahren ohne Zustimmung des Betroffenen unzulässig wäre. Diese Auslegung widerspräche freilich den sonstigen Bestimmungen des DSG. § 1 Abs. 2 DSG 2000 erlaubt Eingriffe einer staatlichen Behörde aufgrund von Gesetzen. Bei derartigen Eingriffen ist es wohl nicht ausgeschlossen, dass Daten von den Behörden in einer «mit den Zwecken der Datenermittlung unvereinbaren Weise» weiterverwendet werden. Gemäß § 6 Abs. 1 Z 2 und Z 3 DSG 2000 dürfen die Daten zwar ausschließlich für jenen Zweck verwendet werden, für den sie ermittelt wurden und nur soweit sie für diesen Zweck wesentlich sind und nicht darüber hinausgehen. Eine Verwendung der Daten für einen anderen als den ursprünglichen Zweck ist grundsätzlich nicht zulässig. In der hier zu untersuchenden Konstellation ist nicht die eigene Verwendung der Daten durch den Auftraggeber i.S.d. DSG (also das Versorgungsunternehmen) sondern eine Verwendung der Daten im Außenbereich für andere Zwecke durch Übermittlung (i.S.d. § 4 Z 12 DSG 2000) an das Gericht und die Verwendung der Daten im Beweisverfahren zu klären. Diese datenschutzrechtlich als Übermittlung geltende Verwendung ist daher (aber immerhin) nur unter den dafür geltenden Voraussetzungen (insb. nach § 7 Abs. 2 DSG 2000) zulässig.145 Sie setzt voraus, dass die Daten aus einer nach § 7 Abs. 1 DSG 2000 zulässigen Datenanwendung stammen (Abs. 2 Z 1 leg. cit.). Das ist zu bejahen, weil die Verarbeitung der Verbrauchsdaten der Kunden durch den Unternehmer nach ihrem Zweck und Inhalt in rechtlich zulässiger Weise erfolgt.146 Auch die Voraussetzung nach Abs. 2 Z 2 leg. cit., wonach der Empfänger dem Übermittelnden seine ausreichende gesetzliche Zuständigkeit oder rechtliche Befugnis – soweit diese nicht außer Zweifel steht – im Hinblick auf den Übermittlungszweck glaubhaft gemacht hat, ist dann unproblematisch, wenn aus dem Ersuchen des Gerichts hinreichend hervorgeht, dass das Gericht die Daten zur Klärung bzw. Beurteilung der Streitsache benötigt. Zudem werden die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen nach Abs. 2 Z 3 leg. cit. durch die Übermittlung nicht verletzt. Durch die ausdrückliche (zivilverfahrens)gesetzliche Ermächtigung zur Verwendung der Daten werden die Interessen des Betroffenen (= Mieters) durch Zweck und Inhalt der Übermittlung an das Gericht nicht verletzt (vgl. § 8 Abs. 1 Z 1 DSG 2000). Zudem liegen hier überwiegende berechtigte Interessen eines Dritten (= Klägers) vor (§ 8 Abs. 1 Z 4 DSG 2000). Das Geheimhaltungsinteresse des Mieters läge in einem solchen Fall nur darin, die Klärung der Anspruchsvoraussetzungen einer Aufkündigung oder Räumungsklage zu verhindern. Der Umstand, dass ein Mieter im Prozess verschleiern will, er bewohne die vermietete Wohnung entgegen seiner Behauptung nicht zur Deckung seines Wohnbedürfnisses, ist nicht schutzwürdig.147 Gerade der Schutz der Rechte anderer i.S.d. Art. 8 Abs. 2 EMRK rechtfertigt nach § 1 Abs. 2 DSG 2000 einen gesetzlichen Eingriff in die Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen. Das DSG selbst stellt den schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen das Recht des Auftraggebers auf Verwendung von Daten gegenüber, die er zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen vor einer Behörde benötigt (§ 8 Abs. 3 Z 5 DSG 2000), was auch für die Verwendung sensibler Daten gilt (§ 9 Z 9 DSG 2000).148 Schließlich ist auch auf die Regelung über das Datengeheimnis nach § 15 DSG 2000 hinzuweisen (vgl. auch Punkt 6.3). Demnach haben Auftraggeber, Dienstleister und ihre Mitarbeiter Daten aus Datenanwendungen, die ihnen ausschließlich aufgrund ihrer berufsmäßigen Beschäftigung anvertraut wurden oder zugänglich geworden sind, unbeschadet sonstiger gesetzlicher Verschwiegenheitspflichten, geheim zu halten, soweit kein rechtlich zulässiger Grund für eine Übermittlung der anvertrauten oder zugänglich gewordenen Daten besteht. Die ZPO bietet einen ausreichenden Grund für die Übermittlung der Daten, weshalb das Datengeheimnis die Übermittlung nicht hindert.149 Die von Röhsner ins Spiel gebrachten datenschutzrechtlichen Bedenken können die Unzulässigkeit einer derartigen Beweisaufnahme daher nicht stützen. Die von ihm vermisste gesetzliche Grundlage ergibt sich aus den referierten Bestimmungen über die diskretionäre Gewalt des Gerichts. Auch nach der ständigen Spruchpraxis der Datenschutzkommission verstießen Ermittlungshandlungen, die sich auf das jeweilige Verfahrensgesetz stützen können, nicht gegen das DSG.150 Folgerichtig ist eine Ermittlung (Verarbeitung) von Daten durch Behörden gemäß § 1 Abs. 2 DSG 2000 zulässig, soweit der Zweck und der Inhalt der Datenverwendung von den gesetzlichen Zuständigkeiten oder rechtlichen Befugnissen dieser Behörde gedeckt sind.151 Die vom Gericht eingeholten Auskünfte dürfen somit im weiteren Verfahren verwertet werden.
Selbst wenn man hier dennoch i.S. von Röhnser von einem aus dem DSG abzuleitenden Beweisverwertungsverbot ausgeht (vgl. dazu auch Punkt 6.2), könnten bei einem entsprechenden Auftrag durch das Gericht für das Verfahren keine Konsequenzen abgeleitet werden.152 Eine Nichtigkeit käme nur bei einem Beweismethodenverbot in Betracht. Darunter fällt eine rechtswidrige Beweiserlangung durch das Gericht bei der Aufnahme eines an sich zulässigen Beweismittels,153 etwa die Erzwingung einer Parteienaussage durch Ordnungsstrafen oder die Misshandlung bei einer Zeugenvernehmung durch den Richter. Ein Abfordern von Verbrauchsdaten bei einem Versorgungsunternehmen (oder ähnliches) fällt freilich nicht darunter, zumal die Daten im Zeitpunkt des Beschlusses bereits vorhanden sind. Die Mangelhaftigkeit des Verfahrens i.S.d. § 496 Abs. 1 Z 2 ZPO kann schon aus grundsätzlichen Gründen nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht Beweise aufgenommen hat.154 Selbst wenn die Anfragen unzulässig wären, können diese die erschöpfende Erörterung und die gründliche Beurteilung der Streitsachen nicht hindern.
6.2.
Beweisverbot bei Verstoß gegen das DSG? ^
6.3.
Einschränkung der Pflicht zur Aussage und Urkundenvorlage durch das Datengeheimnis? ^
7.1.
Allgemeines ^
7.2.
Im RIS veröffentlichte Entscheidungen ^
7.3.1.
Abgrenzung Justizverwaltung und Rechtsprechung ^
7.3.2.
Verhältnis des DSG zu Justizgesetzen ^
Ursprünglich konnte das Recht auf Auskunft i.S.d. § 26 Abs. 1 DSG 2002190 bei öffentlichen Büchern (Registern) wie z.B. Firmenbuch, Grundbuch etc. ausschließlich in Form der Einsicht in die jeweiligen Bücher wahrgenommen werden. Seit der DSG-Novelle 2010 besteht das Auskunftsrecht nun aber auch dann, wenn durch das Einsichtsrecht nicht alle Bestandteile einer Auskunft nach § 26 DSG 2000 erlangt werden können. Die Materialien zur DSG-Novelle 2010 verweisen hier auf die immer häufiger werdende Führung elektronischer Verfahrensakten durch Behörden, wobei jedenfalls die Verfahrensparteien vom Auskunftsrecht umfasst seien.191 Auch mit Blick auf die (teilweise) elektronische Aktenführung im Bereich des Firmen- und Grundbuchs bzw. der Ediktsdatei ist ein praktischer Anwendungsbereich für ein derartiges Auskunftsrecht über die bloße Einsicht hinaus nicht auszuschließen. Allfällige Beschränkungen von Einsichtsrechten dürfen aber auch weiterhin durch das Auskunftsrecht nicht umgangen werden.192
7.3.3.
Elektronische Einsicht nach § 89i GOG ^
7.3.4.
Abfrage nach § 73a EO alt ^
7.3.5.
Registerauskunft nach § 89l GOG ^
7.3.6.
Einsicht in das Personenverzeichnis des Grundbuchs ^
Im Gegensatz zu den übrigen Hilfsverzeichnissen des Grundbuchs ist die Einsicht in das Personenverzeichnis aus Datenschutzgründen beschränkt.204 Nur Personen, die ein rechtliches Interesse darlegen, ist die Einsicht in dem dadurch gerechtfertigten Umfang zu erteilen (§ 5 Abs. 4 GUG). Zu denken ist etwa an die Geltendmachung einer Forderung im Wege der Realexekution gegen die Person, über deren Liegenschaften Auskunft begehrt wird. Jedenfalls zur Abfrage berechtigt sind Notare, die als Gerichtskommissäre oder Erbenmachthaber einschreiten, Rechtsanwälte als Erbenmachthaber sowie Dienststellen des Bundes, der Länder und der Gemeinden sowie die Sozialversicherungsträger bzw. der Hauptverband der Sozialversicherungsträger sowie Abgabenbehörden, soweit dies zur Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben notwendig ist (§ 6 Abs. 2 GUG, § 158 BAO und div. LAO). Seit der Grundbuchsnovelle 2008 haben Rechtsanwälte und Notare auch dann die Möglichkeit zur Einsicht, wenn sie als Vertreter eines Gläubigers einer vollstreckbaren Geldforderung verbücherte Rechte des Schuldners ermitteln müssen (§ 6 Abs. 2 Z 1b GUG). Dieser (durchgesetzte) «Wunsch der Standesvertretung der Rechtsanwälte»205 auf möglichst unkomplizierte Informationsbeschaffung ist durchaus nachvollziehbar,206 wenngleich die Zulässigkeit der Neuregelung aus datenschutzrechtlichen Gründen von der konkreten Ausgestaltung (insb. der Kontrolle) abhängt. Schon vor dieser Regelung war es anerkannt, dass das Bestehen eines Exekutionstitels ein ausreichendes rechtliches Interesse i.S.d. § 5 Abs. 2 GUG darstellt. Einer Einsichtnahme (nach vorhergehender Prüfung des rechtlichen Interesses durch das Gericht) stand daher nichts im Weg. Das wird nun durch eine technisch unbeschränkte Einsichtsmöglichkeit ersetzt, bei der der Notar oder Rechtsanwalt keiner Ex-ante-Kontrolle unterliegt. Das ist nur dann unbedenklich, wenn das standesrechtliche Disziplinarrecht bzw. § 42c der Richtlinien für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes und für die Überwachung der Pflichten des Rechtsanwaltes (RL-BA 1977), der eine Verpflichtung zur Identitätsfeststellung und zur Führung von Aufzeichnungen festlegt, weitgehend Missbräuchen vorbeugen oder diese zumindest eindämmen kann. Der lapidare Hinweis in den Materialien, dass «Missbrauchsfälle nicht bekannt geworden sind»,207 lässt offen, inwieweit bisher eine effiziente Kontrolle überhaupt stattfand. Entsprechende gesetzliche Datensicherungsmaßnahmen wären erforderlich. Insb. sollten Abfragen nur unter Eingabe genauer Angaben eines Exekutionstitels erfolgen, wobei – quasi als automationsunterstützte Plausibilitätskontrolle – auch eine Verknüpfung zur Verfahrensautomation Justiz angebracht wäre. Weiters sind auch stichprobenartige Kontrollen der lückenlos zu protokollierenden Zugriffe zu fordern.208 In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern,209 dass anlässlich der Einführung der Abgabeberechtigung für Rechtsanwälte nach § 6 Abs. 2 Z 1a GUG angekündigt wurde, dass eine entsprechende Regelung für die Überwachung der Pflichten der Rechtsanwälte (Verpflichtung des Rechtsanwalts zur Führung von Aufzeichnungen und Verpflichtung der Kammer zur regelmäßigen Überprüfung dieser Aufzeichnungen) erfolgen wird.210
8.
Schlussfolgerungen ^
Jürgen C. T. Rassi, Richter des Oberlandesgerichts Wien, Schmerlingplatz 11, 1011 Wien, sowie Universitätslektor an der Universität Wien, Institut für Zivilverfahrensrecht, Schenkenstraße 8–10, 1010 Wien, juergen.rassi@justiz.gv.at, juergen.rassi@univie.ac.at.
Als ehemaliger richterlicher Justizverwaltungsmitarbeiter des Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien verbindet mich mit dem Jubilar eine mehrjährige fruchtbringende Zusammenarbeit im Bereich der IT. Die Kooperation mit dem Bundesministerium für Justiz war dabei insbesondere durch die Bemühungen geprägt, die Rechtsprechung durch die zahlreichen IT-Anwendungen bestmöglichst zu unterstützen. Die dienende Funktion der Justizverwaltung für die unabhängige Rechtsprechung stand dabei ebenso im Fokus wie die optimale Umsetzung der verfahrengesetzlichen Vorgaben.
Der gewidmete Beitrag dient dabei als Klammer für die bisherigen und künftigen Tätigkeiten von Dr. Martin Schneider. Mit einem Streifzug durch mannigfaltige Fragen des Zivilverfahrensrechts soll Bezug auf seine richterliche Vergangenheit und seine Zeit als Assistent am Institut für Zivilgerichtliches Verfahrensrecht bei Univ. Prof. Dr. Hans Fasching genommen werden. Mit Blick auf die langjährige Tätigkeit des Jubilars als führender Rechtsinformatiker im Bundesministerium für Justiz werden aber auch grundsätzliche datenschutzrechtliche Aspekte und damit im Zusammenhang stehende ausgewählte Fragen zu den IT-Anwendungen beleuchtet.
- 1 Vgl. Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 BGBl I 2013/51 und DSG-Novelle 2014 BGBl I 2013/83.
- 2 I.d.F. Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 BGBl I 2013/51.
- 3 ErläutRV 613 BlgNR 22. GP 18.
- 4 8 Ob 511/93; 4 Ob 125/97d; 7 Ob 48/03i; 8 Ob 71/03d; 7 Ob 69/04d (jeweils Akteneinsicht in einen SW-Akt durch Dritte); 8 Ob 4/03a (Akteneinsicht in einen Se-Akt durch Dritte); 1 Ob 109/02i (Beschränkung der Akteneinsicht für eine Partei im Außerstreitverfahren).
- 5 6 Ob 148/00h (datenschutzrechtliche Qualifikation eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens bei einem angestrebten Beweismittelverbot).
- 6 Harbich, Akteneinsicht, Amtshilfe und Auskunftspflicht, AnwBl 1988, 3; Simotta, Einige Probleme des Datenschutzes im Zivilverfahrensrecht, ÖJZ 1993, 793 und 838; Röhsner, Aufkündigungsverfahren und Datenschutz, immolex 2000, 349.
- 7 Vgl. dazu Spenling, Datenschutzrechtliche Probleme im Gerichtsverfahren, Vortragsunterlage (2011) 17 ff.
- 8 Zu denken ist etwa an die Berichtigung der Parteienbezeichnung nach § 235 ZPO, die Vorschriften über die Urteils- und Beschlussberichtigung, grundbuchsrechtliche Sonderbestimmungen (§§ 104 des Grundbuchgesetzes [GBG], §§ 130 ff. GBG), Rechte zur Einsicht in Akten und Register (§ 219 ZPO, §§ 89i und 89 l GOG, § 5 f. des Grundbuchumstellungsgesetzes [GUG] etc.).
- 9 So gibt es noch keine inhaltliche Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu § 85 GOG. Zu 6 Ob 58/13t wurde die Entscheidung der Vorinstanz mangels eines für § 85 GOG notwendigen Antrags aufgehoben. Vor dem OLG Wien wurde erstmalig 2012 ein Antrag nach § 85 GOG eingebracht.
- 10 Dohr/Pollirer/Weiss/Knyrim, DSG2 § 1 Anm. 5.
- 11 Urteil des EGMR 30562/04 und 30566/04 vom 4. Dezember 2008 i.S. S. and Marper v. The United Kingdom.
- 12 Etwa BVerfGE 65,1; BVerfGE 103, 44; BVerfGE 100, 313.
- 13 BVerfGE 103, 21; BVerfGE 100, 313.
- 14 Ihr ging die Richtlinie 97/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre im Bereich der Telekommunikation vor.
- 15 Dohr/Pollirer/Weiss, DSG² § 1 Anm. 5.
- 16 Vgl. den Bericht des Verfassungsausschusses zum DSG 1024 BlgNR 14. GP, 4; Dohr/Pollirer/Weiss/Knyrim, DSG2 § 4 Anm. 2.
- 17 Z.B. Verfahrensautomation Justiz (VJ); elektronischer Rechtsverkehr (ERV); elektronisch integrierte Assistenz für die Staatsanwaltschaft (ELIAS); Grundbuch; Firmenbuch; Sachverständigen-, Dolmetscher-, Mediatoren- und Insolvenzverwalterliste; Dokumenteneinbringungsservice (DES); Ediktsdatei; Elektronisches Urkundenarchiv; Verfahren Unterhaltsvorschüsse; Statistik/Datawarehouse; Elektronische Schreibgutverwaltung (ESGV).
- 18 Zudem stehen die Begleitgrundrechte (Auskunft, Richtigstellung und Löschung) bereits im DSG unter dem besonderen Gesetzesvorbehalt des § 1 Abs. 3 DSG 2010, wonach sie nur nach Maßgabe gesetzlicher Bestimmungen existieren. Vgl. Spenling, Datenschutzrechtliche Probleme, Fn. 5.
- 19 6 Ob 148/00h; 5 Ob 175/08h = immolex 2009/7 [Prader]; RIS-Justiz RS0113846; OLG Wien 3 R 31/09i = RIS-Justiz RW0000446.
- 20 Charakteristisch für eine Datei ist ihre eine äußere Ordnung, die die Auffindbarkeit gewährleistet (Dohr/Pollirer/Weiss/Knyrim, DSG2 § 4 Anm. 7).
- 21 Insoweit zustimmend Rosenmayr-Klemenz, Zum Schutz manuell verarbeiteter Daten durch das DSG 2000, ecolex 2001, 639.
- 22 Ähnlich argumentiert der Oberste Gerichtshof zu 5 Ob 175/08h, wonach einem Anspruch gegenüber einer Hausverwaltung auf Herausgabe von Adressen nicht die Bestimmungen des DSG entgegenstünden, «weil sich die geheim zu haltende inländische Zustellanschrift wohl kaum in einer Sammlung strukturierter Datensätze findet und daher von personenbezogenen Daten im Sinn des § 4 DSG keine Rede sein kann».
- 23 Dohr/Pollirer/Weiss/Knyrim, DSG2 § 1 Anm. 6;
- 24 Nach der zutreffenden Ansicht von Spenling (Datenschutzrechtliche Probleme 6) hat sich daran durch die DSG-Novelle 2010 nichts geändert.
- 25 Rosenmayr-Klemenz, ecolex 2001, 639.
- 26 Erwägungsgrund 10 der DS-RL. Vgl. auch Rosenmayr-Klemenz, ecolex 2001, 639 und DSK 120.532/22-DSK/00.
- 27 Vgl. aus der Begründung «Aus kompetenzrechtlichen Gründen erfasst das Datenschutzgesetz 2000, von dem in § 1 DSG 2000 normierten Grundrecht auf Datenschutz abgesehen, nur den automationsunterstützten Datenverkehr (§ 2 DSG 2000) sowie im Bereich der manuell verarbeiteten Daten jene Bereiche, die in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes fallen.»
- 28 Zur elektronischen Einsicht in die zum Akt gehörigen Eintragungen in Registern und sonstigen Geschäftsbehelfen siehe § 89i GOG und Punkt 7.3.
- 29 ErläutRV 613 BlgNR 22. GP 19.
- 30 Vgl. Dohr/Pollirer/Weiss/Knyrim, DSG2 § 1 Anm. 7. Diese Autoren sprechen zutreffend von einer «normativ erzwungenen Interessenabwägung».
- 31 Bankgeheimnis, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse oder berufsrechtliche Verschwiegenheitspflichten.
- 32 Das ergibt sich hier schon daraus, dass die Achtung des Privat- und Familienlebens in § 1 Abs. 1 DSG ausdrücklich genannt ist.
- 33 Ein praktischer Anwendungsbereich ist dafür freilich schwer denkbar, weil sich Geheimnisse wohl i.d.R. auf Informationen über (natürliche oder juristische) Personen beziehen.
- 34 Simotta, ÖJZ 1993, 793 Fn. 6.
- 35 6 Ob 64/11x; 6 Ob 63/11z.
- 36 Denkbar ist auch eine Bezugnahme auf das Eigentumsrecht.
- 37 Dieses Recht darf nach der Rsp. auch nicht mit einer Verantwortlichkeit nach § 1330 ABGB für die Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung belastet werden, sodass in einem Verfahren auch herabsetzende Tatsachenbehauptungen aufgestellt oder objektiv unrichtige Aussagen getätigt werden können, sofern kein Rechtsmissbrauch in Form einer wissentlichen Behauptung falscher Tatsachen vorliegt (RIS-Justiz RS0022784, RS0105665, RS0114015; 6 Ob 40/09i; 4 Ob 46/09g u.v.a.).
- 38 6 Ob 2228/96g verweist hier auf die zum Spannungsfeld der Meinungs- (Art. 13 des Staatsgrundgesetzes 1867 [StGG 1867]; Art. 10 EMRK) bzw. Kunstfreiheit (Art. 17a des Staatsgrundgesetzes [StGG]) zum Recht auf Ehre im Bereich des § 1330 ABGB entwickelten Grundsätze.
- 39 Art. 52 Abs. 1 GRC.
- 40 VwGH 2008/17/0136.
- 41 DSK 120.555/18-DSK/97.
- 42 1 Ob 26/88; 1 Ob 36/89 m.w.N.
- 43 6 Ob 2228/96g.
- 44 9 ObA 50/03y.
- 45 Aus der Sicht des Datenschutzes bejaht sie den Ausschluss der Öffentlichkeit (auch) bei Gefährdung eines Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses.
- 46 Simotta, ÖJZ 1993, 793 und 838.
- 47 Simotta, ÖJZ 1993, 800.
- 48 ErläutRV 613 BlgNR 22. GP 15.
- 49 Spenling, Datenschutzrechtliche Probleme 15.
- 50 Dazu Punkt 3.2.
- 51 Vgl. dazu Peer, Die Akteneinsicht, ÖJZ 2008/96; Ehrlich/Graf, Akteneinsicht nach der ZPO, Zak 2008, 327.
- 52 ErläutRV 613 BlgNR 22. GP 15; Gitschthaler in Rechberger³ § 219 ZPO Rz. 3.
- 53 Zu denken ist hier etwa an Unterlagen, die den außergerichtlichen Verdienst des Sachverständigen betreffen und dem Gericht im Zusammenhang mit § 34 des Gebührenanspruchsgesetzes (GebAG) vorgelegt wurden.
- 54 § 219 ZPO gilt auch im Außerstreitverfahren (§ 22 AußStrG; vgl. Spenling, Datenschutzrechtliche Probleme 16), sofern nicht Sonderregeln anzuwenden sind. Im Pflegschaftsverfahren ist etwa zudem § 141 AußStrG zu beachten. Im Kartellverfahren schränkt § 39 Abs. 2 KartellG das Akteneinsichtsrecht Dritter insoweit ein, als am Kartellverfahren nicht als Partei beteiligte Personen in die Akten des Kartellgerichts ausschließlich nur dann Einsicht nehmen können, wenn die Parteien zustimmen. Im Gegensatz zu § 219 Abs. 2 ZPO schließt § 39 Abs. 2 KartG für den Richter jede Möglichkeit aus, ohne Zustimmung der Parteien die Einsicht in die Akten kartellrechtlicher Verfahren zu gewähren, und zwar auch dann, wenn der Antragsteller ein rechtliches Interesse an der Einsichtnahme darlegen kann. Der EuGH hat jüngst dazu allerdings ausgesprochen, dass das Unionsrecht, insb. der Effektivitätsgrundsatz, dieser Bestimmung des nationalen Rechts entgegensteht, wonach die Akteneinsicht (auch in Dokumente, die im Rahmen eines Kronzeugenprogramms übermittelt wurden) nicht am Kartellverfahren beteiligter Dritte, die Schadensersatzklagen gegen Kartellteilnehmer erwägen, nicht allein von der Zustimmung aller Parteien dieses Verfahrens abhängen darf, ohne dass das Gericht die Möglichkeit hätte, die betroffenen Interessen gegeneinander abzuwägen (EuGH Rs C-536/11, Donauchemie).
- 55 1 Ob 208/12p.
- 56 Überwiegende öffentliche Interessen können sich hiebei aus der Notwendigkeit des Schutzes der verfassungsmäßigen Einrichtungen der Republik Österreich oder der Sicherung der Einsatzbereitschaft des Bundesheeres oder der Interessen der umfassenden Landesverteidigung, des Schutzes wichtiger außenpolitischer, wirtschaftlicher oder finanzieller Interessen der Republik Österreich oder der Europäischen Union oder der Vorbeugung, Verhinderung oder Verfolgung von Straftaten ergeben.
- 57 ErläutRV 613 BlgNR 22. GP 14 f. Es muss sich freilich nicht unbedingt um sogenannte sensible Daten i.S.d. § 4 Z 2 DSG handeln («besonders schutzwürdige Daten»), also um Daten natürlicher Personen über ihre rassische und ethnische Herkunft, politische Meinung, Gewerkschaftszugehörigkeit, religiöse oder philosophische Überzeugung, Gesundheit oder ihr Sexualleben.
- 58 ErläutRV 613 BlgNR 22. GP 15.
- 59 I.d.S. auch 9 Ob 87/08x.
- 60 Zu denken ist an das Beichtgeheimnis (§ 320 Z 2 ZPO), das Amtsgeheimnis (§ 320 Z 3 ZPO), Wahlgeheimnis (§ 321 Abs. 1 Z 6 ZPO), das Kunst- oder Geschäftsgeheimnis (§ 321 Abs. 1 Z 5 ZPO), staatlich anerkannte Verschwiegenheitspflichten (§ 305 Z 4, § 321 Abs. 1 Z 3 ZPO), die Verschwiegenheitspflicht der Mediatoren (§ 320 Z 4 ZPO), der Anwälte (§ 321 Abs. 1 Z 4 ZPO) oder (im Bereich des Arbeits- und Sozialrechts) der Vertreter gesetzlicher Interessensvertretungen bzw. Berufsvereinigungen (§ 321 Abs. 1 Z 4a ZPO).
- 61 Vgl. dazu Punkt 2.2.
- 62 ErläutRV 613 BlgNR 22. GP 15.
- 63 Die Interessen der vom DSG geschützten Person sind im Zusammenhang mit der Akteneinsicht somit zweimal zu prüfen. Zunächst muss das berechtigte Interesse nach § 1 Abs. 1 DSG geprüft werden. Wenn ein solches bejaht wird, ist eine in § 219 Abs. 2 Satz 1 ZPO angeordnete Interessensabwägung zu machen.
- 64 Das rechtliche Interesse ist dann zu bejahen, wenn sich die Kenntnis des Akteninhaltes auf die privat- oder öffentlichrechtlichen Verhältnisse des Einsichtnehmenden günstig auswirkt, sei es auch nur dadurch, dass sich eine Beweislage für ihn günstiger gestaltet.
- 65 9 Ob 87/08x.
- 66 Nach der Rsp. liegt eine solche Zustimmung auch dann vor, wenn sich die Parteien in einer Tagsatzung nicht gegen eine Akteneinsicht ausgesprochen haben (10 Ob 45/12h: «In der Tagsatzung vom 20. Februar 2012 sprach sich der Sachwalter nicht mehr gegen die Akteneinsicht des Einschreiters aus, weil von dessen Seite nunmehr Bemühungen feststellbar wären, Geld für die Lebenshaltungskosten der Betroffenen zu überweisen.»).
- 67 Simotta, ÖJZ 1993, 800.
- 68 Bereits i.d.S. bereits Simotta, ÖJZ 1993, 801 (unter Hinweis auf § 17 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes [AVG]).
- 69 Rassi, Das Dogma vom Verbot des Ausforschungsbeweises: Eine Analyse der österreichischen Rechtsprechung Simotta-FS (2012), 433.
- 70 Vgl. 8 Ob 4/03a; OLG Wien 3 R 31/09i.
- 71 6 Ob 551/90 (demnach bilden – bei einem Akt des Obersten Gerichtshofs – auch «die Ausfertigungen der vorinstanzlichen Entscheidungen, interne Noten und Anweisungen über die Aktenbehandlung innerhalb des Gerichtshofes, verwaltungsinterne Anweisungen an das Evidenzbüro und der Berichtsbogen mit dem zur Urschrift ausgestalteten Entscheidungsentwurf» den Akteninhalt); 7 Ob 235/01m.
- 72 Gemäß § 170 Abs. 3 Geo sind den Akten vor Gewährung der Einsicht Beratungsprotokolle und andere Schriftstücke zu entnehmen, die (u.a.) nach § 219 Abs. 1 ZPO von der Einsicht ausgeschlossen sind.
- 73 Damit korrespondiert auch der Umstand, dass eine elektronische Einsicht in den Rechtsmittelfall der Verfahrensautomation Justiz (VJ) nicht möglich ist.
- 74 Gitschthaler in Rechberger³ § 219 ZPO Rz. 5.
- 75 6 Ob 551/90 und 7 Ob 235/01m.
- 76 Vgl. auch 1 Ob 151/01i.
- 77 RIS-Justiz RS0046193.
- 78 16 Ok 3/10 = ÖBl-LS 2010/189 [Hoffer] = jusIT 2010/110 [Jahnel].
- 79 Im Zusammenhang mit einem Ersuchen um Aktenübersendung hob der Oberste Gerichtshof zu 16 Ok 3/10 hervor, dass Geschäftsgeheimnisse i.S.d. § 38 Abs. 2 KartG keine sensiblen (und damit besonders schutzwürdigen) Daten i.S.d. § 4 Z 2 DSG 2000 seien. Es gelte für sie daher die Bestimmung des § 8 Abs. 1 Z 4 DSG 2000, wonach schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen bei Verwendung nicht-sensibler Daten dann nicht verletzt sind, wenn überwiegende berechtigte Interessen des Auftraggebers oder eines Dritten die Verwendung erfordern. Das sei gemäß § 3 Z 2 DSG 2000 dann der Fall, wenn die Verwendung der Daten durch Auftraggeber des öffentlichen Bereichs in Erfüllung der Verpflichtung zur Amtshilfe geschieht. Diese Bestimmung stellt auf die Amtshilfe i.S.d. Art. 22 B-VG ab. Daraus kann aber mit Blick auf § 9 Z 4 DSG 2000 nicht abgeleitet werden, dass sensible Daten im Wege der Amtshilfe nicht übermittelt werden dürfen.
- 80 Spenling, Datenschutzrechtliche Probleme 14.
- 81 Spenling, Datenschutzrechtliche Probleme 14.
- 82 Für Sachverständige sieht § 359 Abs. 1 ZPO vor, dass das Gericht ihnen (nur) die für die Gutachtenserstattung erforderlichen Teile zu übermitteln hat, worauf schon aus datenschutzrechtlichen Gründen zu achten ist. Vgl. Spenling, Datenschutzrechtliche Probleme 15.
- 83 Diese Bestimmung gilt mit Blick auf § 35 AußStrG auch für das Außerstreitverfahren.
- 84 I.d.S. auch DSK 120.555/18-DSK/97.
- 85 Ähnlich Rechberger in Fasching/Konecny² Vor § 266 Rz. 102
- 86 Fasching, Lehrbuch² Rz. 620 und 927.
- 87 Spenling, Datenschutzrechtliche Probleme 14.
- 88 ErläutRV 613 BlgNR 22. GP 15.
- 89 4 Ob 8/48; OLG Wien 13 R 196/00i und 13 R 32/02z.
- 90 RIS-Justiz RS0039953.
- 91 Vgl. auch z.B. BGHZ 126, 217. Demnach genügt ein Antrag auf Beiziehung von Akten nach § 432 dZPO nicht den gesetzlichen Erfordernissen, wenn die Partei nicht näher bezeichnet, welche Urkunden oder Aktenteile sie für erheblich hält. Gibt der Richter einem Antrag auf Beiziehung von Akten statt, obwohl dieser den genannten Anforderungen nicht genügt, werde damit nicht ohne weiteres der gesamte Akteninhalt zum Gegenstand des Rechtsstreits. Der Richter sei nicht verpflichtet, von sich aus die Akten daraufhin zu überprüfen, ob sie Tatsachen enthalten, die einer Partei günstig sind. Aktenteile, auf die sich keine Partei erkennbar beruft, gehörten folglich nicht zum Prozessstoff. I.d.S. auch Kodek in Fasching/Konecny2 § 301 ZPO Rz. 11.
- 92 Schragel in Fasching/Konecny² § 219 ZPO Rz. 4, wobei er unscharf darauf abzielt, dass Beiakten zu diesem Zweck verlesen werden. Richtigerweise müssen Urkunden und damit auch Akten im Zivilprozess nicht «verlesen» werden, um Teil des Verfahrens zu werden. Urkunden fließen vielmehr dadurch in das Verfahren ein, dass sie in der Verhandlung zur Einsicht von Gericht und Parteien vorgelegt werden (vgl. §§ 297, 298 ZPO).
- 93 Von der praktischen Handhabung her wäre es naheliegend, dem Hauptakt nur einen Kopienakt der relevanten Teile des Beiakts anzuschließen.
- 94 7 Ob 663/86.
- 95 RIS-Justiz RS0040593.
- 96 Im Gegensatz zu § 219 Abs. 2 ZPO schließt § 39 Abs. 2 KartG für den Richter jede Möglichkeit aus, ohne Zustimmung der Parteien die Einsicht in die Akten kartellrechtlicher Verfahren zu gewähren, und zwar auch dann, wenn der Antragsteller ein rechtliches Interesse an der Einsichtnahme darlegen kann. Der EuGH hat jüngst dazu allerdings ausgesprochen, dass das Unionsrecht, insb. der Effektivitätsgrundsatz, dieser Bestimmung des nationalen Rechts entgegensteht, wonach die Akteneinsicht (auch in Dokumente, die im Rahmen eines Kronzeugenprogramms übermittelt wurden) nicht am Kartellverfahren beteiligter Dritte, die Schadensersatzklagen gegen Kartellteilnehmer erwägen, nicht allein von der Zustimmung aller Parteien dieses Verfahrens abhängen darf, ohne dass das Gericht die Möglichkeit hätte, die betroffenen Interessen gegeneinander abzuwägen (EuGH Rs C-536/11, Donauchemie).
- 97 8 Ra 38/09f.
- 98 Polster/Zellhofer, Aktenzugang im Kartellverfahren im Spannungsfeld zwischen Geheimnisschutz und Private Enforcement, OZK 2008, 99 (100).
- 99 Bauer/Kitzberger, Die Verwertung von Kronzeugenanträgen in Schadenersatzprozessen ecolex 2008, 547.
- 100 Bauer/Kitzberger, ecolex 2008, 550.
- 101 Solé, Verfahren vor dem Kartellgericht Rz. 222; dies. in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG § 39 Rz. 13; Hoffer, KartG 277.
- 102 ÖBl-LS 2010/189 [zust Hoffer] = jusIT 2010/110 [zust Jahnel].
- 103 Ergänzend verwies der Oberste Gerichtshof auf § 54 StPO, wonach die im Zuge einer Akteneinsicht erlangten personenbezogene Daten nicht veröffentlicht werden dürften, wenn dadurch schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen anderer Beteiligter des Verfahrens oder Dritter, die gegenüber dem öffentlichen Informationsinteresse überwiegen, verletzt würden. Die in einem Kartellakt enthaltenen Geschäftsgeheimnisse, die infolge Erfüllung eines Amtshilfeersuchens Bestandteil des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens werden, würden jedenfalls unter den Schutzzweck des § 54 StPO fallen.
- 104 Demnach dürfen Ersuchen von kriminalpolizeilichen Behörden, Staatsanwaltschaften und Gerichten, die sich auf Straftaten einer bestimmten Person beziehen, mit dem Hinweis auf bestehende gesetzliche Verpflichtungen zur Verschwiegenheit oder darauf, dass es sich um automationsunterstützt verarbeitete personenbezogene Daten handelt, nur dann abgelehnt werden, wenn entweder diese Verpflichtungen ausdrücklich auch gegenüber Strafgerichten auferlegt sind oder wenn der Beantwortung überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen, die im Einzelnen anzuführen und zu begründen sind.
- 105 ErläutRV 926 BlgNR 22. GP 10; vgl. auch Solé, Das Verfahren vor dem Kartellgericht Rz. 222.
- 106 EuGH Rs. C-536/11, Donauchemie.
- 107 2 Ob 98/08p.
- 108 Rechberger/Simotta, Zivilprozessrecht8 Rz. 418.
- 109 RIS-Justiz RS0118102.
- 110 Urteilsentwürfe, Beschlussentwürfe, Protokolle über Beratungen und Abstimmungen sowie Schriftstücke, die Disziplinarverfügungen enthalten. Vgl. Punkt 3.4.3.
- 111 Simotta, ÖJZ 1993, 800 unter Hinweis auf die Materialien zu den neuen österreichischen Civilprozessgesetzen I (1897) 277.
- 112 ErläutRV 613 BlgNR 22. GP 15.
- 113 Diese Fälle betreffen die Verwendung von Daten zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen des Auftraggebers vor einer Behörde und sind daher mit der hier zu prüfenden Konstellation nicht zu vergleichen. Die Regelung zeigt aber auf, dass Daten im Zusammenhang mit der Rechtsverteidigung und Rechtsverfolgung gegenüber einer Behörde verwendet werden können. Ein solcher Grund scheidet aber bei für ein Zivilverfahren unwesentlichen Umständen aus.
- 114 Diese Bestimmung gilt auch im Außerstreitverfahren (§ 10a AußStrG).
- 115 I.d.S. bereits 1 Ob 109/02i, wonach schon vor der Schaffung des § 75a ZPO die Möglichkeit anerkannt wurde, eine Prozesspartei von der Akteneinsicht hinsichtlich bestimmter für das Verfahren nicht relevanter Umstände (hier: Anschrift des Arbeitgebers) auszuschließen.
- 116 Der für ein Zivilverfahren ungewöhnlich anmutenden Möglichkeit, eine Hausdurchsuchung durchzuführen, liegt der Gedanke zugrunde, dass ohne eine solche Bestimmung eine effiziente Vollziehung des Kartellrechts oft nicht möglich ist (ErläutRV 1005 BlgNR 21. GP 24). Das Verfahren erinnert stark an die Bestimmungen der StPO und ist weitgehend dem Europäischen Recht, insb. Art. 20 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 über die Nachprüfungsrechte der Europäischen Kommission, nachgebildet (16 Ok 7/11). Eine Hausdurchsuchung ist auch im Bereich des Patentrechts im Rahmen einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung von Beweisen nach § 151b Abs. 1 des Patentgesetzes (PatentG) denkbar.
- 117 § 12 Abs. 5 WettbG bezieht sich nur auf den Fall, dass der Adressat der Hausdurchsuchung die Durchsuchung und Einsichtnahme von Unterlagen nicht gestattet. Hat die Bundeswettbewerbsbehörde hingegen einmal Einsicht in die Unterlagen genommen, Kopien angefertigt und dergleichen und damit die Hausdurchsuchung beendet, kommt eine Versiegelung nicht mehr in Betracht, und zwar unabhängig davon, ob tatsächlich faktisch jedes Dokument angesehen wurde (16 Ok 2/12). Ein Versiegelungsantrag kommt nämlich nur im Zuge der laufenden Hausdurchsuchung selbst, aber nicht nachträglich in Betracht (Xeniadis, Klarstellungen des KOG zur Versiegelung gemäß § 12 Abs. 5 WettbG, ÖZK 2012, 191 [196]).
- 118 Allerdings beschränkt sich die Tätigkeit des Gerichts nicht darauf, den relevanten (und offenzulegenden) vom irrelevanten (und geheim zu verbleibenden) Teil der Bücher zu sondieren. Vielmehr hat sich das Gericht (zunächst ohne Parteien) auch über den konkreten Beweiswert der Bücher Klarheit zu verschaffen. Im Anschluss muss es über die Notwendigkeit und Ausmaß der Offenlegung der verschlossenen Bücher nach pflichtgebundenen Ermessen entscheiden.
- 119 Mayr in Rechberger³ § 14 JN Rz. 6, wonach ein Fall des § 477 Abs. 1 Z 2 ZPO vorliegt.
- 120 Kodek in Fasching/Konecny² Art. 7 EuMahnVO Rz. 25.
- 121 Fasching, Die Ermittlung von Tatsachen durch den Sachverständigen im Zivilprozess, Matscher-FS (1993) 97 (106); Rechberger in Fasching/Konecny² § 359 ZPO Rz. 1; ders., Die Rechtsstellung der Beteiligten beim Sachverständigenbeweis, SV 2012 Sonderausgabe, 30.
- 122 Rechberger, SV 2012 Sonderausgabe, 30.
- 123 Vgl. auch RIS-Justiz RS0074920 und RS0005915.
- 124 Vgl. auch Simotta, ÖJZ 1993, 800.
- 125 Vgl. etwa 1 Ob 109/02i.
- 126 Vgl. 9 ObA 7/04a («Es besteht keine gesetzliche Grundlage dafür, dass Beweisurkunden nur dem Sachverständigen zugänglich gemacht werden und sich dieser im Verfahren lediglich über die von ihm gezogenen Schlüsse äußert»). De lege lata scheidet somit ein sogenanntes «Geheimverfahren» oder «In-Camera-Verfahren» aus, bei dem Beweisergebnisse unter Ausschluss einer der Parteien im Verfahren ermittelt und in der Entscheidung verwertet werden. Vgl. zu diesem Problemkreis jüngst etwa B. Schneider, Rechtsdurchsetzung und Geheimnisschutz – ein Widerspruch? ÖJZ 2013/18; B. Schneider, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Zivilprozess, ecolex 2011, 96 und Garber, Der Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen im Zivilprozess – ein Überblick, ÖJZ 2012/70 jeweils m.w.N.
- 127 Röhsner, Aufkündigungsverfahren und Datenschutz, immolex 2000, 351.
- 128 Die von Röhsner (immolex 2000, 351, Fn. 8) zur Erfüllung der Beweislast des klagenden Vermieters angebotene Alternative der Überwachung durch einen Privatdetektiv widerspricht freilich diametral seinem sonst datenschutzfreundlichen Ansatz.
- 129 Spenling, Datenschutzrechtliche Probleme 13.
- 130 Vgl. LGZ Graz 3 R 130/96a = MietSlg 48.632 (Anfragen an eine Bank über die Gutbuchung einer Mietzinszahlung); OLG Linz 2 R 173/06h (Gehaltsauskunft); OLG Wien 12 R 116/12k (Anfrage an eine Bank über Konten, Überweisungen und Lebensversicherungen).
- 131 Die Auskunft der Behörde kann als Urkundenbeweis verwertet werden (Rechberger in Fasching/Konecny² Vor § 266 Rz. 102; Bittner in Fasching/Konecny2 § 292 ZPO Rz. 44; Kodek in Fasching/Konecny² § 301 Rz. 13; JBl 1947, 446; SZ 7/97).
- 132 LGZ Wien 41 R 591/99m = MietSlg 51.678; OLG Wien 12 R 21/05d.
- 133 Kodek in Fasching/Konecny² § 301 ZPO Rz. 15.
- 134 Mat. I 308.
- 135 OLG Wien 11 R 61/79 = EFSlg 34.757 (Gehaltsauskunft); OLG Wien 13 R 220/82 = EFSlg 42.030 (Anfrage an Gebietskrankenkasse über die Dauer und den Umfang des Krankengeldbezugs); OLG Wien 18 R 171/87 = EFSlg 55.307 (Gehaltsauskunft); LGZ Wien 42 R 557/05f = EFSlg 115.399 (Gehaltsauskunft).
- 136 OLG Wien 12 R 21/05d (Vergleichsschriften zur Überprüfung der Echtheit einer Unterschrift).
- 137 Mat. I 263.
- 138 Mat. I 264.
- 139 Schragel in Fasching/Konecny² § 183 ZPO Rz. 3.
- 140 ErläutRV 962 BlgNR 21. GP 26.
- 141 Diese Bestimmung betrifft den Urkunden- und Zeugenbeweis. Die Einholung von Auskünften über Daten bei einem Dritten lässt sich nicht in die klassischen fünf Beweismittel einordnen. In Betracht kommen aber am ehesten die Vorschriften für den Zeugen- oder den Urkundenbeweis, sodass eine Anwendung von § 183 Abs. 2 vertretbar erscheint.
- 142 OLG Wien 10 Ra 360/02p.
- 143 Dessen ungeachtet entsprechen Versorgungsunternehmungen (oder bei Lohnauskünften Arbeitgeber) in der Praxis schriftlichen Anfragen der Gerichte in den allermeisten Fällen, zumal die Empfänger einer derartigen Auskunft vermeiden wollen, als Zeuge geladen zu werden.
- 144 Demnach war die Übermittlung von Daten an Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden, einschließlich der Körperschaften des öffentlichen Rechts insoweit zulässig, als die Daten für den Empfänger zur Wahrnehmung der ihm gesetzlich übertragenen Aufgaben eine wesentliche Voraussetzung bilden.
- 145 VfGH G 147/06.
- 146 Diese Datenanwendung verletzt auch nicht schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen, sondern dient als Grundlage für die wechselseitigen Rechte und Pflichten aus dem Versorgungsvertrag.
- 147 Ähnlich argumentierte der Oberste Gerichtshof zu 9 Ob A50/03y = DRdA 2005,252 [Deixler-Hübner], wonach ein unterhaltspflichtiger Ehemann kein schutzwürdiges Interesse auf Geheimhaltung seines Einkommens gegenüber seiner Ehegattin habe, um sich seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht zu entziehen. Dem lag zugrunde, dass das Gericht im Unterhaltsprozess beim ehemaligen Dienstgeber des beklagten Ehemanns eine Lohnauskunft einholte. Der in der Folge wegen einer geleisteten Abfertigung zur Unterhaltszahlung Verurteilte klagte seinen ehemaligen Dienstgeber anschließend erfolglos auf Schadenersatz. Der Oberste Gerichtshof verneinte im Schadenersatzprozess mangels schutzwürdigem Interesse einen aus dem DSG abzuleitenden den Geheimhaltungsanspruch. Daran knüpfte das Höchstgericht auch in einem außerstreitigen Unterhaltsverfahren zu 10 Ob 46/08z an und verneinte ein schutzwürdiges Interesse einer Privatstiftung auf Geheimhaltung ihres Vermögens oder Einkommens, das ihr der Unterhaltsschuldner zuwendete, gegenüber der Antragstellerin, um die Prüfung einer allfälligen Unterhaltserhöhung unmöglich zu machen.
- 148 6 Ob 148/00h.
- 149 Das dokumentiert auch die oben vertretene These, wonach sich eine gesetzliche Grundlage für die Übermittlung hinreicht, ohne dass es darauf ankommt, ob sich die Daten vom Gericht zu einem anderen als den ursprünglichen Zweck verwendet werden.
- 150 DSK K121.722/0008-DSK/2011.
- 151 DSK K121.109/0006-DSK/2006.
- 152 AA Röhnser, immolex 2000, 349 («bedroht eine dennoch vom Gericht eingeholte und verlesene Auskunft ... somit das Verfahren mit Nichtigkeit, zumindest aber stellt sie einen gravierenden Verfahrensmangel dar»).
- 153 Rechberger in Rechberger³ Vor § 266 ZPO Rz. 23.
- 154 Vgl. 2 Ob 272/97g; 6 Ob 252/08i; 10 ObS 319/01m; Rechberger in Fasching/Konecny² Vor § 266 ZPO Rz. 72.
- 155 Dohr/Pollirer/Weiss/Knyrim, DSG2 § 8 Anm. 16.
- 156 Singer in Wittmann, Datenschutzrecht im Unternehmen (1991) 4.
- 157 Schöberl/Graf, Beweisverwertungsverbote im Arbeitsrecht? ZAS 2004/30.
- 158 OLG Linz 11 Ra 37/05y; Schöberl/Graf, ZAS 2004/30.
- 159 4 Ob 50/04p = ecolex 2004,873 [krit Knyrim].
- 160 Vgl. Frauenberger in Fasching/Konecny § 321 ZPO Rz. 37; Rechberger in Rechberger³ § 321 ZPO Rz. 5.
- 161 Vgl. etwa die detaillierte Regelung des § 38 Abs. 2 des Bankwesengesetzes (BWG) über die einzelnen Ausnahmen zur Verpflichtung der Wahrung des Bankgeheimnisses.
- 162 Im Ergebnis richtig Dohr/Pollirer/Weiss/Knyrim, DSG2 § 15 Anm. 16; allerdings mit der unrichtigen Begründung, dass es sich nur um eine vertragliche Verschwiegenheitspflicht handeln soll.
- 163 Nach § 89n GOG ist die personenbezogene, automationsunterstützte Verarbeitung von Daten über die inhaltliche Ausübung des richterlichen Amtes außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens nur in generalisierender Form zulässig. Bei isolierter Betrachtung des Wortlauts dieser Bestimmung wäre eine elektronisch unterstützte Judikaturdokumentation nicht möglich. Die Bestimmungen des OGHG sind hier gegenüber § 89n GOG allerdings spezieller, sodass §89n GOG nicht gegen die Zulässigkeit des RIS spricht. Die Regel des §89n GOG hat freilich auch nicht Entscheidungssammlungen im Auge, sondern soll diverse Statistiken über die richterliche Tätigkeit datenschutzrechtlich absichern (Prüflisten, Daten über den Anhängigkeitsstand, die Dauer der Verfahren, die Arbeitsbelastung etc.).
- 164 Nach der Stammfassung des § 15 OGHG waren nur Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs von allgemeiner Bedeutung amtlich zu veröffentlichen. Den Professoren, die an inländischen Hochschulen Rechtsfächer lehren, war nach § 15 Abs. 2 OGHG auf ihr Verlangen zu wissenschaftlichen Zwecken Einsicht in die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs zu gewähren. Mit Erkenntnis zu G 315/89, G 67/90 hob der VfGH diese Bestimmung mit Hinweis auf das rechtsstaatliche Prinzip auf. Der Rsp. des Obersten Gerichtshofs komme demnach durch Art. 92 Abs. 1 B-VG im Interesse der Wahrung der Rechtseinheit und Rechtssicherheit begründeter Funktion als oberster Instanz in Zivil- und Strafrechtssachen für die Auslegung der Normen des Zivil- und des Strafrechts (einschließlich der betreffenden Verfahrensvorschriften) eine besondere Bedeutung zu. Die Judikatur des Obersten Gerichtshofs habe eine über den jeweiligen Einzelfall hinausreichende wesentliche Funktion für die Rechtskonkretisierung, die Sinnermittlung von Rechtsnormen und den Rechtsschutz. Es liege auf der Hand, dass für die Parteien eine verlässliche Beurteilung der Zulässigkeit des in Betracht kommenden Rechtsmittels an den Obersten Gerichtshof nur bei Möglichkeit der Kenntnisnahme aller Entscheidungen des Höchstgerichts bestehe. Die rechtliche Sicherung dieser Möglichkeit sei daher im Interesse der durch das Rechtsstaatsprinzip geforderten Effizienz des Rechtsschutzes verfassungsrechtlich geboten.
- 165 Rechtskräftige verfahrensbeendende Sachentscheidungen der Disziplinargerichte betreffend Richter und Staatsanwälte, die grundsätzlich ohne Durchführung einer nicht öffentlich Verhandlung zu führen sind, sind unverzüglich in anonymisierter Form (im Rechtsinformationssystem des Bundes – RIS) zu veröffentlichen (§ 133a des Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetzes [RStDG]). Die Bestimmung ist eine Spezialbestimmung zu § 15 Abs. 2 OGHG, weshalb Disziplinarerkenntnisse stets in Volltext zu veröffentlichen sind.
- 166 Thiele, jusIT 2012/32 [Entscheidungsanm.].
- 167 ErläutRV 525 BlgNR 21. GP 11.
- 168 Vgl. Zechner in Fasching/Konecny Vor §§ 502 ff ZPO Rz. 171: Die Nachvollziehbarkeit der Entscheidung darf nicht verloren gehen.
- 169 Thiele, jusIT 2012/32 [Entscheidungsanm.].
- 170 I.d.S. vgl. auch die Ausführungen in den Materialien zu § 15a aF OGHG (24 AB BlgNR 18. GP 3).
- 171 Z.B. zuletzt etwa 1 Ob 58/13f (Republik Österreich); 1 Ob 56/13m (Land Niederösterreich); 1 Ob 57/13h (Land Tirol); 1 Ob 129/12w (Stadt Wien).
- 172 Z.B. 10 ObS 51/13t (Allgemeine Unfallversicherungsanstalt); 10 ObS 47/13d (Pensionsversicherungsanstalt); 10 ObS 62/13k (Wiener Gebietskrankenkasse).
- 173 1 Ob 89/12p.
- 174 1 Ob 24/12d; 1 Ob 232/11s.
- 175 4 Ob 166/12h (damaliger Verkehrsminister Faymann); 6 Ob 237/02z und 4 Ob 79/01y (jeweils «Klestil»); 11 Os 53/01 (Bundespräsident Dr. Thomas Klestil); 10 ObS 281/98s (Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel); 4 Ob 120/03f (Volksanwalt Mag. Stadler).
- 176 4 Ob 165/03y (Prinz Ernst August von Hannover in der Causa «Pinkelprinz»).
- 177 4 Ob 361/97k (Edith Klestil und Thomas Klestil jun).
- 178 VwGH 2009/13/0065.
- 179 6 Ob 237/02z.
- 180 4 Ob 83/11a (Strache); 4 Ob 176/08y (Kdolsky, Helmut Elsner, Volksanwältin Stoisits, Schwarzenberg, Wolfgang Schüssel, Michael Häupl, Erwin Pröll, Herr Steininger); 4 Ob 350/82 (Max Merkel, Karl Sekanina, Friedl Koncilia, Hans Krankl).
- 181 8 ObA 35/11x jusIT 2012/32 [Thiele].
- 182 Felzmann/Danzl/Hopf, OGH² § 15 OGHG Anm. 7.
- 183 Vgl. etwa 4 Ob 199/12m («Der Senat nimmt im Zweifel an, dass die Beklagte dieses Vorbringen ernst meint.»). 3 Ob 125/05m («Die irrige Auffassung, «Servitut» sei grammatikalisch sächlichen Geschlechts, kann wohl nur auf schwindende Lateinkenntnisse einerseits und die ... Unkenntnis der österreichischen Rechtssprache, andererseits zurückgeführt werden.»).
- 184 VfGH G248/91, V190/91; VfGH G 194/02, V 45/02.
- 185 VfGH G 194/02, V 45/02 (Namensverzeichnis des Exekutionsverfahrens).
- 186 3 Ob 31/07s und 3 Ob 37/07y.
- 187 Sailer, Gerichtlicher Datenschutz bei elektronischer Einsicht in Geschäftsbehelfe des Exekutionsverfahrens, Zak 2007/600.
- 188 ErläutRV 89 BlgNr 24. GP 27 f.
- 189 ErläutRV 613 BlgNR 22. GP 18; Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht 1.01 Vor § 1 GBG Rz. 76.
- 190 Nach § 26 Abs. 1 DSG hat demnach ein Auftraggeber jeder Person oder Personengemeinschaft, die dies schriftlich verlangt und ihre Identität in geeigneter Form nachweist, Auskunft über die zu dieser Person oder Personengemeinschaft verarbeiteten Daten zu geben. Mit Zustimmung des Auftraggebers kann das Auskunftsbegehren auch mündlich gestellt werden. Die Auskunft hat die verarbeiteten Daten, die Informationen über ihre Herkunft, allfällige Empfänger oder Empfängerkreise von Übermittlungen, den Zweck der Datenverwendung sowie die Rechtsgrundlagen hiefür in allgemein verständlicher Form anzuführen. Auf Verlangen eines Betroffenen sind auch Namen und Adressen von Dienstleistern bekannt zu geben, falls sie mit der Verarbeitung seiner Daten beauftragt sind. Wenn zur Person des Auskunftswerbers keine Daten vorhanden sind, genügt die Bekanntgabe dieses Umstands (Negativauskunft). Mit Zustimmung des Auskunftswerbers kann anstelle der schriftlichen Auskunft auch eine mündliche Auskunft mit der Möglichkeit der Einsichtnahme und der Abschrift oder Ablichtung gegeben werden.
- 191 ErläutRV 472 BlgNR 24. GP 11.
- 192 ErläutRV 472 BlgNR 24. GP 11.
- 193 Vgl. die Ausführungen in den Materialien zur ZVN 2004: «Da Gerichtsakten (noch) nicht elektronisch geführt werden, bezieht sich diese Möglichkeit derzeit daher in erster Linie auf die zum Akt gehörigen Eintragungen in Registern und sonstigen Geschäftsbehelfen. … Die Bestimmung deckt aber auch mögliche weitere Entwicklungen ab, etwa den «elektronischen Gerichtsakt».
- 194 613 BlgNR 22. GP 20 f.
- 195 Vgl. Simotta, ÖJZ 1993, 803.
- 196 Rassi in Burgstaller/Deixler § 73a EO Rz. 3.
- 197 Rassi in Burgstaller/Deixler § 73a EO Rz. 3.
- 198 VfGH G 194/02, V 45/02; VfSlg 16774.
- 199 ErläutRV 89 BlgNr 24. GP 26.
- 200 ErläutRV 89 BlgNr 24. GP 27.
- 201 § 403 EO wurde offenbar irrtümlicherweise nicht aufgehoben.
- 202 LG Leoben 32 R 47/11y; RIS-Justiz RLE0000032.
- 203 ErläutRV 89 BlgNr 24. GP 27.
- 204 Kodek in Kodek 1.01 § 5 GUG Rz. 1; Rassi, Grundbuchrecht2 (2013) Rz. 48.
- 205 ErläutRV 542 BlgNR 23. GP 9.
- 206 Bei der Einsichtsregelung ist nicht nachvollziehbar, warum auch für Notare, die in der Realexekution als Parteienvertreter gar nicht auftreten, die Einsichtsrechte für Zwecke des Exekutionsverfahrens ausgeweitet wurden.
- 207 ErläutRV 542 BlgNR 23. GP 9.
- 208 Rassi, Die Grundbuchsnovelle 2008: Ein Überblick, NZ 2008/61 229.
- 209 Vgl. dazu Rassi in Kodek, Grundbuchsrecht-ErgBd (2009) § 6 GUG Rz. 2.
- 210 ErläutRV 962 BlgNR 21.GP 51.
- 211 Spenling, Datenschutzrechtliche Probleme, 13.
- 212 I.d.S. bereits zutreffend Prütting, Datenschutz und Zivilverfahren in Deutschland, ZZP 106 (1993) 468.