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Grundbuch – Einst und Jetzt

  • Author: Helmut Auer
  • Category: Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: E-Justice
  • Citation: Helmut Auer, Grundbuch – Einst und Jetzt, in: Jusletter IT 19 November 2015
Gegenstand der Beschreibung ist die Entwicklung der Aufzeichnungen von Daten über Grund und Boden von frühen Anfängen bis zum heutigen modernen IT-Grundbuch und Kataster anhand von Beispielen aus verschiedenen Zeiten und verschiedenen Gegenden.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Einleitung
  • 2. Warum / Wieso
  • 3. Die öffentlichen Bücher
  • 4. Allgemeines Grundbuchsgesetz vom 25. Juli 1871, RGBl. Nr. 95
  • 5. Italien
  • 6. Kataster
  • 7. 20. Jahrhundert
  • 8. Grundbuch Neu
  • 9. Würdigung
  • 10. Literatur

1.

Einleitung ^

[1]
Weder als Jus-Student noch als Rechtspraktikant, als Richteramtsanwärter oder Richter – ein Jahr sogar als Grundbuchsrichter – habe ich nachgeforscht, wie das österreichische Grundbuch entstanden ist. Wir haben zwar beim Studium etwas über die mährischen und böhmischen Landtafeln gehört, wir haben auch gelernt, dass das ABGB bei der Normierung des Eintragungsgrundsatzes auf die «öffentlichen Bücher» verweist. Das damalige Grundbuch war aber so vertraut und selbstverständlich – schließlich haben wir die Grundbuchsbeispiele von ADir. Kaufmann im RiAA-Kurs in Schwechat aus der Katastralgemeinde Teesdorf durchgearbeitet –, dass keine Fragen zum «Warum» und «Wieso» aufgekommen sind.
[2]
Erst als ich 1979 unter dem nachmaligen Sektionschef Dr. Otto Oberhammer begann, die Umstellung des Grundbuchs auf Informationstechnologie vorzubereiten, hab ich mich gefragt, wie denn das Grundbuch früher organisiert war, habe allerdings keine Zeit gefunden, diesbezüglich Recherchen durchzuführen. Erst als ich im Jahre 2007 – als Pensionist – eingeladen wurde, an der Universität Leipzig einen Vortrag bei einer Veranstaltung über Grundbuchssysteme und Eigentumssicherung zu halten, habe ich einiges zusammengestellt. Splitter daraus folgen; um Neues ergänzt.

2.

Warum / Wieso ^

[3]
Die Frage nach dem «Warum» und «Wieso» lässt sich einfach beantworten:
  • Sesshaftigkeit: Nomaden benötigen kein abgegrenztes Land.
  • Grund und Boden ist Mangelware: Das beschränkte Angebot führt zur Bewirtschaftung und Mangelverwaltung – Die Absteckung eines Claims und allfällige nachherige Verteidigung mit Waffen genügt nicht.
  • Abhilfe gegen schlechtes Gedächtnis: Wer besitzt was? Bestandsicherung über Jahrzehnte erforderlich.
  • Abhilfe gegen schlechte Erkennbarkeit in der Natur: Wo sind die Grenzen? Beschreibung in Verträgen, in der Art «100 Schritte von der großen Eiche nach Westen, dann ...», ist fehleranfällig, wenn nach einigen Jahren die Eiche nicht mehr existiert. Oder die Kennzeichnung in Wanderkarten wird obsolet, wenn an der Wegkreuzung der Baum mit der Wegmarkierung gefällt worden ist.
  • Sicherheit in der Kreditvergabe, wie weiter unten ausgeführt werden wird.
[4]
Ein gutes Beispiel dazu stellt das alte Ägypten dar:
[5]
Durch den Monsun verursacht, der in Äthiopien ab Mitte Mai niedergeht, überschwemmte der Nil periodisch seine Flussrandregionen in Ägypten – jedenfalls bis zum Bau des Assuandamms.
[6]
Der antike Historiker Herodot berichtet, dass die Nilschwemme im Delta um die Zeit der Sommersonnenwende beginnt und etwa 100 Tage dauert, also um den 25. September endet.
[7]
Der Bericht von Herodot deckt sich mit den Angaben gefundener Vermessungsurkunden, in denen die in der Landwirtschaft zu bewirtschaftenden Flächen festgelegt wurden. Die alljährlich neuen Vermessungen waren notwendig, da die alten Grenzmarkierungen bedingt durch die Nilschwemme nicht mehr auffindbar waren.
[8]
Zum Ende der Überschwemmungszeit im September erfolgte zumeist der Abschluss neuer Pachtverträge. Aus einem Landbestellungsvertrag, 535 v. Chr. im 36. Regierungsjahr von Amasis beurkundet, sind die typischen Klauseln ersichtlich:

«Vom Jahr 36 bis zum Jahr 37 ist das verpachtete Ackerland mit drei Gespannen, die von sechs Rindern gezogen werden, zu bestellen. Fünf Rinder davon sind deine; mir als Verpächter gehört eine Kuh. Im Herbst des 37. Jahres des Amasis nehme ich ein Drittel der Ernte als meinen Anteil. Vom Rest erhältst du fünf Sechstel. Im Namen meiner Kuh bekomme ich ein Sechstel. In meinem Namen werden die Schreiber das Pachtland vermessen.»

[9]
Aus dem Drittel des Verpächterernteanteils mussten die Abgaben an die Tempel in den jeweiligen Bezirken entrichtet werden.
[10]
Wie vermessen und beurkundet wurde, ist aus Grabmalereien bekannt, wie sie zum Beispiel im Grab des Menna in einer Nekropole bei Theben gefunden wurden. Menna war Feldvermesser und Schreiber «des Herrn der beiden Länder von Ober- und Unterägypten» unter der 18. Dynastie (ca. 1550 bis 1290 v. Chr.) gewesen.
[11]

Das Bild zeigt einen Feldvermesser mit einer Schnur, teilweise gespannt und einer weiteren Schnurrolle am Oberarm. Die Schnur wies in gleichen Abständen Knoten auf und diente der Längenmessung, aber auch zur Konstruktion eines rechten Winkels – eine wesentliche Voraussetzung für Vermessungsarbeiten. Nimmt man den ersten und 13. Knoten zusammen und zieht die Schnur so auseinander, dass ein Dreieck mit den Seitenlängen von 3, 4 und 5 Knotenabständen1 entsteht, ist der Winkel zwischen denn kürzeren Seiten ein rechter. Die Ägypter kannten damals bereits diese und andere Konstruktionsmöglichkeiten. 

3.

Die öffentlichen Bücher ^

[12]
Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB), JGS Nr. 946/1811, in Kraft getreten am 1. Januar 1812, geht also davon aus, dass bestimmte öffentliche Bücher zur Intabulation bestehen. Die Diktion lässt erkennen, dass der Gesetzgeber nicht von einem im Geltungsbereich des ABGB einheitlichen Grundbuch ausgegangen ist.
[13]
Als Vorläufer eines modernen Grundbuchs können die so genannten Landtafeln (tschech. desky zemské) angesehen werden, die als Register 1321 in Böhmen und 1348 in Mähren eingerichtet wurden. Sie bestanden aus «Instrumentenbüchern», in die die Grundstücksgeschäfte nach ihrer Art und Reihenfolge eingetragen wurden. Erfasst wurde vor allem der adlige Grundbesitz.
[14]
Wesentlich war, dass hiebei bereits der Grundsatz galt, dass Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken nur durch Eintragung der Rechtsgeschäfte in die hiezu besonders bestimmten öffentlichen Bücher (tabulae) erworben werden können.
[15]
In diese Bücher wurden bis ins 17. Jahrhundert nicht nur Privatrechtsakte eingetragen, sondern auch die Hauptergebnisse der vor Gericht mündlich geführten Prozesse und andere staatliche Rechtstatsachen, sodass die Landtafel zugleich das Staatsarchiv bildete.
[16]
Diese Art, Grundstücksgeschäfte zu dokumentieren, verfolgte den Zweck, Sicherheit zu geben, über den Bestand an eigenen (meist umfangreichen) Besitzungen, aber auch Dritten und vor allem Gläubigern. So kann man lesen2:

«Uiber diss setzen und Ordnen Wir, daß wenn einer dem anderen sein Gutt, so er in der Landtaffel hat, mit der Landtaffel verpfendet, so soll solches zugleich in dem quatern und an dem Ort kürtzlich verzeichnet werden, wo ihnen dasselb Guett in der Landtaffel einverleibt zu finden, damit wann er hernach daß Gutt noch mehrers mit schulden beschwären oder es gar verkauffen wolte, der Gläubiger oder Käuffer alsobaldt in der Landtaffel sehen könte, ob, und wie hoch das Guett mit schulden vorhin beschwärt ist.»

[17]
Parallel dazu entwickelten sich «Grundbücher» als Aufzeichnungen des Grundherrn über seine untertänigen Liegenschaften und Liegenschaftsrechte, in denen auch die Gerechtigkeiten seiner Leute beschrieben werden sollen3.
[18]
Im Tractatus de Juribus Incorporabilis wird dies normiert. Der von den niederösterreichischen Ständen und ihren Juristen ausgearbeitete, von Kaiser Leopold I. sanktionierte und am 13. März 1679 publizierte «Tractatus» war – mit Novellierungen – bis zur Beseitigung der Grundherrschaft im Revolutionsjahr 1848 die grundlegende Kodifikation des für die Beziehungen zwischen Grundherren und Untertanen geltenden Rechts.
[19]
In diesem Gesetzeswerk wird im Abschnitt «Von Grund-Büchern und Gewöhren» u.a. ausgeführt:

«§. 9. Die Grund-Herren seynd schuldig über ihre Güter ordentliche Grund-Bücher zuhalten / und selbige zu gewissen Zeiten / nach eines und andern Gelegenheit / auff ihren eignen Unkosten zubesitzen; jedoch daß es auß erheblichen Ursachen / über drey Jahr nicht anstehe. Und sollen alle und jede Grund-Holden / die zu selbigem Grund-Buch dienstbahr / ihre Dienst dahin entrichten. In solche Grund-Bücher sollen die Besitzer der dienstbahren Gründ / an Nutz und Gewöhr geschrieben / alle fürgehende Veränderungen (an Seiten der Grundholden / und nicht der Grund-Herren zuverstehen) wie auch die Satz-Verschreibungen eingetragen / auch davon denen Interessirten Gewöhr / und Satz-Zetl oder Außzüg / umb die Gebühr ertheilt werden.»

[20]

Solche Grundbücher wurden nicht nur in Niederösterreich, sondern von zahlreichen Herrschaften und auch Magistraten (Stadtbücher) geführt. In Wien ordnete Rudolf IV. die Aufzeichnung des privaten Liegenschaftsverkehrs in Form einer Doppelreihe von Gewähr- und Satzbüchern an. So haben «im Burgfrieden der Stadt [Wien] im 18. Jahrhundert außer dem Magistrat noch etwa 40 Grundherrschaften Grundbücher»4 geführt. Das älteste erhaltene Grundbuch in Wien stammt aus 1368.

[21]
Die mangelnde Kreditsicherung wurde in der Folge Anlass für weitere Normierungen. 1705 heißt es in einer Eingabe des innerösterreichischen geheimen Rates, ,,dass in Innerösterreich nunmehr fast keiner . . , einiges Darlehen zu finden und aufzubringen wisse, welches daher komme, dass die Hypothekverschreibungen dem Darleiher keine Sicherheit verschaffen». Nach Überwindung des Widerstands der Stände erging dann in der Steiermark das Landtafelpatent vom 15. März 1730; das für die landesfürstlichen Städte und Märkte vom 31. Oktober 1736 (in dem erklärt wird «daß zu Unterstützung auch des bürgerlichen gemeinen Trauens und Glaubens ein Vormerkungsamt in einer jeden Stadt und in jedem Markt unter dem Namen des Grundbuches eingeführt werden soll»), und für die Gutsherren und die ihnen untertänigen Städte und Märkte das Grundbuchspatent vom 19. Oktober 1768.
[22]
Das Landtafelpatent sieht den Zweck «in der Befestigung des gemeinen Credits, Trauens und Glaubens», in der «Wiederherstellung des fast allenthalben gesunkenen Credits wie auch zur Vermeydung deren bishero villfältig vorgewesten edictalischen Abhandlungen». Es war also die Kreditnot des Grundbesitzes, die zur Einführung der Landtafel geführt hat und die Herstellung eines geordneten Kreditwesens der Hauptzweck, weshalb die Landtafel im Patent auch oft Kredittafel genannt wird.

«Man wußte, daß sicherer Besitz nur durch Eintragung in die Bücher erlangt werden kann und daß man mit Sicherheit nur demjenigen darleihen kann, der in den Büchern als Besitzer vorgemerkt ist; man wußte auch, und zwar ohne große Mühe und Kosten, wie viel man ihm darleihen kann; der Besitzer einer Realität hingegen wußte, daß nur diejenigen Schulden, welche in den Büchern stehen, seine Realität belasten; die Gläubiger untereinander wußten, wer unter ihnen der Befriedigung näher ist, was und unter welchen Bedingungen es dem von jedem Dargeliehenen als Pfand dient. Kurz, dieses Patent hat die wesentlichen Bedingungen der Entstehung und Fortbildung der bücherlichen Hypothek festgestellt und den Begriff der bücherlichen Hypothek von jenem eines Vorzugsrechtes (der Hypothek des gemeinen Rechtes) klar gesondert.»5

[23]
Die Steiermark diente in der Folge als Vorbild: Die Landtafel nach diesem Muster wurde 1746 für Kärnten, 1747 für Krain, 1754 für Oberösterreich, 1758 für Niederösterreich, 1761 für Görz und Gradiska, 1769 für Freiburg, 1772 für Triest, 1780 für Galizien. 1783 für den Breisgau, 1791 für das Innviertel und 1794 für Böhmen und Mähren eingerichtet.
[24]
Es folgten Patente zum Grundbuchswesen der landesfürstlichen Städte und Märkte (1736 Steiermark, 1765 Niederösterreich, 1768 Kärnten, 1771 Krain und Oberösterreich) und der untertänigen Gründe (1768 Steiermark, 1769 Krain, 1772 Kärnten, 1792 Oberösterreich).
[25]

In Landesarchiven können diese Dokumente eingesehen werden, so z.B. im Oberösterreichischen Landesarchiv6. Die dort archivierte «Alte Landtafel» beinhaltet alle sogenannten Gülten, das sind Einlagen, die dem Landesfürsten bzw. der obderennsischen Landschaft dienstpflichtig waren und im Landschaftlichen Gültbuch angeführt sind. Sie wurde 1754 für die vier alten Viertel des Landes ob der Enns bzw. 1791 für das Innviertel aufgezeichnet und bestand bis zur Anlegung der «Neuen Landtafel»7 1874/1880.

[26]
Der Bestand des Oberösterreichischen Landesarchivs umfasst 9 Einlagebücher (für Besitzwechsel und Rechte), ein Lehenprotokoll (als Ergänzung zur Landtafel), eine Interimslandtafel (für jene Gebiete, die 1810 an Bayern abgetreten wurden), 11 Hauptvormerkbücher (für Lasten und Schulden), 44 Instrumentenbände (für Verträge), 10 Urkundenbände zur königlich-bayerischen Interimslandtafel sowie ein alphabetisches Verzeichnis der Landtafeleinlagen.
[27]
Im Zuge der maria-theresianischen Steuerrektifikation und folgender Reformen wurde in der Landtafel das Hauptbuchsystem übernommen und das Lastenblatt angeschlossen. Die Neuanlage sollte dazu dienen, den gesamten Besitzstand und alle daran haftenden Lasten übersichtlich und leicht fassbar darzustellen.
[28]
Mit der Aufhebung der Grundherrschaft wurde in einer Verordnung vom 16. März 1851 an Stelle der Instrumentenbücher die Urkundensammlung zu den Landtafeleintragungen eingeführt; die Landtafel wird nun von den neu entstandenen Landesgerichten als Grundbuch über die landtäflichen Liegenschaften weitergeführt.
[29]
Die neu entstandenen Bezirksgerichte übernahmen die Tätigkeit der Grundbuchsämter und führten die Eintragungen im Grundbuch weiter.

4.

Allgemeines Grundbuchsgesetz vom 25. Juli 1871, RGBl. Nr. 95 ^

[30]
Die wirtschaftlichen und politischen Änderungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert führten auch zu neuen Ansprüchen an das Grundbuch:
[31]

So beschreibt Dr. Robert Bartsch in seinem Werk «Das österreichische allgemeine Grundbuchsgesetz in seiner praktischen Anwendung (Wien 1902)» die Ausgangslage.

[32]
Das Allgemeine Grundbuchsgesetz vom 25. Juli 1871, RGBl. Nr. 95, und das Gesetz über das bei Anlegung, Ergänzung oder Wiederherstellung von Grundbüchern einzuleitende Verfahren vom 25. Juli 1871, RGBl. Nr. 96, bilden die Grundlage für das moderne Grundbuch.
[33]
Dazu ergingen ausführende Landesgesetze für Bukowina (1873), Galizien, Krain, Steiermark, Görz und Böhmen (alle 1874), Dalmatien (1881); weiters ausführende Reichsgesetze für Österreich unter der Enns, Östereich ob der Enns, Salzburg, Kärnten, Mähren, Schlesien (alle 1874), Istrien (1875).
[34]

Dr. Robert Bartsch schreibt dazu:

[35]

Mit den neuen Grundbüchern endete die Gliederung nach den alten Grundherrschaften und ihren Ämtern. An ihre Stelle trat als größte Einheit das Bezirksgericht. Der Bezirksgerichtssprengel umfasst eine oder mehrere Katastralgemeinden, die mit der Einführung des stabilen Katasters von 1817 (Franziszeischer Kataster) entstanden waren. Jede Liegenschaft innerhalb einer Katastralgemeinde erhielt nun eine Einlagezahl – also unser wohlbekanntes System.

[36]

Die Bezirksgerichtssprengel spiegelten aber immer noch die alten Herrschaftsverhältnisse wieder – klar ersichtlich an der Anzahl der Gerichte. So bestanden im Jahre 1871 z.B. in Niederösterreich (ohne Wien) 68 Bezirksgerichte, heute (2013) dagegen nur 28.

[37]
Diese letzten Änderungen waren sehr erfolgreich.
[38]
Charles Fortescue Brickdale, später Chief Land Registrar im HMLR8 bereiste Europa 1893 zwecks Studiums der Grundbuchssysteme. In England und Wales bereitete das in 1862 dort eingeführte System Schwierigkeiten: Es bestand ein zu hoher Anspruch in der Genauigkeit hinsichtlich Grundstücksgrenzen und Titel, es war sehr langsam, die Eintragung war nicht zwingend, die Großgrundbesitzer wehrten sich dagegen wegen Offenlegung ihres Reichtums an Grund und Boden, die Rechtsanwälte hatten Angst um ihr Geschäft. Sein Bericht über die Ergebnisse seiner Studienreise ist als Vorlesung erhalten. Hinsichtlich Preußen und Österreich-Ungarn schrieb Brickdale:

«The methods of land transfer used in these two great nations were, until the later years of the last century, subject to a great variety of different laws in different parts, but now each of the two Empires has succeeded in establishing a single uniform system applying to the whole of its extent. That system in both cases is registration of title and, taken as a whole, these two countries form the largest and most important practical example of its method and effect of which we have any detailed information. The population affected by the system is 95 million. The general conditions also combine in many ways to render this Central European system the most useful and general model for study and imitation. Here, and here only, is registration of title in really universal and exclusive operation; here, and here only, is it applied to conditions – urban, rustic, social, economic – comprising practically every feature of importance to be met in an advanced society; here, and here only, it is seen affecting a community thoroughly up-to-date in all its present day needs and activities ...»

5.

Italien ^

[39]
In den Provinzen von Trient, Bozen (Südtirol), Triest, Görz sowie in einigen Gemeinden der Provinzen Udine, Brescia, Belluno und Vicenza – Gebieten, die nach dem ersten Weltkrieg an Italien gelangten – wird heute noch das Grundbuch auf der Grundlage des österreichischen Rechts, also ABGB und Grundbuchsgesetz geführt.
[40]
Der italienische Gesetzgeber hat mit Königlichem Dekret vom 4. November 1928, Nr. 2325 und mit Königlichem Dekret vom 28. Februar 1929, Nr. 499 entschieden, dass in den genannten Gebieten das österreichische Grundbuchssystem beibehalten werden soll, hat die wesentlichen Grundsätze des Grundbuchssystems, wie sie im Österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch enthalten waren, in die italienische Rechtsordnung übernommen und die Bestimmungen des Grundbuchsrechtes mit jenen der italienischen Rechtsordnung koordiniert.
[41]

Die Bestimmungen des italienischen Zivilgesetzbuches und anderer italienischer Gesetze, die mit dem Grundbuchsgesetz unvereinbar sind, finden daher im oben genannten Rechtsgebiet keine Anwendung.

[42]
Sowohl in der Provinz Bozen – Südtirol als auch in der Provinz Trient ist das Grundbuch auf Informationstechnologie umgestellt und kann online von Berechtigten abgefragt werden.
[43]
Im restlichen Italien gilt der Eintragungsgrundsatz nicht. Um sicher zu gehen, wer der Eigentümer ist, muss die Kette der Eigentumsübergänge (gutgläubiger Erwerber) über 20 Jahre zurückverfolgt werden. Mir wurde in Trient seinerzeit von den Grundbuchsverantwortlichen erklärt, dass im restlichen Italien der als Eigentümer gilt, der die Grundsteuer zahlt.
[44]
Tatsächlich verzeichnet der italienische Kataster Eigentümer und auch Hypotheken. Die Agenzia delle Entrate (in Südtirol übersetzt mit «Agentur der Einnahmen»; vereinfacht beschreibbar als Oberbehörde der italienischen Finanzverwaltung) hat am 1. Dezember 2012 im Zug von Spar- und Rationalisierungsmaßnahmen die Zuständigkeit für die Katastervermessung und den Liegenschaftskataster übernommen. Den regionalen Behörden der Finanzverwaltung sind jeweils binnen 30 Tagen Änderungen dinglicher Daten bekanntzugeben.
[45]
Mitte der 90er Jahre hat der italienische Kataster begonnen, den Liegenschaftskataster auf IT umzustellen. Die Agenzia delle Entrate bietet eine Online-Abfrage an. Durch Angabe der Steuernummer des Eigentümers, der Provinz und der Katastralgemeinde können derzeit hinsichtlich natürlicher Personen aus ganz Italien (ausgenommen die Provinzen Trient und Bozen) folgende Daten eingesehen werden:
  • Personaldaten des Eigentümers
  • Details, die das Eigentum beschreiben
  • Rechtsverhältnisse, insbesondere Miteigentumsanteile
  • Miete und Lokation bei Eigentum, das im Gebäudekataster eingetragen ist
  • Einkommen aus Grundbesitz
[46]
Beschränkt ist die Suche durch den Umstand, dass nur hinsichtlich solcher Eigentumsverhältnisse gesucht werden kann, deren zugrundeliegende Dokumente bereits elektronisch erfasst worden sind.

6.

Kataster ^

[47]
Unter Kataster wird in der österreichischen Verwaltungssprache jedwedes geordnete Verzeichnis verstanden. In unserem Zusammenhang ist aber immer ein Verzeichnis gemeint, das Grund und Boden hinsichtlich Lage und Ausmaß eindeutig beschreibt. Davon unterschieden ist das Grundbuch, das die Sachenrechte an diesem Grund und Boden festhält.
[48]
Um eine zuverlässige Ordnung zu erhalten, ist es daher unerlässlich, dass das Grundstück9 – als kleinste Einheit von Grund und Boden, die Gegenstand des Rechtsverkehrs sein kann – , in beiden Systemen in Übereinstimmung geführt wird, mit anderen Worten das Grundbuch muss zur Beschreibung des Gutsbestands die im Kataster vergebene eindeutige Bezeichnung des Grundstücks verwenden und verweist damit auf die Beschreibung des Katasters.
[49]

Der Kataster in der heutigen Form geht zurück auf Bemühungen der absoluten Herrscher im Europa des 18 Jahrhunderts, Steuereinnahmen auf geordneter Basis als Grundsteuer zu lukrieren. Der mit Grundsteuerpatent vom 23. Dezember 1817 eingeführte Kataster wird daher auch als Grundsteuerkataster, nach dem damaligen Herrscher auch Franziszeischer Kataster bezeichnet, und bildet die Grundlage des heutigen Katasters. Vorläufer waren der Mailänder Kataster (1718), die Maria-Theresianische Steuerrektifikation (1748) und der Josephinische Kataster (1789).

[50]
Mit dem Franziszeischen Kataster wurden systematisch die Grenzen der Gemeinden, die Grenzen der Parzellen (Grundstücks- und Bauparzellen mit Vermessung der Gebäude und Hofräume), fixe Objekte wie Brücken oder Feldkreuze, Eisenbahnen, öffentliche Strassen, Wege und Ufer von Gewässern vermessen. Aus den Steuergemeinden der Entstehungszeit entstanden die Katastralgemeinden.
[51]
Ein erster Schritt der Detailvermessung war die Festlegung der Gemeindegrenzen. Die Gemeinden hatten zur Vorbereitung ihre Grenzen in Ordnung zu bringen und zu beschreiben, wie im folgenden Beispiel:10
[52]

Nach kommissioneller Begehung wurde eine «Vorläufige Grenzbeschreibung», nach Abschluss der Vermessungsarbeiten eine «Definitive Grenzbeschreibung» erstellt. Zuletzt wurde eine Reambulierung (Prüfung und allfällige Ergänzung) der Ergebnisse durchgeführt.

[53]
Die Franziszeische Katastererstellung wurde in der Monarchie (ausgenommen Ungarn) von 1817 bis 1861 durchgeführt.
[54]
In der Folge wurde der Grundsteuerkataster rechtlich und praktisch verbessert. Schließlich brachte das Evidenzhaltungsgesetz vom 23. Mai 1883, RGBl 83 einen vorläufigen Abschluss. Dieses Gesetz verlangte die Evidenthaltung des Katasters hinsichtlich Grenz-, Eigentums-, Objekt- (Widmungs-), Kulturänderungen und entsprechende Mappenberichtigungen. Es blieb bis zum Vermessungsgesetz 1968 die Grundlage für den Kataster.

7.

20. Jahrhundert ^

[55]
Während und nach dem ersten Weltkrieg führten Personal- und Budgetprobleme zu einer Reihe von Gerichtsentlastungsnovellen, deren 6. im Jahre 1929 eine Neufassung des § 51a GOG brachte, wonach der Bundesminister für Justiz bestimmte Gruppen einfacher und wiederkehrender Massengeschäfte des gerichtlichen Verfahrens einem befähigten Sachbeamten der Gerichtskanzlei zur selbständigen und selbstverantwortlichen Erledigung übertragen konnte. Damit war der Rechtspfleger in die österreichische Rechtsordnung eingeführt, der den Richter im Grundbuch praktisch zu 100 % entlastet11.
[56]
Wesentliche Neuerungen stellten das Baurecht und das Wohnungseigentum dar.
[57]

Die größte Änderung brachte aber die Umstellung der Führung des Grundbuchs auf Informationsverarbeitung mit sich. Wie schon fast 100 Jahr zuvor gab es Ende der 60-ziger-Jahre des 20. Jahrhunderts wieder erhebliche Probleme im Grundbuch: Unübersichtlichkeit der Bücher, weil aus Zeit- und Personalmangel keine Umschreibungen nach § 582 der Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz (Geo.) vorgenommen wurden, mit dem Resultat, dass Eintragungen nach Vollschreiben der für eine Einlage vorbereiteten Seiten in anderen Bänden – wo halt Platz war – fortgesetzt worden ist. Die Einschau im Buch erschwerte sich dadurch erheblich; das Erstellen von Grundbuchsabschriften verzögerte sich dramatisch. Versuche mit auf den Markt kommenden Xerox-Maschinen (Kopierern) verschlechterten die Situation, weil die Bände durch das übermäßige Aufklappen beschädigt und manche Grundbücher so zu Loseblattausgaben wurden. Die bestehende Konjunktur führte zu erhöhtem Geschäftsanfall und vielen Eintragungen, damit auch hier zu Verzögerungen. Die vermehrten Eintragungen führten zu einem erheblich erhöhten Platzbedarf zum Aufstellen der Grundbücher und der Urkundensammlung; beide mussten ja für das Publikum zur Einsicht zur Verfügung stehen. Hinzu kam, dass alte Eintragungen in deutscher Schrift (Kurrent) geschrieben waren, die von jüngeren Personen nicht mehr gelesen werden konnte; andrerseits die Lateinschrift leichter zum «Ausschreiben» neigt, also auch schlechter lesbar wurde.

[58]

All dies führte zu Reformbestrebungen, die letztlich zur «Umschreibung» aus dem Papiergrundbuch in das IT-Grundbuch und – gemeinsam mit dem Kataster – zur Schaffung der Grundstücksdatenbank führte. Basis dafür war das Grundbuchsumstellungsgesetz (GUG) vom 27. November 1980, BGBl. Nr. 550, in Kraft getreten am 1. April 1981.

[59]
Zur Geschichte dieser Umstellung und zum Erfolg dieser Umstellung darf ich auf den Band 58 der Schriftenreihe des Bundesministeriums für Justiz, Das Moderne Grundbuch, verweisen.
[60]

Am 1. Januar 1969 trat das Vermessungsgesetz (BGBl. Nr. 306/1968) in Kraft, mit dem der Grenzkataster geschaffen wurde, der die Grenzen von Grundstücken verbindlich nachweist: Bei Grenzstreitigkeiten wird dann die Grenze nach den gespeicherten Daten in der Natur wiederhergestellt. Bei Grundstücken, die noch nicht in den Grenzkataster umgewandelt worden sind, sich also noch im Grundsteuerkataster befinden, entscheidet bei Grenzstreitigkeiten das Bezirksgericht nach der Natur und es werden allenfalls die Daten des Katasters geändert.

[61]
Diese Umwandlung eines Grundstücks vom Grundsteuer- in den Grenzkataster ist zeit- und kostenaufwändig; bis jetzt (2013) sind etwa 12% der im Grundsteuerkataster erfassten Grundstücke in den Grenzkataster übertragen worden.
[62]
Das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen und die Vermessungsämter, die den Kataster führen, haben schon sehr früh – ab 1955 – ihre Arbeit mit Lochkartensystemen unterstützt. In den 70er Jahren wurde mit der Programmierung des Katasters begonnen – parallel mit den Reformbestrebungen des Bundesministeriums für Justiz. Diese Bemühungen führten zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit: es wurde auf Basis des IBM-Datenbank-Systems IMS (installiert im Bundesrechenzentrum) die gemeinsame Grundstücksdatenbank geschaffen, die Datenersterfassung und Führung des Grundbuchs auf eine sehr effektive Art gestattete.
[63]
Der Echtbetrieb im Grundbuch konnte mit 1. April 1981 aufgenommen werden. Die Datenersterfassung des allgemeinen Grundbuchs war mit Ende 1991 abgeschlossen. Die Landtafel wurde im Zuge dieser Ersterfassung aufgelöst; die landtäflichen Liegenschaften in das allgemeine Grundbuch übergeführt.
[64]
Als Nebenprodukt dieser Programmierung entstand (1980) ein internes, sehr praktisches e-Mail-Produkt (/for brief).
[65]
Hervorzuheben ist die Ende des 20. Jahrhunderts eingetretene politische Wende in den Oststaaten, der zu einem enormen Nachholbedarf im Rechtsbereich führte, insbesondere im Bereich des Eigentums an Grund und Boden. Zur Unterstützung bei der Entwicklung erstellte die United Nation Economic Commission for Europe (UNECE) 1994 einen «Guide on the adoption of property laws in Economies in Transition», in dem es u.a. heißt:

«(1) Land is literally the foundation of all economies. Land plays a key role in the creation of wealth. Employment, too, is created by all activities – buying, selling, leasing and mortgaging – related to land transactions. Land can attract large investments, particularly from abroad, for prime sites. For an enterprise, land constitutes one of the major assets of its business. It enables enterprises to raise funds, using the land they own as a security for their debts. Land also is one of the best forms of collateral for banks to secure loans. Governments can obtain revenues from the taxation of income from private land ownership. Finally, for individual households, the enjoyment of land ownership, including the right to bequeath land to heirs, is a fundamental right which encourages enterprise amongst the population.

 

(2) The benefits, however, which flow from private land ownership and the right to transfer ownership will not be created, unless there is a clear land system which is surrounded by a series of laws and specific institutions to enforce these laws. Owners need to be able to demonstrate proof of ownership and their power to sell. Buyers need to know what rights, burdens and mortgages exist on their property for which they contemplate ownership. Banks must have a clear title of ownership before they can lend money with confidence.»

8.

Grundbuch Neu ^

[66]
Mit 7. Mai 2012 wurde das Grundbuch NEU eröffnet. Die Daten aus der Grundstücksdatenbank wurden in das neue System (auf Basis einer relationalen Datenbank) erfolgreich migriert.
[67]
Die Gründe für diesen Wechsel waren vielschichtig:
[68]
Die Grundstücksdatenbank – entstanden in den 1970ern – war mehr als 35 Jahre alt. Die Programme sind in dieser Zeit zwar problemlos und fehlerfrei gelaufen, waren aber – der Entstehungszeit entsprechend – in den IBM-Programmiersprachen PL1 und Assembler entwickelt worden, Programmiersprachen, die heute fast niemand mehr beherrscht. Das hierarchische Datenbanksystem erschwerte das Erstellen neuer Funktionen unnötig. Außerdem war zu erwarten, dass IBM in der nahen Zukunft die Wartung von IMS einstellt. Es sollte daher zu modernen Programmiertechniken und -möglichkeiten gewechselt werden.
[69]
Die Justiz hatte mit der Verfahrensautomation eine einheitliche IT-Anwendung für fast alle gerichtliche und staatsanwaltschaftliche Verfahren entwickelt. Das Handelsregister war als IT-Firmenbuch bereits in dieser Facon in Betrieb gegangen. Nun sollte auch das Grundbuch denselben «Look and Feel» erhalten; außerdem sollten im Grundbuch Elektronischer Rechtsverkehr (ERV) sowie Schriftguterstellung (einschließlich Nutzung der Poststraße im Bundesrechenzentrum – BRZ) und Gebührenverrechnung in elektronischer Form eingeführt werden, was mit den alten Programmen nicht zu realisieren war.
[70]
Hinzu kam, dass das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen (BEV) die eigene IT-Welt konsolidierte und – ausgenommen die Grundstücksdatenbank – ihre IT-Anwendungen aus dem BRZ abzog.
[71]
Es wurde daher beschlossen, dass die Justiz und das BEV die Grundstücksdatenbank technisch teilen und jeder Bereich eine eigene Datenbank über die eigenen Daten aufbaut, jedoch technisch so miteinander verknüpft, dass das System wie bisher als einheitliche Grundstücksdatenbank erscheint.
[72]

Als rechtliche Basis für die Migration wurde im Grundbuchsumstellungsgesetz (GUG) eine allgemeine, auch in der Zukunft anzuwendende «elektronische Umschreibung» bestimmt:

«§ 2a. (1) Der Bundesminister für Justiz kann durch Verordnung die elektronische Umschreibung der Daten des Grundbuchs («Datenmigration») anordnen, wenn dies nach Maßgabe der technischen Entwicklung zweckmäßig und wirtschaftlich vertretbar ist.

 

(2) In der elektronisch umgeschriebenen Einlage ist in der Aufschrift der Umstand der Umschreibung unter Angabe des Datums ersichtlich zu machen. ...

 

(3) ...

 

(4) Für die Berichtigung der umgeschriebenen Einlagen gilt § 2111 sinngemäß. Innerhalb von sechs Monaten nach der Umschreibung ist bei der Ausfertigung von Abschriften nach § 5 und bei der Grundbuchsabfrage nach § 6 mit dem Inhalt der Einlage auf Verlangen auch die übertragene ursprüngliche Fassung wiederzugeben; eine Erhöhung der hiefür anfallenden Gerichtsgebühren bzw. Verwaltungsabgaben tritt dadurch nicht ein.

 

(5) Das Bundesministerium für Justiz hat die erfolgte Umschreibung unter Angabe der betroffenen Einlagen und des jeweiligen Datums unverzüglich in der Ediktsdatei kundzumachen.»

[73]
Die Migration wurde – auf entsprechender gesetzlicher Basis – auch benützt, um die EZ 50.000 ff, die die zum Öffentlichen Gut zählenden Grundstücke auflisteten, aufzulösen und die Grundstücke im allgemeinen Grundbuch einzutragen. Weiters auch, um das Eisenbahnbuch in das allgemeine Grundbuch zu übernehmen.
[74]
Als Ersatz für Sondergrundbücher wurde die «Liegenschaftsgruppe» geschaffen, in der ein einheitliches Suchkriterium für zusammengehörige Liegenschaften gespeichert werden kann.
[75]
Die wesentlichsten Änderungen in der Arbeit der Gerichte betreffen
  • die Zusammenarbeit mehrerer Gerichte bei Simultanhypotheken und Dienstbarkeiten sowie
  • die Zusammenarbeit mit den Vermessungsbehörden.
[76]
Im ersteren Fall hat jenes der betroffenen Gerichte, bei dem das Grundbuchsgesuch eingebracht worden ist, die Beschlüsse und Eintragungen auch für die in den anderen Gerichtsprengeln geführten Einlagen durchzuführen. Bei Simultanpfandrechten entfällt daher die Bezeichnung einer Einlage als Haupteinlage und der übrigen Einlagen als Nebeneinlagen. In allen Einlagen wird der Hinweis auf die Simultanhaftung mit den jeweils anderen Einlagen angemerkt.
[77]
Die Behandlung von Anmeldungsbögen oder Anträgen der Vermessungsbehörden und die Abarbeitung von Teilungsplänen erfolgt innerhalb der neuen Grundstücksdatenbank weitgehend automationsunterstützt. Ein Teilungsplan kann nur mehr zur Gänze durchgeführt werden. Teildurchführungen sind nicht mehr erlaubt.
[78]
Wie auch im Firmenbuch werden Änderungen im Grundbuch erst am nächsten Tag im Hauptbuch angezeigt. Der Computer arbeitet also wie der frühere Grundbuchsführer und überträgt die Gerichtsbeschlüsse und vorbereiteten Eintragungen (aus dem Arbeitsbereich, theoretisch um Mitternacht) in das Hauptbuch. Damit ist sichergestellt, dass eine Grundbuchsabschrift mit einem bestimmten Abfragedatum immer denselben Inhalt ausweist.
[79]
Diese Beschreibung der mit dem Grundbuch NEU erfolgten Änderungen ist nicht vollständig – so sind die Abfragemasken zeitgemäß gestaltet, der interne Arbeitsablauf in der Grundbuchsabteilung hat sich geändert (so wie im Firmenbuch nimmt der ERV bzw. bei Papieranträgen die Kanzlei dem Rechtspfleger viel Schreibarbeit ab), Professionisten müssen den ERV verwenden etc. Auch sonst hat sich einiges geändert: Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang z.B. die Anmerkung der Rangordnung (siehe § 53 GBG).
[80]
Das Grundbuch NEU wird weiterentwickelt – in den Jahren 2013 und 2014 wurden und werden weitere Versionen eingespielt, die das System nach den zwischenzeitlich gemachten Erfahrungen verbessern und die Funktionalität der Grundbuchsapplikation ausweiten und abrunden.
[81]
Das Grundbuch in der heutigen Form zählt daher zu einem ausgezeichneten Beispiel für erfolgreiches e-Government und e-Justice.
[82]
Angefügt sei noch eine im 21. Jahrhundert geschaffene Bestimmung aus dem Bereich e-Government, die auch das Grundbuch betrifft, und am 1. Januar 2011 in Kraft getreten ist:
[83]

Das Bundesgesetz über Regelungen zur Erleichterung des elektronischen Verkehrs mit öffentlichen Stellen (E-Government-Gesetz – E-GovG) bestimmt unter dem Titel «Elektronischer Datennachweis für Daten aus öffentlichen Registern» im § 17:

«(2) Ist von Behörden die Richtigkeit von Daten, die in einem öffentlichen elektronischen Register enthalten sind, in einem Verfahren als Vorfrage zu beurteilen, haben sie, wenn die Zustimmung des Betroffenen zur Datenermittlung oder eine gesetzliche Ermächtigung zur amtswegigen Datenermittlung vorliegt, die Datenermittlung im Wege des Datenfernverkehrs, sofern dies erforderlich ist, selbst durchzuführen. Die Behörde hat den Betroffenen auf die Möglichkeit der Zustimmung zur Datenermittlung hinzuweisen. Die Datenermittlung ersetzt die Vorlage eines Nachweises der Daten durch die Partei oder den Beteiligten. ...»

[84]
Das Grundbuchsgericht wird daher, wenn der Berechtigte darum ersucht, z.B. die Verfügungsmacht eines Geschäftsführers etc. im Firmenbuch selbst nachsehen müssen, andere Behörden wiederum im Grundbuch, wenn ein Antragsteller keine Grundbuchsabschrift vorlegt, sondern auf das e-Government-Gesetz verweist.

9.

Würdigung ^

[85]
Der Autor dieser Zeilen hat die Grundbuchsapplikation von 1979 bis zu seiner Pensionierung zum Ende 2004 verantwortlich als Leiter der Abteilung Pr 4 im Bundesministerium für Justiz begleitet. Danach wurde aus gutem Grund diese Applikation in die Zuständigkeit der Abteilung Pr 5 übertragen, der Dr. Martin Schneider schon lange vorsteht.
[86]
Ich habe Dr. Martin Schneider kennengelernt, als er aus dem Bereich des Oberlandesgerichts Wien in das Bundesministerium für Justiz wechselte und mir zur Unterstützung im ADV-Bereich zugeteilt wurde. Abgesehen vom juristischen Fachwissen zeigten sich seine Fähigkeiten als Bastler von Elektronik-Gadgets und als EDV-Freak.
[87]
Beides passte sehr gut zum damaligen Arbeitsumfang der Abteilung Pr 4 und war sehr gut einzusetzen.
[88]
Ersteres, als im Jahre 1986 im Zuge der Katastrophe von Tschernobyl radioaktiver Niederschlag auf das Palais Trautson, in dem das BMJ untergebracht ist, niedergegangen war und ausgerechnet an diesem Tag die Reinigung der Dachrinnen durchgeführt werden sollte. Martins selbst gebauter Geigerzähler zeigte auf, wie intensiv die Dachrinnen kontaminiert waren – die Reinigungsarbeiten wurden sofort eingestellt.
[89]
Letzteres – aber nicht nur in diesem Fall – als wir für die Textverarbeitung im BMJ anfangs der 80-Jahre ein Mehrplatzsystem des Unternehmens WANG installiert hatten. Dieses System würde heute als Server mit angeschlossenen Bildschirmarbeitsplätzen bezeichnet werden, war damals das Beste, was der Markt geboten hat, arbeitete zuverlässig, aber hatte einen Nachteil: Das Betriebssystem kannte kein «login». Man konnte auf jedem Arbeitsplatz ohne Anmeldung, ID oder Passwort arbeiten.
[90]
Daraufhin haben wir gemeinsam – in vielen Abend-Arbeitsstunden durch zwei Wochen – das Betriebssystem untersucht, ob wir nicht einen «Entry-Point» finden, in dem wir eine Sperre einbauen können. Dazu haben wir die Betriebssystemprogramme – in einer unbekannten Programmiersprache geschrieben – in hexadezimaler Schreibweise am Bildschirm ablaufen lassen. Tatsächlich haben wir erfolgreich «gehackt», ein Entry-Point wurde gefunden, ein kleines Basic-Programm geschrieben und eingehängt, worauf jeder Benützer des Systems ein Passwort benötigte. Zu seiner Verwunderung auch der WANG-Techniker, der unser System warten wollte. Erfolg der Aktion war, dass wir unsere Login-Lösung WANG zur Verfügung stellten, als Gegenleistung einige – damals sehr teure - Druckerfonts geschenkt erhielten, und dass WANG ein Jahr später einen eigenen Zugangsschutz präsentierte (der unserer Lösung sehr, sehr ähnlich sah).
[91]
Seine Fähigkeiten und seine Mitarbeit als mein Stellvertreter in der Abteilung Pr 4 wurden bald belohnt und von der Abteilung Pr 4 die Abteilung Pr 5 abgespalten: Hauptaufgabe Entwicklung der Verfahrensautomation Justiz – damals aus der Applikation ADV-Mahnverfahren entstanden.
[92]
Es war daher selbstverständlich, dass die Weiterentwicklung des ADV-Grundbuchs im Projekt Grundbuch NEU im Rahmen der Verfahrensautomation Justiz erfolgen soll. Unterstützt wurde diese Entwicklung auch durch die Tatsache, dass das Team des Bundesrechenzentrums, das um 1990 die Programme für die erfolgreiche Umstellung des Handelsregisters auf das Firmenbuch entwickelt hatte, diesem Projekt zugeteilt wurde.
[93]
Dr. Martin Schneider ist für das Projekt Grundbuch NEU, aber auch für alle anderen von ihm betreuten IT-Projekte der Justiz viel Erfolg zu wünschen.

10.

Literatur ^

Diverse Wikipedia-Eintragungen.

 

Robert Bartsch, Wiener Gerichte im Vormärz, Festschrift zum 31. Deutschen Juristentag 1912.
 

Johann Dominik Kaspar, Der angehende Amtsverwalter in seinen adeligen Richteramts-, Gerichts- politischen Amts- und Straf-Verfahren, dann in der Grundbuchsführung, Grätz 1837 – Google Books.

 

Wilhelm Brauneder, Grundbuch und Miteigentum im Tractatus de Iuribus Incorporalibus 1977 | RepÖstRG, siehe: http://repoestrg.info/wp/sekundarliteratur/brauneder-grundbuch-und-miteigentum-im-tractatus-de-iuribus-incorporalibus-1977/#T.3.

 

ALEX – Historische Österreichische Rechts- und Gesetzestext online – Suche, siehe: http://alex.onb.ac.at/cgi-content/alex-iv.pl.

 

Fritz Posch, Die Steirische Landtafel, Mitteil. d. Stm. Landesarchivs, Folge 3, 1953.

 

Elisabeth Schöggl-Ernst, Historische Bodendokumentation: Urbare, Landtafeln und Grundbücher, Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Ergänzungband 44.

 

Günther Abart, Julius Ernst, Christoph Twaroch, Der Grenzkataster, Grundlagen, Verfahren und Anwendungen, Graz 2011.

 

Offizielle Webseiten der Provinzen Bozen – Südtirol und Trient sowie der Agenzia delle Entrata.


 

Helmut Auer, Leiter der Abteilung Pr 4 im Bundesministerium für Justiz bis Ende 2004, helmut.f.auer@chello.at.

  1. 1 Pythagoreisches Zahlentripel: Die Längen der Seiten eines rechtwinkeligen Dreiecks umfassen nur natürliche (= ganze positive) Zahlen, wie z.B. 5, 12, 13 oder 15, 8, 17.
  2. 2 Declatorien und Novellen, Ferdinand III, 1640, Ee XII.
  3. 3 Z.B. wie im Grundbuch der Abtei in St. Lamprecht in Steiermark, 1494.
  4. 4 R. Bartsch, Wiener Gerichte im Vormärz, Festschrift zum 31. Deutschen Juristentag 1912.
  5. 5 L. v. Haan, Studien über Landtafelwesen, Wien 1866.
  6. 6 Siehe http://www.landesarchiv-ooe.at.
  7. 7 Damit ist das Grundbuch über die landtäflichen Liegenschaften gemeint, das wie das allgemeine Grundbuch 1871 mit dem Grundbuchsgesetz eingerichtet worden ist.
  8. 8 His/Her Majesty’s Land Register (of England and Wales).
  9. 9 Auch Parzelle, Grundparzelle genannt; umfasst jeden Teil der Erdoberfläche, daher auch Gewässer. Zur Definition von Trennstücken siehe § 1 Z. 18 Vermessungsverordnung 2010; Grundstücksteile können zwar Gegenstand von Rechtsgeschäften, aber nicht selbständiger Bestandteil eines Grundbuchskörpers sein.
  10. 10 Johann Dominik Kaspar, Der angehende Amtsverwalter in seinen adeligen Richteramts-, Gerichtspolitischen Amts- und Straf-Verfahren, dann in der Grundbuchsführung, Grätz 1837.
  11. 11 Ich war ein Jahr lang Grundbuchsrichter und habe in diesem Jahr bei einem Jahresanfall von etwa 8.000 TZ lediglich zwei Vorlageberichte, die der/die Rechtspfleger/in vorbereitet hatte, nach ordentlicher Prüfung unterschrieben.