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Helpdesk in der österreichischen Justiz

  • Authors: Beate Abler / Marion Narr
  • Category: Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: E-Justice
  • Citation: Beate Abler / Marion Narr, Helpdesk in der österreichischen Justiz, in: Jusletter IT 19 November 2015
Helpdesks stehen seit 2001 allen Mitarbeitern der österreichischen Justiz für Anfragen im Bereich der IT-Anwendungen zur Verfügung. Erreichbar unter einer Hotline oder per e-Mail. Durch Helpdesks rasche Problemlösung.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Helpdesk Allgemein 
  • 1.1. Gliederung des Helpdesks
  • 2. HelpDesk in der österreichischen Justiz
  • 2.1. Einrichtung eines Hilfesystems in der Verfahrensautomation Justiz (VJ-Helpline)
  • 2.2. Helpdesk im Sprengel des Oberlandesgerichtes Innsbruck
  • 2.3. Anfragen 2003
  • 2.4. Anfragen 2005
  • 2.5. Entwicklung
  • 3. Schlussfolgerungen
[1]
Soweit auf den folgenden Seiten dieses Artikels personenbezogene Begriffe verwendet werden, kommt ihnen keine geschlechtsspezifische Bedeutung zu. Sie sind bei der Anwendung auf bestimmte Personen in der jeweils geschlechtsspezifischen Form zu verwenden.

1.

Helpdesk Allgemein1   ^

[2]
Ein Helpdesk, Help-Desk oder User-Help-Desk ist ein Issue-Tracking-System, der vorrangig für die Unterstützung von Anwendern von Hard- und Software, aber auch für Anfragen von Kunden in anderen Dienstleistungsbetrieben zuständig ist.
[3]
Die Hilfe (Help) kann dabei über klassischen Telefonservice, aber auch mit Hilfe technischer Geräte sowie von Software (Fernwartung, Live-Support-System) erfolgen.
[4]
Die Wissensdatenbank spielt eine zentrale Rolle im Helpdesk bei der Fehleranalyse und letztlich der Lösung und Wiederherstellung der Dienstbereitschaft (Produkte und Services).

1.1.

Gliederung des Helpdesks ^

[5]
Ein Helpdesk gliedert sich in verschiedene sogenannte Level. Ein Level ist eine Gruppe von Experten, die speziell für die Tätigkeit in diesem Level zuständig ist. Insgesamt sind am Helpdesk 3 Level vorgesehen.
[6]
Der First Level ist der Erstkontakt zum Anwender. Dieser besteht zumeist aus Mitarbeitern, die zwar eine IT-Grundausbildung haben, sich jedoch auf keinen Bereich spezialisiert haben. An einigen Helpdesks wird diese Aufgabe auch durch Call-Center-Agenten übernommen. Die Anfragen gehen unter anderem per Mail, Telefon, Livechat oder Fax bei einem Mitarbeiter im First Level ein. Kann das Problem im First Level nicht gelöst werden, wird es an den Second Level weitergeleitet.
[7]
Der Second Level besteht meist aus besser geschulten und erfahreneren Mitarbeitern. Sie sind die Schnittstelle zum Third Level.
[8]
Der Third Level bearbeitet die Probleme, die weder im First noch im Second Level gelöst werden können. Beim Third Level handelt es sich nicht nur um ein Team wie bei den beiden erstgenannten Leveln, sondern dieser besteht aus mehreren Expertenteams, die sich auf ein Thema spezialisiert haben. Das können zum Beispiel Serverspezialisten, Netzwerkspezialisten oder Programmierer sein.

2.

HelpDesk in der österreichischen Justiz ^

[9]
Dr. Martin Schneider, Leiter der Abt. Pr 5 des Bundesministeriums für Justiz ist es zu verdanken, dass in der österreichischen Justiz bereits im Jahre 2001 die ersten Helpdesk eingeführt wurden.

2.1.

Einrichtung eines Hilfesystems in der Verfahrensautomation Justiz (VJ-Helpline) ^

[10]
Aufgrund des Umfangs den die Informationstechnik bereits im Jahre 2001 erreicht hatte und Dank des Weitblicks von Dr. Martin Schneider, wurden mit Erlass des Bundesministerium für Justiz vom 6. Dezember 2001, JMZ 5800/33/pr5/012, Regelungen zur Einrichtung eines Hilfesystems in der Verfahrensautomation Justiz (VJ-Helpline) getroffen.
[11]
Aufgrund der unterschiedlich ausgeprägten Infrastruktur der IT-Schulungszentren der Oberlandesgerichte wurden zunächst nur bei den IT-Schulungszentren der Oberlandesgerichte Linz und Graz Helpdesks eingerichtet.
[12]
Mit Einrichtung des Hilfesystems bot sich für jeden Mitarbeiter der Justiz die Möglichkeit für Fragen, die sich im fachlichen Bereich der Applikationen, einschließlich Textverarbeitung, Ediktsdatei, RIS und e-Mail ergeben, an einen Experten jedes Oberlandesgerichtssprengels (First Level) zu wenden. Der genannte Erlass sieht vor, dass Helpdesks in den jeweiligen Oberlandesgerichtssprengeln durch je einen Bediensteten zu besetzen sind, der gute Kenntnisse der Praxis der IT-Anwendungen der Justiz hat und bereits Erfahrungen im IT-Schulungsbereich mitbringt. Der Wissensstand dieser Mitarbeiter ist durch gezielte Schulungen, Erfahrungsaustausch unter den Helpline – Mitarbeitern und mit dem Helpdesk im Bundesrechenzentrum sowie der Applikation Verfahrensautomation Justiz (VJ) schrittweise zu erweitern.
[13]
Während der Dienstzeit muss die telefonische Erreichbarkeit zumindest eines Helpdesks per Direktwahl zu einer von jedem Anschluss im Justizressort erreichbaren Telefonnummer sichergestellt sein.
[14]
Aufgabe des Helpdesks ist es, die an ihn gerichteten Anfragen und Problembeschreibungen selbst zu beantworten oder, wenn dies nicht möglich ist, einer Lösung durch die Experten einer bundesweiten Expertenliste zuzuführen (Second Level). Die bundesweite Expertenliste, gegliedert in die einzelnen Bereiche, wird von den Schulungszentren aller vier Oberlandesgerichte gemeinsam erstellt. Somit steht bundesweit immer zumindest ein Experte aus jedem Fachgebiet zur Verfügung. Die Experten sind bevorzugt aus dem Kreis der Kurslehrer einzusetzen, die auch in der Praxis tätig sind. Diese Experten können von allen Mitarbeitern aus allen Oberlandesgerichtssprengeln auch sprengelübergreifend in Anspruch genommen werden.
[15]
Bei Fragen, die nicht im eigenen Wirkungsbereich (First und Second Level) gelöst werden können, oder wenn ein Fehler einer Applikation vermutet wird, haben die Mitarbeiter des Helpdesks, Leiter der IT-Schulungszentren und die Experten die Applikation in der Verfahrensautomation Justiz (VJ) im Bundesrechenzentrum soweit dies in ihrem Wirkungsbereich gelegen ist, ansonsten die Ansprechstelle im Bundesministerium für Justiz mittels e-mail zu befassen (Third Level).

2.2.

Helpdesk im Sprengel des Oberlandesgerichtes Innsbruck ^

[16]
Nach der erfolgreichen Einrichtung der Helpdesks in den Sprengeln der Oberlandesgerichte Linz, Graz und Wien wurde im März 2003 im Sprengel des Oberlandesgerichtes Innsbruck ein Helpdesk eingeführt. Gleichzeitig wurde eine gegenseitige Vertretung der Oberlandesgerichtssprengel Wien, Innsbruck, Linz und Graz normiert.
[17]
Wie so oft bei neuen Projekten, war bei den Mitarbeitern anfänglich eine gewisse Skepsis gegenüber dem Helpdesk spürbar. Es gab keine Erfahrungswerte, wie mit den angefragten Problemen umgegangen wird, ob diese allenfalls mit Username protokolliert und der Einzelne an den Pranger gestellt werden könnte.
[18]
Anfangs bezogen sich die Anfragen vorrangig auf die Verfahrensautomation Justiz (VJ). Wie in nachstehender Statistik verdeutlicht, war Spitzenreiter bei den Anfragen der Bereich des Exekutionsverfahren, im unteren Drittel hielten sich Anfragen zu den Anwendungen Gerichtsgebühren, Zivilverfahren, Pflegschaftsverfahren, Ediktsdatei, Bedienerkennzeichen und Intranet.

2.3.

Anfragen 2003 ^

2.4.

Anfragen 2005 ^

[19]
Wenn noch 2003 wenig bis gar keine Anfragen zu den Bereichen Straf-, Insolvenz-, Rechtsmittelverfahren, Firmenbuch, Rechtsinformationssystem (RIS), Personalinformationssystem (PIS), Kassabuchführung (KBF), elektronisches kriminalpolizeiliches Informationssystem (EKIS), N-Register, Unterhaltsvorschussregister, Host-Applikation oder Tabellenkalkulation erfolgten, änderte sich dies nach einer Einarbeitungs- und Kennenlernphase über ca 1 ½ Jahren. Die Anwender erkannten, dass ihre Anfragen auf professionelle Art und Weise sehr rasch von den Mitarbeitern des Helpdesk beantwortet werden konnten. Bereits bis zum Jahre 2005 war ein kontinuierlicher Anstieg der Anfragen zu allen Fachgebieten zu verzeichnen.
[20]
Die hohe Zahl der Anfragen zu den Bereichen Zivil-, Exekution-, Pflegschafts-, und Verlassenschaftsverfahren, im Verhältnis gesehen auch zu den Strafverfahren und Anfragen an den Hauptverband der österreichischen Sozialversicherung (HVSV), gründet einerseits auf der stetig wachsenden Zahl der Statieintragungen, andererseits auf Gesetzesänderungen. Im Pflegschaftsverfahren war zu beobachten, dass sich die Anfragen nach erfolgter Dreiteilung der Pflegschaftsakten steigerten. Umstellungen wie z.B. von Word Pro zu Open Office und teilweise zu Word führten zu einem Anstieg der Anfragen im Bereich Textverarbeitung. Auch in der Ediktsdatei ist von 2003 auf 2005 ein sprunghafter Anstieg zu verzeichnen.

2.5.

Entwicklung ^

[21]
Konfrontiert mit stetig wachsenden fachlichen Anforderungen, betrachteten bereits im Jahre 2005 die Mitarbeiter die Ansprechstelle Helpdesk als selbstverständlich. Wie unverzichtbar der Helpdesk geworden ist zeigt sich bei jedem neuen Release. Die Anspannung bei den Mitarbeitern des Helpdesk «wird es funktionieren oder nicht» ist jedes Mal groß. Wie die Erfahrungswerte aber zeigen, verfügen alle Mitarbeiter der Helpdesk über einen ausgezeichneten Wissensstand, der durch gezielten Erfahrungsaustausch unter den Helpline–Mitarbeitern sprengelübergreifend ständig erweitert wird. Insbesondere die Einführung des hybriden Rückschein, das Projekt «Grundbuch – neu», das nach wie vor sowohl für die Mitarbeiter der Helpline, als auch für die User eine große Herausforderung bleibt, die Ediktsdatei, Einführung von Windows 7 mit all seinen Tücken, fordert die Mitarbeiter der Helpdesk .
[22]
Für die Anwender stellt der Helpdesk nicht nur eine äußerst kompetente Anlaufstelle für Problemlösungen dar, sondern wird es sehr positiv angenommen, eine Ansprechstelle zu haben, bei der Fragen deponiert werden können, oder auch einfach nur erfragt werden kann, in welchen Zuständigkeitsbereich ein Problem fällt. Es werden von den Anwendern auch Fragen zur VJ–Info, der Statistikdatenbank, dem E-Mail-Programm oder auch der Neugestaltung des Intranet an den Helpdesk herangetragen.
[23]
Bemerkenswert ist, dass für rund 88% aller Anfragen bereits im First und Second Level eine Lösung gefunden wird und lediglich 12% weitergeleitet werden müssen. Dies bestätigt, dass die von Dr. Schneider initiierte Aufwertung der Mitarbeiter der Helpdesk auf A3/7 jedenfalls ihre Berechtigung hatte.

3.

Schlussfolgerungen ^

[24]
Mit Einführung der ersten Helpdesks im Jahre 2001 bewies Dr. Martin Schneider, wie bei vielen von ihm umgesetzten IT-Strategien, den richtigen Weitblick für ein Instrument, das sich hervorragend bewährt hat und im täglichen Arbeitsablauf der Justizmitarbeiter nicht mehr wegzudenken ist.

 

Dr. Beate Abler, Richterin des Oberlandesgerichtes Innsbruck, Maximilianstraße 4, 6020 Innsbruck, beate.abler@justiz.gv.at.

 

Marion Narr, VJ-Helpdesk, Oberlandesgericht Innsbruck, Maximilianstraße 4, 6020 Innsbruck, marion.narr@justiz.gv.at.

  1. 1 Quelle: Wikipedia.
  2. 2 Fundstelle: JABL.Nr 5/2002.