1.
Einleitung ^
Aber das Ganze ist nicht billig. Die Justizinformatik kostet, und zwar nicht gerade wenig. Für Österreich handelt es sich – unverändert seit einigen Jahren – um rund €35 Mill. pro Jahr.
2.
Unternehmen Justiz ^
Die österreichische Justiz bezeichnet sich selbst als Unternehmen Justiz.6 Demnach stehen den Gesamtkosten von €1.198 Mill. (2011) Einnahmen von €901 Mill. gegenüber. In der Justiz sind 11.167 Personen beschäftigt. Das IT-Budget beträgt rund €35 Mill. Der Kostendeckungsgrad ist relativ hoch; bei Nichtberücksichtigung des Strafvollzuges beträgt er sogar mehr als 100%. Dies wird gelegentlich in Studien auch kritisiert.7
3.
Empirische Methode und Begriffsdefinitionen ^
4.
Überblick über die Erlöse und Kosten der Justiz in Österreich ^
Die direkt zuordenbaren Kosten für E-Justiz in Österreich betragen rund €35 Mill. pro Jahr, d.h. Kosten für den IT-Provider Bundesrechenzentrum, Anschaffungskosten für eigene Hardware und Software sowie direkt zurechenbare Personalkosten.13
4.1.
Personalkosten ^
Die Aufteilung auf die jeweiligen Dienststellen (nur verfügbar per 1. Dezember 2011) ist folgendermaßen:
Planstellen 1. Dezember 2011 | Planstellen 1. Januar 2004 | Planstellen 1993 | |
BMJ | 217 | ||
OGH und Generalprokuratur | 119 | ||
Gerichte (außer OGH und Generalprokuratur) | 7.016 | ||
Justizanstalten | 3.609 | ||
Gesamt | 10.961 | ||
Gesamt (ohne Justizanstalten) | 6.918 | 7.103 | 7.460 |
Davon: Planstellen A (Richter + Staatsanwälte) | 2.000 | 1.970 | 1.783 |
Davon: Planstellen B + C (nicht richterliche Bedienstete, d.h. Rechtspfleger und Kanzleipersonal) | 4.918 | 5.133 | 5.677 |
Tabelle 1: Österreichische Justiz – Planstellen
4.2.
Geschäftsfälle ^
1. Oktober 2011 | 2002 | 1992 | 1982 | |
Gesamt | 3.073.737 | 3.478.713 | ||
Jv (LG) | 107.450 | 93.918 | 100.371 | |
Cg | 34.696 | 53.369 | 112.435 | |
Cga | 24.955 | 18.071 | ||
Cgs | 29.469 | 19.037 | ||
S | 3.182 | 1.820 | 1.568 | |
Sa | 132 | 226 | 565 | |
R | 26.369 | 27.385 | 22.762 | |
Ur | 28.497 | 29.959 | 33.669 | |
Hv | 26.586 | 30.049 | 37.596 | |
Bl | 2.949 | 4.029 | 4.406 | |
Jv (BG) | 186.366 | 148.722 | 133.884 | |
C alt | 0 | 0 | 314.936 | |
M | 0 | 0 | 510.609 | |
ADV-C | 0 | 0 | 0 | |
C | 764.652 | 749.380 | 774.384 | |
E (BG) | 1.153.680 | 1.437.872 | 1.283.147 | |
S, Sa | 3.729 | 0 | 0 | |
A | 85.689 | 90.482 | 100.861 | |
TZ ohne aTZ | 625.480 | 812.444 | 697.155 | |
aTZ | 71.006 | 0 | 0 | |
U | 63.585 | 110.280 | 298.415 | |
P | 35.981 | 33.124 | 52.210 |
Tabelle 2: Geschäftsfälle der österreichischen Justiz
Legende:
Jv = Justizverwaltungssachen,
Cg = Rechtsstreitigkeiten in Zivilsachen bei den Landesgerichten,
Cga = Rechtsstreitigkeiten in Arbeitsrechtssachen,
Cgs = Rechtsstreitigkeiten in Sozialrechtssachen,
S = Konkursverfahren,
Sa = Ausgleichsverfahren,
R = Rechtsmittel in Zivilsachen bei den Landes- und Bezirksgerichten,
Ur = Strafsachen beim Untersuchungsrichter / bei der Ratskammer,
Hv = Strafsachen des Vorsitzenden oder Einzelrichters,
Bl = Rechtsmittel in Strafsachen bei den Landesgerichten,
M = Mahnverfahren,
ADV-C = Rechtsstreitigkeiten in Zivilsachen bei den Bezirksgerichten,
E = Exekutionsverfahren,
A = Verlassenschaftsverfahren,
TZ = Tagebuchzahlen im Grundbuch,
aTZ = amtliche Tagebuchzahlen im Grundbuch,
U = Strafsachen bei den Bezirksgerichten,
P = Pflegschaftssachen.
Die Geschäftszahlen sind daher im Zeitraum 2003 bis 2010 um 11,6% zurückgegangen.
4.3.
Kommunikationskosten ^
Eine weitere Kostenersparnis ergibt sich bei den Kommunikationskosten. Die Portokosten konnten in den letzten 10 Jahren von €31 Mill. (2002) bzw. €34 Mill. auf €23 Mill. (2012) reduziert werden. Dies ergibt eine Kostenersparnis von etwa €8 Mill.; hier ist aber das Potenzial bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Die Poststraße ist nunmehr mit etwa €17 Mill. der größte Kostenfaktor bei den Kommunikationskosten und hat die Summe der gerichtsinternen Postversandstellen bei weitem überflügelt.
4.4.
Personalmanagementsystem ^
5.
Verlagerung von Arbeit an die Kunden der Justiz? ^
Gelegentlich werden die hohen (überhöhten) Gebühren für Grundbuchs- und Firmenbuchabfragen releviert.18 Die geringe Rückmeldequote auf den Fragebogen als auch die Fokus-Interviews lassen die Schlussfolgerung zu, dass diese Frage eher irrelevant ist. Die Gebühren fallen so oder so kaum ins Gewicht, wenn die anderen Aufwendungen, insbes. auch die Personalkosten berücksichtigt werden. Ein Ersuchen um Grundbuchauszug ist nunmehr in etwa 1–2 Minuten zu erledigen; früher waren die Wege zu Gericht, die Einschau, die Anfertigung von Kopien, deren Beglaubigung etc. reale Kostenfaktoren. Selbst bei Grundstücken vor Ort, d.h. bei Suche im Grundbuch des im gleichen Ort befindlichen Grundbuchs, war dies oft mit mehreren Stunden verbunden. Der Wechsel auf elektronische Bücher ist einfach so vorteilhaft für die Kunden, dass selbst – nach Ansicht einiger Kritiker – überhöhte Gebühren nicht ins Gewicht fallen. Es stellt sich aber die berechtigte Frage, wer diese wesentlichen Kostenvorteile bekommen soll. Der Kunde der Justiz oder auch, zumindest zum Teil, die Justiz selbst. Lösungen gibt es leider nicht dazu; die Public Sector Information-Richtlinie verweist nur auf Verhandlungen; der EuGH auf die Regelungshoheit des Mitgliedstaates. Daher dürfte es derzeit Sache der Parlamente sein, diese Frage zu beantworten. Hinsichtlich der E-Justiz in Österreich scheint ein vertretbarer Kompromiss zwischen Finanzierungsbedarf der Justiz und Weitergabe von Kostenvorteilen an die Kunden gefunden worden sein.
6.
Schlussfolgerungen ^
7.
Literatur ^
Beschluss 2009/316/JI des Rates vom 6. April 2009 zur Einrichtung des Europäischen Strafregisterinformationssystems (ECRIS) gemäß Artikel 11 des Rahmenbeschlusses 2009/315/JI, (ABl. L 93 vom 7. April 2009, S. 33) (2009).
BMF, Bundesvoranschlag 2013, Untergliederung 13 – Justiz (2012).
BMF, Kundmachung der Bundesministerin für Finanzen betreffend die Werte für den durchschnittlichen Personalaufwand, BGBl. II Nr. 85/2013 (2013).
BMJ Bundesministerium für Justiz Website: http://www.bmj.gv.at (zuletzt abgefragt am 15. November 2013) (2013).
BMJ Bundesministerium für Justiz, IT Anwendungen in der österreichischen Justiz, Information. Stand: Oktober 2012, Eigenverlag, Wien (2012).
BMJ Bundesministerium für Justiz, IT Anwendungen in der österreichischen Justiz, Information. Stand: Oktober 2008, Eigenverlag, Wien (2008).
BMJ, Das moderne Grundbuch, Schriftenreihe des Bundesministeriums für Justiz 58 (1992).
BMJ, Rationalisierung durch IT-Einsatz; Schriftenreihe des Bundesministeriums für Justiz 92 (1997).
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Council of the EU, European e-Justice action plan, Ratsdokument 15315/08 (2008).
Council of the EU, Implementation of the European e-Justice action plan – Roadmap, Ratsdokument 9714/1/10 (2010).
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e-CODEX Website: http://www.e-codex.eu/about-the-project.html (zuletzt abgefragt 15. November 2013) (2013).
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EUR-Lex Website: http://eur-lex.europa.eu (zuletzt abgefragt: 15. November 2013) (2013).
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Europäisches Mahnverfahren Website: https://e-justice.europa.eu/content_european_payment_order_forms-156-de.do (zuletzt aufgerufen 15. März 2013); zuletzt geändert durch Verordnung Nr. 936/2012 (2013).
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Verordnung (EG) Nr. 861/2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen, ABl. L 199 vom 31. Juli 2007, S. 1 (2007).
Verordnung (EU) Nr. 216/2013 über die elektronische Veröffentlichung des Amtsblatts der Europäischen Union, ABl. L 69 vom 13. März 2013, S. 1. (2013).
von Lucke, J., Geiger, C. P., Kaiser, S. Schweighofer, E., Wimmer, M.A., Auf dem Weg zu einer offenen, smarten und vernetzten Verwaltungskultur. Gemeinsame Fachtagung Verwaltungsinformatik (FTVI) und Fachtagung Rechtsinformatik (FTRI) 2012, GI-Edition Lecture Notes in Informatics, GI, Bonn 2012 (2012).
Erich Schweighofer, Leiter der Arbeitsgruppe Rechtsinformatik, Universität Wien, Rechtswissenschaftliche Fakultät, Schottenbastei 10-16/2/5, 1010 Wien, Österreich, erich.schweighofer@univie.ac.at; http://rechtsinformatik.univie.ac.at.
- 1 Vgl. zu E-Justiz in Europa: Council of the EU 2010, Council of the EU 2009, Council oft he EU 2008, Europäische Kommission 2008, Stockholmer Programm 2010, Haager Programm 2005.
- 2 Vgl. zu E-Justiz und E-Government: Gottwald 2012, Schweighofer/Hötzendorfer 2012, Schweighofer/Tschohl/Hötzendorfer/Schrems 2012, Schweighofer 2010, Schweighofer 2004, Schweighofer/Liebwald 2003, BMJ 1997, BMJ 1993.
- 3 Judge, Senior Judical Reform & IT Expert; http://www.doryreiling.com.
- 4 Vgl. zur Rechtsinformatik: Schweighofer 2013, Schweighofer/Kummer/Hötzendorfer 2013, Schweighofer/Kummer/Hötzendorfer 2012, von Lucke/Geiger/Kaiser/Schweighofer/Wimmer 2012; Zeitschrift Jusletter IT (http://www.jusletter-it.eu).
- 5 OGH 2012, EuGH 2012, Feiler/Leitner 2011.
- 6 BMJ 2012, BMJ 2010.
- 7 CEPEJ 2010.
- 8 Verordnung 1896/2006.
- 9 Verordnung 861/2007.
- 10 Vgl. die einschlägigen Websites; angeführt im Literaturverzeichnis.
- 11 Schneider et al. 2011; Website e-CODEX.
- 12 BMJ 2012, BMJ 2010, Anfragen an Thomas Gottwald, Oberstaatsanwalt (Hier darf Dank für die prompte Beantwortung ausgesprochen werden!).
- 13 Vgl. Fn. 7.
- 14 Dissertation Gottwald, 69 ff.
- 15 BGBl. II Nr. 85/2013.
- 16 Kostenansatz für LVVF0 VB-VD-Fachdienst v3; c; h1, p1 1.680 €39.123 pro Jahr.
- 17 Danke an Dieter Zoubek für dieses Beispiel.
- 18 Vgl. dazu den «Prozesscluster» Compass Verlag v. Republik Österreich., insbes. OGH 16Ok4/12, 11. Oktober 2012, EuGH C-138/11, Compass, 12. Juli 2012; zur Übersicht: Fellner/Leitner 2011.