Jusletter IT

Synergien in der IT‐Justiz

  • Authors: Christian Adorjan / Martin Hackl / Philipp Haubner
  • Category: Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: E-Justice
  • Citation: Christian Adorjan / Martin Hackl / Philipp Haubner, Synergien in der IT‐Justiz, in: Jusletter IT 19 November 2015
Die strategische Ausrichtung der Justiz und IT wurde in den vergangen Jahren nicht zuletzt durch die Verfassung einer IT-Strategie und die Etablierung von Verfahrens- und Lösungsarchitekten sichergestellt. Besonderen Stellenwert hatte dabei die systematische Nutzung von Synergiepotentialen. Eine Vielzahl von Synergiekandidaten wurde identifiziert, und durch die erfolgreiche Etablierung von Services, wie z.B. ERV, PSS, JUZU, konnte ein beachtlicher Nutzen für die Justiz erzielt werden. Um die steigende Komplexität dieser Service orientierten Architektur weiterhin beherrschen zu können wurden parallel Methoden des Architekturmanagement eingeführt. Die strategische Initiative Justiz 3.0 – die wohl umfangreichste der bisher dagewesenen Synergiestudien – soll nun den Weg in die Zukunft der Justiz-IT weisen.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Ausgangslage
  • 2. Sicherstellung einer Gesamtsicht durch Etablierung von Architekten
  • 3. Strategische Ausrichtung von Justiz und IT
  • 4. Systematische Nutzung von Synergiepotentialen
  • 5. Beispiele für erfolgreiche Synergien in der Justiz-IT
  • 5.1. Elektronischer Rechtsverkehr
  • 5.2. Justiz Poststraßenservice (PSS)
  • 5.3. Justiz Zustellservice (JUZU)
  • 5.4. Justiz Dokumenterzeugungsservice (JUDOK)
  • 5.5. Justiz Portal (JuPo)
  • 5.6. Interner Elektronischer Rechtsverkehr (iERV)
  • 5.7. Aktenverteilservice (AVS)
  • 5.8. Einlaufstellenanwendung (ElSA)
  • 5.9. Justiz Signaturservice (JuSig)
  • 5.10. Justiz Online Handbücher
  • 5.11. Justiz Textverarbeitung
  • 5.12. Weitere Beispiele
  • 6. Bedarf eines fortgeschrittenen Architektur-managements
  • 7. Ausblick und Status Quo

1.

Ausgangslage ^

[1]
Im Jahr 2005 wurde durch den Leiter der Abteilung für Rechtsinformatik, dem Jubilar, Leitender Staatsanwalt Dr. Martin Schneider, und dem damaligen Sektionschef der Präsidialsektion Dr. Wolfgang Fellner, eine Organisationsstudie in Auftrag gegeben, worin die gesamte Organisation der IT Teams für Justizapplikationen hinsichtlich Optimierungspotentiale eingehend beleuchtet werden sollte. Ziel der Untersuchung sollte sein, Synergiepotenziale für die Entwicklung, Erweiterung und Betrieb von IT Lösungen der Justiz darzustellen, die gesamtheitliche Sicht auf die IT Anforderungen und Lösungen der Justiz zu stärken sowie kürzere Umsetzungszeiten (im Sinne von Flexibilität) zu erreichen um damit mehr Leistung kostengünstiger erbringen zu können.1
[2]
Im Rahmen der durchgeführten Ist-Analyse wurden vier Handlungsfelder definiert, welche zur Erreichung der angeführten Ziele beitragen sollten:
  • Das Sicherstellen einer Gesamtsicht über Fachbereiche, Rechtsinformatik, Organisation, Geschäftsarchitektur, Lösungsarchitektur, Analyse und Entwicklung, Deployment sowie Betrieb.
  • Die strategische Ausrichtung von Justiz und IT.
  • Das systematische Identifizieren und Nutzen von Synergiepotentialen durch eine gemeinsame Architektur, Standardisierung und Mehrfachverwendung.
  • Weitere organisatorische Veränderungspotentiale in und zwischen den Organisationseinheiten des BMJ, BMF sowie BRZ.

2.

Sicherstellung einer Gesamtsicht durch Etablierung von Architekten ^

[3]

Eine der ersten Maßnahmen zur Erledigung dieser Handlungsfelder war die Etablierung von Architekten, welche durch den Jubilar selbst ausgewählt und in enger gemeinsamer Abstimmung die strategische Neuausrichtung der Justiz-IT erarbeiten und deren Etablierung vollziehen sollten. Dabei wurde zwischen zwei Rollen unterschieden:

  • Der Verfahrensarchitekt hat durch sein tiefes fachliches Know-How hinsichtlich der Spezifika des Justizbetriebs den Gesamtüberblick über Verfahren und Anforderungen der Justiz zu wahren um damit bei neuen Anforderungen frühzeitig Synergiepotentiale zu erkennen. Seine Hauptansprechpartner sind damit einerseits unterschiedliche Organisationseinheiten des BMJ, allen voran die Abteilung für Rechtsinformatik sowie Vertreter der Fachabteilungen, und andererseits auch die Organisatoren in den BRZ- und BMF-Teams der Justiz-IT.
  • Der Lösungsarchitekt soll für ein konsolidiertes Portfolio an Werkzeugen und Produkten zur Umsetzung der Justizanforderungen sorgen, die Vereinheitlichung der bereitgestellten Lösungen vorantreiben sowie die technischen Realisierungsmöglichkeiten für Synergieprodukte sicherstellen. Weiters sollen durch den Lösungsarchitekten auch einheitliche Standards für den Entwurf und die Dokumentation der Justiz Produkte entwickelt, sowie die Einhaltung dieser Standards sichergestellt werden. Seine Hauptansprechpartner stellen damit neben technischen Experten vor allem die Produktarchitekten und Analytiker der BRZ Applikations- und Infrastrukturteams dar.
Abbildung 1: Verfahrensarchitekt Abbildung 2: Lösungsarchitekt
[4]
Im zentralen Fokus beider Rollen steht darüber hinaus die Etablierung justizweiter Justiz-IT Services aktiv voranzutreiben.

3.

Strategische Ausrichtung von Justiz und IT ^

[5]

Durch den hohen Grad der Vernetzung in allen Bereichen der Justiz-IT soll jedenfalls eine Gesamtsicht auf diese sichergestellt und damit auch der notwendige Input für die Identifikation von Synergiepotentialen sowie der Definition einer Zielarchitektur gewonnen werden. Parallel zur Etablierung der Architekten in der IT Organisation arbeitete Dr. Martin Schneider an der Erstellung einer IT-Strategie, welche die Kernziele der IT an den Unternehmenszielen ausrichten sollte um damit das Fundament einer künftigen Justiz Zielarchitektur zu bilden.

Abbildung 3: Strategische Ausrichtung von Justiz und IT 

[6]
Während in vielen Bereichen der Wirtschaft die Erreichung eines Business-IT-Alignments als großes Ziel diskutierte wurde, zeigte die Rechtsinformatik Abteilung des Bundesministeriums für Justiz vor, wie dieses Ziel nicht nur diskutiert, sondern auch tatsächlich in die Tat umgesetzt werden kann.2
[7]
Dementsprechend finden sich in der aktuellen Fassung der IT Strategie3 – diese wird gegenwärtig überarbeitet – nachfolgende IT Ziele der allerhöchsten Priorität, um damit die Unternehmensziele bestmöglich zu unterstützen:
  • Zeitgemäßes Service für Justiz, Bürger und Wirtschaft
  • Beschleunigung und Vereinfachung von Verfahren
  • IT als Hebel zur stetigen Erneuerung des Justizbetriebs
  • Spezifische IT-Lösungen für alle Benutzergruppen
  • Erzielen von Einsparungen
  • Bereitstellen von Management-Information
  • IT-Unterstützung nach Kosten-Nutzenprinzip
  • Massenverfahren bevorzugt automatisieren
[8]
Gerade in Zeiten der immer kleiner werdenden Budgets hat auch die IT ihren Beitrag zu leisten. Das soll einerseits durch konsequente Wirtschaftlichkeitsüberlegungen und der Vermeidung von Redundanzen (durch Nutzung von Synergien) sichergestellt werden soll. Andererseits hat die IT daneben aber auch eine wesentliche Aufgabe als Initiator für Modernisierungen wahrzunehmen. In jedem Fall zeigt sich damit selbst heute noch der hohe Stellenwert von Synergien durch deren Verankerung in der Justiz-IT Strategie.

4.

Systematische Nutzung von Synergiepotentialen ^

[9]
Während die Architekten durch ihre Gesamtsicht auf den Justiz (IT) Betrieb Synergien im «daily business» erkennen sollten, war die Erreichung einer gemeinsamen und standardisierten Architektur auf Basis von Synergieprojekten ein wesentliches Ziel, welches die Effizienz der Justiz-IT langfristig sicherstellen sollte.

Abbildung 4: Der Weg zu einer optimierten Justiz-IT 

[10]

Die damit erwarteten Vorteile sollten rückwirkend betrachtet auch tatsächlich in dieser Form einen positiven Beitrag zur optimierten Justiz leisten:

  • Noch bessere Nutzung des Einsparungspotentials applikationsübergreifender bzw. produktübergreifender Entwicklungen
  • Zentrale Abstimmung und gleichzeitige Modernisierung eingesetzter Technologien
  • Schaffung einer Basis für eine effektivere Lösungsentwicklung durch die Entwicklung von Services hin zur Etablierung einer Service orientierten Architektur
  • Verwendung von Komponenten in mehreren Produkten und damit Sicherstellung der Wiederverwendung
  • Reduzierung der Anzahl abzudeckender Skill-Gebiete
  • Erleichterung des Einsatzes von Mitarbeitern in unterschiedlichen Projekten der Justiz und in unterschiedlichen Applikationsteams
  • Bessere Ausrichtung der IT-Lösungen auf die gemeinsamen Justizziele
  • Schaffung besserer Voraussetzungen für die Lenkbarkeit der Lösungsgestaltung
[11]

Aufgrund der Vielzahl an sogenannten Synergiekandidaten war die systematische Bearbeitung ein wesentlicher Erfolgsfaktor, welche auch heute noch entsprechend definierter Lenkungsprozesse erfolgt. Dadurch sind dem Synergielenkungsausschusses sowie der Justizkoordination als Entscheidungsgremien eine effiziente Steuerung möglich. Zusätzlich wird damit sichergestellt, dass jede Anforderung mit Synergiepotential möglichst konform zur gemeinsamen Architektur umgesetzt wird und einen Beitrag zu einer optimierten Justiz-IT liefert.

Abbildung 5: Systematische Bearbeitung von Synergiekandidaten

[12]
Ein Synergiekandidat durchläuft während seiner Bearbeitung verschiedene Zustände, abhängig davon welches Ergebnis von dem Kandidat erwartet wird. In enger Zusammenarbeit mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Justiz-IT, und nicht zuletzt durch deren unentwegten Einsatz, konnte mittlerweile bereits eine Vielzahl von Synergieprojekten und -studien erfolgreich abgewickelt werden. Nachfolgend sollen einige dieser Studien und Projekte, ohne Bedeutung ihrer Reihenfolge, vorgestellt werden.

5.

Beispiele für erfolgreiche Synergien in der Justiz-IT ^

5.1.

Elektronischer Rechtsverkehr ^

[13]
Der Elektronische Rechtsverkehr (ERV) der Justiz ist das wohl erste Service der Justiz, welches in der Applikation Verfahrensautomation Justiz entstanden, aber in weiterer Folge als Querschnittsservice allen Justizanwendungen zur Verfügung gestellt wurde, um damit der Wirtschaft, Bürgern und Partnern der Justiz eine einheitliche Kommunikationsschnittstelle zu Gerichten und Staatsanwaltschaften zu bieten. Während für Sachverständige, als spezielle Erweiterung zum ERV, im Jahr 2010 eine einfache Möglichkeit zur Einbringung von Gutachten im Wege des Internets (Dokumenteneinbringungsservice) geschaffen wurde, wurde im Jahr 2013 im Rahmen des Projekts ERV für Alle eine formularbasierte Schnittstelle des ERV im Internet für alle Bürgerinnen und Bürger zur Verfügung gestellt.

5.2.

Justiz Poststraßenservice (PSS) ^

[14]
Das Justiz Poststraßenservice (PSS) der Justiz wurde 2007 entwickelt, um die Leistungen der in der BRZ betriebenen Druckstraße in einheitlicher und standardisierter Form für alle Justizapplikationen zur Verfügung zu stellen. Im Jahr 2012 wurde dieses Service im Zuge der Umsetzung eines weiteren umfangreichen Synergieprojekts, nämlich jenes des Hybrid Rückscheinbriefs, um maßgebliche Funktionalitäten, wie einer elektronischen Schnittstelle zur österreichischen Post (zum Austausch von elektronischen Zustellnachweisen), erweitert.

5.3.

Justiz Zustellservice (JUZU) ^

[15]
Das Justiz Zustellservice (JUZU) als zentrale Drehscheibe für Zustellungen, welches neben der elektronischen Zustellung im Wege des ERV und der postalischen Zustellung im Wege des Poststraßenservices seit 2014 auch die elektronische Zustellung gem. ZustellG ermöglicht, und alle versendeten Erledigungen in einem Zustellarchiv protokolliert.

5.4.

Justiz Dokumenterzeugungsservice (JUDOK) ^

[16]
Das Justiz Dokumenterzeugungsservice (JUDOK) stellt neben einem Werkzeug zur Erstellung von Vorlagen auch deren zentrale Verwaltung zur Verfügung. Über eine standardisierte Schnittstelle ist es damit allen Justizapplikationen möglich, Dokumente befüllt mit Anwendungsdaten in unterschiedlichen Formaten erzeugen zu lassen und dem Justizmitarbeiter entweder zur weiteren Bearbeitung zur Verfügung zu stellen oder im Wege des Justiz Zustellservices zu versenden.

5.5.

Justiz Portal (JuPo) ^

[17]
Das Justiz Portal (JuPo) stellt den Justizmitarbeitern einen zentralen Zugangspunkt zu allen Justizanwendungen zur Verfügung. In der Benutzer- und Rechteverwaltung (BRV) werden die Berechtigungen aller justizinternen und -externen Mitarbeiter zentral verwaltet. Um allen Justizmitarbeitern einen komfortablen Zugriff auf die unterschiedlichen Justizanwendungen zur Verfügung zu stellen, wurde im Rahmen einer Synergiestudie ein darauf basierendes Single Sign On Konzept entworfen und in weiterer Folge in allen Anwendungen umgesetzt. Das Justiz Portal ist auch Teil des Portalverbunds und stellt damit auch den zentralen Zugangspunkt zu anderen E-Government Anwendungen dar. Im Jahr 2012 wurde ein Zugang zum Justiz Portal auch im Internet zur Verfügung gestellt, welcher Justizmitarbeitern von zu Hause einen eingeschränkten Zugang zu Justizanwendungen ermöglicht und auch Bürgern bestimmte Justiz Services (siehe ERV) zur Verfügung stellt.

5.6.

Interner Elektronischer Rechtsverkehr (iERV) ^

[18]
Der interne elektronische Rechtsverkehr (iERV) verkörpert sozusagen die kleine Schwester des ERV, und dient justizintern zum Datenaustausch zwischen Justizapplikationen, und soll damit künftig auch die Möglichkeit zur Kommunikation zwischen und innerhalb von Dienststellen der Justiz bieten.

5.7.

Aktenverteilservice (AVS) ^

[19]
Das Aktenverteilservice (AVS) wurde im Rahmen des Projekts ITOp@StA (IT-Optimierung bei den österreichischen Staatsanwaltschaften) als Synergieprojekt entwickelt und bietet auf Basis von Aktentypen eine zufällige Verteilung von Akten innerhalb einer Dienststelle unter Berücksichtigung der aktuellen Auslastung aller Entscheidungsorgane. Damit können die Geschäftsverteilungen von Gerichten und Staatsanwaltschaften im AVS abgebildet und basierend darauf neuanfallende Akten automatisiert an die zufällig ermittelten Entscheidungsorgane zugewiesen werden.

5.8.

Einlaufstellenanwendung (ElSA) ^

[20]
Die Einlaufstellenanwendung (ElSA) stellt eine Anwendung für Einlaufstellen aller Justiz Dienststellen dar, um nicht automatisch zuordenbare elektronische Eingänge oder gescannte Einlaufstücke sichten und den zuständigen Geschäftsabteilungen zuordnen zu können.

5.9.

Justiz Signaturservice (JuSig) ^

[21]
Das Justiz Signaturservice (JuSig) bietet allen Justiz Applikationen die Möglichkeit, Dokumente über eine standardisierte Schnittstelle mit einer Justiz Signatur versehen zu lassen.

5.10.

Justiz Online Handbücher ^

[22]
Die Justiz Online Handbücher bietet neben einem Redaktionssystem für die Erstellung von Handbüchern eine webbasierte Online Hilfe, welche die kontextsensitive Integration in Justiz Applikationen erlaubt. Neben der Bereitstellung eines einheitlichen Werkzeugs für Verfahrens- und Anwenderdokumentation wird damit auch die Erstellung eines anwendungsübergreifenden Handbuches ermöglicht.

5.11.

Justiz Textverarbeitung ^

[23]
Als Ergebnis einer Studie wurde 2006 entschieden, Open Office als Standardtextverarbeitung auf allen Clients der Justiz einzusetzen. Ausschlaggebender Faktor für diese Entscheidung war die Ersparnis an Lizenzen durch Nutzung von Open Source Software sowie die hohe Integrationsfähigkeit von Open Office mit Java Applikationen.

5.12.

Weitere Beispiele ^

[24]
Als weitere Beispiele im Einsatz befindlicher Justiz Services seien an dieser Stelle noch angeführt, wobei diese Liste jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt: Zugriff auf Fremdarchive gem. GOG und DAS, Datawarehouse & Statistik, Edikte, Umsetzung Corporate Design (Harmonisierung der Gebührenerledigungen), SEPA Umsetzung, Testautomatisierung, Styleguide für Justizanwendungen im Internet und im Intranet, Monitoring, Druckbarkeitsprüfung, Einbringbarkeitsprüfung, SOAP4CICS.
[25]
Komplexere Fragestellungen im Zusammenhang mit Synergiekandidaten machten immer wieder die Erstellung von Studien notwendig. Einige der Studien führte direkt zur Umsetzung der zuvor angeführten Produkte & Services (bspw. Hybrid Rückschein, Identity Management Justiz, Single Sign On, usw.), andere wiederum dienten als Basis für grundlegende Richtungsentscheidungen der Justiz-IT. An dieser Stelle sei daher noch das ein oder andere Beispiel dazu genannt.
[26]
So wurde etwa 2008 eine Studie zur Dokumentenarchivierung oder 2009 eine Entscheidungsgrundlage für die Auswahl von Middlewarekomponenten einer Service orientierten Architektur der Justiz (Enterprise Service Bus und Prozess-Engines) erstellt. Beginnend mit 2009 wurden unterschiedliche Plattformuntersuchungen durchgeführt. Im Jahr 2012 ergab eine abschließende Migrationsstudie, dass eine Konsolidierung aller Justiz Produkte (Applikationen & Services) jährliche Einsparungen in Millionenhöhe erwarten lässt. Zum Zeitpunkt der Verfassung dieses Beitrags befindet sich das daraus resultierende Migrationsprojekt in seiner finalen Phase, jedoch zeigen die Erfahrungen bereits abgeschlossener Projekte, dass die Einsparungen mit ziemlicher Sicherheit auch in der vollen erwarteten Höhe lukriert werden können.

6.

Bedarf eines fortgeschrittenen Architektur-managements ^

[27]

Nachdem jedes der zuvor angeführten Synergieprojekte für sich wohl als Erfolgsgeschichte bezeichnet werden kann, dürfen jedoch auch die damit verbundenen Konsequenzen nicht außer Acht gelassen werden.

Abbildung 6: Komplexität durch Synergien 

[28]
Die Nutzung von Services – selbst nur die bloße Wiederverwendung von Komponenten – bedarf intensiverer Abstimmung und Kommunikation aller involvierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Justiz-IT. Ein Wiederverwendungsgrad von über 2 (das bedeutet, dass ein Service von zumindest 2 anderen Anwendungen (oder Services) wiederverwendet wird), ringt zwar so manchem SOA Experten Respekt ab, bedeutet gleichzeitig auch eine maßgeblich höhere technische Komplexität in der IT Landschaft, die entsprechend zu managen ist. An dieser Stelle sei angemerkt, dass die Autoren jedenfalls davon überzeugt sind, dass die oben bereits erläuterten Vorteile von Synergieprojekten weit überwiegen. Trotzdem sei ein Teil der gewonnen Einsparungen für fortgeschrittene Methoden zum Management dieser Komplexität zu reinvestieren.
[29]
Dies lässt sich in der Regel durch eine systematische Erfassung der Unternehmensarchitektur über ein zuvor festgelegtes Metamodell erreichen. Dabei sollen diese Informationen nicht nur verwaltet, sondern auch in allen Planungs- und Konzeptionsarbeiten systematisch genutzt werden.

Abbildung 7: Metamodell der Justiz-IT Unternehmensarchitektur 

[30]

Damit kann nicht nur eine nachvollziehbare und reaktive Ausrichtung zwischen Justiz und IT umgesetzt, sondern auch die Wirkungsorientierung von Projekten effektiver gesteuert werden. Darüber hinaus lassen sich Änderungen in einem Teil der Unternehmensarchitektur rascher hinsichtlich ihrer Auswirkungen beurteilen und die strategische Planung einer Zielarchitektur systematisch erfassen.

7.

Ausblick und Status Quo ^

[31]
Als die wohl umfangreichste Synergiestudie wurde im April 2013 die strategische Initiative Justiz 3.0 gestartet, an welcher nicht nur alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Justiz-IT, sondern auch Vertreterinnen und Vertreter aus allen Bereichen der Praxis sowie der entsprechenden Fachabteilungen des Bundesministeriums für Justiz mitwirken.
[32]
Nachdem die Initiative Justiz 3.0 in einem anderen Beitrag dieser Festschrift mit ihren Grundintentionen beleuchtet wurde, sei an dieser Stelle ein kurzer Blick aus Synergiesicht darauf gelegt.
[33]
Durch die strategische Initiative Justiz 3.0 sollen aus Synergiesicht damit folgende Ziele erreicht werden:
  • Erarbeitung einer Zielarchitektur mit dem Schwerpunkt auf fachlichen Synergiepotentialen
  • Erzeugung einer entsprechenden Nachfrage an State-of-the-Art IT Unterstützung mit einhergehender Legitimation eines Quantensprungs in der IT Unterstützung durch Dokumentenmanagementsystem, Kollaboration und Workflow
  • Systematische Erfassung der Justiz Unternehmensarchitektur im Ist-, Soll- und Transformationszustand, um in weiterer Folge die durch Services (Synergien) einhergehende Komplexität besser managen zu können
[34]
In jedem Fall möchten wir die Gelegenheit nutzen, um dem Jubilar den tiefsten Dank auszusprechen! Ohne sein Vertrauen, ohne seine Visionen und vor allem ohne seinen Entscheidungsmut hätten wir wohl kein brauchbares Material für die Abfassung dieses Artikels gehabt. Was jedoch viel bedeutsamer ist, ohne den unermüdlichen Einsatz von Dr. Martin Schneider hätte die Justiz in Österreich kein «e» und wäre damit in Europa wohl auch nicht die Adresse für ein erfolgreiches «e-Justice»!
[35]
Der Jubilar selbst hat diesen kleinen aber umso bedeutungsvolleren Buchstaben «e» in seinem Beitrag zur Festschrift von Herrn Univ.-Prof. Dr. Friedrich Lachmayer mit dem Titel «e-Justice in Europa» gefordert. Und der Jubilar hat auch selbst dafür gesorgt, dass sich die österreichische Justiz stolz als «e-Justice» bezeichnen kann.

 

Christian Adorjan, IT-Verfahrensarchitekt Justiz, Bundesrechenzentrum, Hintere Zollamtsstraße 4, 1030 Wien, Österreich.

 

Martin Hackl, IT-Lösungsarchitekt Justiz, Bundesrechenzentrum, Hintere Zollamtsstraße 4, 1030 Wien, Österreich.

 

Philipp Haubner, IT-Lösungsarchitekt Justiz, Bundesrechenzentrum, Hintere Zollamtsstraße 4, 1030 Wien, Österreich.

  1. 1 BMJ, IBM, BRZ Ergebnisse der Organisationsstudie. IT Teams für Justiz-Anwendungen (2005).
  2. 2 Vgl. Grembergen W., Luftman J. Strategies for Information Technology Governance. Chapter IV - Assessing Business-IT Alignment Maturity. Idea Group Inc. 2004.
  3. 3 Schneider M. IT Strategie der österreichischen Justiz. Version 2.2. Bundesministerium für Justiz. Rechtsinformatikabteilung PR 5. 2010.