Jusletter IT

Vorwort des Herausgebers

  • Author: Thomas Gottwald
  • Category: Preface
  • Region: Austria
  • Citation: Thomas Gottwald, Vorwort des Herausgebers, in: Jusletter IT 19 November 2015
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Der sich gegenüber deutschen Umschreibungen stärker durchgesetzte Begriff e-Justice wurde erst in der jüngsten Vergangenheit vermutlich erstmals bei der Justizministerkonferenz 2000 in London geprägt. Er umfasst im Wesentlichen den elektronischen Rechtsverkehr und den elektronischen Akt in der Justiz. Die Abgrenzung zu e-Government und Verwaltung ist wichtig und soll auf die verfassungsrechtliche Sonderstellung, insbesondere von Richtern, Staatsanwälten und Diplomrechtspflegern Bedacht nehmen.
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Bereits lange vor der Verwendung des Begriffs e-Justice war die österreichische Justiz untrennbar mit dem Einsatz moderner Technologien verbunden. Die Automatisierung hat mittlerweile einen sehr hohen Grad erreicht und erfasst nahezu alle Verfahren. Eine Justiz, die neue Anforderungen auch auf diesem Gebiet nicht rechtzeitig erkennt und abdeckt, würde nicht mehr als zeitgemäß gelten und ihre Leistungen blieben bald weit hinter dem europäischen Standard zurück.
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Einer, der diese Entwicklung rechtzeitig erkannt hat, ist Leitender Staatsanwalt Dr. Martin Schneider, der am 17. Jänner 2014 sein 60. Lebensjahr vollendet. Seit mehr als dreißig Jahren steht der Jubilar in einer engen Verflechtung mit den in der österreichischen Justiz erfolgreich eingeführten Applikationen. Zum runden Geburtstag will die vorliegende Festschrift den Versuch unternehmen, den Stand von e-Justice in Österreich in einer Momentaufnahme darzustellen, nicht ohne auch auf den immer bedeutender werdenden europäischen Kontext Bezug zu nehmen.
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Die Beiträge des ersten Abschnitts stehen im unmittelbaren Wirkungskreis von Dr. Martin Schneider, der viele der dort beschriebenen Anwendungen von Beginn an begleitet und geprägt hat. Dabei wird mit den Ausführungen zur IT-Strategie und der Initiative Justiz 3.0 auch der Blick in die Zukunft gerichtet.
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Partner sind bei der Realisierung von IT-Lösungen unerlässlich – deshalb ist ihnen der zweite Abschnitt gewidmet. Hervorzuheben ist die langjährige und erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Bundesrechenzentrum, der IBM, den Rechtsanwälten und Notaren.
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Der dritte Abschnitt umreißt verschiedene Perspektiven der Rechtsinformatik und Informationstechnik. Darin wird insbesondere die Verbindung zum Zivilprozess und zum Datenschutz hergestellt.
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Der vierte und letzte Abschnitt beleuchtet den europäischen Kontext. Beiträge der Europäischen Union, des Europarates sowie von Deutschland, Frankreich, Italien, Slowenien, Ungarn und Finnland machen deutlich, dass e-Justice längst «cross border» gegangen ist.
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Mit den insgesamt von 55 Autoren geschriebenen 44 Beiträgen soll dem Leser eine informative und kurzweilige Reise durch die nationale und europäische IT-Landschaft geboten werden. Die gesamte Bandbreite der Aktivitäten des Jubilars spiegelt sich auch in diesen Beiträgen wider.
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Geboren wurde Dr. Martin Schneider 1954 in Wien. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften war er von 1975 bis 1980 Assistent am Institut für Zivilverfahrensrecht an der Universität Wien. Nach seiner zweijährigen Ausbildung zum Richter wechselte er 1982 in das Bundesministerium für Justiz und war bereits zu Beginn in der IT-Abteilung tätig. Neben der langjährigen Leitung der Rechtsinformatikabteilung und der damit verbundenen Verantwortung für die zentrale Betreuung und Koordination in Angelegenheiten der Informations- und Kommunikationstechnik ist Leitender Staatsanwalt Dr. Martin Schneider zudem stellvertretender Leiter der Präsidialsektion im Bundesministerium für Justiz und Chief Information Officer der österreichischen Justiz.
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Neben zahlreichen Publikationen von Fachartikeln fungierte Dr. Martin Schneider gemeinsam mit dem aktuellen Leiter der Präsidialsektion Dr. Josef Bosina als Mitautor der Bücher «Das neue Mahnverfahren» (1987), «Die elektronische Klage» (1990) und «Der elektronische Rechtsverkehr mit den Gerichten» (1999), all dies bereits zu einer Zeit, als der flächendeckende Einsatz von IT-Lösungen noch von nicht wenigen kritisch betrachtet und mitunter belächelt wurde. Seit über zehn Jahren lehrt Dr. Martin Schneider an der Universität Wien im juristischen Wahlfachkorb Computer und Recht. Dr. Schneider erkannte bereits früh die Bedeutung des europäischen Kontextes. Von 1997 bis 1999 stand er dem Expertenkomitee für IT und Recht des Europarates vor. Sein Wissen und seine Erfahrung lässt Dr. Martin Schneider auch seit Jahren in die Arbeitsgruppen der Europäischen Union zu e-Law & e-Justice einfließen. Die Europäische Kommission verlieh Dr. Martin Schneider dreimal den e-Government Label for Good Practice; 2001 für den elektronischen Rechtsverkehr, 2005 für die Ediktsdatei und 2007 für das Urkundenarchiv. Die IT-Lösung zum europäischen Mahnverfahren wurde 2009 als herausragendes Beispiel sogar mit dem e-Government Award prämiert. Der Europarat verlieh Dr. Schneider 2006 die Kristallwaage für die Ediktsdatei. Im Rahmen der österreichischen Ratspräsidentschaft in der ersten Jahreshälfte 2006 lud Dr. Schneider zum IT-Kongress «e-Justice & e-Law» nach Wien. Nahezu alle darauf folgenden Ratspräsidentschaften folgten diesem Beispiel und stellten e-Justice in den Mittelpunkt einer eigens dafür organisierten Konferenz.
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Dr. Martin Schneider war zeitlebens ein Vordenker, der mit Überzeugungskraft und Mut angetreten ist, um vor dem Hintergrund notwendiger Effizienzsteigerung und Kostenreduktion festgefahrene und überholte Strukturen aufzubrechen. Unterstützt wurde der Jubilar durch den strategischen Weitblick seiner Sektionsschefs Dr. Otto Oberhammer, Dr. Wolfgang Fellner und Dr. Josef Bosina und der Abteilungsleiter Dr. Helmut Auer und Dr. Peter Hubalek. Die Umsetzung von Ideen setzt zudem eine schlagkräftige IT-Organisation voraus, die im Bundesrechenzentrum aufgebaut wurde.
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Als Visionär und Gestalter wurde Dr. Martin Schneider 2004 als «Rechtsinformatiker des Jahres» ausgezeichnet. 2011 verlieh ihm der Bundespräsident das Große Silberne Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich. Der Jubilar kann stolz darauf zurückblicken, dass er für die österreichische Justiz Bleibendes geleistet hat. Ich bin darauf stolz, als einer seiner Referenten einen Teil des Weges mit ihm gegangen zu sein. In mehr als zehn Jahren habe ich Dr. Schneider als zielorientierten Vorgesetzten erlebt, dessen Fachkompetenz und menschliche Qualitäten entscheidend für die Erfolge auf dem Gebiet der Justiz-IT waren.
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Mein besonderer Dank gilt meinem Dissertationsbetreuer Univ.-Prof. Dr. Friedrich Lachmayer, der die Idee zu dieser Festschrift und zur e-Justice Konferenz «e-Communication in the Field of Justice» hatte, in deren Rahmen die Publikation übergeben wird.
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Danken möchte ich auch der Abteilungsleiterin im Bundesrechenzentrum Michaela Ruppnig, die eine langjährige berufliche Wegbegleiterin des Jubilars ist und mit ihrer Karikatur das geschickte Agieren von Dr. Martin Schneider mit e-Justice in Österreich und Europa humorvoll darstellt.
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Der Dank gilt selbstverständlich auch allen Autorinnen und Autoren, die neben ihren vielfältigen Verpflichtungen die Zeit für die Vorbereitung ihres jeweiligen Beitrags gefunden haben.
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Schließlich danke ich Franz Kummer, Simone Kaiser und Anne Helms vom Verlag Editions Weblaw, der das Erscheinen dieser Festschrift ermöglicht hat.
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Im Namen aller Autorinnen und Autoren möchte ich Dir, lieber Martin, von Herzen alles Gute, Gesundheit und Gottes Segen zu Deinem 60. Geburtstag wünschen.

Wien, im Dezember 2013

Thomas Gottwald

Karikatur von Michaela Ruppnig