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Zur Wandlung des Erscheinungsbildes des österreichischen Zivilprozesses durch seine Elektronisierung

  • Author: Walter H. Rechberger
  • Category: Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: Legal Informatics, Information Technology
  • Citation: Walter H. Rechberger, Zur Wandlung des Erscheinungsbildes des österreichischen Zivilprozesses durch seine Elektronisierung, in: Jusletter IT 19 November 2015
Der Einzug der Informationstechnologien stellte weltweit eine der wesentlichen Entwicklungs-tendenzen des Zivilprozesses am Ende des vergangenen Jahrhunderts dar. Die österr. Justiz ist zumindest in dieser Hinsicht in Europa unbestreitbar Spitze. Der österr. Zivilprozess ist heute geradezu von Elektronik geprägt, sei es bei der Einbringung eines Schriftsatzes über den elektronischen Rechtsverkehr, sei es bei der Protokollierung von Verhandlungen, sei es bei der Zustellung von Entscheidungen. Der gegenständliche Beitrag behandelt – ohne einen streng chronologischen Ansatz zu verfolgen – die Entwicklung der Elektronisierung des Zivilprozesses im Zeitablauf und gibt einen Ausblick auf mögliche künftige Veränderungen.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Einleitung
  • 2. Das elektronische Mahnverfahren
  • 3. Elektronischer Datentransfer
  • 3.1. Elektronischer Rechtsverkehr (ERV)
  • 3.2. Dokumenteneinbringungsservice (DES)
  • 4. Aktenführung und Organisation
  • 4.1. Verfahrensautomation Justiz (VJ) und elektronische Fallabfrage
  • 4.2. Elektronische Schreibgutverwaltung (ESGV) und Spracherkennung
  • 5. Moderne Informationstechnologie im Regelverfahren – Die Videokonferenz
  • 6. Conclusio

1.

Einleitung ^

[1]

Als Martin Schneider im Jahr 1980 seine Tätigkeit als Assistent am (damaligen) Institut für Zivilgerichtliches Verfahren der Universität Wien beendete, um seine Justizkarriere zu starten, bot der österr. Zivilprozess noch weitgehend das Erscheinungsbild, das die 1898 in Kraft getretene Zivilprozessordnung (ZPO) vorgegeben hatte. In den mehr als dreißig Jahren, die seither vergangen sind, hat sich daran Grundlegendes geändert, verursacht in erster Linie durch die Elektronisierung des Prozesses. Da diese aufs Engste mit dem Namen Martin Schneider verbunden ist, soll im folgenden Beitrag zu Ehren des nunmehrigen Jubilars versucht werden, die durch diese Elektronisierung herbeigeführten Veränderungen des österr. Zivilprozesses nachzuzeichnen.

2.

Das elektronische Mahnverfahren ^

[2]

Das Kernstück der Elektronisierung des österr. Zivilprozesses stellt zweifellos das elektronische Mahnverfahren dar. Die Entwicklungsgeschichte dieses Verfahrens kann nur als bemerkenswert und gleichzeitig wechselvoll bezeichnet werden: Immerhin war das Mahnverfahren in Österreich bereits durch das Mahngesetz 18731 – orientiert außer am preußischen auch am Vorbild Hannovers und Badens2 – als fakultatives Sonderverfahren eingeführt worden; die Anpassungen an das neue, 1898 in Kraft getretene, Zivilprozessrecht (Art. XXVIII EGZPO) hielten sich in Grenzen.3 Franz Klein dürfte kein großer Befürworter des Mahnverfahrens gewesen sein, weil er es nicht in die ZPO übernahm, sondern im Mahngesetz beließ. Bis zur Novellierung der Zivilprozessgesetze durch die Zivilverfahrens-Novelle (ZVN) 19834 fristete das Mahnverfahren eher ein Schattendasein. Mit dieser Novelle jedoch wurde das Mahnverfahren zum bis heute wichtigsten Instrumentarium des österr. Zivilprozesses zur Beschleunigung und Vereinfachung des Verfahrens und insb. zur Bewältigung des Massenanfalls von Zahlungsklagen.5 Die entsprechenden Bestimmungen wurden folglich in die ZPO übernommen und – hierin liegt das Spezifikum der österr. Regelung – das Mahnverfahren zu einer obligatorischen Form der Verfahrenseinleitung umgestaltet.6 Zugleich schuf die ZVN 1983 die gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Einführung der Automation des Verfahrens; in einer bis 1989 dauernden Umstellungsphase wurde die Führung des Mahnverfahrens bei den Bezirksgerichten auf automationsunterstützte Datenverarbeitung (ADV) umgestellt.7 Deren Einführung wurde zweifellos durch den Umstand erleichtert, dass es im österr. Mahnverfahren keine Urkundenvorlage gibt, und sich folglich daraus auch in den Anfängen des elektronischen Prozesses keine zusätzlichen technischen Probleme ergeben konnten.8 Mit der ZVN 20029 wurde das Mahnverfahren auf das Gerichtshofverfahren ausgeweitet. Derzeit ergeht in Österreich – bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen (§ 244 ZPO) – über alle Zahlungsklagen bis zu einem Betrag von 75.000€ im elektronischen Rechtsverkehr ein Zahlungsbefehl, der mangels rechtzeitiger Erhebung eines Einspruchs rechtskräftig und vollstreckbar wird.10

[3]

Ein Blick in die Justizstatistik belegt die Bedeutung des Mahnverfahrens:11 Im Jahr 2011 sind vor den Bezirksgerichten insgesamt 509.623 Zivilrechtssachen angefallen, von denen 433.972 Mahnklagen waren; das entspricht einem Anteil von ca. 85%. In nur 40.279 Fällen, also bei weniger als 10% der eingebrachten Mahnklagen wurde ein rechtswirksamer Einspruch erhoben, durch den ein «normaler» Zivilprozess eingeleitet wird. Umgekehrt kommt es bei mehr als 90% aller bei den Bezirksgerichten eingebrachten Mahnklagen gar nicht zu einem Prozess, weil das Verfahren mit der Zustellung des Zahlungsbefehls auch schon wieder beendet ist. Etwas anders stellt sich die Situation aufgrund der höheren Streitwerte bei den Landesgerichten dar: bei insgesamt 89.978 Zivilrechtssachen wurden 34.423 Mahnverfahren anhängig (ca. 38%), wobei in Arbeitsrechtsangelegenheiten die Einspruchsquote bei ca. 40% und bei sonstigen Zivilrechtsangelegenheiten bei ca. 35% liegt. Wie sich den vorstehenden Zahlen zwanglos entnehmen lässt, bildet das Mahnverfahren daher in Österreich heute den Regelfall der prozessualen Erledigung.12

[4]

Diese Entwicklung ist in Hinblick auf die Verfahrensdauer und die Prozesskosten durchaus erfreulich,13 zudem wird gleichzeitig – ganz im Klein’schen Sinn – im Hinblick auf die Effektivität der Rechtsdurchsetzung der Erosion der Rechtsordnung entgegenwirkt.14 Die Standardisierung des Verfahrens führt ja immerhin zur «Implementierung» von Recht, während die Alternative, nämlich der Verzicht auf die Rechtsdurchsetzung oder gar der Versuch, «sein Recht» außergerichtlich zu suchen, zur Erosion des Rechtsstaates führt. Aus der Perspektive der Rechtskultur stellt sich allerdings die Frage, ob die Gewährung von Recht nicht auch einer gewissen Form bedarf, soll sie als solche empfunden werden. Dies gibt mit Blick auf das klassische Bild des österr. Zivilverfahrens zu denken. Das Gericht tritt nämlich heute im Regelfall den Parteien nicht mehr in der Form eines Richters im Talar gegenüber, sondern quasi bloß als anonyme Behörde, die – in Gestalt des schriftlichen Zahlungsbefehls – standardisierte Texte versendet. Diese Kritik richtet sich zwar in erster Linie an die dem Mahnverfahren eigentümliche Struktur,15 wird aber durch die Einführung moderner Technologien und der damit verbundenen Automation wesentlich verstärkt, weil die Kluft zum klassischen, verhandlungsorientierten Zivilprozess damit noch größer wird.

[5]

Die elektronische Abwicklung prägt zudem – wenn auch nicht in gleichem Ausmaß – das Europäische Mahnverfahren nach der EuMahnVO16, das bekanntermaßen weitgehend dem österr. Vorbild folgt.17 Ziel der EuMahnVO ist es, grenzüberschreitende Verfahren bei unbestrittenen Geldforderungen zu vereinfachen und zu beschleunigen sowie die diesbezüglichen Verfahrenskosten zu verringern; der Europäische Zahlungsbefehl ist in allen Mitgliedstaaten (außer Dänemark) ohne weiteres Exequaturverfahren vollstreckbar (ErwGr 9, Art. 19 EuMahnVO).18 Naturgemäß tritt das durch die Verordnung geschaffene Mahnverfahren bloß als eine zusätzliche Alternative neben die im nationalen Recht vorgesehenen gerichtlichen Verfahren (ErwGr 10, Art. 1 Abs. 2 EuMahnVO); das Europäische Mahnverfahren stellt sich somit als fakultatives Verfahren dar.19 In Österreich ergibt sich daraus ein dem Kläger bzw. Antragsteller zukommendes «Wahlrecht», nach welchem Verfahren er einen Zahlungsbefehl beantragen, ob er also einen nationalen oder einen europäischen Titel erwirken möchte. 20 Einschränkungen dieses Wahlrechts stellen allerdings die im nationalen österr. Mahnverfahren vorgesehene Streitwertbeschränkung (§ 244 Abs. 1 ZPO) von 75.000€ sowie der Umstand dar, dass kein Zahlungsbefehl ergehen darf, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz im Ausland hat (Abs. 2 Z 3 leg. cit.).

[6]

Der Antrag auf Erlassung eines Europäischen Zahlungsbefehls muss zwar zwingend unter Verwendung des Formblatts A gem. Anhang I beim zuständigen Gericht eingebracht werden, kann aber jedenfalls in Papierform gestellt werden (Art. 7 Abs. 1, 5 EuMahnVO).21 Daneben stehen zur Einreichung des Antrags auch elektronische Kommunikationsmittel zu Verfügung, sofern diese im Ursprungsmitgliedstaat zulässig sind und dem Ursprungsgericht zur Verfügung stehen. Ein auf elektronischem Weg eingebrachter Antrag muss allerdings mit einer sicheren elektronischen Signatur i.S.d. Art. 2 Z 2 der SignaturRL22 versehen sein. Vom Signaturerfordernis wird gem. Art. 7 Abs. 6 EuMahnVO nur ein bei den Gerichten des Ursprungsmitgliedstaats bestehendes elektronisches Kommunikationssystem ausgenommen, das einer bestimmten Gruppe von vorab registrierten und authentifizierten Nutzern zur Verfügung steht und die sichere Identifizierung dieser Nutzer ermöglicht. Der Telos dieser Regelung besteht darin, dass eine sichere elektronische Signatur i.S.d. SignaturRL entbehrlich sein soll, wenn für die Kommunikation mit Gerichten vom jeweiligen Mitgliedstaat ein die gleiche Sicherheit wie eine elektronische Signatur bietender Weg der elektronischen Übermittlung zur Verfügung gestellt wird.23 Diesem Kriterium entspricht der 1990 in Österreich erfolgreich etablierte elektronische Rechtsverkehr (ERV), weil dieser die Authentifikation der Teilnehmer voraussetzt und darüber hinaus die Authentizität der Kommunikation gewährleistet.24

[7]

In Österreich erfolgt die Durchführung des Europäischen Mahnverfahrens unter Rückgriff auf die Verfahrensautomation Justiz, also letztlich in elektronischer Weise.25 Da die EuMahnVO die Elektronisierung des Mahnverfahrens den nationalen Recht zur Disposition stellt (Art. 7 Abs. 5 und 6 EuMahnVO), kann sich die Situation in anderen Mitgliedstaaten freilich anders darbieten.26 Selbst wenn das Europäische Mahnverfahren elektronisch durchgeführt wird, muss dies nicht für die Verfahrenseinleitung gelten, weil hier weiterhin der Papierantrag zugelassen wird (Abs. 5 leg. cit.). Im nationalen österr. Mahnverfahren erfolgt grundsätzlich auch die Einleitung des Verfahrens in elektronischer Form, nicht zuletzt aufgrund der in § 89c Abs. 5 GOG normierten verpflichtenden Teilnahme der berufsmäßigen Parteienvertreter (Rechtsanwälte, Notare) am ERV.27 Als Zwischenfazit ist festzuhalten, dass das österr. Mahnverfahren in Anbetracht seiner Elektronisierung dem europäischen voraus ist und daher in dieser Hinsicht wiederum eine Vorbildstellung einnimmt.

3.

Elektronischer Datentransfer ^

[8]
Der Elektronische Rechtsverkehr (ERV), worunter die elektronische Kommunikation zwischen Gericht(en) und Staatsanwaltschaft(en) einerseits und Parteien bzw. deren Vertreter anderseits in Form strukturierter Datenübermittlung verstanden wird, wurde – wie erwähnt – 1990 für die Übermittlung von Mahnklagen eingeführt, seither aber schrittweise entscheidend ausgeweitet. Der ERV ersetzt die Kommunikation auf Papier und ist folglich dieser gleichzuhalten.28 Hierbei gibt es heute mehrere Ausformungen, nämlich neben dem WebERV insb. das Dokumenteneinbringungsservice für Sachverständige und Dolmetscher (DES).

3.1.

Elektronischer Rechtsverkehr (ERV) ^

[9]

Die Übermittlung von Daten erfolgt im ERV in einem eigens zu diesem Zweck entwickelten geschlossenen System. Dieses ermöglicht es, dass Teilnehmer im sog. «Hinverkehr» Eingaben an das Gericht elektronisch übermitteln; gerichtliche Erledigungen den Teilnehmern im Wege des sog. «Rückverkehrs» elektronisch zugestellt werden;29 auch Teilnehmer untereinander in der Lage sind sich gegenseitig elektronische Dokumente zu übermitteln.30 Die elektronische Zustellung durch Gerichte ist ausschließlich dem «Rückverkehr» im Rahmen des ERV vorbehalten. Zwar ergibt sich aus § 87 ZPO i.V.m. § 89a Abs. 3 GOG, dass Zustellungen (soweit in der ZPO nicht anders angeordnet) primär im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs (§§ 89a ff. GOG) vorzunehmen sind und allenfalls gem. § 89a Abs. 3 GOG subsidiär die Möglichkeit der Zustellung über elektronische Zustelldienste (§§ 28 ff. ZustG) besteht. Diese letztere wird jedoch bei gerichtlichen (elektronischen) Zustellungen nicht schlagend, weil § 28 Abs. 2 ZustG expressis verbis anordnet, dass sich die elektronische Zustellung der Gerichte allein nach den §§ 89a ff. GOG richtet.31 Die Zustellarten sind in Österreich somit nicht gleichwertig, sondern unterliegen einer Rangordnung: erst wenn eine Zustellung mittels ERV nicht in Betracht kommt, kann eine physische Zustellung angeordnet werden.

[10]
Einer ergänzenden Erläuterung bedarf an dieser Stelle der sog. «hybride» Rückschein(brief), der insoweit eine gewisse Sonderstellung einnimmt, als er physische und elektronische Zustellaspekte miteinander verbindet. Die Rechtsgrundlage für diese Art der Übermittlung des Zustellnachweises wurde durch das Verwaltungsverfahrens- und Zustellrechtsänderungsgesetz 200732 in § 22 Abs. 3 ZustG geschaffen; da die Regelung somit im 2. Abschnitt des ZustG zu finden ist, gehört sie systematisch zur physischen Zustellung. Nach dieser Bestimmung kann an die Stelle der physischen Übersendung des Zustellnachweises die elektronische Übermittlung einer Kopie des Zustellnachweises oder der sich daraus ergebenden Daten treten, wenn die Behörde dies nicht durch einen entsprechenden Vermerk auf dem Zustellnachweis ausgeschlossen hat. Es handelt sich somit – vereinfacht gesprochen – um einen elektronisch übermittelten Rückschein.33 Technisch betrachtet wird dabei der Zustellnachweis nicht mehr durch die Geschäftsstelle vorbereitet, sondern unmittelbar von der Post auf Basis der von der Behörde übermittelten Avisodaten erstellt. Da die Zustellung physisch erfolgt, wird der eigentliche Zustellvorgang auf der Zustellkarte (Zustellnachweis) festgehalten. Die Informationen zum Zustellstatus (Daten aus dem Zustellnachweis über eine erfolgte oder verhinderte Zustellung) und der Zustellnachweis selbst – die Zustellkarte wird eingescannt und als PDF an die Behörde gesendet – werden von der Post elektronisch an die Behörde übermittelt.34 Wesentlich ist dabei, dass die elektronische Übermittlung des (physisch vorhandenen) Zustellnachweises der Verständigung des Absenders im ERV oder aber auch im Rahmen der elektronischen Zustellung nach dem 3. Abschnitt des ZustG nicht gleich gehalten werden kann. Den aus einer solchen Kommunikation resultierenden Sicherheitsproblemen muss auf andere Weise, zum Beispiel durch Verwendung einer Signatur, Rechnung getragen werden.35 Die erläuterten Aspekte zeigen, dass die durch den Gesetzgeber vorgenommene Einordnung des «hybriden» Rückscheins als Spezialfall der physischen Zustellung, nämlich als Ersatz der physischen Übermittlung des Zustellnachweises, nicht zu beanstanden ist.
[11]
Der ERV ermöglicht es technisch, Schriftsätze bei Gericht jederzeit einzubringen sowie gerichtliche Erledigungen zu jeder Zeit zuzustellen, so dass theoretisch auch elektronische Einbringungen bzw. Zustellungen um 23:59 Uhr denkbar sind. Der Gesetzgeber hat deshalb besonderes Augenmerk auf die exakte Bestimmung des Einbringungs- bzw. Zustellungszeitpunktes gelegt. Für elektronische Eingaben ist der Einbringungszeitpunkt in § 89d Abs. 1 GOG geregelt, demzufolge Eingaben grundsätzlich als bei Gericht angebracht gelten, wenn ihre Daten zur Gänze bei der Bundesrechenzentrum GmbH eingelangt sind; S. 2 leg. cit. GOG spezifiziert allerdings im Hinblick auf die in § 3 Abs. 1 ERV 2006 normierte Pflicht, elektronische Eingaben über eine Übermittlungsstelle zu leiten, dahingehend weiter, dass die Eingaben bereits mit demjenigen Zeitpunkt als bei Gericht angebracht gelten, an dem die Übermittlungsstelle dem Einbringer die Übernahme der Eingabedaten zur Weiterleitung an die Bundesrechenzentrum GmbH rückmeldet, sofern die Daten auf diesem Weg auch tatsächlich bei der Bundesrechenzentrum GmbH zur Gänze einlangen.
[12]

Der Zustellzeitpunkt wird in § 89d Abs. 2 GOG näher bestimmt. Die Zustellung mittels ERV gilt hier seit der Novellierung 201236 nicht schon mit dem Einlangen in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers als bewirkt, sondern es ist jeweils der auf das Einlangen in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers folgende Werktag, wobei Samstage nicht als Werktage gelten, als Zustellungszeitpunkt anzusehen. (Technischer) Hintergrund ist, dass die elektronischen Zustellungen aus Kapazitätsgründen nicht mehr wie zuvor nur einmal täglich gebündelt (und zwar erst kurz nach Mitternacht), sondern entsprechend dem E-Mail-Verkehr sogleich erfolgen sollen.37 Nach dem Willen des historischen Gesetzgebers sollte durch diese Anpassung der Zustellungsregelung die andernfalls eintretende Verschlechterung – ein an einen ERV-Teilnehmer (beispielsweise einen berufliche Parteienvertreter) knapp vor Mitternacht im ERV zugestelltes Geschäftsstück wäre sonst als mit diesem Zeitpunkt in dessen elektronischen Verfügungsbereich gelangt und damit als zugestellt anzusehen – hintangehalten werden.38 Der Gesetzgeber hat also mit der Gesetzesänderung den Versuch unternommen, eine Benachteiligung von Teilnehmern am ERV zu verhindern. Allerdings geht diese Neuregelung über einen bloßen Ausgleich einer Benachteiligung hinaus und führt sogar zu einer Bevorzugung dieser Personen (man denke an eine Zustellung um 00:01 Uhr). Dieses Beispiel demonstriert recht anschaulich, wie schwierig es für den modernen Gesetzgeber ist, die Verwendung moderner Technologien unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes mit konventionellen Methoden in Einklang zu bringen.39

[13]

Auch der Kreis der Teilnehmer am ERV hat eine gewisse Entwicklung durchlaufen, die durch eine stete Erweiterung bzw. Intensivierung der Teilnahme geprägt war bzw. ist. Während nach § 89a Abs. 1 i.d.F. Erweiterte Wertgrenzen-Novelle 198940 ursprünglich nur Rechtsanwälte, Notare und Organe, die befugt sind, eine Gebietskörperschaft bei Gericht zu vertreten, Eingaben elektronisch anbringen konnten, wurde zugleich mit dem 1. Juli 1994 jener Zeitpunkt normativ determiniert, ab welchem die – gleichzeitig beschlossene – Erweiterung des zur Teilnahme am ERV berechtigten Personenkreises in Kraft treten werde. Folglich waren seit dem 1. Juli 1994 auch Körperschaften des öffentlichen Rechts und Rechtsträger, welche einer behördlichen Wirtschaftsaufsicht unterliegen, berechtigt am ERV teilzunehmen. Dem historischen Gesetzgeber zufolge waren allerdings unter den zuletzt genannten «Rechtsträgern» ausschließlich Banken und Versicherungen zu verstehen.41 Seit Inkrafttreten der durch das Budgetbegleitgesetz 200042 novellierten Fassung des § 89a Abs. 1 GOG am 1. Juni 2000 kann in Österreich jedermann am ERV teilnehmen. Es bedarf lediglich eines Vertragsverhältnisses mit einer der sechs vom Bundesministerium für Justiz (BMJ) zugelassenen Übermittlungsstellen und einer geeigneten Software.43 Der für die Teilnahme erforderliche «Anschriftcode» wird für Rechtsanwälte, Notare, Wirtschaftstreuhänder und Ziviltechniker von der zuständigen Kammer und für sonstige Nutzer vom BMJ vergeben.44 In erster Linie ist der ERV jedoch naturgemäß für Unternehmen und Personen gedacht, die immer wieder Eingaben an die Gerichte senden.45

[14]

Die Verpflichtung zur Teilnahme am ERV wurde erstmals mit dem BRÄG 200646 eingeführt; demzufolge müssen Rechtsanwälte und Notare seit 1. Juli 2007 Eingaben, welche elektronisch eingebracht werden dürfen, nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten im ERV einbringen (§ 89c Abs. 5 GOG i.d.F. BRÄG 2006). Diese Bestimmung wurde allein durch § 11 Abs. 1a ERV 2006 eingeschränkt, der die Einbringung von Eingaben außerhalb des ERV nur für den Einzelfall der konkret fehlenden technischen Möglichkeiten vorsieht. Das Vorliegen dieser Einschränkung ist zudem vom einbringenden Rechtsanwalt oder Notar glaubhaft zu machen. Diese Verpflichtung wurde vom Umfang her mit dem BRÄG 200847 auf im Original vorzulegende Beilagen im Grundbuchs- oder Firmenbuchverfahren erweitert.48 Die letzten Novellen haben in weiterer Folge den Kreis der zur Teilnahme am ERV verpflichteten Personen schrittweise weitergezogen: Das mit 1. Oktober 2011 in Kraft getretene Budgetbegleitgesetz 201149 normiert für Kredit- und Finanzinstitute (i.S.v. § 1 Abs. 1 und 2 BWG) sowie inländische Versicherungsunternehmen (i.S.v. § 1 Abs. 1 VAG) die Pflicht nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten «Eingaben und im Original vorzulegende Beilagen im Grundbuchs- oder Firmenbuchverfahren» mittels ERV einzubringen. Die jüngste Novellierung50 des § 89c GOG hat (abgesehen von einer sprachlichen Neufassung der bisherigen Regelung: Abs. 5 Z 1–4 leg. cit.) den Kreis der zur Teilnahme am ERV Verpflichteten auf Sozialversicherungsträger (Z 5 leg. cit.), Pensionsinstitute, die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse, die Pharmazeutische Gehaltskasse, den Insolvenz-Entgelt-Fonds und die IEF-Service GmbH (Z 6 leg. cit.) sowie den Hauptverband der österr. Sozialversicherungsträger (Z 7 leg. cit.) erstreckt.51 Die zuletzt genannten Rechtspersonen werden mit dem Inkrafttreten des § 89c Abs. 5 Z 5 bis 7 am 1. Januar 2014 nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr verpflichtet sein.

[15]
Gleichzeitig wurde mit der zuletzt angesprochenen Novelle zum GOG die Verpflichtung zur Teilnahme am ERV mit einer entsprechenden Konsequenz untermauert: Die Regelung des § 89c Abs. 5 GOG i.d.F. vor BGBl I 2012/26 i.V.m. § 11 Abs. 1a ERV 2006 wurde nämlich vom OGH als eine reine Ordnungsvorschrift aufgefasst, deren Verletzung keinen Grund für die Zurückweisung der Eingabe bzw. im Grundbuchsverfahren für die Abweisung eines Eintragungsgesuchs darstellte.52 Die Qualifikation der nicht auf elektronischem Weg eingebrachten Eingabe als die geschäftsordnungsgemäße Behandlung hindernder Formmangel lehnte das Höchstgericht ab; die Verletzung bzw. Missachtung der Pflicht zur Teilnahme am ERV blieb damit verfahrensrechtlich folgenlos.53 Mit der Novelle BGBl I 2012/26 ordnet der Gesetzgeber nunmehr in § 89c Abs. 6 GOG expressis verbis an, dass ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Teilnahme am ERV (Abs. 5 leg. cit.) wie ein Formmangel zu behandeln ist.54 Die zur Teilnahme am ERV verpflichteten Personen sollen – so die Mat. erläuternd – «in Hinkunft den elektronischen Rechtsverkehr zwingend verwenden müssen. Der zwingende Charakter dieser Vorschrift soll dadurch klargestellt werden»55. Ein Verstoß gegen die verpflichtende Einbringung mittels ERV führt somit zu einem Verbesserungsverfahren und kann letztlich bei Ausbleiben der Verbesserung zur Zurückweisung der Eingabe führen.56
[16]
Die Verpflichtung zur Teilnahme am ERV wird damit – so die jüngste Entwicklung – auch durch entsprechende (verfahrensrechtliche) Sanktionen durchgesetzt.57 Die Tendenz des Gesetzgebers scheint letztlich dahin zu gehen, dass alle diejenigen, die als regelmäßige Nutzer des ERV in Betracht kommen, auch dazu verpflichtet sein sollen, den elektronischen Rechtsverkehr tatsächlich zu nutzen. Dahinter steht die kaum kritisierbare Überlegung, dass sich nur auf diese Weise die viel beschworenen Vorteile des ERV, allen voran das Kosteneinsparungspotential,58 realisieren lassen.

3.2.

Dokumenteneinbringungsservice (DES) ^

[17]

Das Bundesministerium für Justiz hat durch die Einrichtung des sog. Dokumenteneinbringungsservice den elektronischen Rechtsverkehr um eine weitere Facette erweitert, indem Sachverständigen und Dolmetschern die Möglichkeit eröffnet wurde, Gutachten bzw. Übersetzungen elektronisch an die Justiz zu übermitteln.59 Ausgangspunkt für die Einrichtung dieser Anwendung war die seit der EO-Novelle 200060 für Sachverständige bestehende Verpflichtung eine Kurzfassung des Gutachtens zur Liegenschaftsbewertung elektronisch an das Gericht zu übermitteln. Diese Verpflichtung wurde durch die EO-Novelle 200561 aufgrund der nunmehr vorhandenen technischen Möglichkeiten insoweit erweitert, als § 141 Abs. 4 EO vorsieht, dass der Sachverständige dem Gericht nicht nur die Kurzfassung des Gutachtens, sondern auch das Gutachten selbst in elektronischer Form zur Verfügung zu stellen hat, welches auch – gewissermaßen als Teil des Mindestinhalts – einen Lageplan und bei Gebäuden einen Grundriss sowie zumindest ein Bild zu enthalten hat.62 Diese Dokumente werden dann in die Ediktsdatei (www.edikte.justiz.gv.at) gestellt und können von Interessenten jederzeit und einfach eingesehen werden.63 Das DES hat die Möglichkeit zur elektronischen Übermittlung auf sämtliche Gutachten bzw. Übersetzungen von Sachverständigen und Dolmetschern ausgedehnt64 und lässt sich somit als Fortentwicklung des für Liegenschaftsbewertung bereits bestehenden Zugangs bezeichnen.65 Die Website des DES (www.des.justiz.gv.at) ging mit 1. Oktober 2010 online; die Rechtsgrundlage für die Nutzung dieser Anwendung wurde seitens des BMJ durch die im Zuge der Novellierung der ERV 200666 eingefügte Bestimmung des § 1 Abs. 1b leg. cit. nachgeschoben, in der schlicht ausgeführt wird, dass Sachverständige und Dolmetscher ihre Gutachten bzw. Übersetzungen über die Website elektronisch einbringen können. Unstrittig ist, dass die durch das DES eingerichtete Übertragungsform die Übersendung des Gutachtens in Papierform ersetzt.67 Eine Verpflichtung zur Nutzung des DES besteht, wie sich dem Wortlaut des Gesetzes zwanglos entnehmen lässt (arg. «können»), derzeit aber nicht.

[18]
In technischer Hinsicht weist die Inanspruchnahme des DES einige Spezifika auf.68 Zunächst muss der Sachverständige bzw. Dolmetscher die Berechtigung zur Nutzung des DES erlangen. Dies setzt eine Eintragung beim listenführenden Landesgericht sowie eine Smartcard samt elektronischem Zertifikat voraus; zusätzlich sind auch ein Kartenlesegerät und ein Internetzugang am PC erforderlich. Die zu sendenden Dokumente (Gutachten, Übersetzungen) müssen vom Anwender entsprechend vorbereitet werden, da nur Dateien im pdf-Format mit einem Gesamtvolumen von maximal 10 MB eingebracht werden können.69 Die eigentliche Übermittlung erfolgt – vereinfacht gesprochen – durch Upload auf einen Server des Bundes-rechenzentrums; anschließend wird die entsprechende Datei in das elektronische Gerichtsregister «Verfahrensautomation Justiz» übertragen. Das Gutachten bzw. die Übersetzung selbst muss nicht signiert werden.70
[19]
Anhand der vorstehend erläuterten technischen Merkmale lässt sich nun das DES dergestalt qualifizieren, dass die Einbringung von Dokumenten in elektronischer Form über das DES zwar elektronischer Rechtsverkehr, aber nicht Teil des (web)ERV ieS ist. Die Zugehörigkeit des DES zum elektronischen Rechtsverkehr ergibt sich zwanglos aus der systematischen Einordnung der rechtlichen Basis in die ERV 2006 sowie der Überschrift zu § 1 leg. cit. (arg. «Zulässigkeit des elektronischen Rechtsverkehrs»). Die Abgrenzung von DES und (web)ERV i.e.S. erfolgt letztlich über die konkrete technische Ausgestaltung der Datenübermittlung und die daran anknüpfende Differenzierung. Während sich der Anwender des (web)ERV i.e.S. für elektronische Eingaben einer Übermittlungsstelle i.S.v. § 3 Abs. 1 ERV 2006 zu bedienen hat, handelt es sich beim DES um Direktverkehr i.S.v. Abs. 2 leg. cit., weil die Eingaben unmittelbar an die Bundesrechenzentrum GmbH zu übermitteln sind. Somit handelt es sich beim DES um eine eigene, parallel zum (web)ERV i.e.S. verlaufende,71 Schiene für Sachverständige und Dolmetscher innerhalb des elektronischen Rechtsverkehrs.
[20]

Die Entwicklungsperspektive des DES geht wohl dahin, die zur Zeit freiwillige Teilnahme an diesem System – unter Umständen schrittweise – zu einer verpflichtenden auszubauen. Diese Entwicklungsprognose überrascht insoweit wenig, als bereits im März 2010 seitens des BMJ (insb. vom Leiter der Abteilung Rechtsinformatik Martin Schneider) langfristig «an eine Verpflichtung zur elektronischen Einbringung von Gutachten [gedacht wurde], wobei aber Ausnahmen etwa für selten beschäftigte Sachverständige»72 vollstellbar erschienen. Die derzeitige Freiwilligkeit der Nutzung des DES ist daher eher Kennzeichen einer Einführungs- bzw. Übergangsphase. Wie schnell sich die Entwicklung zu einer obligatorischen Nutzung des DES durch Sachverständige und Dolmetscher vollziehen wird, ist aus heutiger Sicht nicht absehbar. In Anbetracht der Vorteile dieser Art der Dokumentenübermittlung – in erster Linie sind hier Kostenreduktion und Zeitersparnis zu nennen73 – kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich diese Entwicklung rasch vollziehen wird.

4.

Aktenführung und Organisation ^

[21]
Parallel zur steten Erweiterung des elektronischen Datentransfers haben sich auch in der internen Gerichtspraxis Zahl und Ausmaß der Anwendungen von Mitteln der Informationstechnologie erheblich ausgedehnt. Im Folgenden sollen punktuell einzelne dieser Anwendungen näher dargestellt werden.

4.1.

Verfahrensautomation Justiz (VJ) und elektronische Fallabfrage ^

[22]
Die Verfahrensautomation Justiz (VJ) stellt ein System dar, dass die Registerführung in mehr als 50 verschiedenen Verfahren bei sämtlichen Gerichten und Staatsanwaltschaften unterstützt. Dadurch können bestimmte Verfahren, wie beispielsweise das Mahnverfahren, vollkommen automatisch abgewickelt werden, während in anderen zwar die gerichtlichen Erledigungen automatisch erstellt, diese jedoch letztlich über die (zentrale) Poststraße ausgefertigt werden müssen. Zu den spezifischen Funktionen der VJ zählen: die Fallverwaltung; die automatische Poststraße im Bundesrechenzentrum; Statistiken (Leistungskennzahlen); die bargeldlose Einziehung von Gerichtsgebühren; die österreichweite Namensabfrage; die Integrierte Textverarbeitung (Textbausteinsystem); die Sozialversicherungsanfrage i.S.v. § 294a EO zur Ermittlung des Drittschuldners, insb. des Arbeitgebers bei der Gehaltsexekution; Anbindung an den Elektronischen Rechtsverkehr; Schnittstelle zur Ediktsdatei; die externe elektronische Fallabfrage bzw. Akteneinsicht; die Onlinehilfe.74 Die VJ trägt maßgeblich zur schnellen Abwicklung des Mahnverfahrens bei. Darüber hinaus schafft diese die Voraussetzung, dass Verfahrensdaten aus der Übermittlung per ERV oder durch das DES automatisch in dieses System übernommen werden können. Letztlich stellt die VJ mit ihrer Möglichkeit zur zentralen Speicherung von Eingaben und Erledigungen einen großen Schritt auf dem Weg in Richtung des elektronischen Gerichtsakts dar.75
[23]
Eine Funktion der VJ, die aus zivilprozessualer Sicht besonders erwähnenswert erscheint, stellt die elektronische Fallabfrage bzw. Akteneinsicht nach § 89i Abs. 2 GOG (eingeführt mit der ZVN 200476) dar. Dabei handelt es sich um den externen elektronischen Zugriff auf die in der VJ gespeicherten Daten durch Parteien und ihre Vertreter sowie für Gerichtskommissäre in Verlassenschaftssachen.77 § 89i Abs. 2 GOG statuiert zunächst das Recht auf elektronische Einsicht in sämtliche die Sache der (Verfahrens-)Partei betreffende Daten, um dann gleichzeitig eine Reihe von einschränkenden Tatbestandsmerkmalen aufzustellen. So kann die elektronische Akteneinsicht nur in jene Dokumente gewährt werden, die der Partei gem. § 219 ZPO zugänglich sind. Durch diese Verweisung wird klargestellt, dass der Umfang der elektronischen Akteneinsicht höchstens bis zu jenem der physischen reichen kann.78 Die elektronische Fallabfrage unterliegt des Weiteren den – technische Gegebenheiten betreffenden und damit nahe liegenden – Restriktionen, dass elektronische Einsicht nur in Dokumente besteht, die in der VJ gespeichert sind, und ausschließlich nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten sowie unter Bedachtnahme auf eine einfache und sparsame Verwaltung und eine ausreichende Sicherung vor Missbrauch durch dritte Personen zu gewähren ist.
[24]
Die Intention des Gesetzgebers ging dahin, die Ausübung des Rechts auf Akteneinsicht auch online zu ermöglichen.79 Die Problematik der elektronischen Akteneinsicht besteht allerdings darin, dass die Gerichtsakten selbst derzeit noch in Papierform geführt werden und sich folglich die Einsichtsmöglichkeit im Wesentlichen auf die zum Akt gehörigen Registereintragungen und sonstigen Geschäftsbehelfe beschränkt. Diesbezüglich klingt auch in den Mat. eine gewisse Skepsis an, wenn dort ausgeführt wird: «Da die Registereintragungen aus dem zugehörigen Akt abgeleitet werden, somit nichts Neues oder Anderes zu erfahren ist, liegt der bedeutende Informationsgewinn dieser Maßnahme in der Kombination mit der Möglichkeit einer elektronischen online-Abfrage, welche die schnellere und bessere Verfügbarkeit jener Daten sicherstellt, die sich nun aus der Verfahrensautomation Justiz entnehmen»80. Der Nutzen der elektronischen Fallabfrage besteht somit bei richtiger Betrachtung weniger in einem Informationsgewinn, sondern vielmehr in der erleichterten Informationsgewinnung. Hinzu kommt nämlich, dass die Abfrage nicht an die Zeiten des Parteienverkehrs bei den Gerichten gebunden ist, also also rund um die Uhr zur Verfügung steht, und auch keine Telefonwarte(schleifen)zeiten mehr entstehen können.81
[25]
Darüber hinaus unterliegt die elektronische Akteneinsicht zwar der Gebührenpflicht, allerdings hat der Gesetzgeber durch das Budgetbegleitgesetz 200782 das Gebührenausmaß von einem Euro betragsmäßig abgesenkt; nach § 6a Abs. 1 GGG läuft derzeit pro Abfrage eine Justizverwaltungsgebühr i.H.v. 20 Cent auf.83 Mit dieser Novelle wurden folglich die in der Justiz erzielten Kostenvorteile an den Rechtsanwender weitergegeben. Diese seltene Vorgangsweise wurde freilich nicht ganz uneigennützig gewählt, soll dadurch doch eine stärkere Nutzung der elektronischen Fallabfrage erreicht werden.84 Aus der Perspektive der Rechtsanwender dürfte der Kostenvorteil im Vergleich mit der physischen Akteneinsicht allerdings insgesamt, so er überhaupt vorhanden ist, aufgrund der von den Dienstanbietern zusätzlich verrechneten Entgelte (einmalige Einrichtungskosten, Dienstleistungsaufschläge, etc.)85 marginal sein.86 Zu ergänzen ist noch, dass der Gesetzgeber die Norm des § 89i Abs. 2 GOG bewusst offen formuliert hat, um auf diese Weise künftige weitere Entwicklungen, wie etwa den elektronische Gerichtsakt, abdecken zu können.87

4.2.

Elektronische Schreibgutverwaltung (ESGV) und Spracherkennung ^

[26]
Ausgangspunkt der Elektronisierung von Schreibdiensten war 2006 eine Planstellenkürzung im Justizressort, von der gerade die besonderen Schreibdienste betroffen waren.88 Um daraus resultierenden Verfahrensverzögerungen entgegenzuwirken, wurde die Möglichkeit eines Auslastungsausgleichs zwischen den einzelnen bei den Gerichten eingesetzten Schreibstellen geschaffen. Digital aufgenommene Diktate, insb. von Tagsatzungsprotokollen, können elektronisch via Datenleitung an andere Justizdienststellen übermittelt werden, deren Schreibdienste gerade über entsprechende Kapazitäten verfügen. Ebenso können in Karenz befindliche Mitarbeiter auf freiwilliger Basis zur Bearbeitung der Diktate herangezogen werden. Eine vergleichbare Telearbeit wird aber auch vollbeschäftigten und vorübergehend teilzeitbeschäftigten Justizmitarbeitern gewährt.89 Die Diktate werden heute im Schnitt binnen 18 Stunden übertragen, von den Heimschreibkräften wurden im März 2011 mehr als 41.500 Seiten geschrieben.90
[27]
Die elektronische Schreibgutverwaltung wird von Clearingstellen bei den vier Oberlandesgerichten beaufsichtigt. Diktate, die bei einem Bezirksgericht nicht in vertretbarer Zeit geschrieben werden können, werden in eine Datenbank gestellt und automatisch in den Pool des beim übergeordneten Landesgericht eingerichteten Schreibdienstes übertragen. Sofern dort die Diktate nicht binnen 48 Stunden geschrieben werden, werden diese automatisch in den Pool der jeweiligen Clearingstelle weitergeleitet. Durch diese Systematisierung, insb. des Ausgleichs bei vorübergehender Überlastung einzelner Stellen, kommt es praktisch zu keinen Verfahrensverzögerungen mehr, für die der Schreibdienst verantwortlich wäre.91
[28]
Um eine weitere Entlastung der Schreibdienste zu ermöglichen, wurde die Spracherkennung forciert. Dem Spracherkennungsprogramm Dragon Naturally Speaking wurde zu diesem Zweck ein gesonderter Justizwortschatz implementiert.92 Geplant ist, dass der Schreibdienst in Zukunft Diktate von Richtern nicht mehr abtippt, sondern um Zeit zu sparen bloß den umgewandelten Text korrigiert.

5.

Moderne Informationstechnologie im Regelverfahren – Die Videokonferenz ^

[29]
Ebenfalls mit der ZVN 2004 fand die Verwendung technischer Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung bei der Beweisaufnahme, worunter die Videokonferenztechnologie zu verstehen ist, Eingang in den österr. Zivilprozess.93 Damit wurde die Rechtsgrundlage dafür geschaffen, Zeugen, Parteien und Sachverständige im österr. Zivilverfahren im Wege der Videokonferenz einzuvernehmen. Zunächst stand es – «nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten und unter Berücksichtigung der Verfahrensökonomie» – im Ermessen des Gerichts, anstelle der Einvernahme durch einen ersuchten Richter eine unmittelbare Beweisaufnahme durch Videokonferenz anzuordnen. Seit dem Budgetbegleitgesetz 2011 ist das Gericht nun verpflichtet, bei Vorliegen der genannten Kriterien eine Videokonferenz durchzuführen;94 die Beweisaufnahme durch Videokonferenz soll «künftig nicht bloß alternativ, sondern primär zum Einsatz kommen95. Demgegenüber kommt jetzt die Einvernahme im Rechtshilfeweg nur mehr dann in Frage, wenn sie «unter Berücksichtigung der Verfahrensökonomie zweckmäßiger oder aus besonderen Gründen erforderlich» ist.
[30]

Zur Bedeutung der Videokonferenz im österr. Zivilprozess ist auszuführen, dass die erste Zeugenvernehmung auf «virtuellem» Wege am 17. November 2005 in Wien erfolgte. Im Jahr 2010 wurden bereits bundesweit insgesamt 1.960 Videokonferenzen durchgeführt. Die Möglichkeit der Beweisaufnahme per Videokonferenz besteht auch im Verhältnis zum Ausland, insb. zu EU-Mitgliedstaaten. Im Anwendungsbereich des Unionsrechts sind dafür Art. 10 Abs. 4 EuBewVO und Art. 9 Abs. 1 EuBagVO einschlägig. Etwa 6% der Videokonferenzen in Österreich wurden im Jahr 2010 mit ausländischen Gerichten durchgeführt.96 Dieser Erfolg der Videokonferenz ist zweifellos auf die flächendeckende Ausstattung der Bezirksgerichte mit Videokonferenzanlagen zurückzuführen.97 Bedeutsam ist wohl auch der Umstand, dass für die Verwendung der Videokonferenzanlagen (derzeit noch) keine Kosten verrechnet werden. Zudem wurde auch ein zentrales Reservierungssystem über das Intranet des BMJ etabliert, mit dessen Hilfe die erforderlichen Verhandlungssäle benutzerfreundlich in einem Vorgang gebucht werden können.98 Die Benachrichtigung aller involvierten Personen erfolgt per E-Mail durch eine automatisch generierte Reservierungsbestätigung; technische Probleme sind bis dato keine bekannt geworden.99

[31]
Die Bewertung der Beweisaufnahme durch Videokonferenz ergibt ein differenziertes Bild: Naheliegende Vorteile liegen neben der Ersparnis von Zeit und Kosten und der (weitgehenden) Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme etwa darin, dass die Mimik der Personen aufgrund des großen Bildschirms manchmal besser verfolgt werden kann als im Gerichtssaal und das die Akzeptanz gerichtlicher Ladungen und die Aussagebereitschaft der zu vernehmenden Personen gesteigert werden konnte.100 Als nachteilig kann sich der Umstand erweisen, dass der einzuvernehmenden Person Urkunden vorgehalten werden müssen oder diese selbst Urkunden vorlegt und eine gezielte Befragung jeweils Einsicht in dieselben voraussetzt.101 Zudem scheidet bei der Parteienvernehmung, da die Partei und ihr Rechtsbeistand nicht wie gewohnt physisch nebeneinander sitzen, die Möglichkeit aus, sich jederzeit formlos beraten können. Andere Aspekte, wie etwa die notwendige erhöhte Konzentration des Richters oder eine größere Sprechdisziplin (insb. der Parteienvertreter), können nicht ernsthaft als Nachteil gesehen werden. Einer der wesentlichen Kritikpunkte an Videokonferenzen – nämlich das Fehlen bzw. der Verlust des psychologischen Moments des Erscheinens im Gerichtssaal102 – ist vom österr. Gesetzgeber weitestgehend dadurch entschärft worden, dass bei einer Videokonferenz die Anwesenheit der zu vernehmenden Personen im Gerichtsgebäude erforderlich ist.103 Dadurch geht der Einfluss der Gerichtsatmosphäre und der entsprechende Eindruck auf die genannten Personen nicht ganz verloren. Trotzdem bleibt immer noch die Befürchtung, dass es sich in die Kamera vielleicht doch leichter lügt als in das Angesicht des Richters.104
[32]
Da in Österreich Videokonferenzen derzeit aber nicht generell zugelassen sind, sondern nur als Ersatz für die Beweisaufnahme im Rechtshilfeweg dienen, überwiegen die Vorteile ganz eindeutig, zumal Vernehmungen im Rechtshilfeweg – sofern sie überhaupt gelingen – oft wenig brauchbare Ergebnisse liefern. Allerdings bedeutet die Verwendung der Videokonferenztechnologie letztlich einen Kompromiss zwischen echter (körperlicher) Unmittelbarkeit und dem Verzicht auf direkte Eindrücke. Ob dies dem Unmittelbarkeitsgrundsatz der ZPO genügt, ließe sich freilich diskutieren; der österr. Gesetzgeber hat sich auf derartige Diffizilitäten erst gar nicht eingelassen und die Verwendung der Videokonferenz in § 277 ZPO ausdrücklich und schlicht als «unmittelbare Beweisaufnahme» deklariert. Weitere Entwicklungstendenzen in Richtung «virtueller Zivilprozess», an deren Endpunkt – wie in den USA bereits erfolgt – die «Zuspielung» des Richters per Videokonferenz stehen könnte,105 würden allerdings auch das Ende unserer gewachsenen Prozesskultur darstellen und sind rundweg abzulehnen. Videokonferenzen sind eine Ersatzlösung und sollten dies auch in Zukunft bleiben.

6.

Conclusio ^

[33]

Der Einzug der Informationstechnologie in den Zivilprozess, der sich – weltweit – in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vollzogen hat, stellt zweifellos eine der wesentlichen Entwicklungstendenzen auf diesem Rechtsgebiet dar.106 Im 21. Jahrhundert hat sich dieser Trend noch wesentlich verstärkt, ein Abschluss der Entwicklung ist nicht absehbar. Der österr. Zivilprozess ist heute geradezu von Elektronik geprägt, dies beginnt bei der Einbringung von Schriftsätzen über den elektronischen Rechtsverkehr (ERV) und reicht über die Protokollierung von Verhandlungen bis hin zur Zustellung von Entscheidungen.107 Auch der immer wieder postulierte «elektronische Akt» ist in Österreich nahezu perfektioniert, wenn auch der Papierakt noch nicht weggefallen ist.108 Die Schriftsätze der Parteien, die Verhandlungsprotokolle und Sachverständigengutachten sowie die Erledigungen des Gerichts liegen bereits in elektronischer Form vor. Aus all dem ergibt sich zwangsläufig, dass sich das herkömmliche Erscheinungsbild des österr. Zivilprozesses durch die Anwendung der modernen Informationstechnologie stark verändert hat. Nicht nur Franz Klein würde den österr. Zivilprozess heute kaum wiedererkennen, sondern auch noch «der» Prozessualist der Nachkriegszeit, Hans Schima109, würde sich damit schwer tun. Und beide würden wohl aus dogmatischer Sicht manche Bedenken anmelden und dafür plädieren, der weiteren Durchdringung des Zivilprozesses durch die Informationstechnologie gewisse Grenzen zu setzen. Andererseits müssten beide nicht nur die in der Zwischenzeit statt-gefundene und wohl unumkehrbare Umgestaltung der Gesellschaft zu einer Kommunikationsgesellschaft zur Kenntnis nehmen, sondern auch zugeben, dass diese Entwicklung von einer zeitgemäßen Justizgesetzgebung nicht ignoriert werden kann. Vor allem aber würden sie anerkennen, dass die Elektronisierung des Zivilprozesses insofern den Grundanliegen des österr. Zivilprozessmodells entspricht, als sie – zumindest weitgehend – Prozessökonomie und Effizienz zu fördern imstande ist. Und nicht zuletzt würde es die beiden genannten Größen des österr. Zivilprozessrechts mit Genugtuung erfüllen, dass Österreich hinsichtlich der Elektronisierung der Justiz und des Zivilprozesses im Besonderen eine – wenn nicht sogar die – Vorreiterrolle in Europa einnimmt. Das überzeugendste Beispiel liefert i.d.Z. der Vergleich des nationalen Mahnverfahrens mit dem Europäischen. Auch Franz Klein würde das Mahnverfahren heute wohl nicht mehr geringschätzen.

 


 

Walter H. Rechberger, Vorstand des Instituts für Zivilverfahrensrecht an der Universität Wien, walter.rechtberger@univie.ac.at.

 

  1. 1 Gesetz vom 27. April 1873, RGBl 1873/67.
  2. 2 Vgl. dazu Oberhammer, Zu den Ursprüngen des Mahnverfahrens im österreichischen Recht, in FS Sprung (2001) 283 (287 ff.) m.w.N.; Rechberger, Vom gemeinrechtlichen Mandat zum Europäischen Mahnverfahren (VO [EG] Nr. 1896/2006), in FS Ogris (2010) 409 (419 ff.) m.w.N.
  3. 3 S. Rechberger/Klicka, Österreich und Deutschland, in Center of Legal Competence (Hrsg.), Beschleunigung des zivilgerichtlichen Verfahrens in Mittel- und Osteuropa (2004) 17 (38).
  4. 4 BGBl 1983/135.
  5. 5 Vgl. Fasching, Lehrbuch2 Rz. 1643.
  6. 6 Vgl. Bosina/M. Schneider, Das neue Mahnverfahren (1987) Rz. 451.
  7. 7 S. Rechberger/Klicka in CLC 38, E. Kodek in Rechberger, ZPO3 § 244 ZPO Rz. 2.
  8. 8 Vgl. G. Kodek, Der Zivilprozeß und neue Formen der Informationstechnik, ZZP 111 (2002) 445 (472); Rechberger, Die Anwendung moderner Informationstechnologien im österreichischen Zivilprozess, in Welser (Hrsg.), Vorträge der Türkisch-österreichischen Juristenwoche 2012 (2013) [in Druck].
  9. 9 BGBl I 2002/76.
  10. 10 S. Rechberger/Simotta, Grundriss8 Rz. 691 ff.
  11. 11 Vgl. BMJ, Betriebliches Informationssystem der Justiz (BIS-JUSTIZ): Berichtszeitraum (BRZ) 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2011; Statistik Austria, Rechtspflege im Internet abrufbar unter https://www.statistik.at/web_en/static/k35_054434.pdf (28. Juni 2013).
  12. 12 Vgl. hierzu Rechberger in Welser Fn. 8.
  13. 13 S. diesbezüglich auch schon Bosina/M. Schneider, Das neue Mahnverfahren Rz. 450.
  14. 14 S. Hagen, Modernisierung und Standardisierung von Zivilprozessen, in FS Sprung (2001) 155 (156 f.).
  15. 15 Diese ist in der Methode der Verlagerung der Initiative zum Zustandekommen eines kontradiktorischen Verfahrens zum Beklagten – im Französischen als linversion du contentieux bezeichnet – zu sehen. Vgl. dazu Rechberger/Kodek, Überlegungen zu einem europäischen Mahnverfahren, in Rechberger/Kodek (Hrsg.), Orders for Payment in the European Union/Mahnverfahren in der Europäischen Union/L’injonction de Payer dans l’Union Européenne, Civil Procedure in Europe, Volume 4 (2001) 29 (43).
  16. 16 Verordnung (EG) 2006/1896 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens, ABl L 2006/399, 1.
  17. 17 Vgl. Rechberger in FS Ogris 414 f.; G. Kodek in Fasching/Konecny V/22 Vor Art. 1 EuMahnVO Rz. 41.
  18. 18 S. Rechberger/Simotta, Grundriss8 Rz. 1255; G. Kodek in Fasching/Konecny V/22 Art. 19 EuMahnVO Rz. 1, 4.
  19. 19 Vgl. Rechberger/Simotta, Grundriss8 Rz. 1256; G. Kodek in Fasching/Konecny V/22 Vor Art. 1 EuMahnVO Rz. 25; Art. 1 EuMahnVO Rz. 2.
  20. 20 S. Rechberger in FS Ogris 413.
  21. 21 Vgl. Tschütscher/Weber, Die Verordnung zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens, ÖJZ 2007/27 (307); G. Kodek in Fasching/Konecny V/22 Art. 7 EuMahnVO Rz. 27.
  22. 22 Richtlinie 1999/93/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 1999 über gemeinschaftliche Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen, ABl L 2000/13, 12.
  23. 23 Vgl. Tschütscher/Weber, ÖJZ 2007, 308.
  24. 24 S. Tschütscher/Weber, ÖJZ 2007, 308; G. Kodek in Fasching/Konecny V/22 Art. 7 EuMahnVO Rz. 27.
  25. 25 Vgl. BMJ, IT-Anwendungen in der österreichischen Justiz (2011) 27 im Internet abrufbar unter http://www.justiz.gv.at/internet/file/8ab4ac8322985dd501229ce3fb1900b4.de.0/folder_justiz-online_oktober_ 2011.pdf (28. Juni 2013).
  26. 26 Vgl. G. Kodek in Fasching/Konecny V/22 Vor Art. 1 EuMahnVO Rz. 28.
  27. 27 Die Einbringung einer Mahnklage in Papierform ist zwar nach derzeitiger Rechtslage nicht völlig ausgeschlossen, aber statistisch wohl eher selten. Denkbar wäre beispielsweise eine Mahnklage, die in die bezirksgerichtliche Zuständigkeit fällt, bei der der Streitwert 5.000€ nicht übersteigt und der Kläger nicht durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter einschreitet sowie auch sonst keine Person ist, die nach § 89c Abs. 5 GOG zur Teilnahme am ERV verpflichtet ist.
  28. 28 Vgl. NN, FAQs zum ERV, AnwBl 2009, 419.
  29. 29 Die Möglichkeit der Gerichte den Teilnehmern des ERV Erledigungen elektronisch zustellen besteht seit 1999; vgl. hierzu NN, FAQs zum ERV, AnwBl 2009, 419.
  30. 30 Vgl. hierzu Rechberger in Welser Fn. 8.
  31. 31 Vgl. Rechberger/Simotta, Grundriss8 Rz. 462, wo formuliert wird, dass «die Bestimmungen des ZustG hinsichtlich der elektronischen Zustellung (3. Abschnitt) in gerichtlichen Verfahren keine Anwendung (§ 28 Abs. 2 ZustG)» finden. A.A. Frauenberger-Pfeiler/Schmon, Physische Zustellung, elektronische Zustellung und verhandlungsfreie Zeit: Einfluss auf den Lauf der Rechtsmittelfristen, JAP 2012/2013/5, die hinsichtlich der elektronischen Zustellung durch Gerichte postulieren, dass «wiederum subsidiär, sollte die Zustellung nach dem GOG nicht möglich sein, die Bestimmungen des 3. Abschnitts des ZustG zur Anwendung kommen.» Diese Auffassung erweist sich jedoch bei näherer Betrachtung als unzutreffend. Denn die Bestimmung des § 28 Abs. 2 ZustG, welche durch die Novellen (BGBl I 2008/5, BGBl I 2010/111) inhaltlich nicht verändert wurde, ist auf den im Zuge der Einführung des E-Government-Gesetzes (und der damit verbundenen Novellierung des ZustG, BGBl I 2004/10) geschaffenen § 37 ZustG aF zurückzuführen. Dabei war es zwar der erklärte Wille des historischen Gesetzgebers (vgl. ErlRV 252 BlgNR 22. GP 14), das bestehende Zustellrecht in (Hoheits-)Verwaltung und Gerichtsbarkeit stärker zu vereinheitlichen, um dann allerdings hinsichtlich elektronischer Zustellungen eine klare Trennung vorzunehmen: «Doch muss anerkannt werden, dass, nicht zuletzt im Hinblick auf die internationale Verflechtung des gerichtlichen Zustellrechts, eine vollkommene Angleichung nicht möglich sein wird. Die Verwendung gleichartiger Techniken bei der elektronischen Zustellung wird in der nächsten Zukunft im Rahmen beabsichtigter Änderungen im elektronischen Rechtsverkehr (§§ 89a ff GOG) zur Diskussion stehen. Derzeit sollen jedoch generell die für die Zustellung im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs in der Gerichtsbarkeit gemäß §§ 89a ff GOG geltenden Regelungen als leges speciales zur Gänze aufrecht erhalten werden. Dies wird ausdrücklich in § 37 ausgesprochen.»
  32. 32 BGBl I 2008/5.
  33. 33 Vgl. Rechberger/Simotta, Grundriss8 Rz. 463.
  34. 34 Vgl. BMJ, Hybrider Rückscheinbrief: Verfahrensvereinfachung und Ablaufbeschleunigung, im Internet abrufbar unter http://www.justiz.gv.at/internet/html/default/2c94848535a081cf013654586cc8061f.de.html (28. Juni 2013).
  35. 35 Dieser Sicherheitsaspekt liegt letztlich auch jener der Behörde durch Abs. 3 S 1 a.E. eingeräumten Möglichkeit zugrunde, durch einen entsprechenden Vermerk die elektronische Übermittlung des Zustellnachweises auszuschließen (vgl. dazu ErlRV 294 BlgNR 23. GP 19 f.).
  36. 36 BGBl I 2012/26.
  37. 37 S. ErlRV 1676 BlgNR 24. GP 3 f.; Rechberger in Welser Fn. 8.
  38. 38 Vgl. ErläutRV 1676 BlgNR 24. GP 4.
  39. 39 S. Rechberger in Welser Fn. 8.
  40. 40 BGBl 1989/343.
  41. 41 Vgl. AB 991 BlgNR 17. GP 14; M. Schneider/Frank/Kirschbichler/Moravec/Roth, Der elektronische Rechtsverkehr mit den Gerichten (ERV) (1999) 1, 135.
  42. 42 BGBl I 2000/26.
  43. 43 Vgl. NN, FAQs zum ERV, AnwBl 2009, 419.
  44. 44 S. Hornberg, IT-Einsatz in der Justiz: Wissenswertes für den angehenden Rechtsanwender, JAP 2007/2008/16 (172).
  45. 45 Vgl. Rechberger in Welser Fn. 8.
  46. 46 BGBl I 2005/164.
  47. 47 BGBl I 2007/111.
  48. 48 Vgl. Hornberg, JAP 2007/2008, 172.
  49. 49 BGBl I 2010/111.
  50. 50 S. Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz geändert wird, BGBl I 2012/26.
  51. 51 Die neuformulierte Fassung des Gesetzestextes ist vor allem durch die Beseitigung der in § 89c Abs. 5 und 6 i.d.F. vor der Novelle (BGBl I 2012/26) verwendeten Wendung «Eingaben und im Original vorzulegende Beilagen im Grundbuchs- oder Firmenbuchverfahren» geprägt. Nach der Intention des historischen Gesetzgebers sollte dadurch klargestellt werden, dass auch außerhalb des Grundbuchs- oder Firmenbuchverfahrens Beilagen elektronisch vorgelegt werden können bzw. müssen. Die Neufassung trägt somit zur Klarstellung der «irrigen Rechtsmeinung, dass sich auch die Eingaben nur auf das Grundbuchs- oder Firmenbuchverfahren beziehen […] bei und entspricht auch der bereits bestehenden Praxis» (ErlRV 1676 BlgNR 24. GP 3).
  52. 52 Vgl. RIS-Justiz RS0124335.
  53. 53 S. ErlRV 1676 BlgNR 24. GP 3; vgl. auch die E OGH 10 ObS 39/13b, in welcher das Höchstgericht auf seine stRsp. vor Inkrafttreten der Novelle BGBl I 2012/26 rekurriert.
  54. 54 Vgl. auch Fucik, Neues im Zivilprozessrecht 2012, ÖJZ 2012/50 (486).
  55. 55 ErlRV 1676 BlgNR 24. GP 3.
  56. 56 Vgl. RIS-Justiz RS0128266, zuletzt ausdrücklich OGH 10 ObS 39/13b.
  57. 57 S. Rechberger in Welser Fn. 8.
  58. 58 Vgl. ErlRV 1676 BlgNR 24. GP 3.
  59. 59 Vgl. Liebhart, DES – Dokumenteneinbringungsservice: Kommt der elektronische Akt?, RZ. 2011, 216 (217).
  60. 60 BGBl I 2000/59.
  61. 61 BGBl I 2005/68.
  62. 62 Vgl. ErlRV 928 BlgNR 22. GP 8.
  63. 63 S. Rechberger in Welser Fn. 8.
  64. 64 Allerdings ist zu beachten, dass hinsichtlich der oben erörterten elektronischen Übermittlung von (Sachverständigen-)Gutachten zu Liegenschaftsbewertungen im Exekutionsverfahren die Regelung des § 141 Abs. 4 lex specialis ist und daher die Benutzung des DES zur Einbringung solcher Gutachten derzeit unzulässig ist (vgl. BMJ, Leitfaden Dokumenteneinbringungsservice der österreichischen Justiz für Sachverständige und Dolmetscher (DES) 1 im Internet abrufbar unter http://des.justiz.gv.at/edikte/ex/edparm3.nsf/h/des_Leitfaden/$FILE/Leitfaden_DES.pdf [28. Juni 2013]).
  65. 65 Vgl. Schmidt, DES - Elektronische Gutachtensübermittlung im Internet abrufbar unter http://www.gerichts-sv.at/download/Elektronische_Gutachtensuebermittlung_IV.pdf (28. Juni 2013).
  66. 66 BGBl II 2011/220.
  67. 67 Vgl. Rechberger in Welser Fn. 8; Liebhart, RZ. 2011, 218; Schmidt, Elektronische Gutachtensübermittlung – Neue Kommunikationsform in Erprobung, Sachverständige 2010, 122.
  68. 68 S. BMJ, Leitfaden 1.
  69. 69 Vgl. auch Schmidt, Dokumenteneinbringungsservice – erste Erfahrungen, Sachverständige 2010, 183.
  70. 70 S. Zoubek, Dokumenteneinbringungsservice – Anwendungsdetails und Hintergrundinformationen, Sachverständige 2011, 91, wo sich auch weitere Ausführungen zu den technischen Details finden.
  71. 71 Vgl. Zoubek, Sachverständige 2011, 92.
  72. 72 Schmidt, Delegiertenversammlung 2010 in Parndorf, Sachverständige 2010, 162 (163 f.).
  73. 73 Näher dazu s. Rechberger in Welser Fn. 8.
  74. 74 Vgl. BMJ, IT-Anwendungen 3.
  75. 75 Vgl. Rechberger in Welser Fn. 8; Hornberg, JAP 2007/2008, 172.
  76. 76 BGBl I 2004/128.
  77. 77 Vgl. NN, Elektronische Fallabfragen, AnwBl 2004, 494.
  78. 78 Für die Reichweite der physischen Akteneinsicht s. exemplarisch Gitschthaler in Rechberger, ZPO3 § 219 ZPO Rz. 1 ff.
  79. 79 Vgl. ErlRV 613 BlgNR 22. GP 20.
  80. 80 ErläutRV 613 BlgNR 22. GP 20.
  81. 81 Vgl. Heufler, Elektronische Akteneinsicht, AnwBl 2007, 284.
  82. 82 BGBl I 2007/24.
  83. 83 S. Heufler, AnwBl 2007, 284.
  84. 84 S. ErlRV 43 BlgNR 23. GP 7.
  85. 85 Vgl. exemplarisch die von der IMD verrechneten zusätzlichen Entgelte unter
  86. 86 Zu den Dienstanbietern vgl. auch Heufler, AnwBl 2007, 284.
  87. 87 S. ErlRV 613 BlgNR 22. GP 20.
  88. 88 Vgl. BMJ, IT-Anwendungen 28.
  89. 89 Hubalek, Informations- und Kommunikationstechnikeinsatz (IKT) in der österreichischen Justiz, ÖRPfl 2008, 6 (7 f.).
  90. 90 Vgl. BMJ, IT-Anwendungen 28 f.
  91. 91 Vgl. Rechberger in Welser Fn. 8.
  92. 92 Vgl. BMJ, IT-Anwendungen 19.
  93. 93 Zunächst erfolgte die Regelung in § 91a GOG, erst die ZVN 2009 hat die Bestimmung in § 277 ZPO aufgenommen. Vgl. ErlRV 613 BlgNR 22. GP 21; ErlRV 89 BlgNR 24. GP 14.
  94. 94 S. auch Reisenhofer, Neuerungen im Zivilverfahrensrecht durch das Budgetbegleitgesetz 2011, JAP 2011/ 2012, 41 (44).
  95. 95 ErlRV 981 BlgNR 24. GP 85.
  96. 96 Vgl. Rechberger, Die Anwendung moderner Technologien im österreichischen Zivilprozess – ein Update, in FS Rüßmann (2013) 733 (743 f.).
  97. 97 Vgl. ErlRV 981 BlgNR 24. GP 85. Durch die Auflösung einer Reihe von Bezirksgerichten (offiziell als «Zusammenlegung» bezeichnet) stellt diese Ausstattung allerdings teilweise einen frustrierten Aufwand dar.
  98. 98 S. ErlRV 981 BlgNR 24. GP 85.
  99. 99 Vgl. Rechberger in FS Rüßmann 743.
  100. 100 Vgl. Rechberger in FS Rüßmann 741.
  101. 101 Vgl. ErlRV 613 BlgNR 22. GP 21.
  102. 102 Vgl. G. Kodek, ZZP 111 (2002) 484.
  103. 103 S. ErlRV 613 BlgNR 22. GP 21.
  104. 104 Vgl. A. Stadler, Der Zivilprozeß und neue Formen der Informationstechnik, ZZP 111 (2002) 413 (440).
  105. 105 S. Iqbal, Bericht über die Diskussion zum Thema «Der Zivilprozess und neue Formen der Informationstechnik», ZZP 111 (2002) 491 (492 f.).
  106. 106 Vgl. Rechberger, Ein Rückblick auf das Prozessrecht des 20. Jahrhunderts, in Gottwald (Hrsg.), Aktuelle Entwicklungen des europäischen und internationalen Zivilverfahrensrechts (2002) 1 (18).
  107. 107 Näheres zu den elektronischen Eingaben s Rechberger/Simotta, Grundriss8 Rz. 456.
  108. 108 Der rein elektronische Akt scheint wohl nur mehr eine Frage der Zeit zu sein. Vgl. hierzu Rechberger in FS Rüßmann 747.
  109. 109 Hans Schima (1894–1979) war von 1945 bis 1966 Ordinarius für Zivilprozessrecht an der Universität Wien; der Verfasser ist der zweite Nachfolger auf dessen Lehrstuhl.