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Authentifizierungs- und Identifizierungs-Verfahren für Online-Bürgerbeteiligungs-Formen: KIRAS-Projekt E-Partizipation

  • Authors: Michael Sachs / Judith Schossböck
  • Category: Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: E-Democracy
  • Collection: Conference Proceedings IRIS 2015
  • Citation: Michael Sachs / Judith Schossböck, Authentifizierungs- und Identifizierungs-Verfahren für Online-Bürgerbeteiligungs-Formen: KIRAS-Projekt E-Partizipation, in: Jusletter IT 26 February 2015
Der folgende Beitrag beschreibt die Ausrichtung und Zielsetzung des 2014 gestarteten KIRAS-Projekts «E-Partizipation – Authentifizierung bei demokratischer Online-Beteiligung». Vorgestellt werden die relevanten Ebenen der E-Partizipation sowie die Projektziele sowie die zu erarbeitenden Aspekte der Bürgerbeteiligung mit Blick auf vorhandene Beteiligungsinstrumente und Identifikationsmöglichkeiten im österreichischen Kontext.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Einleitung
  • 2. E-Partizipation: Ausgangslage und politischer Hintergrund
  • 3. E-Partizipation: Stufenmodell
  • 4. Identifikation, Authentifikation und Anonymität
  • 5. Literatur

1.

Einleitung ^

[1]
Bürgerinnen- bzw. Bürgerbeteiligung über digitale Medien wirft neben politikwissenschaftlichen und medienspezifischen Fragestellungen rund um die Stärkung direktdemokratischer Elemente und deren Chancen und Grenzen, beispielsweise im Hinblick auf die digitale Spaltung oder den Minderheitenschutz, Fragen der Sicherheit auf. Dies gilt insbesondere für Prozesse der elektronischen Identifikation und Authentifizierung auf. Demokratisch tragfähige und akzeptierte Beteiligungsmechanismen müssen sowohl die Anforderungen der technikaffinen als auch der technikfernen Personengruppen berücksichtigen und unterschiedliche Anwendungskontexte als auch Sicherheitsstufen berücksichtigen.
[2]
In Österreich ist die Ausgangslage für E-Partizipation im Kontext der wirtschaftlichen, infrastrukturellen und politischen Rahmenbedingungen zu sehen [Ringler et al. (2013)]. Im Gegensatz zur infrastrukturellen Entwicklung und den allgemeinen Nutzungsraten von IKT durch die Bevölkerung schneidet das vorhandene Angebot für E-Partizipation im internationalen Vergleich jedoch eher schlecht ab. Das Fehlen eines einheitlichen Zugangs für E-Government-Dienste für die breite Bevölkerung («One-Stop-Shop») sowie steuerliche und rechtliche Rahmenbedingungen werden auch durch ExpertInnen bestätigt. [Ringler et al. (2013)].
[3]

Das 2014 gestartete, 2-jährige KIRAS-Projekt zum Thema «Erforschung von Online-Bürgerbeteiligungsformen unter Verwendung unterschiedlicher Authentifizierungs- und Identifizierungsverfahren»1 beschäftigt sich mit verschiedenen Online-Beteiligungsformen unter Verwendung von elektronischen Identitäten (eID) mit dem Ziel der Entwicklung eines E-Partizipations-Ökosystems, das unterschiedliche Sicherheitsstufen für verschiedene Beteiligungsmodelle und deren rechtliche Grundlagen beleuchtet. Die Projektergebnisse werden sich in Architektur-Guidelines zur Erstellung eines anwenderfreundlichen und sicheren E-Partizipationssystems in verschiedenen Anwendungskontexten, einem Katalog unterschiedlicher Formen der Bürgerbeteiligung zu Authentifizierungsverfahren und Sicherheitsstufen sowie einem Prototypen für eine E-Partizipationsplattform für ein ausgewähltes Szenario niederschlagen.

2.

E-Partizipation: Ausgangslage und politischer Hintergrund ^

[4]
E-Partizipation umfasst die elektronische Unterstützung sämtlicher Aktivitäten der Öffentlichkeit, die eine Teilhabe an gesellschaftlich relevanten Prozessen intendieren, darunter die Beteiligung an der politischen Meinungs- und Willensbildung oder an der öffentlichen Leistungserstellung [Parycek (2008)]. Mit der Charakterisierung des Forschungsfeldes der E-Partizipation haben sich eine Fülle von Literatur und Projekt-Evaluierungen auseinandergesetzt [Prieto-Martín, de Marcos und Martínez (2012), Susha und Grönlund (2012), Macintosh, Coleman und Schneeberger (2009), Chrissafis und Rohen (2010)]. Die Forschung bezieht sich dabei auf Aktivitäten der E-Partizipation, Kontextfaktoren und Evaluation, wobei als typische Hintergrundfaktoren das abfallende Vertrauen in Regierungen und PolitikerInnen sowie in die Demokratie allgemein genannt wird. Der direkte Nutzen der E-Partizipation, so wie der Partizipation allgemein, ist jedoch schwer zu evaluieren [Macintosh et al. (2009)], und kritische, evaluierende Studien haben sich mit den wiederkehrenden Problemen der bisher in der EU laufenden Projekte auseinandergesetzt [Prieto-Martín et al. (2012)].2
[5]

Als Überbegriff für E-Partizipation wird oft der der E-Demokratie verwendet, welcher von der interministeriellen und föderalübergreifenden Arbeitsgruppe E-Democracy des Bundeskanzleramts3 wie folgt definiert wurde: «‹E-Demokratiesteht für den Einsatz interaktiver elektronischer Medien zur Stärkung und zum Ausbau der bestehenden Demokratie, demokratischer Institutionen und Prozesse. […] Dadurch werden neue Formen der Zusammenarbeit des öffentlichen Sektors mit Wirtschaft und Gesellschaft ermöglicht». [Parycek (2008]). Fasst man E-Partizipation als einen Bereich der E-Demokratie auf, so ist diese im Sinn des demokratischen Prinzips bzw. der verfassungsrechtlichen Prinzipien nicht nur auf der operativen Ebene eines E-Government einzuordnen, sondern wirkt vielmehr auf die Handlungen der Verwaltungsorgane. [Ringler et al. (2013)]. Dieses Zusammenziehen von politischer und verwaltungsrechtlicher Partizipation wird in der Literatur jedoch auch kritisch betrachtet, da die Anwendung der direkten Demokratie auf verwaltungsverfahrenstechnische Beteiligung das Vorhaben der direkten Demokratie diskreditieren kann. [Balthasar (2014)]. Während direktdemokratische Instrumente ex lege klar abgrenzbar sind, fällt eine klare Differenzierung von politischen und administrativen Prozessen schwer, da strategische Entscheidungen bei Verwaltungsverfahren umfassende Auswirkungen haben können. Hinzu kommt, dass Partizipation mehr beinhaltet als die Möglichkeit zur Beteiligung durch Mitbestimmung und jeweils Fallbezogen unterschiedlich angewandt werden kann.

[6]
Mit dem Begriff der E-Partizipation wird auch das Potential verknüpft, das Engagement der BürgerInnen zu fördern, wenngleich deterministische Behauptungen, dass der Einsatz von IKT direkt positive Konsequenzen für die Demokratie hat, zu vermeiden sind. [Macintosh et al. (2009), Bohmann (2014)]. In diesem Zusammenhang kritisch zu sehen ist auch die Entsprechung des Begriffs Partizipation als zweites Element der Open Government-Theorie bzw. Theorie der «offenen Staatskunst» [Müller (2010)], die auf einem transparenten Zugang zu Information aufbaut und eine (Re-)Demokratisierung in den Mittelpunkt rückt. Die gesellschaftspolitische Relevanz des Themas spiegelt sich auch in den europäischen E-Government-Plänen. So haben die Minister der Europäischen Union bereits 2009 in Malmö vereinbart [European Union (2009)], dass über Prozesse des E-Government auch die Miteinbeziehung von BürgerInnen in den Entscheidungsprozess gestärkt werden soll, und diese durch E-Partizipation über staatlich bereitgestellte Dienste ermächtigt werden sollten.
[7]

Im österreichischen Kontext nennt das Regierungsprogramm 2013–2018 beispielsweise den «Ausbau von Partizipationsmöglichkeiten für junge Menschen auf Gemeinde-, Landes- und Bundesebene» als ein anzustrebendes Ziel, um «bestmögliche Partizipation von Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf Basis höherer Transparenz und besserer Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen und Entscheidungsprozessen» zu realisieren [Arbeitsprogramm der Österreichischen Bundesregierung (2013)].

3.

E-Partizipation: Stufenmodell ^

[8]
E-Partizipation kann auf verschiedenen Ebenen realisiert werden. Im einfachsten Fall wird ein zusätzlicher Informationskanal geschaffen, der es UserInnen auf sehr niederschwelliger Ebene ermöglicht, in der gewohnten Umgebung an Informationen zu gelangen. Von der Information über die Konsultation und Kooperation bis zur Mitentscheidung finden sich verschiedene Stufen in den gängigen Stufenmodellen der E-Partizipation, die beispielsweise in den Standards der Öffentlichkeitsbeteiligung der Projektgruppe EDEM definiert wurden. Je höher die Intensitätsstufe der Beteiligung, desto stärker können die Beteiligten in der Regel die Entscheidung beeinflussen – bis zur letzten Stufe der Entscheidung [Parycek (2008)]. Im Rahmen des Projektes wird der Prozess der Mitentscheidung, als die vierte Ebene des Stufenmodells angesehen.
[9]
Die Klassifikation von E-Partizipations-Angeboten kann weiters im Hinblick auf informelle oder formelle Kriterien vorgenommen werden, also nach dem Grad ihrer Verbindlichkeit bzw. dem Institutionalisierungsgrad der Input-Seite [Parycek (2008)]. Auch Ergebnisse von Bewegungen und Anregungen aus der Bevölkerung können aufgegriffen werden und in einen informellen Beteiligungsprozess münden (z.B. via E-Beschwerdemanagement). Formelle Beteiligungsverfahren sind rechtlich normiert, z.B. im Flächenwidmungsverfahren. Im Gegensatz dazu sind informelle Beteiligungsprozesse nicht rechtlich geregelt und frei gestaltbar. Formelle und informelle Beteiligung können kombiniert werden, beispielsweise, wenn Stellungnahmeverfahren durch Diskussionsveranstaltungen oder vorangehenden Online-Dialoge ergänzt werden. Im Rahmen des Projektes ist insbesondere die Frage relevant, für welche dieser Beteiligungsverfahren und -stufen welche Sicherheitslevel und Formen der Identifikation und Authentifizierung geeignet sind:

4.

Identifikation, Authentifikation und Anonymität ^

[10]
Im Rahmen des Projektes werden die Begriffe Identifikation und Authentifikation so definiert, wie es das E-Government-Gesetz vorsieht, da verschiedene Fachbereiche mit unterschiedlichen Begriffen arbeiten. Die Identifikation ist gemäß Abs. 2 Z 4 E-GovG der «Vorgang, der zum Nachweis bzw. zur Feststellung der Identität erforderlich ist», während man unter Authentifizierung gemäß § 2 Z 6 EGovG den Vorgang versteht, der zum Nachweis bzw. zur Feststellung der Authentizität erforderlich ist. E-Partizipation befindet sich im Spannungsfeld zwischen diesen beiden Begriffen und damit dem des Datenschutzes. Die Identifikation der TeilnehmerInnnen ist insofern nötig, als sichergestellt werden muss, dass diese zum jeweiligen Kreis der Betroffenen gehören. Andererseits (und in manchen Fällen auch zugleich) kann auch eine anonyme Abgabe der Stimme oder Meinung erforderlich sein (Wahlgeheimnis). Jedenfalls ist, wie bei jedem Informationssystem, das personenbezogene Daten verarbeitet, besonderer Wert auf den Datenschutz zu legen. Daten über die politische Meinung eines Menschen zählen gemäß § 4 Z 2 DSG 2000 zu den sensiblen Daten, für deren Verarbeitung besonders strenge Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Teilziel des Projektes ist es, im Sinne des Konzepts Privacy–by-Design das Projekt über die gesamte Laufzeit datenschutzrechtlich zu begleiten und bereits in der Phase des Systemdesigns den Datenschutz zum integralen Bestandteil des Systems zu machen. Weitere Fragestellungen sind beispielsweise die Identifikation und Autorisierung von Beteiligten (wie die Sicherung der Teilnahme von tatsächlich betroffenen bzw. berechtigten Bürgerinnen) sowie die Sicherstellung der Echtheit der Willenserklärung (Authentizität) der Beteiligten. Im Falle von Abstimmungen muss außerdem auch gesichert sein, dass nur eine Stimme abgegeben werden kann. Weitere Herausforderungen sind die Archivierung bzw. Löschung von Beiträgen oder der Beteiligten.
[11]
Zu den Schlüsseltechnologien der e-ID zählen die Identifikation über Benutzername und Passwort, offene Internet-Authentifizierungssysteme wie OpenID oder OAuth oder die Authentifizierung mittels sicherer Signatur über die Bürgerkarte. Das in Österreich im Einsatz befindliche Bürgerkartenkonzept erfüllt im höchsten Maße die Anforderungen einer elektronischen Identität. Gefragt wird nach den Voraussetzungen eines sicheren E-Partizipationssystems für Österreich sowie den rechtlichen Rahmenbedingungen, die unter Umständen einer Änderung bedürfen. Sicherheit, Datenschutz und einfache Benutzbarkeit sollen in Einklang gebracht werden, was sich auch auf das Vertrauen der NutzerInnen in eine E-Partizipationsplattform auswirken dürfte.

5.

Literatur ^

Arbeitsprogramm der österreichischen Bundesregierung für die Jahre 2013 bis 2018 (2013). Wien, Dezember 2013. https://www.bka.gv.at/DocView.axd?CobId=53264 (Zugriff 8. Januar 2015).

Balthasar, A. (2014). Die Europäische Bürgerinitiative und andere Instrumente der direkten Demokratie in Europa, in Bußjäger/Balthasar/Sonntag (Hrsg.) Direkte Demokratie im Diskurs (Wien).

Bohmann, S., Hansson, H., Mobini, P. (2014). Online Participation in Higher Decision Making. In: JeDEM, Journal for eDemocracy and Open Government, Vol. 6 (3), 2014. http://www.jedem.org/article/view/247/290 (Zugriff 8. Januar 2015).

Chrissafis, T., Rohen, M. (2010). European eParticipation developments: From ad hoc experiences towards mass scale engagement. JeDEM – eJournal of eDemocracy and Open Government, 2(2), 89–98.

European Union (2009). Malmö Ministerial Declaration. Sweden, on 18 November 2009. http://www.epractice.eu/files/Malmo%20Ministerial%20Declaration%202009.pdf (Zugriff 8. Januar 2015).

Macintosh, A., Coleman, S., & Schneeberger, A. (2009). eParticipation: The research gaps. In A. Macintosh & E. Tambouris (Eds.), Electronic Participation (Vol. 5694, pp. 1–11). Springer Berlin Heidelberg.

Müller, P. (2010). Offene Staatskunst. In: Müller, P., Sengens, M. (Eds.): Offene Staatskunst – Bessere Politik durch «Open Government»? Internet Gesellschaft Co:llaboratory, 2nd edition, October 2010.

Parycek, P. (2008). Positionspapier zu E-Democray und E-Participation in Österreich. AG EDEM: Wien 2008.

Prieto-Martín, P., de Marcos, L., & Martínez, J. J. (2012). A critical analysis of EU-funded eParticipation. In Y. Charalabidis & S. Koussouris (Eds.), Empowering Open and Collaborative Governance (pp. 241–262). Springer Berlin Heidelberg.

Ringler, Paul, Parycek, Peter, Schossböck, Judith, Sturmberger, Werner, Schönherr, Daniel, Oberhuber, Florian, Aichberger, Ingrid, Hacker, Evelyn (2013). Internet und Demokratie in Österreich. Grundlagenstudie. SORA (Institute for Social Research and Consulting), Wien 2013.

Susha, I., & Grönlund, Å. (2012). eParticipation research: Systematizing the field. Government Information Quarterly, 29(3), 373–382.


 

Michael Sachs

Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Donau-Universität Krems, Zentrum für E-Governance

Dr.-Karl-Dorrek-Straße 30, 3500 Krems, AT

michael.sachs@donau-uni.ac.at; www.donau-uni.ac.at/egov

Judith Schossböck 

Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Donau-Universität Krems, Zentrum für E-Governance

Dr.-Karl-Dorrek-Straße 30, 3500 Krems, AT michael.sachs@donau-uni.ac.at; www.donau-uni.ac.at/egov

  1. 1 http://www.kiras.at/gefoerderte-projekte/detail/projekt/e-partizipation-authentifizierung-bei-demokratischer-online-beteiligung/ (8. Januar 2015).
  2. 2 Typische Probleme bei E-Partizipation sind demnach die geringe Userfreundlichkeit, Fehleranfälligkeit der Systeme oder die nicht aktuelle, zu generelle thematische Ausrichtung der Tools.
  3. 3 Ende 2006 wurde vom Bundeskanzleramt eine Projektgruppe zu E-Democracy initiiert und mit der Ausarbeitung einer E-Democracy-Strategie beauftragt. https://www.ag.bka.gv.at/at.gv.bka.wiki-bka/index.php/E-DEM:Strategie_und_Ziele (Zugriff 16. Mai 2012) .