1.
Ausgangslage ^
In Art. 22 der Verordnung ist unter der Überschrift «Überprüfung» verankert, dass die Kommission bis zum 1. April 2015, und anschließend alle drei Jahre, dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht über die Anwendung dieser Verordnung vorzulegen hat. In den nachstehenden Punkten wird skizziert, wie die Regelungen über die EBI und die Administration von EBI aufgrund dieses Berichtes weiterentwickelt werden könnten und – genauer gesagt – welche zutage getretenen Probleme sich auf administrativem Weg (allenfalls unter Einbindung der Mitgliedstaaten) lösen lassen könnten und für welche Probleme eine Novellierung der Verordnung unabdingbar wäre.
- Kritik an der intransparenten Vorgehensweise bei der Registrierung oder Nicht-Registrierung von hierzu eingereichten EBI durch die Kommission;
- Tatsache, dass – in Einklang mit dem Anhang III Teil C zur Verordnung (Katalog der für die Abgabe von Unterstützungsbekundungen zulässigen Dokumente oder Beweismittel) in manchen Fällen Personen – rechtswidrig – Unterstützungsbekundungen in zwei Mitgliedstaaten abgeben können, andere Personen hingegen von der Abgabe von Unterstützungsbekundungen de facto gänzlich ausgeschlossen sind;
- faktische Unmöglichkeit, Online-Sammelsysteme ohne Inanspruchnahme der (zumeist) luxemburgischen Behörden selbstständig implementieren und zertifizieren zu lassen;
- nach wie vor bestehende Unklarheiten bezüglich der Interpretation des Fristengefüges der Verordnung;
- faktische Unmöglichkeit, bei der Überprüfung von verordnungskonformen Formularen für Unterstützungsbekundungen in Papierform OCR-Systeme sinnvoll einzusetzen;
- Unklarheit, ob ein Mitgliedstaat Unterstützungsbekundungen zu überprüfen hat, auch dann, wenn es offenkundig ist, dass die Organisatoren einer EBI keinesfalls in der Lage sein werden, die geforderte Zahl an Unterstützungsbekundungen fristgerecht zu sammeln.
2.
Zur Frage der Registrierung oder Nicht-Registrierung von EBI ^
3.
Frage der in gewissen Fällen gegebenen Unmöglichkeit, eine EBI rechtsgültig unterstützen zu können ^
Schon zum Zeitpunkt, zu dem die Verordnung bloß im Entwurfsstadium vorlag, war klar, dass es bei der Vollziehung des Art. 8 der Verordnung (in der trotz laut gewordener Kritik aus mehreren Mitgliedstaaten letztendlich geltend gewordenen Fassung) zwei Schnittmengen von Personengruppen geben wird, die entweder – rechtswidrig – eine EBI doppelt unterstützen können oder denen diese Möglichkeit gänzlich versagt ist. Die Mitgliedstaaten haben die Wahlmöglichkeit, die Zulässigkeit einer Unterstützungsbekundung vom Bestehen eines Wohnsitzes im Mitgliedstaat oder vom Bestehen einer Staatsangehörigkeit abhängig zu machen oder allenfalls beide Möglichkeiten zuzulassen. Beispiel: Österreich lässt nur Unterstützungsbekundungen von österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern zu, gleichgültig ob diese im Inland oder im Ausland ihren Wohnsitz haben; das Vereinigte Königreich lässt wiederum Unterstützungsbekundungen nur von Personen zu, die in diesem Mitgliedstaat den Wohnsitz haben, gleichgültig ob sie Staatsangehörige des Vereinigten Königreichs oder eines anderen Mitgliedstaates sind. Folgt man diesem Beispiel, so hat diese Rechtslage zur Folge, dass eine Österreicherin oder ein Österreicher mit Wohnsitz im Vereinigten Königreich sowohl dort eine EBI unterstützen kann, als auch in Österreich (vom Ausland aus, mit den für Österreich geltenden Formularen). Die Unterstützungsbekundungen wären einmal der österreichischen Quote und einmal der Quote des Vereinigten Königreichs zuzurechnen. Umgekehrt ist es einem Staatsangehörigen oder einer Staatsangehörigen des Vereinigten Königreichs, der (die) seinen (ihren) Hauptwohnsitz in Österreich hat, nicht möglich, eine EBI zu unterstützen, selbst dann, wenn er (sie) sich auf «Heimaturlaub» in das Vereinigte Königreich begibt. Diese Rechtslage muss als schwerwiegender Fehler in der Verordnung betrachtet werden, dessen Folgen von Anfang an vorhersehbar waren.11
Im Herbst 2014 hat die Kommission einen Versuch unternommen, die in Betracht kommenden Mitgliedstaaten dazu zu bewegen, durch Erweiterung des Katalogs der zulässigen Dokumente des Anhangs III Teil C zur Verordnung zu einer Lösung des Problems beizutragen. Für Österreich hätte dies bedeutet, dass das innerstaatliche Europäische-Bürgerinitiative-Gesetz12 geändert hätte werden müssen, dass aber – in der Praxis – erst eine Datenbank des betroffenen Personenkreises zwecks Überprüfung der Unterstützungsbekundungen errichtet hätte werden müssen, was auf längere Sicht eine faktische Unmöglichkeit der Berücksichtigung des Ansinnens der Kommission, selbst im Fall einer Gesetzesänderung, bedeutet hätte. Es wird davon ausgegangen, dass sich das als gravierend zu betrachtende Problem ohne einer Klarstellung in Art. 8 der Verordnung nicht lösen lassen wird.
4.
Faktische Unmöglichkeit der Abgabe einer Unterstützungsbekundung mittels digitaler Signatur ^
Die Sammlung von Unterstützungsbekundungen in Papierform ist dem Grunde nach in Art.5 der Verordnung geregelt, währenddessen die Abgabe einer Unterstützungsbekundung mittels Online-Sammelsystem in Art. 6 der Verordnung seinen Niederschlag findet. Dennoch lautet der Art. 5 Abs. 2 wie folgt:
«(2) Die Organisatoren können Unterstützungsbekundungen in Papierform oder elektronisch sammeln. Für die Online-Sammlung von Unterstützungsbekundungen gilt Artikel 6.
Für die Zwecke dieser Verordnung werden Unterstützungsbekundungen, die mittels einer fortgeschrittenen elektronischen Signatur im Sinne der Richtlinie 1999/93/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 1999 über gemeinschaftliche Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen elektronisch unterzeichnet werden, auf dieselbe Weise behandelt wie Unterstützungsbekundungen in Papierform.»
In der zitierten Bestimmung bleibt unberücksichtigt, dass es bei der Unterstützungsbekundung in Papierform der Verwendung eines durch Anhang III Teil B vorgegebenen und klar strukturierten Formulars bedarf, das typischerweise mehrere Unterstützungsbekundungen aufweist. Die Möglichkeit einer digitalen Signierung dieses Formulars mittels fortgeschrittener elektronischer Signatur findet weder auf dem Formular selbst, noch sonst irgendwo Berücksichtigung. Bei der Expertenkonferenz am 2. Dezember 2014 hat der Vertreter Luxemburgs zwar angedeutet, dass in der Auswertungs-Software Luxemburgs die Möglichkeit der digitalen Signierung einer Unterstützungsbekundung in Papierform berücksichtigt worden ist, dass aber bislang keine einzige Unterstützungsbekundung mittels digitaler Signatur zu verzeichnen gewesen sei. Es hat den Anschein, als wäre die – sicher gut gemeinte – Interpretation der einschlägigen Bestimmungen der Verordnung durch Luxemburg deutlich zu extensiv. Vielmehr scheint bezüglich dieser Frage eine positive Verankerung der digital signierten Unterstützungsbekundung – gleichsam als «dritter Weg» neben der Unterstützungsbekundung in Papierform (laut Art.l 5 der Verordnung) und jener mittels Online-Sammelsystem (laut Art. 6 der Verordnung) – unabdingbar. Dies vor allem deshalb, weil im Fall der Unterfertigung einer Unterstützungsbekundung mittels fortgeschrittener elektronischer Signatur – bei Beibehaltung der Rechtslage in der Verordnung – nicht einzusehen wäre, wieso die unterstützungswillige Person Angaben machen muss, die ohnedies Elemente der bei der Abgabe der digitalen Signatur weitergereichten Daten sind. Dies steht auch im Einklang mit der «Verordnung für elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt» (eIDAS-VO), die die Mitgliedstaaten verpflichtet, Systeme zur elektronischen Identifizierung (eID) anderer EU-Länder offiziell anzuerkennen.13 Sollte die Berichterstattung der Kommission nicht mittelfristig zu einer diesbezüglichen Änderung der Verordnung führen, so ist zu befürchten, dass es noch auf lange Sicht faktisch unmöglich sein wird, bei der Abgabe einer Unterstützungsbekundung für eine EBI von einer digitalen Signierung Gebrauch zu machen.
5.
Probleme mit dem Online-Sammelsystem ^
6.
Fragen zum Fristengefüge und zu logistischen Problemen bei der Überprüfung von Unterstützungsbekundungen durch die Behörden der einzelnen Mitgliedstaaten ^
7.
Schlussfolgerungen ^
Wie immer der zum 1. April 2015 fällige Bericht der Kommission in Entsprechung von Art. 20 der Verordnung ausgestaltet sein mag, werden sich manche Verbesserungen bei der EBI auf administrativem Weg bewerkstelligen lassen, währenddessen bei anderen die Novellierung der Verordnung unabdingbare Voraussetzung wäre. Zu ersteren zählen mit Sicherheit die auch vom Ombudsmann14 angeregten Verbesserungen bei der Unterstützung von Proponentinnen und Proponenten zukünftiger Initiativen, vor allem im Vorfeld der Beantragung einer Registrierung einer EBI. Auch Verbesserungen beim Online-Sammelsystem ließen sich wohl ohne eine Anpassung der Verordnung bewerkstelligen, allenfalls wäre aber eine Anpassung der Durchführungsverordnung notwendig.
Robert Stein, Leiter der Abteilung für Wahlangelegenheiten im Bundesministerium für Inneres, Herrengasse 7, 1010 Wien, AT, robert.stein@bmi.gv.at; http://bmi.gv.at/wahlen/
- 1 In der Folge als «EBI» bezeichnet.
- 2 In der Folge als «Verordnung» bezeichnet.
- 3 Beim Begriff «Organisator» handelt es sich um einen Begriff aus der Verordnung (Art. 3), der in der Folge nicht «gegendert» wird.
- 4 Anhang I zur Verordnung.
- 5 Ein möglicher Grund für die geringfügige Inkonsistenz könnte daran liegen, dass zumindest zwei EBI zweimal eingebracht worden sind.
- 6 Vorgetragen im «Meeting of the Expert Group on the Citizens» Initiative» am 2. Dezember 2014 in Brüssel.
- 7 Bezüglich des von der Kommission verwendeten Terminus ist nicht klar, was damit gemeint ist. Die Verordnung enthält einen derartigen Begriff nicht. Dem Anschein nach gilt eine EBI als «abgeschlossen», wenn die Unterstützungsbekundungen der Kommission vorgelegt worden sind und die Kommission die erforderlichen Schritte im Sinn des Art. 10 der Verordnung (Verfahren zur Überprüfung einer Bürgerinitiative durch die Kommission) gesetzt hat.
- 8 In der Folge als «Durchführungsverordnung» bezeichnet.
- 9 Vgl. dazu ausführlich Stein, «Europäische Bürgerinitiative – endlich erste praktische Erfahrungen» in «Transparenz», Tagungsband des 17. Internationalen Rechtsinformatik Symposions.
- 10 Am 12. Juni und am 2. Dezember 2014, jeweils in Brüssel.
- 11 Siehe Anm. 9. Vgl. auch Müller-Török/Stein, The Assignment of European Citizens to Member States in the Regulation on the European Citizens' Initiative – Data Modelling Issues for Organisers and Authorities, in Prosser/Golob/Leitner/Šimić (Hrsg.), Eastern European eGov Days 2011 (2011) 53.
- 12 § 3 des Bundesgesetzes über die Durchführung von Europäischen Bürgerinitiativen (Europäische-Bürgerinitiative-Gesetz – EBIG), BGBl. I Nr. 115/2013.
- 13 Die Verordnung Nr. 910/2014 gilt seit 17. September 2014 und muss schrittweise ab dem 1. Jänner 2016 umgesetzt werden.
- 14 Schreiben des «European Ombudsman» vom 15. Juli 2014 an die Europäische Kommission auf Grund einer eigens durchgeführten Befragung («European Ombudsman's own-initiative inquiry OI/9/2013/TN into the functioning of the European citizens' initiative»).