Jusletter IT

Innovative Konzepte der Kooperation im öffentlichen Sektor

  • Authors: Arthur Winter / Silke Gspan
  • Category: Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: E-Government
  • Collection: Conference Proceedings IRIS 2015
  • Citation: Arthur Winter / Silke Gspan, Innovative Konzepte der Kooperation im öffentlichen Sektor, in: Jusletter IT 26 February 2015
Ziel von E-Government war es bisher, Bürgern und der Wirtschaft einen einfacheren Zugang zu Verwaltungsleistungen zu verschaffen. Das E-Government von heute muss jedoch aufgrund der bestehenden Rahmenbedingungen, wie Sparbudgets, der zunehmenden Europäisierung der Verwaltung und der steigenden Erwartungen der Bürger und der Wirtschaft, immer mehr leisten! Hierzu sind innovative Konzepte zur Unterstützung der Kooperation im öffentlichen Sektor notwendig. Ein Schritt in die richtige Richtung sind Zentrale Register, die eine vernetzte Verwaltung möglich machen und eine Möglichkeit aufzeigen, wie Kooperation über verschiedene Verwaltungsebenen realistisch werden kann.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. E-Government als Enabler
  • 2. Register im Wandel
  • 2.1. Das Zentrale Melderegister (ZMR)
  • 2.2. Das Zentrale Personenstandsregister (ZPR)
  • 2.3. Das Elektronische Datenmanagement in der Umwelt- und Abfallwirtschaft (EDM)
  • 3. Das Unternehmensregister (UR)
  • 4. Neue Grundsätze und Ausblick

1.

E-Government als Enabler ^

[1]
Die öffentliche Verwaltung, die über ein sehr heterogenes Aufgabenspektrum verfügt, steht für Rechtssicherheit und Zuverlässigkeit. Zur Gewährleistung dieser Eigenschaften in den Bereichen, die von der Ordnungsverwaltung über Infrastruktur, Gesundheit, Bildung, Forschung, Soziales bis hin zur Finanzverwaltung reichen, wurde in der Vergangenheit ein relativ starrer Verwaltungsapparat mit vielen unterschiedlichen Zugängen und IT-Verfahren geschaffen, an dessen Vollziehung unterschiedliche Rechtsträger, wie u.a. die Gebietskörperschaften, die Sozialversicherungsträger und weitere Bereiche der Selbstverwaltung, beteiligt sind. Diesen starren Verwaltungsapparat unter Berücksichtigung der bestehenden Rahmenbedingungen zu öffnen, zur Schaffung einer vernetzten Verwaltung, ist eine große Herausforderung.
[2]

Für Bürger und die Wirtschaft ist es aufgrund der Vielfalt der Zugänge zur öffentlichen Verwaltung sowie Verfahren, die sich u.a. aufgrund der Tatsache herausgebildet haben, dass die Organisationshoheit und die Gestaltungsfreiheit von Verfahren bei den einzelnen Organisationseinheiten liegen, nicht einfach, die richtige Stelle und Form der Kommunikation zu finden.1 Ein Unternehmen hat pro Jahr bis zu 130 Verwaltungskontakte.2 Einige dieser Kontakte beinhalten die Weiterleitung von gleichen oder ähnlich aufbereiteten Informationen an Behörden. Am Abbau des diesbezüglich vorliegenden bürokratischen Aufwands sowie der damit verbundenen Loslösung vom Zuständigkeitsdenken wird gearbeitet.3,4

[3]
Die Forderung nach Effektivität, Effizienz, Qualität und Kundenorientierung seitens Politik und Bevölkerung, die bereits seit langem ausgesprochen ist und ein Umdenken sowie Investitionen in innovative Konzepte erforderlich machen, wird zudem durch die aktuell vorliegende Finanzkrise sowie durch die hohe Staatsverschuldung verstärkt, die ein Sparbudget ausgelöst haben. Langfristig gesehen ist die Finanzierung der gewachsenen, frakturierten Strukturen der öffentlichen Verwaltung nicht mehr sichergestellt.
[4]
Auch die steigenden Erwartungen der Bürger und der Wirtschaft, die teils durch die in der Wirtschaft im Einsatz befindlichen neuen Technologien getrieben werden, setzen die öffentliche Verwaltung unter Druck. Dass die Verwaltung aufgrund der bestehenden Rahmenbedingungen jedoch nicht derart flexibel wie die Wirtschaft auf technologische Herausforderungen reagieren kann, die in immer kürzeren Intervallen auftreten, bleibt meist unbeachtet. Ein Erfolgsfaktor liegt in der Nutzung des Potentials der neuen Technologie zur Umgestaltung und Optimierung der Aufbau- und Ablauforganisation. Dies bedingt einen radikalen Perspektivenwechsel im Sinne einer verstärkten organisationsübergreifenden Prozessoptimierung. In einem immer stärkeren Ausmaß ist es notwendig, dass nicht die Struktur die Abläufe, sondern die Abläufe die Struktur bestimmen. Dies ist eine Folge der Möglichkeiten des E-Government, die durch Government Prozess Engineering erreicht werden kann.
[5]
Mittlerweise ist das E-Government an einem Wendepunkt angekommen. Sollen keine weiteren Silos mehr entstehen, müssen bei Neugestaltungen von Verwaltungsprozessen auch die vor- und nachgelagerten Stellen einbezogen werden. Dies hat sich auch bei großen und wichtigen Projekten in Österreich gezeigt, die ressort- und ebenenübergreifend realisiert wurden. Beispiele sind der elektronische Akt (ELAK) für die ganze Bundesverwaltung, die Umstellung der Haushaltsverrechnung des Bundes auf ein einziges SAP-System oder die Transparenzdatenbank5, die Transparenz über erhaltene Förderungen der öffentlichen Hand schafft. Geprägt war die Umsetzung dieser Systeme u.a. von langwierigen Verhandlungsrunden, meist über Jahre hinweg, da diese Systeme nur auf Basis des Konsensprinzips umgesetzt werden konnten.6
[6]
Einen weiteren Impuls zur Überwindung des eingeschränkten Zuständigkeitsdenkens und Voraussetzung für übergreifende Kooperationsmodelle stellt die EU-Dienstleistungsrichtlinie dar. Die Verankerung eines einheitlichen Ansprechpartners (EAP) für Dienstleister, bei dem der Prozess angestoßen wird und von dem aus die weiteren Veranlassungen getroffen werden, ist eine Neuorientierung in diese Richtung. Allerdings zeigt sich, dass die Umsetzung dieser Vorgaben bisher nicht annähernd an die ursprüngliche Vision des One-Stop-Gedankens herankommt. Noch immer herrscht vielfach das Denken vor, dass Daten das «Eigentum» bestimmter Behörden sind.7
[7]
Bedingt durch die neuen Technologien, wie das Internet, stand bisher bei E-Government im Vordergrund, den Zugang des Bürgers und der Wirtschaft zu Verwaltungsleistungen zu erleichtern und effizienter zu gestalten. Mittlerweile wird E-Government zunehmend als Mittel zur Neugestaltung von Verwaltungshandeln gesehen. Dieser geänderte Ansatz spiegelt sich auch in den Schwerpunkten des E-Government wider, diese sind u.a.: One Stop Government, transorganisationale Prozesse, bundesweites E-Identity Management für Bürger, Unternehmen und Behörden, etc.
[8]
Grundvoraussetzung für die Neugestaltung ist eine stärkere Systematisierung des Verwaltungshandelns, d.h. eine umfassende Gestaltung der Prozesse und Ressourcen der Verwaltungsarbeit im Sinne eines Verwaltungs-Engineerings. Basisdaten dürfen nicht mehr als Eigentum bestimmter Behörden gesehen werden, sondern werden im Sinne einer Shared Service Lösung als Gemeineigentum bereitgestellt. Der Shared Service Ansatz hat zudem den Vorteil, mehr Ordnung in der Datenstruktur zu schaffen. Auch die «jüngeren» Entwicklungen im E-Government Bereich «Open Data» und «Open Government» zeigen neue Formen und eine Umgestaltung und Optimierung der Verwaltung auf. Die Bereitstellung von Daten für die Öffentlichkeit, die basierend auf diesen Daten neue Serviceleistungen erbringen können, birgt ein Potential, das heute noch gar nicht abschätzbar ist.

2.

Register im Wandel ^

[9]
Register, in der Verwaltung konkret Verwaltungsregister, sind Verzeichnisse, die von der öffentlichen Verwaltung geführt werden, mit Datensammlungen über natürliche und/oder juristische Personen. Beispiele sind u.a. das Zentrale Melderegister, das Zentrale Personenstandsregister, das Strafregister, das Firmenbuch, das Gewerberegister, das Vereinsregister, das Unternehmensregister. Register dienen der Unterstützung der Behörden. Die Erfassung und Bearbeitung der Daten erfolgt auf Basis von Materiengesetzen und sind in den meisten Fällen mit einer Rechtsfolge verbunden.8 Oft begründet die Eintragung in einem Register erst das entsprechende Recht. Sämtliche Register benötigen bestimmte «gleiche» Daten, die sogenannten Basisdaten. Diese Basisdaten sind zustandsorientierte Daten, die der Identifizierung und Klassifizierung dienen und über einen längeren Zeitraum zur Verfügung stehen.9
[10]
Im Laufe der Zeit hat sich eine Vielzahl von Registern in gleichen sowie in unterschiedlichen Verwaltungsbereichen etabliert. Diese Register weisen teilweise für gleiche Basisdaten unterschiedliche Attribute auf, da jede Behörde die Daten des eigenen Zuständigkeitsbereichs selbst führt und keine einheitliche Begriffswelt zwischen den Behörden existiert. Auch erfolgt die Aktualisierung der Basisdaten nicht zentral, so dass eine Aktualisierung nicht auf andere Register durchschlägt, die die gleichen Daten erhoben haben, sondern ein uneinheitlicher Stand in Bezug auf die Aktualität der Daten vorherrscht. Dies wird unter anderem dadurch verstärkt, dass jegliche Änderung mit zusätzlichen Kosten verbunden ist, die der Rechtsträger trägt, der die Organisationshoheit innehat. Das Interesse an der Richtigstellung ist daher nur eingeschränkt vorhanden. Der Abgleich der Daten setzt des Weiteren ein einheitliches Identifikationsmerkmal voraus, was bei Unternehmen, bei denen sich unterschiedliche Identifikationsmerkmale herausgebildet haben, nicht gegeben ist. Des Weiteren fehlt häufig die Abfragemöglichkeit der Daten.
[11]
Einen diesbezüglichen Wendepunkt und Schritt hin zur vernetzten Verwaltung sind Zentrale Register. Zentrale Register stellen den «gemeinsamen Datenbestand» für unterschiedliche Gebietskörperschaften bereit. Werden Erweiterungen umgesetzt kommen diese allen Nutzern zu Gute.
[12]
Basis eines bundesweiten, zentralen Registers ist immer ein Bundesgesetz. Zählt das Register zum Bereich der unmittelbaren Bundesverwaltung erfolgt die Bereitstellung eines Verfahrens durch das zuständige Bundesministerium als Auftraggeber und das Register wird in das Behördenverfahren der nachgeordneten Dienststellen eingebunden. Diesbezügliche Detailregelungen erfolgen durch Erlass und Dienstanweisung. Bespiele für Zentrale Register der unmittelbaren Bundesverwaltung sind das Firmenbuch, das Grundbuch und das Abgabeninformationssystem.
[13]
Zählt das Zentrale Register hingegen zum Bereich der mittelbaren Bundesverwaltung, liegt die Organisationshoheit bei den Ländern. In den einzelnen Bundesländern werden dezentrale Verfahren entwickelt, die in landesspezifische Systemumgebungen (Landes-ELAK, Buchhaltung, etc.) eingebettet sind und über Schnittstellen für die Kommunikation mit einem zentralen Register verfügen. Die Beauftragung der Schnittstelle erfolgt durch das zuständige Bundesministerium. Detailregelungen werden durch Dienstanweisungen jedes Landes festgelegt. Ein diesbezügliches Beispiel ist das Zentrale Gewerberegister und die diesbezüglichen Gewerbeverfahren je Bundesland.
[14]
Auch die Basis Föderaler Register bildet jeweils ein Bundesgesetz. Föderale Register zählen zum Bereich der mittelbaren Bundesverwaltung. Bei Föderalen Registern erfolgt eine Entkoppelung der Rollen in Auftraggeber, Betreiber und Dienstleister. Auftraggeber sind die beteiligten Gebietskörperschaften wie ein Bundesministerium, Länder, Städte und Gemeinden. Betreiber ist eine gemeinsame Plattform, d.h. ein eigener Rechtsträger, der für die Entwicklung und den Betrieb des Registers die Verantwortung trägt. Dienstleister kann entweder der Betreiber selbst oder eine von ihm beauftragte Einrichtung sein. Gesetzliche Änderungen, Erweiterungen und technologische Änderungen werden vom Betreiber durchgeführt und erfolgen aufgrund dessen nur einmal. Als positiv erachtet wird die Einbindung wichtiger Stakeholder, wie z.B. Kammern in den gemeinsamen Entwicklungsprozess. Des Weiteren zielführend ist die Nutzung der bestehenden E-Government-Standards wie Bürgerkarte, Stammzahl, duale Zustellung, etc. Die Abweichung von bestehenden E-Government-Standards erschwert bzw. macht die Umsetzung kooperativer Modelle unmöglich.
[15]
Die rechtliche Fragestellung bestand u.a. darin, wie Behörden unterschiedlicher Gebietskörperschaften auf einen gemeinsamen Datenbestand eines Registers zugreifen können. In diesem Fall wurde auf die Konstruktion eines Informationsverbundsystems gemäß § 4 Ziff. 3 Datenschutzgesetz (DSG 2000)10 zurückgegriffen. Ein Informationsverbundsystem wird im österreichischen DSG definiert als «die gemeinsame Verarbeitung von Daten in einer Datenanwendung durch mehrere Auftraggeber und die gemeinsame Benützung der Daten in der Art, dass jeder Auftraggeber auch auf jene Daten im System Zugriff hat, die von den anderen Auftraggebern dem System zur Verfügung gestellt wurden». Durch das Konzept des Informationsverbundsystems wird im öffentlichen Bereich aber keine neue Behörde geschaffen. Die Kompetenzverteilung zwischen Bund, Ländern und den Gemeinden bleibt unberührt.
[16]
Im Folgenden werden einige der wichtigsten Informationsverbundsysteme der öffentlichen Verwaltung dargestellt.

2.1.

Das Zentrale Melderegister (ZMR) ^

[17]
Die Meldebehörden in Österreich sind, wie auch in anderen europäischen Ländern, die Gemeinden. In der Vergangenheit wurden die Meldungen in Papierform mit Meldezettel und Registern in Form von Karteien geführt. Mit der Automatisierung der Meldeverfahren durch die einzelnen Gemeinden entstanden lokale Applikation ohne jeglichen Bezug zu anderen Bereichen.
[18]
Das Zentrale Melderegister11 ist ein zentrales Register aller in Österreich gemeldeten Personen. Die Basisdaten für Auslandsösterreicher und Fremde ohne Wohnsitz in Österreich werden im Ergänzungsregister für natürliche Personen (ERnP)12 gehalten. Die Zuständigkeit in Bezug auf das Zentrale Melderegister liegt nach wie vor bei den Gemeinden. Betreiber ist jedoch das Bundesministerium für Inneres, hierdurch ist ein bundesweit einheitliches Verfahren sichergestellt.
[19]
Mit der Einführung des Zentralen Melderegisters13 wurde nicht nur die Grundlage geschaffen, Basisdaten zur eindeutigen Identifikation von natürlichen Personen mit Wohnsitz in Österreich zentral bereitzustellen, sondern auch die Einrichtung einer zentralen Meldeauskunftstelle. Des Weiteren ermöglicht das Zentrale Melderegister durch Überprüfung der vorgelegten Dokumente, die Sicherstellung, dass Identitätsdaten, Meldedaten und Standarddokumente richtig und korrekt sind.
[20]
Alle Behörden und Gerichte können direkt ZMR-Abfragen durchführen. Eine Übermittlung von Daten in Papierform an andere Behörden oder Gerichte ist nicht mehr erforderlich. Somit wird ein bundesweit gleicher aktueller Stand der Identitäts- und Meldedaten gewährleistet. Die ZMR-Abfrage ist auch für die Bürgerin sowie den Bürger von Vorteil, da durch das Zentrale Melderegister die Notwendigkeit der Beibringung eines Meldezettels entfällt.

2.2.

Das Zentrale Personenstandsregister (ZPR) ^

[21]
Das Zentrale Personenstandsregister14 ist ein öffentliches Register, das als Informationsverbundsystem realisiert ist. Alle Personenstandsbehörden sind ermächtigt, die Personenstandsdaten in einem Informationsverbundsystem (§ 4 Z 13 DSG 2000) zu verarbeiten (§ 44 PStG15) und ein lokales Personenstandsregister zu führen – allerdings nur im Rahmen des Zentralen Personenstandsregister (§ 45 PStG). Auftraggeber des ZPR im Sinne des Datenschutzgesetz 2000 sind die Personenstandsbehörden. Der Betreiber des ZPR ist der Bundesminister für Inneres, der gleichzeitig auch Dienstleister für diese Datenanwendung ist. Im Personenstandsgesetz 2013 (PStG 2013) wurde gesetzlich verankert, dass Gerichte und Behörden Mitteilungen über Änderungen des Personenstandes nicht mehr in Papierform übermitteln, sondern, dass diese Mitteilungen mit der Eintragung in das ZPR erfüllt wird.
[22]
Der Personenstand ist die sich aus den Merkmalen des Familienrechts ergebende Stellung einer Person innerhalb der Rechtsordnung einschließlich ihres Namens. Die Personenstandsfälle Geburt, Eheschließung und Tod werden nach wie vor von der Gemeinde erfasst. Bei der Eintragung der Begründung einer eingetragenen Partnerschaft wurde sogar der Schritt gewagt, die örtliche Zuständigkeit aufzuheben, so dass bei jeder Bezirksverwaltungsbehörde im Bundesgebiet die Eintragung vorgenommen werden kann. Im Rahmen des Zentralen Personenstandsregisters wurde ein Personenkern eingeführt, der allen Behörden zur Verfügung steht. Die Personenstandsdaten zum Personenkern sind u.a. die folgenden: Name, Zeitpunkt und Ort der Geburt, Geschlecht, Familienstand, Zeitpunkt und Ort des Todes, bereichsspezifisches Personenkennzeichen (bPK).
[23]
Durch die Eintragung des Personenstands in das Zentrale Melderegister, das bundesweit einheitlich und aktuell geführt wird, sowie die Möglichkeit der Abfrage der Daten durch Behörden und Gerichte, entfällt der Nachweis des Personenstands durch Vorlage entsprechender Urkunden bei einer Behörde durch den Bürger bzw. die Bürgerin. Des Weiteren hat der Bürger bzw. die Bürgerin die freie Wahl (Ortsunabhängigkeit) in Bezug auf eine Behörde.
[24]

Mit der Aufnahme des Echtbetriebs am 1. November 2014 ist nur mehr das elektronisch geführte ZPR rechtverbindlich. Eintragungen in die bisher geführten Personenstandsbücher dürfen seitens des Standesamts nicht mehr vorgenommen werden. Diese Bücher und somit die eingetragen Daten wurden bisher in den Städten und Gemeinden von den Standesämtern lokal verwaltet, d.h. die Daten waren auf mehr als 1.400 Behörden, teils mit lokalen EDV-Anwendungen, verstreut.16 Berichtigungen können auf Basis eines Antrags oder von Amtswegen wahrgenommen werden (§ 42 PStG). Jedoch ist jedwede Berichtigung dem Betroffenen mitzuteilen.

[25]
Für die Vollziehung von Bundesgesetzen haben die Einrichtungen des Bundes, der Länder und der Gemeinden sowie die Sozialversicherungsträger und die gesetzlichen Interessensvertretungen die Daten des Personenkerns zu verwenden (§ 47 PStG). Damit ist die einheitliche Datenbasis Ausgangspunkt für jegliches Verwaltungshandeln betreffend natürliche Personen. Des Weiteren wurde Gerichten und Behörden eine Abfrage im ZPR eröffnet.
[26]
Ein automatischer Änderungsdienst ermöglicht den bundesweit einheitlichen Stand des Personenstands durch die Übermittlung von Änderungen an andere Register. Übermittlungen im Wege des ZPR umfassen u.a. Übermittlungen an die Jungendwohlfahrtsträger, den Hauptverwand der Sozialversicherungsträger, die örtlich zuständige Landespolizeidirektion, die Führerscheinbehörde, die Wählerevidenz, die Militärkommanden, die Fremdenpolizeibehörde, die Gerichte.

2.3.

Das Elektronische Datenmanagement in der Umwelt- und Abfallwirtschaft (EDM) ^

[27]

Das Elektronische Datenmanagementsystem in der Umwelt- und Abfallwirtschaft17 ist ein Informationsverbundsystem zur Unterstützung komplexer Abläufe bei umweltschutzbezogenen Dokumentations-, Melde- und Berichtspflichten. Es bietet Unternehmen und Behörden eine rechtssichere Basis zur Erfüllung ihrer umfangreichen Verpflichtungen.18 Betreiber des elektronischen Registers ist der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft. Er kann sich bei der Errichtung und Führung der Register eines Dienstleisters bedienen.19 Der Betrieb erfolgt durch die Umweltbundesamt GesmbH als Dienstleister. Auftraggeber sind die Landeshauptleute, Bezirksverwaltungsbehörden, das BMLFUW20 und das BMWFJ21. Durch das EDM-Konzept wird keine neue Behörde geschaffen, da das Organisationsrecht bei der jeweiligen Behörde verbleibt und die Abbildung in den jeweiligen Geschäftseinteilungen der Behörde erfolgt. Unberührt bleibt hierdurch auch die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern.

[28]
Durch das EDM konnte ein Bürokratieabbau durch direkte und regelmäßige Meldungen von Daten an Register durch Unternehmen erzielt werden. Dies durch eine deutliche Einsparung beim Kommunikationsaufwand mit Behörden, die die Meldungen für Unternehmen durchführen sowie eine Reduktion der Vielzahl von Meldeverfahren und Schnittstellen. Eine Grundvoraussetzung für die direkte Meldung ist die eindeutige elektronische Identität des Unternehmens und der handlungsberechtigten Personen. Vorteil der direkten elektronischen Meldung durch die Unternehmen ist die Erhöhung der Datenqualität, die deutliche Reduktion der Notwendigkeit einer manuellen Nachbearbeitung der gemeldeten Daten sowie die Effizienzsteigerung bei den Registern.

3.

Das Unternehmensregister (UR) ^

[29]

Das Unternehmensregister22 wird von der Statistik Österreich geführt. Es stellt ein Metaregister für nicht natürliche Personen («Unternehmen») dar, das von folgenden drei Quellregistern gespeist wird:

  • Firmenbuch23 mit aktuell ca. 220.000 eingetragenen Kapitalgesellschaften
  • Zentrales Vereinsregister24 mit allen eingetragenen Vereinen, derzeit 120.000 Eintragungen
  • Ergänzungsregister sonstiger Betroffener (ERsB)25, hier können sich alle nicht natürlichen Personen, die am Rechts- und Wirtschaftsverkehr elektronisch teilnehmen wollen, eintragen lassen; derzeit 1.280.000 Eintragungen
[30]
Der Begriff des Unternehmens wurde damit sehr weit gewählt, um eine möglichst breite Einbindung der Wirtschaft zu erreichen.26 Neben Gewerbebetreiben sind auch Ein-Personen-Unternehmen, die freien Berufe sowie die öffentlich rechtlichen Körperschaften, wie Gebietskörperschaften, Sozialversicherungsträger und Kammern mit einer elektronischen Identität in diesem Register geführt. Im UR wird als durchgängiges elektronisches Identifikationsmerkmal eine dreizehnstellige Nummer von der Statistik Österreich vergeben. Diese Behörden-GLN (Global Location Number) steht eine weltweit eindeutige Identifikationsnummer dar, die in einzelnen Registern sowohl als Primär- als auch als Sekundärmerkmal geführt werden kann.
[31]
Rechtlich verankert ist das Unternehmensregisters im Bundesstatistikgesetz27. Die Bundesanstalt hat ein Unternehmensregister mit gesetzlich festgelegten Merkmalen als regelmäßig ergänzte, zeitlich geschichtete Datensammlung für Zwecke der Verwaltung sowie des E-Governments des Bundes zu führen und den Einrichtungen der Länder, Gemeinden, Sozialversicherungsträger und den gesetzlichen Interessenvertretungen zur Wahrnehmung der ihnen gesetzlich übertragenen Aufgaben bereit zu stellen (§ 25 (1) Bundesstatistikgesetz).
[32]
Eingesetzt wird das UR aktuell im Rahmen des Unternehmensserviceportals (USP)28, über welches nicht nur unternehmensspezifische Informationsfunktionen und -verpflichtungen abgewickelt werden können, sondern durch Einbindung von Verfahren auch die Transaktionsfunktion erleichtert. Die Realisierung dieses One-Stop E-Government-Verfahrens für Unternehmen wurde in Österreich mit dem Unternehmensserviceportalgesetz 2009 (USPG)29 umgesetzt.
[33]
Mit dem UR ist es gelungen eine bundesweit einheitliche elektronische Identität für alle nicht natürlichen Personen einzuführen. Die Statistik Österreich als vergebende Stelle stellt sicher, dass keine Doppelvergaben erfolgen. Damit gibt es eine eindeutige dauerhafte und unveränderliche Kennzeichnung für Unternehmen im weiteren Sinn. Mittlerweile wird auch der öffentliche Bereich wie Behörden, Schulen etc. in diese Lösung miteingebunden, so dass eine einzige österreichweite elektronische Identifikation für Wirtschaft und Verwaltung geben ist. Aus rechtlichen Gründen wird die Behörden-GLN bei Firmenbuch und Vereinsregister als SekundärID verwendet, während sie beim ERsB die primäre Identifikationskennung darstellt. Mittelfristig ist zu erwarten, dass im gesamten E-Government-Bereich für nicht natürliche Personen, der Privatwirtschaft und der öffentlichen Verwaltung nur mehr eine einzige Stammzahl im E-Government verwendet wird. Eine solche eindeutige Identifikation nicht natürlicher Personen stellt auch die Basis dafür dar, eine Harmonisierung der unterschiedlichen Register mit Unternehmensdaten vorzunehmen. Nach einer Einführungsphase in der vor allem die Datenqualität verbessert wird, ist zu erwarten, dass Unternehmen mit ihrer Identifikationsnummer (BGLN) die Kontakte sowohl zur Verwaltung als auch zu anderen Unternehmen vereinfachen können. Eine der wesentlichen Voraussetzungen für einen breiten Einsatz von E-Rechnung und E-Procurement ist damit geschaffen.30

4.

Neue Grundsätze und Ausblick ^

[34]
Ein Baustein für eine erfolgreiche Kooperation im öffentlichen Sektor, zur Erzielung einer vernetzten Verwaltung und zum Bürokratieabbau sind die Verpflichtung für Gerichte und Behörden, alle Meldungen und Vorgänge elektronisch an Kernregister mitzuteilen sowie eine Mitteilung an Kernregister zu veranlassen, falls Zweifel an Richtigkeit von Daten vorliegen. Werden Berichtigungen durchgeführt, sind diese dem Betroffenen bzw. den Betroffenen mitzuteilen.
[35]
Ein weiteres Potential liegt in der Möglichkeit der Neugestaltung der örtlichen Zuständigkeit, d.h. ein Antrag kann bei jeder sachlich zuständigen Behörde in Österreich gestellt werden. Möglich ist dies durch die zentral bereitgestellten Register, die ortsunabhängig von allen Behörden und Gerichten genutzt werden können. Zielführend ist auch eine Selfservicefunktion für Bürger sowie für die Wirtschaft, wie sie beim EDM bereits für Unternehmen erfolgreich umgesetzt wurde. Ein diesbezüglich erforderlicher Nachweis der Identität kann mittels Bürgerkarte oder Handysignatur erfolgen. Die Selfservicefunktion reduziert den Kommunikationsaufwand und könnte hierdurch einen reduzierten Personalaufwand ermöglichen. Auch Mitteilungen zwischen den Behörden können entfallen, wenn bei einem Antrag oder einer Änderung ein Zugriff auf das Kernregister erfolgt. Sind die notwendigen Daten in Bezug auf einen Antrag bereits im Kernregister gespeichert, kann zudem die Vorlage von Dokumenten durch den Bürger bzw. den Unternehmer entfallen. Damit Fehler und Missverständnisse durch redundante Datenbestände aufgrund von Schreibfehlern und ungenauer Datenerfassung reduziert werden können, sind die Beachtung der Schreibweise und insbesondere die Unterstützung der diakritischen Zeichen von großer Wichtigkeit.
[36]
Des Weiteren muss die Organisation der Kernregister als Informationsverbundsystem (§ 4 Z 13 DSG 2000) erfolgen. Kernregister sind das ZPR, das UR, das Adressregister (ADR)31 und das Gebäude- und Wohnungsregister (GWR)32. Ein Kernregister steht jeder Behörde zur Verfügung. Behörden können bei Bedarf lokale Register führen, dies allerdings nur im Rahmen des Kernregisters. Kernregister müssen verpflichtend von den Behörden, der Gebietskörperschaften, SV-Träger und der gesetzlichen Interessensvertretungen verwendet werden. Des Weiteren sind Änderungen von Stammdaten automatisch an das Kernregister weiterzuleiten und zu aktualisieren. Anstelle von schriftlichen Mitteilungen sollen in Zukunft Übermittlungen im Wege des Kernregisters zur Verfügung gestellt werden. Die Einrichtung des ZPR und des UR sind Weichenstellungen, deren Auswirkungen erst in Zukunft spürbar werden.
[37]
Die Vision ist die Schaffung von einem (einzigen) elektronischen Zugang zu einer vernetzten Verwaltung. Würde dieser Zugang bestehen, wäre die Basis für einen einheitlichen Ansprechpartner für Bürger geschaffen. Der Bürger könnte sich an die nächste Behörde seiner Wahl wenden, um alle Schritte aus einer bestimmten Lebenssituation über den EAP abzuwickeln. Diesbezüglich notwendig wäre eine Neugestaltung bzw. Überwindung der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit hin zu einer virtuellen Verwaltung.

 

Arthur Winter, Professor, Donauuniversität Krems, Department für Governance und Public Administration, Dr. Karl-Dorrek-Straße 30, 3500 Krems, AT, arthur.winter@chello.at; arthur.winter@donau.uni.ac.at

 

Silke Gspan, Organisator, Bundesministerium für Finanzen, Sektion V, Abteilung 4, Hintere Zollamtsstraße 2b, 1050 Wien, AT, silke.gspan@bmf.gv.at; www.bmf.gv.at

  1. 1 Winter, Arthur, Und sie bewegt sich doch! – Innovative Konzepte im elektronischen Verkehr mit öffentlichen Stellen oder die Evolution im Back Office. In: Klumpp Dieter, Lenk Klaus, Koch Günter (Hrsg.): Überwiegend Neuland Positionsbestimmungen der Wissenschaft zur Gestaltung der Informationsgesellschaft, Berlin edition sigma, S. 29–44 (2014).
  2. 2 Sobania, Katrin, E-Government Anforderungen der Wirtschaft. In: Zechner, Achim (Hrsg.): Handbuch E-Goverment. Stuttgart, Fraunhofer IRB Verlag, S. 75–78 (2007).
  3. 3 Brüggemeier, Martin/Schulz, Sirko, Datenpointernetzwerk – Informationsintegration für einen vernetzt arbeitende, transparentere und weniger spürbare Verwaltung der Zukunft. In: Wimmer, Maria et al. (Hrsg.): Vernetzte IT für einen effektiven Staat, Gemeinsame Fachtagung Verwaltungsinformatik (FTVI) und Fachtagung Rechtsinformatik (FTRI), Köllen Verlag, Bonn, S. 17–28 (2010).
  4. 4 Lenk, Klaus, Abschied vom Zuständigkeitsdenken. Bürokratieabbau durch vernetzte Einstellung von Verwaltungsleistungen. In: Verwaltung & Management, H.5/2007, S. 235–242 (2007).
  5. 5 https://transparenzportal.gv.at/tdb/tp/menu_lb_leistungsangeboteBuerger, abgerufen: 2. Januar 2015.
  6. 6 Siehe FN 1.
  7. 7 Siehe FN 1.
  8. 8 Winter, Arthur, Zentrale Registerlösungen im föderalen Bundesstaat des 21. Jahrhunderts. In: Schweighofer, Erich/Kummer, Franz (Hrsg.): Europäische Projektkultur als Beitrag zur Rationalisierung des Rechts, Tagungsband des 14. Internationalen Rechtsinformatik Symposions, IRIS 2011, Band 278, S. 223–232 (2011).
  9. 9 Siehe FN 1.
  10. 10 Bundesgesetz über den Schutz personenbezogener Daten (Datenschutzgesetz 2000 – DSG 2000), BGBl. I Nr. 165/1999.
  11. 11 http://www.bmi.gv.at/cms/BMI_ZMR/, abgerufen: 30. Januar 2015.
  12. 12 https://www.stammzahlenregister.gv.at/site/6085/default.aspx, abgerufen: 30. Januar 2015.
  13. 13 Bundesgesetz über das polizeiliche Meldewesen (Meldegesetz 1991 – MeldeG) StF: BGBl. Nr. 9/1992.
  14. 14 http://www.bmi.gv.at/cms/BMI_Service/zpr/start.aspx, abgerufen: 30. Januar 2015.
  15. 15 Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Regelung des Personenstandswesens (Personenstandsgesetz 2013 – PStG 2013) erlassen sowie das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, das Meldegesetz 1991 und das Namensänderungsgesetz geändert werden und das Personenstandsgesetz aufgehoben wird, BGBl. I Nr. 16/2013.
  16. 16 Vgl. http://www.bmi.gv.at/cms/bmi/_news/bmi.aspx?id=6D4F7254594341563046303D&page=0&view=1, abgerufen: 2. Januar 2015.
  17. 17 http://www.edm.gv.at, abgerufen: 30. Januar 2015.
  18. 18 Vgl. AWG 2002 § 22 Abs. 4, Bundesgesetz über eine nachhaltige Abfallwirtschaft (Abfallwirtschaftsgesetz 2002 – AWG 2002), BGBl. I Nr. 193/2013.
  19. 19 Vgl. https://secure.umweltbundesamt.at/edm_portal/home.do?ubastyle_page=about&ubastyle_roles=false, abgerufen: 7. Januar 2015.
  20. 20 Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, http://www.bmlfuw.gv.at/, abgerufen: 30. Januar 2015.
  21. 21 Bundesministerium für Wirtschaft, Familien und Jugend. http://www.bmwfw.gv.at/Seiten/default.aspx, abgerufen: 30. Januar 2015.
  22. 22 http://www.statistik.at/web_de/statistiken/unternehmen_arbeitsstaetten/urv_unternehmensregister_fuer_zwecke_der_verwaltung/index.html, abgerufen: 30. Januar 2015.
  23. 23 http://www.justiz.gv.at/web2013/html/default/8ab4a8a422985de30122a90fc2ca620b.de.html, abgerufen: 2. Februar 2015.
  24. 24 http://zvr.bmi.gv.at/Start, abgerufen: 2. Februar 2015.
  25. 25 https://www.ersb.gv.at/ersb/faces/ErsbMain.xhtml, abgerufen: 2. Februar 2015.
  26. 26 Siehe FN 1.
  27. 27 Bundesgesetz über die Bundesstatistik (Bundesstatistikgesetz 2000), StF: BGBl. I Nr. 125/2009.
  28. 28 https://www.usp.gv.at/Portal.Node/usp/public, abgerufen: 30. Januar 2015.
  29. 29 Bundesgesetz über die Einrichtung und dem Betrieb eines Unternehmensportals (Unternehmensserviceportalgesetz – USPG), StF BGBl I. Nr 52/2009.
  30. 30 Siehe FN 1.
  31. 31 http://www.bev.gv.at/portal/page?_pageid=713,2167982&_dad=portal&_schema=PORTAL, abgerufen: 2. Februar 2015.
  32. 32 http://www.statistik.at/web_de/services/adress_gwr_online/allgemeines/gebaeude_und_wohnungsregister/index.html, abgerufen: 2. Februar 2015.