Jusletter IT

Kooperation als Lösung für die Aufdeckung von Wettbetrug

Wie eine Wissensdatenbank helfen kann

  • Author: Markus Knasmüller
  • Category: Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: E-Commerce
  • Collection: Conference Proceedings IRIS 2015
  • Citation: Markus Knasmüller, Kooperation als Lösung für die Aufdeckung von Wettbetrug, in: Jusletter IT 26 February 2015
Wettbetrug, auch bekannt unter Matchfixing, also das Fixieren von Spielergebnissen im Vorhinein mit dem Zweck bei Wetten zu gewinnen, ist in aller Munde, dennoch gibt es – im Gegensatz zu Doping – noch keine anerkannten Tests um Wettbetrug aufzudecken. Dieser Artikel versucht hier anzusetzen und derartige Tests zu entwerfen. Diese müssen deutlich über die derzeit vorliegenden Fraud Detection Systeme, die Quotenverschiebungen mathematisch untersuchen, hinausgehen. Dazu ist Kooperation notwendig, zwischen allen Beteiligten, etwa den Wettbüros, den Wettern und natürlich den Spielern. Sie alle sind Datenlieferanten und können Daten in eine Wissensdatenbank liefern. Diese Wissensdatenbank kann Grundlage eines Testes sein, ob eine Manipulation vorliegt oder nicht.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Einleitung
  • 2. Wettquoten
  • 2.1. Entstehung von Wettquoten
  • 2.2. Veränderung von Wettquoten
  • 3. Wettquotenanalysen
  • 3.1. Fraud Detection Systeme
  • 3.2. Wettquoten im Vergleich zwischen den Wettanbietern
  • 4. Rahmenbedingungen
  • 4.1. Andere stark quotenbeeinflussende Umstände
  • 4.2. Forenbeobachtung
  • 4.3. Hinzuziehen anderer Experten
  • 4.4. Bereitschaft für einen Wettbetrug
  • 5. Spielverlauf
  • 6. Wissensdatenbank
  • 7. Schlussfolgerungen

1.

Einleitung ^

[1]
Wettbetrug, auch bekannt unter Matchfixing, also das Fixieren von Spielergebnissen im Vorhinein mit dem Zweck bei Wetten zu gewinnen, ist in aller Munde und leider dürfte es auch in Österreich Vorfälle gegeben haben, die zu entsprechenden Anklagen und (noch nicht rechtskräftigen1) Verurteilungen geführt haben.
[2]

Ganz abgesehen von der strafrechtlichen Komponente ist Wettbetrug aber ein großes Problem für den Sport. Sogar das Internationale Olympische Komitee sieht es auf einer Ebene mit Doping2, wobei es grundverschieden ist: Während bei Doping einzelne Sportler unerlaubte Mittel nehmen um sich einen Vorteil zu verschaffen, nehmen bei Wettbetrug die Sportler meist sogar absichtlich Nachteile in Kauf und verlieren zum Beispiel ein Spiel um sich einen materiellen Vorteil zu verschaffen. Aber auch in einer anderen Hinsicht ist ein Unterschied gegenüber Doping zu merken. Gibt es bei Doping anerkannte Dopingtests, die die schwarzen Schafe doch zumindest auf lange Sicht oft enttarnen, gibt es derartige Tests bei Wettbetrug nicht. Hier ist man vollständig auf sogenannte «Whistleblower» angewiesen ohne die – laut Wissen des Autors – noch keine einzige Spielmanipulation aufgedeckt worden wäre.

[3]

Dieser Artikel versucht hier anzusetzen und Tests zu entwerfen, mit denen Spielbetrug aufgedeckt werden kann. Zwar gibt es derzeit schon vorliegende Fraud Detection Systeme3, die die Wettquoten analysieren und Quotenverschiebungen mathematisch untersuchen, allerdings kann es dafür verschiedenste Gründe geben und diese werden noch nicht ausreichend berücksichtigt. Auch wenn die Aussage des in der Verfolgung von Wettbetrugs wahrscheinlich federführenden Bochumer Staatsanwaltes, dass diese Systeme komplett versagt haben4, nicht gänzlich geteilt werden kann, so sind sie doch sicherlich nicht alleine ausreichend, um Wettbetrüger zu überführen.

[4]
Hier sind nicht nur die Wettbüros, sondern alle beteiligten Parteien, also vor allem die Verbände, die Spieler, aber auch die Journalisten und die Wetter gefordert um alle nötigen Daten zu beschaffen. Dabei sind aktuelle Verletzungen von Spielern, Zeitungsschlagzeilen oder Spielverläufe nur einige Beispiele.
[5]
Aufbauend auf diese Daten, die nur durch eine Kooperation von allen beteiligten Parteien gewonnen werden können, kann eine Wissensdatenbank aufgebaut werden, die jedes Spiel mit bekannten manipulierten Fällen vergleicht und dabei Gemeinsamkeiten sucht. Somit kann ein Index zwischen 0 und 100, der zeigt wie wahrscheinlich eine Manipulation ist, definiert werden.
[6]
Auch wenn klar ist, dass natürlich dieser Test keine 100%ige Gewissheit bringen wird, so können doch wahrscheinliche Manipulationen erkannt und entsprechende Maßnahmen ergriffen werden.

2.

Wettquoten ^

[7]
Wenn heute von Verdachtsmomenten in Bezug auf Spielmanipulation gesprochen wird, dann sind es eigentlich immer die Veränderungen von Wettquoten auf Grund höherer Einsätze, die angesprochen werden. Auch wenn es falsch wäre sich alleine auf die Quoten zu konzentrieren, wiewohl dies oft getan wird, so spielen die Veränderungen tatsächlich eine große Rolle in der Aufdeckung von Wettbetrug.
[8]

Um dies verstehen zu können, ist es wichtig, einmal zu wissen, wie Wettquoten überhaupt entstehen und durch welche Einflüsse sie verändert werden.

2.1.

Entstehung von Wettquoten ^

[9]

Wenn eine Wette von einem Buchmacher angeboten wird, so hat er die schwere Aufgabe eine Anfangsquote für diese festzulegen. Diese werden basierend auf Statistikdaten und der gewünschten Gewinnmarge des Wettbüros (durch Festlegung einer Auszahlungsquote) fixiert. Sind zwei Mannschaften etwa gleich stark, so gewinnt Team A mit einer Wahrscheinlichkeit von 35%, Team B ebenfalls zu 35% und zu 30% endet das Spiel Unentschieden. Diese Gleichverteilung geht dabei von einem neutralen Austragungsort für das Spiel aus, bei Berücksichtigung eines Heimvorteils – bei ansonsten gleichstarken Mannschaften – gewinnt das Heimteam zu 45%, die Auswärtsmannschaft zu 29% und zu 26% geht das Spiel Unentschieden aus. Natürlich sind im Regelfall die beiden Mannschaften nicht gleich stark, daher werden noch vergangene Ergebnisse berücksichtigt, um möglichst realistische Wahrscheinlichkeitswerte als Grundlagen für die Wettquoten-Startwerte zu erhalten. Für die Fixierung der Wettquote ist dann auch die Auszahlungsquote des Wettbüros relevant, die üblicherweise zwischen 88% und 98% liegt. Diese legt fest, wie viel das Wettbüro bei gleich verteilten Einsätzen wieder auszahlt, der Rest verbleibt sozusagen als Gewinn. Liegt die Wahrscheinlichkeit für einen Sieg von Team A etwa bei 20% und hat das Wettbüro eine Auszahlungsquote von 90%, so ergibt sich die Wettquote aus der Formel 1/20*90, also 4,5.

[10]

Diese Quote, die auf statistischen Werten beruht, ist dabei aber nur ein Anfangswert, auf den auch nur sehr geringe Einsatzhöhen akzeptiert werden. Je nach den Wetten, die in Folge eingehen, verändern sich dann die im Laufe der Zeit die Quoten und die möglichen Einsatzhöhen steigen.

2.2.

Veränderung von Wettquoten ^

[11]
Das Ziel eines Wettanbieters ist, dass die Wetteinsätze gleichmäßig – entsprechend der Quoten – verteilt sind. Wenn etwa bei einem Tennis-Spiel, wie dem Masters-Finale 2013 Nadal – Djokovic auf Nadal die Quote 1:2,15 stand und auf Djokovic 1:1,65 und z.B. insgesamt 10.712,– auf dieses Spiel gewettet wurden, wäre die gewünschte Verteilung, wenn auf Sieg Nadal 6.061,– gesetzt worden wären und auf Sieg Djokovic 4.651,–. In dem Falle müssten vollkommen unabhängig vom Ausgang 10.000,– ausbezahlt werden, das Wettbüro hätte also 712,– Euro Gewinn.
[12]
Wenn die gleichmäßige Verteilung nicht mehr gewährleistet ist, dann muss das Wettbüro die Quoten anpassen. Wird etwa vermehrt Geld auf Nadal gesetzt, so muss dessen Quote reduziert werden, wodurch es unattraktiver wird auf ihn zu setzen. Umgekehrt wird die Quote auf Djokovic erhöht, wodurch vermehrt Einsätze auf ihn erfolgen werden.
[13]
Die Wettquoten ändern sich dadurch im Vergleich zu den Anfangsquoten, sind also nicht konstant. Bleibt dies in einem überschaubaren Bereich, so ist dies sicherlich nicht verdächtig. Es gibt aber klassische Beispiele von erwiesenermaßen manipulierten Spielen, bei denen sich die Quoten sehr stark geändert haben: Etwa waren in einer Partie Team A mit einer Quote von 1:1,94 und Team B mit einer Quote von 1:1,90 ursprünglich fast gleich auf, d.h. also Team B war ganz leichter Favorit. Durch vermehrte Einsätze auf das Team A hat sich dessen Quote aber auf 1:1,44 reduziert, während Team B dann eine Quote von 1:2,66 hatte. Auf einmal war also Team A ganz deutlich der Favorit.
[14]
Je nach Bedeutung des Spiels ist eine derartige Veränderung der Wettquote nur mit sehr hohen Einsätzen möglich. Bei einem Champions League Spiel wären hier mehrere Millionen Euro an Einsätzen auf eine Mannschaft nötig um die Quoten so zu verändern, bei Regionalligaspielen könnten eventuell schon ein paar Tausend Euro ausreichen.
[15]
Diese Parameter, Ausmaß der Quotenveränderung (im Verhältnis zur Anfangsquote) und Höhe der Wetteinsätze im Vergleich zu ähnlichen Spielen, sind wesentliche Werte um Wettbetrug zu identifizieren.

3.

Wettquotenanalysen ^

[16]
Derartige Analysen sind heutzutage bereits Standard und werden im Auftrag sowohl der verschiedenen Verbände (ÖFB, UEFA, FIFA, …) als auch der Wettanbieter durchgeführt. Was dabei aber oft nicht berücksichtigt wird, sind zwei Dinge: erstens Wetten bei Wettanbietern, die ihre Daten nicht automatisch an die Frühwarnsysteme abliefern und zweitens andere Umstände (s. 4.1.) die sich massiv auf die Wettquoten auswirken können.

3.1.

Fraud Detection Systeme ^

[17]

Die Untersuchung derartiger Quotenverschiebungen wird durch entsprechende Frühwarnsysteme (Fraud Detection Systeme) wie etwa Sportradar bereits umfangreich abgedeckt. Diese beliefern einerseits die Wettkonzerne mit allen möglichen Services wie Statistiken, Livebildern, Analysetools, etc. und analysieren die Wettmärkte mit 300 Millionen Datensätzen pro Tag. Diese Datensätze erhalten sie dabei andererseits auch von genau diesen Wettanbietern. Laut Eigenangaben sind von den pro Saison analysierten 35.000 Fußballspielen ca. 130 auffällig, von denen wird also davon ausgegangen, dass sie manipuliert worden sind5.

[18]

Basierend auf diesen auffälligen Spielen werden von diesen Systemen auch schon umfassende Datenbanken gehalten, mit denen die Spieler, Mannschaften und Schiedsrichter, die wiederholt an derartig auffälligen Spielen beteiligt sind, ermittelt werden können. Jede einzelne Mannschaft erhält somit eine Art «Betrugs-Gesamtwert»6.

 

[19]
Fraud Detection Systeme erzeugen dabei gezielte Berichte von potentiell manipulierten Spielen, wobei die Wettquotenentwicklung auch verglichen wird mit statistischen Modellen, also sonst «normalen» Entwicklungen bei ähnlichen Spielverläufen. Derartige Berichte sind natürlich eine wesentliche Ausgangssituation für die Aufdeckung von Wettbetrug, dennoch muss angemerkt werden, dass häufig bei nachweislich manipulierten Partien diese Systeme keinen Verdacht erweckt haben7, andererseits die Systeme einen Verdacht hatten, aber (zumindest bislang) kein Beweis erbracht werden konnte.
[20]

Sinnvoll wäre auch noch deutlich mehr Daten von den Wettanbietern einzusammeln, etwa könnte die geographische Streuung der getätigten Einsätze kontrolliert werden. Im Regelfall werden Setzungen im Falle eines Wettbetruges nicht nur von einem einzelnen Wetter vorgenommen, sondern von mehreren, damit die Setzungen nicht so auffällig sind. Im Falle eines Wettbetruges – sofern dieser nicht von einer internationalen Vereinigung durchgeführt wird – kann aber davon ausgegangen werden, dass diese Wetter zusammenhängend sind, also etwa im gleichen geographischen Raum leben.

3.2.

Wettquoten im Vergleich zwischen den Wettanbietern ^

[21]
Natürlich gibt es nicht nur einen Wettanbieter, sondern sehr viele. Klarerweise unterscheiden sich diese durch unterschiedlich hohe Auszahlungsquoten, aber auch sonst ist die Quotenbildung unterschiedlich, etwa weil die statistischen Werte anders gewichtet werden oder aber weil sich durch unterschiedliche Einsätze der Spielergemeinschaft eine etwas andere Quotenentwicklung ergeben hat. Dadurch können sogar Extremsituation entstehen, dass etwa ein Wettbüro Team A in der Favoritenrolle hat und ein anderes Team B. Nicht selten führt dies dann dazu, dass eine sogenannte «Sure Bet»-Situation entsteht, bei der der Wetter durch geschickte Verteilung seines Einsatzes auf beide Wettbüros auf jeden Fall gewinnt. Es ist naheliegend, dass diese ungewöhnlichen Situationen zu ungewöhnlich hohen Einsätzen und auch zu unerwarteten Quotenverschiebungen führen. Wenn also nicht alle Wettbüros berücksichtigt werden, dann ist die Quotenanalyse unvollständig. Genau dies ist aber bei den Fraud Detection Systemen der Fall, da eben bei weitem nicht alle Anbieter berücksichtigt werden. Insbesondere der asiatische Markt, der aber betragsmäßig den größten Anteil am Wettaufkommen hat, wird nur bruchstückhaft abgedeckt. Finden Quotenverschiebungen daher vor allem auf diesen statt, wird dies oft gar nicht bemerkt. Gerade dies muss aber verstärkt in die Analyse, ob ein Spiel manipuliert wurde oder nicht, miteinbezogen werden.
[22]

In diesem Zusammenhang muss natürlich auch festgehalten werden, dass größere Abweichungen zwischen verschiedenen Wettbüros ein Indiz für eine Manipulation sein können. Da diejenigen die manipulieren ja nicht gleichmäßig über alle Wettbüros agieren, sondern meist nur einige wenige auswählen, ergeben sich dadurch extreme Abweichungen zwischen den Büros, die von den Manipulatoren ausgewählt wurden und denen, bei denen nur redliche Wetter spielen.

4.

Rahmenbedingungen ^

[23]
Dramatische Quotenverschiebungen können ein klarer Hinweis für eine Manipulation sein, aber natürlich ist dies noch lange kein Beweis dafür: Oftmals gibt es für derartige Quotenverschiebungen nachvollziehbare Gründe, die gegebenenfalls ausgefiltert werden müssen. Möglichkeiten dazu werden in diesem Abschnitt erklärt.

4.1.

Andere stark quotenbeeinflussende Umstände ^

[24]

Eine der massivsten Quotenverschiebungen der letzten Jahre war wohl bei den Wetten auf den Eurovision Songcontest 2014 zu beobachten. Der österreichische Beitrag von Conchita Wurst war anfangs bei den Wettbüros ca. um Platz 15 mit Siegquoten von ca. 1:40 gereiht. Nach einerseits großartigen Vorstellungen bei Halbfinale und Finale und andererseits auf einer Welle der Toleranz schwimmend ging diese Quote aber steil bergab. Die Quote lag – knapp nach dem Finalauftritt aber noch zu einem Zeitpunkt bevor Jury und Publikum abgestimmt hatten – auf einem Top 5 Platz bei unfassbar niedrigen 1:1,02. Hier war also eine gigantische – aber erklärbare – Quotenverschiebung erfolgt.

[25]
Auch andere Erklärungen für derartige Quotenverschiebungen gibt es, etwa weil sich Spieler in der Vorbereitung verletzt haben, ein Trainer angekündigt hat, dass er wichtige Spieler für andere Partien schonen will oder aber weil die Wettbüros in ihren Anfangsquoten ganz einfach daneben lagen. Einzelne Wettbüros bieten täglich oft über 1.000 Wettereignisse an, wobei dann noch verschiedenste Wetten auf die einzelnen Ereignisse möglich sind (teilweise sogar über 100). Unabhängig davon, dass natürlich dem Wettbüro bei der Quotenfestlegung Fehler passieren können, ist auch klar, dass das notwendige statistische Material nicht immer ausreichend sein kann (etwa für Wetten auf die zweite albanische Liga).
[26]
Diese qualitativen Informationen sind größtenteils im Internet – jedoch vollkommen unstrukturiert – enthalten. Es muss daher eine Lösung gesucht werden, wie diese automatisiert gewonnen werden können.

4.2.

Forenbeobachtung ^

[27]

Gerade die Foren sind auch gute Hinweisgeber für das Erkennen von Wettbetrug, zwar ist ein automatisiertes Durchsuchen für alles im Vorhinein nicht möglich, jedoch bei Rasterfahndung könnte man das ganz spezifisch machen. Es stellt sich heraus, dass viele der jetzt bekannten kritischen Spiele in den einschlägigen Wettforen schon lange diskutiert worden sind, teilweise sogar schon bevor der Anpfiff erfolgte.

[28]
Natürlich muss auch sehr aufgepasst werden, da solche Meldungen oft auch bewusst gestreut werden, um Quoten zu beeinflussen. Will etwa jemand auf Mannschaft A setzen und dabei eine möglichst hohe Quote haben, wäre es eine Möglichkeit das Gerücht zu streuen, dass das Spiel zugunsten der Mannschaft B manipuliert sei. Dadurch wird verstärkt auf B gesetzt werden, was dazu führt, dass die Quote für Mannschaft A steigen wird.
[29]
Aber auch dann ist dieses Wissen natürlich für die Interpretation der Quotenänderungen sehr relevant. Ebenso sind auch andere stark quotenbeeinflussende Umstände oft in diesen Wettforen nachzulesen.
[30]
Daneben werden Spiele aber auch sehr skeptisch in den Foren beobachtet und das ist wesentlich, denn oft sind es kleine Details, die Wettbetrug entlarven. So kann etwa eine umgelegte Trinkflasche durchaus ein Kommando für einen auszuführenden Wettbetrug sein8. Um derartiges aufzudecken hilft natürlich jeder Beobachter und davon sind in Wettforen genügend unterwegs.
[31]

Eine möglichst automatisierte Analyse von Wettforeneinträgen wird daher unumgänglich sein, um sich dieser Thematik annähern zu können.

4.3.

Hinzuziehen anderer Experten ^

[32]

Sehr sinnvoll wäre es wohl auch, andere Experten hinzuzuziehen, z.B. Körperspracheexperten. Gerade dadurch könnten wohl auch häufig Spieler, die nicht die volle Leistung bringen, entlarvt werden. Wenn es auch nicht immer so dramatisch sein wird, dass sich die Spieler, die verloren haben, gegenseitig abklatschen9, so sind vielleicht doch Regungen erkennbar, die dem eigentlichen Ziel eines Sportlers, nämlich möglichst gut abzuschneiden, widersprechen würden.

4.4.

Bereitschaft für einen Wettbetrug ^

[33]

In einem Report der University of Salford10 wurde eine Formel aufgestellt, die ermitteln soll, ob ein Spieler eine Manipulation durchführt. Dabei wird abgewogen zwischen den Kosten und Erträgen eines Wettbetruges. Dieser ist umso wahrscheinlicher je größer der Gewinn und je geringer die Wahrscheinlichkeit der Aufdeckung bzw. die Höhe des Schadens (rechtlich, Image, etc.) sind. Auch wenn die dabei verwendete Formel nur wirtschaftliche Aspekte abdeckt, kann sie sicherlich eine Ausgangsbasis für eine Formel, die die Wahrscheinlichkeit eines Wettbetruges in einem konkreten Fall ermittelt, sein.

5.

Spielverlauf ^

[34]
Die Untersuchung und Quoten, wie auch die Beobachtung von Wettforen, sind bekannte Maßnahmen. Was aber noch viel zu wenig beachtet wird, ist eine Analyse des Spielverlaufs. Im Gegenteil wird dort oftmals nur darauf abgestimmt, ob das auf Grund der Quotenverschiebung erwartete Ergebnis zustande kam und ob es spektakuläre Szenen, wie Elfmeter oder grobe Schiedsrichterfehler gab. Dies geht aber vollkommen an der Praxis vorbei, da einerseits die Manipulationen nicht immer erfolgreich sind und andererseits Ziel der Manipulation ist, dass diese eben nicht auffällt.
[35]

Gerade hier in der Analyse des Spielverlaufs besteht daher viel Nachholbedarf. Der kanadische Aufdeckerjournalist Declan Hill hat sich wissenschaftlich mit dieser Thematik auseinandergesetzt und erwiesenermaßen manipulierte Spiele mit normalen Referenzspielen verglichen. Dabei konnten einige Auffälligkeiten, wie der Zeitpunkt und die Anzahl der Tore festgestellt werden.

[36]

Eine derartige Datenbank ist momentan, so unfassbar dies klingt, eigentlich nur in Fragmenten in dem Werk von Declan Hill11 vorhanden. Dieses müsste aber unbedingt massiv ausgebaut und wohl auch offiziell von den Verbänden geführt werden. Dann wäre es aber möglich, jedes Spiel und natürlich insbesondere die Spiele, die auf Grund der Quoten bzw. der oben erwähnten Rahmenbedingungen verdächtig sind, auf entsprechende statistische Übereinstimmung mit den erwiesenen manipulierten Spielen zu untersuchen.

[37]

Aber nicht nur der Vergleich mit anderen manipulierten Spielen ist interessant, auch sonst gibt es umfassende Informationen über Fußballspiele und gerade bei wichtigen Partien werden verschiedenste Werte, wie etwa gewonnene Zweikämpfe, erfolgreiche Pässe oder sogar gelaufene Kilometer jedes Spielers, aufgezeichnet. Auch existieren umfangreichste Statistiksammlungen12, sodass hier Auffälligkeiten sicherlich aufgedeckt werden können.

6.

Wissensdatenbank ^

[38]
Die in den vorhergehenden Kapiteln erwähnten Daten sind die Grundlage für die Erstellung einer Wissensdatenbank, die daher u.a. folgendes beinhalten sollte:
  • Veränderung der Wettquoten
  • Vergleich der Wettquoten zwischen den einzelnen Wettbüros
  • Signalmeldungen der Fraud Detection Systeme
  • Sämtliche Nachrichten zu den Spielen, auch diejenigen im Vorfeld, bzw. welche von Live-Tickern
  • Meldungen aus den diversen Foren
  • Einschätzungen anderer Experten, etwa für Körpersprache
  • Monetäre Bewertung für die Bereitschaft zu einem Wettbetrug
  • Spielverlauf, insbesondere im Vergleich zu bekannt manipulierten Spielen
  • Statistische Auswertungen zum Spiel, etwa Laufumfang der einzelnen Spieler
[39]

Natürlich kann eine derartige Datenbank nicht so ohne weiteres aufgebaut werden. Dazu ist Kooperation notwendig, zwischen den Wettbüros, den Verbänden, den Journalisten, den Fans, den Wettern, den Schiedsrichtern, den Trainern und natürlich den Spielern. Sie alle sind Datenlieferanten und können Daten in diese Wissensdatenbank liefern.

[40]
Aufbauend auf diese Wissensdatenbank können dann aber sehr gezielt Vergleiche aufgestellt werden. Etwa kann analysiert werden, ob Leistungen einzelner Spieler signifikant schlechter sind, als sonst, oder ob der Spielverlauf dem von bekannt manipulierten Spielen entspricht. Erkenntnisse, die jeweils für sich alleine vielleicht nicht verdächtig sind, in Summe aber ein rundes Bild ergeben können.

7.

Schlussfolgerungen ^

[41]
Die Wissensdatenbank kann Grundlage eines Testes sein, ob eine Manipulation vorliegt oder nicht. Auch wenn klar ist, dass natürlich dieser Test keine 100%ige Gewissheit bringen kann, so kann doch mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Manipulation aufgedeckt werden, wodurch entsprechende Maßnahmen ergriffen werden können.
[42]
Die Herausforderungen in der zukünftigen Arbeit liegen einerseits im Aufbau der Wissensdatenbank und andererseits in der Quantifizierung aller Komponenten, damit ein Index, der eine Manipulationswahrscheinlichkeit angibt, ermittelt werden kann. Also je höher der Index, desto höher die Wahrscheinlichkeit einer Wettmanipulation.

 

Markus Knasmüller, Allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger (u.a. für Sportwetten) sowie Leiter der Software-Entwicklung der BMD Systemhaus GmbH, Sierninger Straße 190, 4400, Steyr, AT, knasmueller@bmd.com; http://www.bmd.com

  1. 1 Stand Januar 2015.
  2. 2 Z.B. Welt, IOC-Maßnahmen gegen Wettbetrug, Die Welt, http://www.welt.de/newsticker/dpa_nt/infoline_nt/thema_nt/article113379890/IOC-Massnahmen-gegen-Wettbetrug.html, aufgerufen 1. Dezember 2014.
  3. 3 Sportradar Security Services, World Match Fixing: The problem and the solution, Sportradar AG, St. Gallen, S. 60 ff. (2014).
  4. 4 Welt, Staatsanwalt Bachmann: Frühwarnsystem hat versagt, Die Welt, http://www.welt.de/newsticker/sport-news/article113416516/Staatsanwalt-Bachmann-Fruehwarnsystem-hat-versagt.html, aufgerufen 14. Dezember 2014.
  5. 5 Koerl, Wettbetrugstechniken und Abwehrmaßnahmen im internationalen Fußball, In: Wettkampfmanipulationen und Schutzmechanismen, Steiner (Hrsg.), Nomos Verlag, Baden-Baden, S. 21 (2012).
  6. 6 Forrest, Schattenspiele, Wilhelm Heyne Verlag, München, S. 250 (2014).
  7. 7 So sind etwa laut den Untersuchungen im Zusammenhang mit dem Prozess in Bochum 200 manipulierte Spiele entdeckt worden, nur bei sechs von denen gab es aber eine entsprechende Alarmmeldung seitens Sportradar, siehe SportAccord, Study Sports betting and corruption, Paris (2012).
  8. 8 Best, Der gekaufte Fußball, Murmann Verlag, Hamburg, S. 25 (2013).
  9. 9 Forrest, Schattenspiele, Wilhelm Heyne Verlag, München, S. 258 (2014).
  10. 10 Forrest, McHale und McAuley, Risks to the Integrity of Sports from Betting Corruption, University of Salford (2008).
  11. 11 Hill, The Insider´s Guide to Match-Fixing in Football, Anne McDermid & Associates Limited, Toronto (2013).
  12. 12 Z.B. Anderson und Sally, Die Wahrheit liegt auf dem Platz, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg (2014).