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CAHVE: Das neue Ad-hoc-Komitee des Europarates für E-Voting

  • Author: Gregor Wenda
  • Category: Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: E-Democracy
  • Collection: Conference Proceedings IRIS 2016
  • Citation: Gregor Wenda, CAHVE: Das neue Ad-hoc-Komitee des Europarates für E-Voting, in: Jusletter IT 25 February 2016
Am 1. April 2015 hat das Ministerdelegiertenkomitee des Europarates die Einrichtung eines Ad-hoc-Expertenkomitees für E-Voting («CAHVE») durch Verabschiedung der einschlägigen «terms of reference» beschlossen. Damit hat der Europarat die Entscheidung getroffen, Phänomenen der elektronischen Stimmabgabe bei Wahlen und Referenden auch weiterhin verstärkte Aufmerksamkeit zu schenken. Die zu CAHVE nominierten Expertinnen und Experten der Mitgliedstaaten, die aus den jeweiligen Wahlbehörden stammen, sollen unter Einbindung weiterer Stakeholder die in die Jahre gekommene Empfehlung Rec(2004)11 des Europarates zu E-Voting überarbeiten. Dazu wurde am 28. und 29. Oktober 2015 in Straßburg eine erste Sitzung abgehalten und ein «legal expert» mit der Erstellung von Änderungsentwürfen in Koordination mit dem Sekretariat des Europarates und der Vorsitzführung des Komitees betraut. Das Jahr 2016 wird im Zeichen eines «Updates» der Empfehlung stehen.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Vorgeschichte
  • 2. Ein langer Weg
  • 3. Einsetzung von «CAHVE»
  • 4. Die erste Sitzung
  • 5. Ausblick
  • 6. Literatur

1.

Vorgeschichte ^

[1]
Die Einführung von IKT-gestützten Lösungen im Wahlbereich wird in zahlreichen europäischen Staaten auf fachlicher bzw. politischer Ebene seit gut eineinhalb Jahrzehnten erörtert.1 In vielen Staaten wurde das Stadium der theoretischen Debatte bis heute nicht verlassen, in einigen Ländern lassen sich inzwischen jedoch reale Anwendungen einer elektronischen Stimmabgabe verzeichnen. In erster Linie ist die Verwendung von Internet-Lösungen zu beobachten (z.B. Schweiz, Estland, Frankreich), zuletzt wird aber auch wieder vermehrt über die Verwendung von Maschinen in Wahllokalen diskutiert (z.B. in Belgien und den Niederlanden).2
[2]
In einer international einzigartigen Pionierrolle befasste sich der Europarat schon von 2002 bis 2004 erstmals3 mit rechtlichen, operationellen und technischen Fragestellungen zu E-Voting, die für das sensible Zukunftsthema IKT-unterstützter Wahlereignisse entsprechende Orientierung geben und für die Mitgliedstaaten einheitliche Grundstandards definieren sollten. Das Ergebnis der Ausarbeitungen der eigens eingesetzten intergouvernmentalen Ad-Hoc-Expertengruppe war die vom Ministerkomitee am 30. September 2004 angenommene «Recommendation Rec(2004)11 of the Committee of Ministers to member States on legal, operational and technical standards for e-voting» samt dazugehörigem «Explanatory Memorandum»; 2010 kamen zwei ergänzende bzw. einzelne Bereiche der Recommendation materiell aktualisierende und präzisierende «Guidelines» hinzu, die sich der Transparenz und der Zertifizierung bei E-Voting widmeten.4 Wenngleich alle Dokumente soft law darstellen, haben sie sich auf internationalem Parkett zu zentralen Bezugsquellen und Richtschnüren bei der Befassung mit Fragen zur elektronischen Stimmabgabe entwickelt. Der Umstand, dass die 2004 beschlossene Rec(2004)11 angesichts neuer Entwicklungen im IT-Bereich, gesammelter praktischer Erfahrungen einzelner Länder und gesellschaftlicher Veränderungen zusehends unaktueller zu werden drohte, wurde bei den alle zwei Jahre stattfindenden Evaluierungen («Review Meetings») ab 2006 notiert und führte ab 2012 bei Staatenvertretern zu einem klaren Ruf nach einer notwendigen Aktualisierung («Update») der Empfehlung. Die Aussichten, die Rec(2004)11 erneut bearbeiten zu können, erschienen jedoch längere Zeit mehr als fraglich – zu gering erschien das Interesse für E-Voting im Portfolio der Europarats-Schwerpunkte.

2.

Ein langer Weg ^

[3]
Nachdem das «Fourth Review Meeting» am 11. Juli 2012 in Bregenz dem Ministerkomitee vorgeschlagen hatte, die Empfehlung in formeller Weise zu aktualisieren (»… the representatives of Member States […] agreed to recommend that the 2004 Committee of Ministers» Recommendation […] should be formally updated.»)5, bot sich Österreich an, im Rahmen des Vorsitzes im Europarat von November 2013 bis Mai 2014 die Diskussionen über die Durchführung eines «Updates» weiterzuverfolgen. Mit der Neustrukturierung von Organisationseinheiten des Sekretariates im Europarat fielen Angelegenheiten des E-Voting, die seit 2010 nicht mehr in Form eines Projekts geführt werden konnten, nun der «Division of Electoral Assistance and Census» unter dem Dach des «Directorate General of Democracy» zu. Das Bundesministerium für Inneres lud am 19. Dezember 2013 zu einem «Informal meeting of experts» nach Wien ein, um unter dem Vorsitz des Sekretariats des Europarates auszuloten, welche Argumente und Chancen es für eine allfällige Aktualisierung der Rec(2004)11 gäbe. Dazu wurde vom Europarat eigens eine Studie in Auftrag gegeben.6
[4]

Obgleich auch beim informellen Expertentreffen in Wien die Ansicht des Review Meeting 2012 geteilt wurde, eine Aktualisierung der Rec(2004)11 in Angriff zu nehmen, erforderte es in den Folgemonaten intensive diplomatische Bemühungen einer Gruppe von Staaten unter der Führung Österreichs, um die Entscheidungsträger im Sekretariat des Europarates vom Wert einer Weiterverfolgung des Update-Gedankens zu überzeugen. Ein von Österreich gemeinsam mit Belgien, Estland, Lettland, Polen, der Schweiz und Ungarn erstelltes «non-paper» zur Information des Ministerdelegiertenkomitees am 17. Juni 2014 ersuchte um Abhaltung eines neuerlichen «Review Meeting» im Herbst 2014; Österreich bot sich als möglicher Veranstaltungsort an. Die 5. Evaluierungssitzung zu Rec(2004)11 fand schließlich am 28. Oktober 2014 in Lochau bei Bregenz statt und manifestierte den Wunsch der Staaten, dass sich der Europarat auch weiterhin mit E-Voting befassen und zur Überarbeitung der Empfehlung ein eigenes Expertengremium einsetzen möge. Am 13. Jänner 2015 kamen die Ergebnisse und Empfehlungen des 5th Review Meeting im zuständigen Ministerdelegiertenkomitee-Ausschuss «GR-DEM» in Straßburg zur Sprache und der Antrag Österreichs, die Conclusions aus Lochau umzusetzen, erhielt sehr breite Zustimmung. Der lange Weg des E-Voting-Themas zurück auf das Tapet des Europarates war gelungen.

3.

Einsetzung von «CAHVE» ^

[5]

Schon im Rahmen der Expertensitzung in Lochau bei Bregenz am 28. Oktober 2014 war der Wunsch der anwesenden Staaten zum Ausdruck gekommen, eine allfällige Überarbeitung der Rec(2004)11 in die Hände einer eigenständigen «Ad-Hoc-Expertengruppe» zu legen. In den Conclusions des Meetings7 wurde festgehalten:

The participants of the fifth Review Meeting on the Council of Ministers' Recommendation Rec(2004)11 on legal, operational and technical standards on e-voting expressed the view that the upcoming update of CM Rec(2004)11 should be undertaken in a concentrated way by a special ad hoc group of experts, as soon as possible, but at the latest in the intergovernmental structure within the next Programme and Budget 2016-17. To save costs, electronic means of exchange and negotiation should be used where possible. To assure the highest possible quality in the outcome of this update, this group of experts should be composed of government representatives from election management bodies supported, as necessary, by other relevant stakeholders such as academia, industry and civil society.
[6]

Mit diesen Schlussfolgerungen wurde bereits vor einer offiziellen Befürwortung des «Updates» durch das Ministerdelegiertenkomitee der Wunsch zum Ausdruck gebracht, dass wieder jener Fachkreis über die Zukunft der Recommendation entscheiden sollte, der seit 2006 regelmäßig an den Review Meetings teilgenommen hatte – nämlich die für Wahlrecht zuständigen Expertinnen und Experten der einzelnen Staaten. An Stelle einer Zuordnung der Materie zu einem fix installierten statutorischen Gremium8 des Europarates wurde, wie 2003, erneut ein Ad-Hoc-Expertenkomitee eingesetzt. Dabei wurde auch die historisch etablierte Abgrenzung zwischen «e-governance» und «e-voting» bekräftigt: Bereits das Integrated Project 1 (IP1) des Europarates mit der Bezeichnung «Making democratic institutions work» (Laufzeit von 2002 bis 2004) unterschied zwischen den Schwerpunkten IP1-S-EE (E-enabled Voting = E-Voting) und IP1-S-EG (E-Governance). E-Voting und E-Governance wurde ab 2003 in zwei völlig voneinander getrennten Arbeitsgruppen nachgegangen, wobei E-Voting nicht als «intersektoral», sondern als interdisziplinär («multidisciplinary») angesehen wurde. Das 826. Meeting des Ministerdelegiertenkomitees vom 5. Februar 2003 hatte zur Mitgliedschaft in der neuen E-Voting-Expertengruppe ausgeführt, dass «(…) governments of all member states are entitled to appoint members with the following qualifications being desirable: experts in issues concerning legal, operational and technical standards for elections and also experience in procedures related to electoral matters and, where possible, ICT technical experience.» Repräsentanten weiterer Gremien und Institutionen konnten ohne Stimmrecht beigezogen werden.9

[7]

Im Ministerdelegiertenkomitee-Ausschuss «GR-DEM» am 13. Jänner 2015 wurde das Sekretariat des Europarates beauftragt, bis zum Folgetreffen einen Entwurf zur Einrichtung einer «direkt dem Ministerdelegiertenkomitee unterstehenden» Ad-hoc-Expertengruppe samt Mandat für die Novellierung der E-Voting-Empfehlung auszuarbeiten. Der Entwurf der «Terms of Reference»10 wurde vom Sekretariat in der GR-DEM-Sitzung am 17. März 2015 behandelt und vom Ausschuss einstimmig angenommen. Das Ministerdelegiertenkomitee segnete das Mandat in der Folge in seiner Sitzung am 1. April 2015 in einem Sammelbeschluss ohne weitere Debatte ab. Damit wurde das lange angestrebte «Ad hoc committee of experts on legal, operational and technical standards for e-voting», kurz «CAHVE»11, Wirklichkeit. Die Arbeitszeit war aufgrund der Budgetperiode des Europarates vorerst auf das Jahr 2015 beschränkt, wurde aber im nächsten Budget, das am 25. November 2015 beschlossen wurde12, auf das gesamte Jahr 2016 ausgedehnt.13

[8]

Als zu erwartende Ergebnisse von CAHVE werden in den «Terms of Reference» die Finalisierung einer «draft Recommendation updating Recommendation Rec(2004)11 of the Committee of Ministers to member States on legal, operational and technical standards for e-voting» und die Finalisierung des «explanatory memorandum to the updated Recommendation» genannt. Mitglieder des Komitees sind von den Regierungen der Mitgliedstaaten des Europarates nominierte Repräsentanten «of highest possible rank from their election management bodies with direct experience or specialised knowledge on e-voting». Die Bezugnahme auf die zuständigen «election management bodies»14 stellt sicher, dass tatsächlich die zur Administration von Wahlen berufenen Stellen Expertinnen oder Experten entsenden.15 In Österreich wurde CAHVE bisher durch den Autor dieses Beitrages (stellvertretender Leiter der Abteilung für Wahlangelegenheiten im Bundesministerium für Inneres) beschickt.

[9]

Ohne Stimmrecht und auf Kosten ihrer eigenen Budgets können auch ein oder mehrere Vertreter anderer Gremien und Institutionen an CAHVE teilnehmen. Es handelt sich hierbei um die Parlamentarische Versammlung, den Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarates, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, den Kommissar für Menschenrechte des Europarates, die INGO-Konferenz, das European Committee on Democracy and Governance (CDDG), das European Committee on Legal Co-operation (CDCJ), das Steering Committee on the Media and Information Society (CDMSI), das Committee of Experts on the Rights of People with Disabilities (DECS-RPD) und die Venedig-Kommission (Council for Democratic Elections). Weiters können – ohne Stimmrecht und Rückerstattungsrecht – auch Repräsentanten der Europäischen Union, von Beobachterstaaten des Europarates16, des OSCE Office for Democratic Institutions and Human Rights (ODIHR), der European Commission/UNDP Joint Task Force on Elections, der Organisation of American States (OAS), der Association of European Election Officials (ACEEEO) und des International Institute for Democracy and Electoral Assistance (IDEA) teilnehmen. Zusätzlich kann das Komitee Vertreter der IKT-Industrie17 und Vertreter der Zivilgesellschaft beiziehen, ebenso Beobachter weiterer Staaten und Organisationen, sofern der Wunsch einstimmig an das Generalsekretariat herangetragen wird. Zur Leitung der Entwurferstellung wird die Beiziehung eines «legal expert» vorgesehen.18 Eine solche zentrale legistische Rolle gab es im Expertenkomitee des Jahres 2003–2004 noch nicht, allerdings wurden innerhalb des ersten Ad-Hoc-Komitees Subgruppen19 gebildet, um bestimmte Arbeitspakete informell vorzubereiten und abzustimmen, um sie in der Folge weitestgehend akkordiert dem Plenum vorlegen zu können. Nachdem die technischen Möglichkeiten für Online-Arbeiten sich seither deutlich weiter entwickelt haben, soll CAHVE so weit wie möglich per elektronischem Austausch unter den Staatenexperten arbeiten.20 Dies soll auch der Budgetentlastung dienen.21 Aktuell ist das Sekretariat des Europarates dabei, die erforderliche technische Plattform für die Online-Arbeiten zu finalisieren. Mit dieser soll es möglich sein, den Diskussionsprozess voranzutreiben, konsensuale Inhalte und kritische Punkte zu identifizieren und stückweise abzuarbeiten sowie auf virtueller Ebene zu verhandeln.

[10]

Mit Schreiben des Europarats-Sekretariats vom 13. April 2015 wurden alle Staaten im Wege der Ständigen Vertretungen zur Nominierung von wahlrechtlichen Expertinnen und Experten für CAHVE ersucht. Die in dem Schreiben geäußerte Annahme, dass eine Sitzung für das «second half of the year» geplant sei, jedoch «with a view to finalising its work already in 2015», erschien schon bald nicht mehr realistisch. Noch im ersten Halbjahr 2015 zeichnete sich die Notwendigkeit ab, die Arbeiten in CAHVE zumindest auch im Jahr 2016 fortzusetzen – dies nicht zuletzt auf Grund des Umfangs der zu bearbeitenden Dokumente und der vielschichtigen, vorab zu klärenden Fragen. Der Europarat griff zur Unterstützung der Vorarbeiten erneut auf das Fachwissen von Ardita Driza Maurer zurück – jener Expertin, die bereits für das informelle Treffen in Wien im Dezember 2013 eine Evaluierungsstudie erstellt und den Beratungsprozess beim 5th Review Meeting im Oktober 2014 in Lochau begleitet hatte. Um das erste physische Treffen von CAHVE zielgerichtet vorbereiten zu können, erarbeitete Driza Maurer gemeinsam mit einer kleinen Gruppe weiterer Experten22 einen Fragebogen, der den Teilnehmern des Komitees Optionen für ein zukünftiges «Update» aufzeigen und ausreichend Substanz für die erforderlichen Richtungsentscheidungen sammeln sollte. Am 22. Juni 2015 wurde der Fragebogen ausgesandt und zugleich die erste Sitzung des Komitees für 28. Oktober 2015 angekündigt. In acht Fragen zur Zukunft der Recommendation wurden der Umfang (Definition von E-Voting, Rolle der EMBs, Risikobehandlung), die Strukturierung und Kategorisierung der Standards sowie Wünsche und Sorgen im Zusammenhang mit einer Überarbeitung thematisiert.

4.

Die erste Sitzung ^

[11]

Mit Einladung vom 14. September 2015 wurde CAHVE durch das Sekretariat des Europarates offiziell zur ersten physischen Sitzung am 28. und 29. Oktober 2015 nach Straßburg einberufen. Rund 50 Teilnehmende aus mehr als 25 Staaten, Organisationen und dem akademischen Bereich waren anwesend. Gleich zu Beginn der Sitzung wurde auf Vorschlag Estlands der Autor dieses Beitrages als Vorsitzender («Chair») von CAHVE vorgeschlagen und einstimmig gewählt; auf Vorschlag Österreichs wurde in der Folge die schwedische Repräsentantin Kristina Lemon einstimmig zur stellvertretenden Vorsitzenden («Vice-Chair») gewählt.23

[12]

Den Kern der Sitzung bildete die Frage der Vorgangsweise hinsichtlich des «Updates» der Rec(2004)11. Ardita Driza Maurer präsentierte dazu die Ergebnisse aus dem Fragebogen, der Ende Juni ausgesandt worden war. 19 nationale Delegationen und drei Vertreter von Institutionen hatten fristgerecht ihre Antworten übermittelt, die in der Sitzung eingehend behandelt wurden.24 In Anlehnung an die übermittelten Leitfragen wurden primär die Definition von E-Voting, die Rolle der EMBs, die Risikobehandlung, die Neustrukturierung der Empfehlung, die Kategorisierung der Standards und die Notwendigkeit eines zukünftigen Review-Prozesses erörtert. Hinsichtlich der Überarbeitung der E-Voting-Definition sollen nach Meinung von CAHVE zukünftig auch optische Scanner mit erfasst werden. Die Verantwortung von EMBs für alle Etappen von E-Voting soll bei einer Überarbeitung der Empfehlung noch stärker betont werden, freilich ohne die regional teilweise unterschiedlichen Rollen der Wahlbehörden außer Acht zu lassen. Im Sinne einer besseren Implementierbarkeit sollen zukünftige Formulierungen in der Recommendation zum Teil ihre «Absolutheit» verlieren und stattdessen notwendige Maßnahmen zur Risikobekämpfung und Bewusstseinsbildung hervorstreichen. Bei einer Neustrukturierung der Empfehlung soll in einem einheitlichen Kern zentrale Standards zusammengefasst werden, die möglichst zeitlos und konstant sind und in erster Linie rechtliche Punkte betreffen. Weitere Standards sollen in weiteren Ebenen («layers») rund um diesen Kern gruppiert und bei Bedarf auch leichter aktualisiert werden können. Dabei wird auf frühere Erfahrungen bei der Erstellung der Guidelines im Jahr 2010 zurückgegriffen. Bei der Neuorganisation der Standards soll nach drei Gesichtspunkten vorgegangen werden: «Was?», «Wie?» und «Kontrollierbarkeit?»25 Schließlich soll auch der wohl etablierte Review-Prozess, im Zuge dessen die Empfehlung seit 2006 alle zwei Jahre überprüft wurde, formalisiert werden, einerseits zum fachlichen Austausch, andererseits zur weiteren Erarbeitung von «Guidelines» oder zur Beratung über etablierte Praktiken. Auf die genauen Inhalte der Diskussion und die daraus resultierende weitere Stoßrichtung des «Updates» wird in diesem Tagungsband in einem separaten Beitrag von Ardita Driza Maurer eingegangen.26

5.

Ausblick ^

[13]

Mit dem Ende der Oktober-Sitzung in Straßburg wurde die zweite Phase der Aktualisierung von Rec(2004)11 eingeläutet. Gemäß Beschluss von CAHVE wurde Ardita Driza Maurer als legistische Expertin federführend mit der Konzipierung erster Entwürfe auf Basis der Richtungsentscheidungen in der Plenarsitzung betraut. In Absprache mit dem Sekretariat des Europarates kann Driza Maurer wieder weitere Experten für einzelne Ausarbeitungen heranziehen. Mit dem Vorsitzenden und der stellvertretenden Vorsitzenden sind zumindest zwei weitere Staaten von Anfang an in die Entwurfserstellung eingebunden. Die Entwürfe sollen den Teilnehmern von CAHVE in der Folge über eine eigene Online-Plattform zur Prüfung und Behandlung zugänglich gemacht werden. Soweit als möglich ist an einen Entwicklungs- und Bearbeitungsprozess per Internet gedacht; das Mandat für 2016 ermöglicht jedoch auch ein physisches Zusammenkommen der Experten im Plenum. Darüber hinaus wären, ähnlich wie 2003–2004, auch informelle Treffen zur Vorabklärung oder Vertiefung einzelner Punkte möglich; so hat etwa der Vorsitzstaat Österreich bereits seine Bereitschaft signalisiert, bei Bedarf zu einer solchen Zusammenkunft nach Wien einzuladen.

[14]

Dass das Thema E-Voting durch die Schaffung von CAHVE als direkt dem Ministerdelegiertenkomitee unterstelltes Fachgremium einen eigenständigen Platz im Europarat gefunden hat – und dies noch dazu in Zeiten der Neuorganisation von Arbeitsgruppen und der steten Straffung von Ressourcen – ist als starkes Signal am Ende eines längeren Verhandlungsprozesses und der Initiative mehrerer Staaten wie Österreich zu werten. Und es legt nahe, dass der Europarat auch weiterhin die internationale Themenführerschaft in der Materie des E-Voting behalten möchte. Dies zeigt sich nicht zuletzt auch daran, dass E-Voting in anderen Bereichen des Europarates27 derzeit ebenfalls verstärkte Aufmerksamkeit zukommt: So wird sich etwa die 13. Konferenz der Electoral Management Bodies der Venice Commission von 14.–15. April 2016 in Bukarest mit Phänomenen der elektronischen Stimmabgabe beschäftigen28 und auch in der zu Redaktionsschluss noch in Ausarbeitung befindlichen Council of Europe Internet Governance Strategy (2016–2019)29 wird E-Voting als Zukunftsthema hervorgehoben – ganz konkret als eigenständiges «topic» neben «the future of the Internet and its governance», «citizen participation» und «transparency in democracy».

6.

Literatur ^

Balthasar/Prosser. E-Voting in der «sonstigen Selbstverwaltung», JRP 2012, 47.

Balthasar/Prosser. Die Distanzwahl als hoheitlicher Akt im Ausland als Problem – und Internet-Voting als dessen Lösung? JRP 2015, 256.

Driza Maurer/Barrat, E-Voting Case Law – A Comparative Analysis (2015).

Driza Maurer, Ten Years Council of Europe Rec(2004)11: Lessons learned and Outlook, in Krimmer/Volkamer, EVOTE 2014 Proceedings (2014) 105.

Krimmer, The Evolution of E-voting: Why Voting Technology is Used and How it Affects Democracy (2012).

Mundorf/Reiners, E-Voting als wegweisende Innovation in Estland, Innovative Verwaltung 2010/10, 42.

Pentz, Richtungsweisend – nur wohin? Die Judikatur des VfGH zu E-Voting, Juridikum 1/2012, 6.

Stein/Wenda, E-Voting in Österreich, SIAK-Journal 3/2005, 3.

Stein/Wenda, The Council of Europe and e-voting: History and impact of Rec(2004)11, in Krimmer/Volkamer, EVOTE 2014 Proceedings (2014) 105.

Vogl, Briefwahl und E-Voting auf Bundesebene, JRP 2006, 119.

Wenda, «Alles online, oder was?» – Europa und das elektronische Wählen, in Schweighofer/Kummer/Hötzendorfer (Hrsg.), Kooperation/Co-operation, Tagungsband des 18. Internationalen Rechtsinformatik Symposions IRIS 2015 (2015) 319.

Wenda, «Good Governance in the Information Society» – Der Europarat und E-Voting, in Schweighofer/Kummer (Hrsg.), Europäische Projektkultur als Beitrag zur Rationalisierung des Rechts, Tagungsband des 14. Internationalen Rechtsinformatik-Symposions IRIS 2011 (2011) 293.

Wenda, Quo Vadis, E-Voting? Rückblick und Ausblick für Europa, in Schweighofer/Kummer/Hötzendorfer (Hrsg.), Transparenz, Tagungsband des 17. Internationalen Rechtsinformatik-Symposions IRIS 2014 (2014) 309.

  1. 1 Zur allgemeinen Entwicklung von E-Voting vgl. u.a. Krimmer, The Evolution of E-voting: Why Voting Technology is Used and How it Affects Democracy (2012).
  2. 2 Zum Entwicklungsstand in Europa vgl. u.a. Wenda, «Alles online, oder was?» – Europa und das elektronische Wählen, in Schweighofer/Kummer/Hötzendorfer (Hrsg.), Kooperation/Co-operation, Tagungsband IRIS 2015, 319 ff.; sowie Stein/Wenda, The Council of Europe and e-voting: History and impact of Rec(2004)11, in Krimmer/Volkamer (Hrsg.), EVOTE 2014 Proceedings (2014) 105.
  3. 3 Im Rahmen des Integrated Project 1 (IP1 – «Making democratic institutions work»).
  4. 4 Zu allen Dokumenten siehe http://www.coe.int/t/DEMOCRACY/ELECTORAL-ASSISTANCE/themes/evoting/default_en.asp (alle Internetabfragen sind auf dem Stand 18. Januar 2016).
  5. 5 Vgl. den Bericht des «Fourth Review Meeting» vom 4. Juni 2013, DGII/Inf(2013)06, 5.
  6. 6 Vgl. Driza Maurer, Report on the possible update of the Council of Europe Recommendation Rec(2004)11 on legal, operational and technical standards for e-voting, 29. November 2013.
  7. 7 Vgl. Bericht DGII/Inf(2014)21, 6.
  8. 8 Vereinzelt wurde etwa eine Zuordnung zum CDDG (European Committee on Democracy and Governance – CDDG) angedacht.
  9. 9 Vgl. das Mandat der Arbeitsgruppe: https://wcd.coe.int/ViewDoc.jsp?Ref=CM(2003)12&Language=lanEnglish&Site=COE&BackColorInternet=DBDCF2&BackColorIntranet=FDC864&BackColorLogged=FDC864.
  10. 10 Vgl. CM(2015)34.
  11. 11 Die Abkürzung «CAHVE» (Kurzform für die französische Bezeichnung Comité ad hoc dexperts pour vote électronique) fand sich ursprünglich nicht im Mandat für 2015 (CM(2015)34 final), wurde jedoch bei der Verlängerung des Mandats für 2016 explizit in die «Terms of Reference» aufgenommen und bereits in der Vorbereitung der ersten Sitzung am 28. und 29. Oktober 2015 im Arbeitsgebrauch und in den Dokumenten verwendet.
  12. 12 Als Teil des Budget-Beschlusses des Ministerdelegiertenkomitees für 2016/17.
  13. 13 CM(2015)131 add final.
  14. 14 Der Ausdruck «Election Management Bodies» bzw. «Electoral Management Bodies» (kurz «EMB») für die zur Aufsicht über und Durchführung von staatlichen Wahlen berufenen Behörden bzw. Kommissionen in den einzelnen Mitgliedstaaten ist beim Europarat fest etabliert und findet sich etwa auch bei der Venice Commission, die eine jährliche Konferenz der EMBs organisiert und ein ständiges EMB-Netzwerk unterhält.
  15. 15 Die Delegation eines Staates (insgesamt 47 Mitgliedstaaten) kann auch mehr als eine Person umfassen, laut Mandat wird allerdings lediglich einem Vertreter Stimmrecht gewährt und ein Kostenersatz übernommen.
  16. 16 Kanada, Heiliger Stuhl, Japan, Mexiko, USA.
  17. 17 Genauer Wortlaut: «…representatives of the Information and Communication Technology (ICT) industry, particularly the international consortium on open, internationally agreed standards for the exchange of data to support various business processes (OASIS)».
  18. 18 Genauer Wortlaut: «The assistance of a legal expert will be requested to lead the draft update of the Recommendation
  19. 19 Insbesondere für die Themenkreise «Legal and operational standards» und «Technical standards».
  20. 20 Genauer Wortlaut: «The Committee will be invited to use electronic means of exchange and negotiation where possible
  21. 21 Insgesamt stehen CAHVE gemäß Mandat (CM(2015)131 add.) im Jahr 2016 Budgetmittel von € 47.500,– zur Verfügung.
  22. 22 Die Gruppe weiterer Experten wurde von Ardita Driza Maurer als federführender «legal expert» in Absprache mit dem Sekretariat des Europarates benannt. Herangezogen wurden Jordi Barrat, Douglas Jones, Robert Krimmer, Kristina Lemon, Melanie Volkamer und Gregor Wenda.
  23. 23 Sowohl der Autor als auch Kristina Lemon haben bereits in der ursprünglichen Ad-Hoc-Expertengruppe 2003–2004 als nationale Delegierte mitgewirkt und gehören damit nicht nur zu den «dienstältesten» Staatenvertretern in Sachen E-Voting im Europarat, sondern können mit der Vorsitzführung umfangreiches historisches Wissen in die Diskussion einbringen.
  24. 24 Antworten kamen von Armenien, Österreich, Belgien (Bundesebene und Region Brüssel), Bulgarien, Kroatien, der Tschechischen Republik, Dänemark, Estland, Finnland, Georgien, Griechenland, Ungarn, Litauen, Malta, Russland, Spanien, Schweden, Schweiz und der Türkei sowie vom Council of Europe Committee on Democracy and Governance (CDDG), vom Council of Europe Steering Committee on Media and Information Society (CDMSI) und von International IDEA.
  25. 25 «What is the system required to do?»; «How is the system supposed to do what it is required to do?»; «How to test and evaluate conformity with requirements?».
  26. 26 Vgl. Driza Maurer, Update of the Council of Europe Recommendation on Legal, Operational and Technical Standards for E-Voting – A Legal Perspective, in diesem Tagungsband.
  27. 27 Siehe etwa schon 2015 den Bericht «E-media: game changer for local and regional politicians» (CG/GOV/2015(29)14 final) des Kongresses der Gemeinden und Regionen des Europarates (Co-Rapporteurs Leo Aadel, Estland, und Annemieke Traag, Niederlande), der sich u.a. mit E-Voting-Erfahrungen in Estland auseinandersetzt und von einer steigenden Bedeutung dieses Wahlkanals ausgeht.
  28. 28 Vgl. http://www.venice.coe.int/ («New Voting Technologies in Elections»).
  29. 29 Vgl. Draft vom 25. September 2015 (CDMSI (2015)010 REV2).