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Die elektronische Vergabe nach der BVergG-Novelle 2015 und die interkommunale Kooperation – eine Bestandsaufnahme

  • Author: Philipp Götzl
  • Category: Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: E-Procurement
  • Collection: Conference Proceedings IRIS 2016
  • Citation: Philipp Götzl, Die elektronische Vergabe nach der BVergG-Novelle 2015 und die interkommunale Kooperation – eine Bestandsaufnahme, in: Jusletter IT 25 February 2016
Die interkommunale Zusammenarbeit fand mit den neuen Vergaberichtlinien 2014/23/EU, 2014/24/EU und 2014/25/EU Eingang in das kodifizierte europäische Vergaberecht. Damit wird eine weitere Ausnahme vom Vergaberecht geschaffen, mithin ein Bereich, der dem Wettbewerb faktisch entzogen ist. Andererseits soll durch die neuen Vergaberichtlinien die elektronische Vergabe gefördert werden, um den Wettbewerb anzukurbeln. Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit diesem scheinbaren Widerspruch und beleuchtet das Verhältnis des Vergabeausnahmetatbestandes der interkommunalen Kooperation zur elektronischen Vergabe.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Ausgangslage
  • 2. Europäische Grundlagen zu elektronischer Vergabe und interkommunalen Kooperation
  • 3. Die Entwicklung der In-house-Vergabe zur Interkommunalen Zusammenarbeit
  • 4. Kennzeichen, Sinn und Zweck der interkommunalen Zusammenarbeit
  • 5. Interkommunale Zusammenarbeit und elektronische Vergabe – wie passt das zusammen?

1.

Ausgangslage ^

[1]

Die öffentliche Auftragsvergabe ist ein wirtschaftlich wesentlicher Faktor in der Europäischen Union.1 Bis zuletzt wurde nur ein Bruchteil der Vergaben auf elektronischem Wege durchgeführt, obwohl hier wesentliche Kosteneinsparungen und Verfahrensbeschleunigungen zu erwarten sind.2 Die Bestrebungen der Union zur Förderung der elektronischen Vergabe haben auch Eingang in das Vergaberichtlinienpaket 20143 gefunden. Besonderer Schwerpunkt der neuen Regelungen sind – neben dem Vorrang des Bestangebotsprinzips und der nun vermehrten Verpflichtung zur elektronischen Vergabe4 – die Schaffung eines neuen Ausnahmetatbestands, der interkommunalen Kooperation. Nach der Analyse, welche Ausnahmefälle vom Vergaberecht mit diesem Tatbestand wirklich umfasst sind, stellt sich hier die Frage, ob die Normierung weiterer Ausnahmetatbestände von der Ausschreibungspflicht nicht gerade der Intention der Europäischen Union, elektronische Vergaben zu fördern, entgegensteht. Dieser Trend zu Beschleunigung und Vereinfachung der Vergaben bis hin zum oft plakativ verwendeten Statement «Heraus aus dem Vergaberecht» zeigt sich auch durch die seit geraumer Zeit praktizierte Vereinfachung der Vergaben im Unterschwellenbereich und an der bis zuletzt auf 31. Dezember 2016 befristeten SchwellenwerteVO5, mit welcher der Anwendungsbereich der dann zulässigen Direktvergabe durch Erhöhung der vergabefreien Schwellenwerte vergrößert wird. Damit sind als erste Indikation die Ausnahmeregelungen für das komplexe Vergaberegime auf zwei Ebenen abgedeckt, einerseits für den weiten Bereich der Bagatellvergaben, dort kann eine Direktvergabe ohne Wettbewerb zulässig sein, andererseits dort, wo der Auftraggeber ggf. auch mit anderen Auftraggebern gemeinsam Leistungen für sich selbst erbringt, dann kann eine In-house-Vergabe oder eine interkommunale Kooperation zulässig sein, die ebenfalls außerhalb des Wettbewerbs agieren. Mit dem vorliegenden Beitrag sollen nun die möglichen Auswirkungen der interkommunalen Zusammenarbeit auf die elektronische Vergabe und die Frage untersucht werden, ob damit die Intention der Union, elektronische Vergabe zu fördern, nicht tatsächlich konterkariert wird.

[2]

Wie steht diese Tendenz, weitere Ausnahmen vom Vergaberecht zu schaffen im Einklang mit der Förderung (elektronischer) Vergaben? Grundsätzlich ist es für eine Anwendung des Vergaberechts nach der europäischen Rsp.6 ausreichend, dass eine «Vereinbarung zwischen zwei wirklich verschiedenen Personen getroffen wurde (...) [wobei es] genügt, dass der Vertrag zwischen einer Gebietskörperschaft und einer rechtlich von dieser verschiedenen Person geschlossen wurde.» Etwas anderes soll (nur) dann gelten, wenn der Auftraggeber über die fragliche Person, die den Auftrag für ihn ausführen soll, eine Kontrolle ausübt wie über eine eigene Dienststelle und wenn diese Person zugleich ihre Tätigkeit im Wesentlichen für ihn verrichtet.7 Diese Betrachtung ist Ausgangpunkt unserer Analyse.

2.

Europäische Grundlagen zu elektronischer Vergabe und interkommunalen Kooperation ^

[3]

Die klassische Vergaberichtlinie für Liefer-, Dienstleistungs- und Bauaufträge8, die Sektorenrichtlinie9 und die neue Konzessionsrichtlinie10 sehen den erweiterten Einsatz von elektronischen Beschaffungsformen vor. Die Europäische Kommission hat zuvor im Zuge eines Aktionsplans zur Umsetzung und Anwendung der Rechtsvorschriften über die elektronische Vergabe Erläuterungen11 veröffentlicht, die den Mitgliedsstaaten bei der Umsetzung der neuen Vergaberichtlinien behilflich sein sollten. Ziel ist es demnach, den Behörden durch die elektronische Vergabe einen besseren Einkauf zu ermöglichen und ein besseres Preis- / Leistungsverhältnis am Markt zu erzielen. Es soll der Wettbewerb gefördert und Bürokratie abgebaut werden, was den Unternehmen die Bewerbung um öffentliche Aufträge erleichtert.12 Voraussetzung dafür war und ist, die Interoperabilität der elektronischen Rechnungsstellungssysteme (durch e-Rechnungen13) unionsweit sicherzustellen, um Einzellösungen von Mitgliedstaaten, die bloß zur Fragmentierung des Binnenmarktes beitragen und eine grenzüberschreitende Auftragsvergabe erschweren, zu verhindern.14 Da nun i.d.Z. fortlaufend bestimmte neue Techniken der Online-Beschaffung entwickelt werden, die es ermöglichen, die Effizienz des öffentlichen Beschaffungswesens durch die Verringerung des Zeitaufwandes und durch Einsparungseffekte zu verbessern,15 sollen die öffentlichen Auftraggeber im Zuge des neuen Vergaberichtlinienpakets 2014 gehalten sein, vermehrt diese Techniken zur Online-Beschaffung einzusetzen, soweit damit die vergaberechtlichen Grundsätze der Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und der Transparenz eingehalten werden können.

[4]
So ist zu den Vorschriften über die Kommunikation im Vergabeverfahren vorgesehen, dass diese und der gesamte Informationsaustausch, insbesondere auch die elektronische Einreichung von Angeboten, unter Anwendung elektronischer Kommunikationsmittel erfolgen soll.16 Die für die elektronische Kommunikation zu verwendenden Instrumente und Vorrichtungen, sowie ihre technischen Merkmale, müssen nichtdiskriminierend und allgemein verfügbar sowie mit den allgemein verbreiteten Erzeugnissen der IKT17 kompatibel sein und dürfen den Zugang der Wirtschaftsteilnehmer zum Vergabeverfahren nicht einschränken. Bei der gesamten Kommunikation sowie beim Austausch und der Speicherung von Informationen muss der Auftraggeber sicherstellen, dass die Integrität der Daten und die Vertraulichkeit der Angebote und der Teilnahmeanträge gewährleistet ist. Er darf dabei den Inhalt der Angebote und der Teilnahmeanträge erst nach Ablauf der Frist für ihre Einreichung prüfen.18 Neu ist auch, dass für öffentliche Bauaufträge und Wettbewerbe die Mitgliedstaaten die Nutzung spezifischer elektronischer Instrumente, wie z.B. elektronischer Instrumente für die Gebäudedatenmodellierung oder dergleichen, verlangen können.19 Überdies dürfen öffentliche Auftraggeber erforderlichenfalls die Verwendung von Instrumenten und Vorrichtungen vorschreiben, die nicht allgemein verfügbar sind, sofern die öffentlichen Auftraggeber einen alternativen Zugang bieten.20 Sie müssen gewährleisten, dass Bieter ohne Zugang zu den betreffenden Instrumenten und Vorrichtungen und ohne Möglichkeit, diese innerhalb der einschlägigen Fristen zu beschaffen, sofern das Fehlen des Zugangs nicht dem betreffenden Bieter zuzuschreiben ist, Zugang zum Vergabeverfahren mittels provisorischer Token haben, die online unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden oder einen alternativen Kanal für die elektronische Einreichung von Angeboten unterstützen.21 Im Ergebnis müssen alle Informationen über die Spezifikationen für die elektronische Einreichung der Angebote und Teilnahmeanträge, einschließlich Verschlüsselung und Zeitstempelung, allen (möglichen) Interessenten zugänglich sein.22 Damit wird die (vollständig) elektronische Durchführung von Vergabeverfahren grundgelegt. Dafür wird der Auftraggeber aus praktischer Sicht eine elektronische Vergabeplattform verwenden müssen. Ziel ist jedenfalls die erhebliche Vereinfachung der Vergabe unter gleichzeitiger Steigerung von Effizienz und Transparenz.23 Während die elektronische Vergabe bislang nur als optionale Regelung ausgestaltet war, wird sie nunmehr verbindlich.24 Alle diese Maßnahmen sollen sicherstellen, dass die elektronische Vergabe auch in den einzelnen Mitgliedsstaaten angewandt wird, wobei die genannten Richtlinienvorgaben zur elektronischen Vergabe – anders als die sonstigen Bestimmungen der neuen Vergaberichtlinien – nicht bereits bis 18. April 2016, sonderst erst bis 18. Oktober 2018 umzusetzen sind.25
[5]

Die neuen Vergaberichtlinien sehen aber auch die interkommunale Kooperation als neuen Ausnahmetatbestand vor26. Bevor man hier das Verhältnis zur elektronischen Vergabe analysieren kann, ist klarzustellen, welche Fälle die interkommunale Zusammenarbeit abdecken kann. Demnach soll ein ausschließlich zwischen zwei oder mehr öffentlichen Auftraggebern geschlossener Vertrag dann nicht in den Anwendungsbereich des Vergaberegimes fallen, wenn der Vertrag eine Zusammenarbeit zwischen den beteiligten öffentlichen Auftraggebern mit dem Ziel begründet, sicherzustellen, dass von ihnen zu erbringende öffentliche Dienstleistungen im Hinblick auf die Erreichung gemeinsamer Ziele ausgeführt werden. Weiter muss die Durchführung dieser Zusammenarbeit ausschließlich durch Überlegungen im Zusammenhang mit dem öffentlichen Interesse bestimmt sein und dürfen die beteiligten öffentlichen Auftraggeber auf dem offenen Markt nur weniger als 20% der durch die Zusammenarbeit erfassten Tätigkeiten erbringen. Diese gesamte Bestimmung scheint unübersichtlich. Zum besseren Verständnis dieser Regelung scheint deren historische Genese erforderlich.

3.

Die Entwicklung der In-house-Vergabe zur Interkommunalen Zusammenarbeit27 ^

[6]
Zur Beurteilung der Rechtsmäßigkeit einer In-house-Vergabe als Ausgangspunkt der Entwicklung zur interkommunalen Zusammenarbeit bediente sich der EuGH der in der Rs. Teckal28 entwickelten Kriterien, die durch die weiteren folgenden Urteile29 noch konkretisiert wurden. Während der Anwendungsbereich der In-house-Vergabe nach dem Urteil Teckal relativ weit gefasst war, ist dieser insbesondere durch Entscheidung in der Rs. Stadt Halle30 restriktiv eingeschränkt worden. Zur Rs. Mödling31 hat der EuGH ausgesprochen, dass eine Beeinträchtigung des fairen und lauteren Wettbewerbs nicht nur dann gegeben ist, wenn Auftragsvergabe und Anteilsveräußerung an einen Privaten zeitlich zusammenfallen, sondern auch, wenn die Auftragsvergabe zeitlich vorverlagert wurde, mit dem Ziel, mit einer späteren Anteilsveräußerung an einen Privaten der strengen Judikatur des EuGH zu entkommen.
[7]
Mit EuGH Asemfo32 wurde erkannt, dass bei In-house-Vergaben die erforderliche Kontrolle auch von öffentlichen Stellen gemeinsam ausgeübt werden kann. Dies war praktisch die Geburtsstunde vergaberechtsfreier interkommunaler Kooperation.33 Durch EuGH Stadtreinigung Hamburg34 wurde die interkommunale Zusammenarbeit – als weiterer Schritt – bei gemeinsamen Gemeinwohlaufgaben durch schlichten privatrechtlichen Vertrag, also ohne echte Delegation und damit ohne klassisches In-house-Verhältnis ermöglicht. Seither35 kann bei interkommunaler Zusammenarbeit das Kontrollkriterium quasi entfallen, mit der Folge, dass die bis dahin notwendige Zwischenschaltung eines Rechtsträgers zur Erfüllung des In-house-Privilegs nun nicht mehr notwendig ist.36
[8]
Seit den Entscheidungen EuGH Rs. Ordine degli Ingengneri,37 Rs. Piepenbrock,38 Rs. TU Hamburg-Harburg39 und Rs. Econord40 ist nun im Ergebnis klargestellt, dass es i.Z.m. mit öffentlichen Einrichtungen zwei Arten der Auftragsvergabe ohne Ausschreibung geben kann: Einerseits die klassische In-house-Vergabe,41 die durch ein Kontrollverhältnis zu einer Dienststelle geprägt ist, und andererseits die Zusammenarbeit gleichgestellter öffentlicher Einrichtungen als sog «interkommunale Kooperation».42 Erstere ist nach zutreffender Ansicht43 durch ihre vertikale Struktur geprägt, die sich i.S. der Teckal-Kriterien entwickelten Kontrolle über den Leistungserbringer und den Umstand kennzeichnet, dass dieser seine Tätigkeit im Wesentlichen für den Auftraggeber erbringt. Die interkommunale Zusammenarbeit ist hingegen durch ihre horizontale Struktur geprägt, bei der die Vertragspartner rein vertraglich gebunden und faktisch gleichwertig sind. Der VwGH hat jüngst44 – noch vor der innerstaatlichen Umsetzung der Vergaberichtlinien bis 18. April 2016 – ausgesprochen, dass dieser Ausnahmetatbestand bereits in Österreich gelten soll.

4.

Kennzeichen, Sinn und Zweck der interkommunalen Zusammenarbeit45 ^

[9]
Ausgangspunkt für eine interkommunale Zusammenarbeit ist, dass eine öffentliche Stelle ihre im allgemeinen Interesse liegenden Aufgaben mit eigenen Mitteln oder in Zusammenarbeit mit anderen öffentlichen Stellen erfüllen kann, ohne sich notwendigerweise an externe Einrichtungen wenden zu müssen, die nicht zu ihren Dienststellen gehören.46 Demnach steht es der öffentlichen Hand frei, die von ihr zu erfüllenden Aufgaben im Allgemeininteresse selbst zu erbringen oder durch andere öffentliche Stellen erbringen zu lassen. In jedem dieser Fälle ist aber die Zwischenschaltung eines Rechtsträgers nicht notwendig, wenn das Kontrollkriterium nicht mehr gefordert wird. Grundidee dabei ist, dass öffentliche Stellen ihre gemeinsamen und im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben erfüllen können sollen, ohne dafür einen eigenen Rechtsträger gründen zu müssen.47 Das insofern entfallende Kontrollkriterium wird aber durch andere Kriterien ersetzt, deren Schwerpunkt die gemeinsame Gemeinwohlaufgabe, eine öffentliche Dienstleistung im öffentlichen Interesse, darstellt.
[10]
Nur wenn die Aufgaben an private Unternehmen übertragen werden sollen, kommt das Vergaberecht weiterhin voll zur Anwendung.48 Solange die Aufgaben in der öffentlichen Hand bleiben, ist keine Ausschreibung erforderlich, sofern die weiteren von der Judikatur des EuGH entwickelten Voraussetzungen erfüllt sind. Gemäß dieser eingangs dargestellten Rechtsprechung sind bei einer interkommunalen Zusammenarbeit die Vergabevorschriften nicht anwendbar, sofern solche Verträge ausschließlich zwischen öffentlichen Einrichtungen ohne Beteiligung Privater geschlossen werden, kein privater Dienstleistungserbringer bessergestellt wird als seine Wettbewerber und die darin vereinbarte Zusammenarbeit nur durch Erfordernisse und Überlegungen bestimmt wird, die mit der Verfolgung von im öffentlichen Interesse liegenden Zielen zusammenhängen.49
[11]

Die von der europäischen Rsp.50 geschaffenen Voraussetzungen für eine formfreie interkommunale Zusammenarbeit sind nun – zusammengefasst – die Folgenden:

  1. Zusammenarbeit von öffentlichen Auftraggebern;
  2. keine Beteiligung Privater bei der Zusammenarbeit;
  3. die Ausführung von zu erbringenden öffentlichen Dienstleistungen dient der Erreichung gemeinsamer Ziele;
  4. die Zusammenarbeit liegt ausschließlich im öffentlichen Interesse;
  5. die öffentlichen Auftraggeber erbringen auf dem offenen Markt gemeinsam weniger als 20% der durch die Zusammenarbeit erfassten Tätigkeiten.
[12]
Ausgangspunkt der Zusammenarbeit von öffentlichen Auftraggebern ist dabei ein Vertrag, mit dem eine Zusammenarbeit von öffentlichen Einrichtungen bei der Wahrnehmung einer ihnen allen obliegenden öffentlichen Aufgabe vereinbart wird.51 Erforderlich scheint nach der Absicht des europäischen Gesetzgebers, dass alle Vertragspartner zumindest einen Beitrag zur gemeinsamen Ausführung der betreffenden Dienstleistung erbringen. Ist dies der Fall, können die wesentlichen vertraglichen Pflichten durchaus einem oder mehreren oder allen der Vertragspartner übertragen werden. Idealerweise basiert diese wechselseitige Zusammenarbeit auf einem kooperativen Konzept. Ein solches Konzept stellt aber im Ausgangsfall gerade auch ein Vertrag oder wohl auch eine Punktation dar. Die Zusammenarbeit sollte sohin auf einem kooperativen Konzept beruhen. Die Zusammenarbeit setzt aber nicht voraus, dass alle teilnehmenden Stellen die Ausführung wesentlicher vertraglicher Pflichten übernehmen, solange sie sich verpflichtet haben, zumindest einen Beitrag zur gemeinsamen Ausführung der betreffenden öffentlichen Dienstleistung zu leisten.52 Gleichzeitig darf aber jedenfalls keine Beteiligung privater Dritter erfolgen, da nach der Judikatur kein privater Dienstleistungserbringer bessergestellt werden darf, als seine Wettbewerber.53
[13]
Schließlich geht aus der Formulierung der Vergaberichtlinien hervor, dass es sich bei der interkommunalen Zusammenarbeit jedenfalls um die Erbringung von Dienstleistungen handeln muss. Das BVergG unterteilt Aufträge in Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge. Demnach ist eine interkommunale Zusammenarbeit nur im Bereich von Dienstleistungen, nicht aber im Bereich von Bau- und Lieferaufträgen möglich.
[14]
Eine nicht unwesentliche Einschränkung von formfreien Auftragsvergaben ist dadurch vorgegeben, dass die Durchführung der interkommunalen Zusammenarbeit ausschließlich durch Überlegungen im Zusammenhang mit dem öffentlichen Interesse gefordert wird. Das ist wohl vor dem Hintergrund zu verstehen, dass die EU auf vier Grundfreiheiten aufbaut, nämlich freier Warenverkehr, Personenfreizügigkeit, Dienstleistungsfreiheit und freier Kapital- und Zahlungsverkehr. Dem folgend soll die Preisfindung grundsätzlich am freien Markt selbst durch Angebot und Nachfrage erfolgen. Das öffentliche Vergaberecht soll dabei bei öffentlichen Auftragsvergaben den fairen Wettbewerb gewährleisten. Wenn nun öffentliche Auftraggeber nicht selbst Leistungen erbringen, sondern gemeinsam mit anderen öffentlichen Auftraggebern zusammenarbeiten, soll der freie Wettbewerb eingeschränkt werden können; dies aber nur dann, wenn die interkommunale Zusammenarbeit im öffentlichen Interesse gelegen ist.
[15]

Erforderlich ist schließlich, dass die beteiligten öffentlichen Auftraggeber auf dem offenen Markt weniger als 20% der durch die Zusammenarbeit erfassten Tätigkeiten erbringen. Mit diesem Tatbestandselement wird darauf abgestellt, dass der freie Markt durch interkommunale Zusammenarbeit nicht übermäßig eingeschränkt wird. Klargestellt ist insoweit, dass zur Bestimmung des prozentualen Anteils der Tätigkeiten der durchschnittliche Gesamtumsatz, oder ein geeigneter alternativer tätigkeitsgestützter Wert wie z.B. Kosten, die der betreffenden juristischen Person oder dem betreffenden öffentlichen Auftraggeber während der letzten drei Jahre vor Vergabe des Auftrags in Bezug auf Dienstleistungen, Lieferungen und Bauleistungen entstanden sind, herangezogen werden. Liegen für die letzten drei Jahre keine Angaben über den Umsatz oder einen geeigneten alternativen tätigkeitsgestützten Wert wie z.B. Kosten vor oder sind sie nicht mehr relevant, weil die betreffende juristische Person oder der betreffende öffentliche Auftraggeber gerade gegründet wurde oder erst vor kurzem ihre beziehungsweise seine Tätigkeit aufgenommen hat oder weil sie ihre beziehungsweise er seine Tätigkeiten umstrukturiert hat, genügt es, wenn sie beziehungsweise er – vor allem durch Prognosen über die Geschäftsentwicklung – den tätigkeitsgestützten Wert glaubhaft macht.

5.

Interkommunale Zusammenarbeit und elektronische Vergabe – wie passt das zusammen? ^

[16]
Die Analyse nimmt das Ergebnis vorweg: Das Vergaberichtlinienpaket 2014 schafft eine Vereinfachung der Vergabe und Ankurbelung von Wettbewerb und Wirtschaft. Dies geschieht einerseits durch die Schaffung neuer Ausnahmetatbestände wie der interkommunalen Kooperation, wodurch die ohnehin auf Grundlage der Judikatur des EuGH bestehenden Ausnahmebestimmungen vom Vergaberechts klar normiert werden, andererseits ist die verpflichtende elektronische Vergabe für die Bereiche vorgesehen, in denen Vergaberecht zwingend einzuhalten ist, was ebenfalls Verfahrensvereinfachungen erwarten lässt.
[17]
Da Ausnahmen vom Vergaberecht grundsätzlich restriktiv zu handhaben sind, geht auch aus der Formulierung der neuen Vergaberichtlinien 2014 hervor, dass eine interkommunale Zusammenarbeit nur bei der Erbringung von Dienstleistungen zulässig ist. Bau- und Lieferaufträge können von diesem Ausnahmetatbestand nicht umfasst sein, müssen daher nach nationaler Umsetzung des Vergaberichtlinienpaktes jedenfalls (dann: elektronisch) ausgeschrieben werden. Eine nicht unwesentliche Einschränkung von formfreien Auftragsvergaben ist auch dadurch vorgegeben, dass die Durchführung der interkommunalen Zusammenarbeit ausschließlich im öffentlichen Interesse erfolgen darf. Das öffentliche Vergaberecht soll ja grundsätzlich einen fairen Wettbewerb gewährleisten. Wenn nun öffentliche Auftraggeber nicht selbst Leistungen erbringen, sondern gemeinsam mit anderen öffentliche Auftraggebern im öffentlichen Interesse zusammenarbeiten, darf der freie Wettbewerb aber ausnahmsweise eingeschränkt werden. Gerade dieses öffentliche Interesse begründet im Ergebnis aber die Ausnahme von der Pflicht zum Wettbewerb. Die so verstandene interkommunale Zusammenarbeit kann die Pflicht zur Durchführung öffentlicher Vergabeverfahren wesentlich einschränken. Öffentliche Auftraggeber können bei Vorliegen der aufgezeigten Voraussetzungen ohne Ausschreibung eine Zusammenarbeit begründen. Private Unternehmen dürfen dabei nicht begünstigt werden. Der Anwendungsbereich der interkommunalen Zusammenarbeit kann dennoch ein weiter sein. Wenn sich öffentliche Auftraggeber entscheiden, ihre im allgemeinen Interesse liegenden Aufgaben in Zusammenarbeit mit anderen öffentlichen Auftraggebern gemeinsam zu erfüllen, werden sie bei Begründung der Zusammenarbeit vom Vergaberecht ausgenommen und von Ausschreibungen befreit. Die genaue Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen bleibt aber unerlässlich. Sind nämlich die Voraussetzungen nicht erfüllt, kann eine unzulässige Direktvergabe vorliegen. Dann drohen Sanktionen wie die Nichtigkeit des abgeschlossenen Vertrages, die die Verhängung einer Geldbuße und Schadenersatz.
[18]
Zur elektronischen Vergabe sehen die neuen Vergaberichtlinien 2014 Vorgaben zur Kommunikation im Vergabeverfahren vor, wonach der gesamte Informationsaustausch und insbesondere die Einreichung von Angeboten unter Anwendung elektronischer Kommunikationsmittel erfolgen soll.54 Mit Ausnahme der nun verpflichtenden elektronischen Angebotseinreichung sind diese Bestimmungen durch das in Österreich geltende nationale Vergaberecht (BVergG 2006) bereits umgesetzt. Neu ist aber, dass öffentliche Auftraggeber erforderlichenfalls die Verwendung von Instrumenten und Vorrichtungen vorschreiben dürfen, die nicht allgemein verfügbar sind, sofern die öffentlichen Auftraggeber einen alternativen Zugang bieten.55 Es bleibt abzuwarten, wie der Gesetzgeber im Zuge der notwendigen Neukodifikation des BVergG dies umsetzen wird, auch um zu gewährleisten, dass Bieter ohne Zugang zu den betreffenden Instrumenten und Vorrichtungen und ohne Möglichkeit, diese innerhalb der einschlägigen Fristen zu beschaffen, unentgeltlich, ungehindert und online Zugang zum Vergabeverfahren erhalten. Im Ergebnis muss hier sichergestellt werden, dass bei der elektronischen Vergabe alle Informationen über die Spezifikationen für die elektronische Einreichung der Angebote und Teilnahmeanträge, welche wohl auch erst mit der Neukodifikation zwingend vorgeschrieben werden, einschließlich Verschlüsselung und Zeitstempelung, allen (möglichen) Interessenten zugänglich sind.56
[19]
Erst mit der Umsetzung des Vergaberichtlinienpakets 2014 bis 18. April 2016 bzw. 18. Oktober 2018 wird die fehlende Akzeptanz der (voll-) elektronischen Vergabe in der Praxis eine Umkehr erfahren müssen. Der Markt wartet dabei immer noch auf leichter handhabbare und günstigere (technische) Lösungen zur tatsächlich effizienteren Vergabeabwicklung. Eine solche kann in der Praxis durch die Bildung einer interkommunalen Kooperation substituiert werden.
  1. 1 Sie schlägt mit 19% des BIP der Union zu Buche, vgl. Haslhofer, PEPPOL: Technisch harmonisierte Online-Vergabeverfahren in Europa, JusIT 2011/19, 41 m.w.N. in Fn. 1; Holoubek/Fuchs/Holzinger, Vergaberecht4, 9f.
  2. 2 Die Union ist hier 2010 noch von lediglich etwa 5% der Vergaben innerhalb der EU ausgegangen, die auf elektronischem Wege durchgeführt werden; Siehe: Europäische Kommission, Grünbuch zum Ausbau der e-Beschaffung in der EU, KOM(2010)571 (endg.), 20.
  3. 3 Das Vergaberichtlinienpaket 2014, welches bis 18. April 2016 in nationales Recht umzusetzen ist, beinhaltet RL 2014/24/EU vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe, die RL 2014/25/EU vom 26. Februar 2014 über den Sektorenbereich und die RL 2014/23/EU vom 26. Februar 2014 über die Konzessionsvergabe.
  4. 4 Gerade hinsichtlich der elektronischen Angebotsabgabe.
  5. 5 Verordnung des Bundeskanzlers betreffend die Anpassung von im Bundesvergabegesetz 2006 festgesetzten Schwellenwerten – Schwellenwerteverordnung 2012, BGBL II Nr. 95/2012 i.d.F. BGBL II Nr. 292/2014.
  6. 6 EuGH 18. November 1998, Rs. C-107/98, Teckal, Rn. 50; EuGH 7. Dezember 2000, Rs. C-94/99, ARGE Gewässerschutz, Rn. 40; ua.
  7. 7 Schlussanträge des Generalanwalts Leger vom 15. Juni 2000 in Rs. C-94/99, ARGE Gewässerschutz, Rn. 53.
  8. 8 RL 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über öffentliche Auftragsvergaben und zur Aufhebung der RL 2004/18/EG.
  9. 9 RL 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie Postdienste und zur Aufhebung der RL 2004/17/EG vom 31. März 2004.
  10. 10 RL 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Konzessionsvergabe.
  11. 11 http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A52004DC0841.
  12. 12 Gölles, Pressemitteilung der EU-Kms (IP/05/948), RPA (2005), 212; Götzl, Neugestaltung des rechtlichen Rahmens für Vergaben im Unterschwellenbereich als Chance für die elektronische Vergabe, 315.
  13. 13 Vgl. www.erechnung.gv.at.
  14. 14 KOM(2013) 449 (endg.); vgl. § 5 IKT-Konsolidierungsgesetz, BGBl I Nr. 35/2012; Pachner, ZVG-Aktuell, ZVB 2013/121, 400.
  15. 15 So bereits die 12. Begründungserwägung der durch RL 2014/24/EU aufgehobenen RL 2004/18/EG.
  16. 16 Art. 22 Abs. 1 RL 2014/24/EU.
  17. 17 Informations- und Kommunikationstechnologie, vgl. insb. die Technische Spezifikationen im IKT-Bereich, die gemäß den Artikeln 13 und 14 der Verordnung (EU) Nr. 1025/2012 festgelegt wurden.
  18. 18 Art. 22 Abs. 2 der RL 2014/24/EU.
  19. 19 Art. 22 Abs. 4 der RL 2014/24/EU.
  20. 20 Art. 22 Abs. 5 der RL 2014/24/EU.
  21. 21 Art. 22 Abs. 5 lit. b und c der RL 2014/24/EU.
  22. 22 Art. 22 Abs. 6 lit. a der RL 2014/24/EU.
  23. 23 Vgl. Erwägungsgrund 52 der RL 2014/24/EU.
  24. 24 Art. 22 der RL 2014/24/EU.
  25. 25 Vgl. Art. 106 der RL 2014/24/EU.
  26. 26 In Art. 12 Abs. 4 und 5 RL 2014/24/EU und Art. 28 Abs. 4 und 5 RL 2014/25/EU.
  27. 27 Ausführlich Götzl, Einzug der interkommunalen Zusammenarbeit – Auszug des Vergaberechts? Die interkommunale Kooperation als partielles Ende des Vergaberechts – eine Bestandsaufnahme, RPA 2015/3, 144.
  28. 28 EuGH 18. November 1998, Rs. C-107/98, Teckal.
  29. 29 Vgl. EuGH 11. Januar 2005, Rs. C-26/03, Stadt Halle; EuGH 13. Oktober 2005, Rs. C-458/03, Parking Brixen; EuGH 10. November 2005, Rs. C-29/04, Mödling; EuGH 11. Mai 2006, Rs. C-340/04, Carbotermo; EuGH 19. April 2007, Rs. C-295/05, Asemfo; EuGH 18. Dezember 2007, Rs. C-220/06, Asociación Profesional.
  30. 30 EuGH 11. Januar 2005, Rs. C-26/03, Stadt Halle.
  31. 31 Vgl. EuGH 10. November 2005, Rs. C-29/04, Mödling, Rn. 38.
  32. 32 EuGH 19. April 2007, Rs. C-295/05, Asemfo.
  33. 33 I.d.S. Oppel, Interkommunale Zusammenarbeit, ZVB 2014, 32 f.
  34. 34 EuGH 9. Juni 2009, Rs. C-480/06, Stadtreinigung Hamburg.
  35. 35 EuGH 19. Dezember 2012, Rs. C-159/11, Ordine degli Ingengneri; EuGH 13. Juni 2013, Rs. C-386/11, Piepenbrock.
  36. 36 Vgl. Oppel, Interkommunale Zusammenarbeit, ZVB 2014, 34.
  37. 37 EuGH 19. Dezember 2012, Rs. C-159/11, Ordine degli Ingengneri.
  38. 38 EuGH 13. Juni 2013, Rs. C-386/11, Piepenbrock.
  39. 39 EuGH 8. Mai 2014, Rs. C-15/13, TU Hamburg-Harburg.
  40. 40 EuGH 29. November 2012, verb. Rs. C-182/11 und C-183/11, Econord, RPA 2013, 106 [Reisner].
  41. 41 Statt vieler: Reisner, Neues zur In-House-Vergabe, RPA 2013, 69; Götzl/Möller, Aktueller Stand der In-House-Vergabe – Der Versuch einer Systematisierung, RPA 2008, 66.
  42. 42 VwGH 17. Juni 2014, 2013/04/0020, Korneuburg.
  43. 43 Reisner, Neues zur In-House-Vergabe, RPA 2013, 74.
  44. 44 VwGH 17. Juni 2014, 2013/04/0020, Korneuburg.
  45. 45 Ausführlich Gast/Götzl, Einzug der interkommunalen Zusammenarbeit – Auszug des Vergaberechts? Die interkommunale Kooperation als partielles Ende des Vergaberechts – eine Bestandsaufnahme, RPA 2016, 144.
  46. 46 EuGH 13. November 2008, Rs. C-324/07, Coditel.
  47. 47 Oppel, Interkommunale Zusammenarbeit, ZVB 2014, 34.
  48. 48 Vgl. EuGH 10. November 2005, Rs. C-29/04, Mödling.
  49. 49 EuGH 9. Juni 2009, Rs. C-480/06, Stadtreinigung Hamburg, Rn. 44 und 47; vgl. ferner EuGH 19. Dezember 2012, Rs. C-159/11, Ordine degli Ingengneri; EuGH 13. Juni 2013, Rs. C-386/11, Piepenbrock.
  50. 50 EuGH 18. November 1998, Rs. C-107/98, Teckal, Rn. 50; EuGH 7. Dezember 2000, Rs. C-94/99, ARGE Gewässerschutz, Rn. 40; ua.
  51. 51 EuGH 9. Juni 2009, Rs. C-480/06, Stadtreinigung Hamburg, Rn. 37; VwGH 17. Juni 2014, 2013/04/0020, Korneuburg.
  52. 52 Erwägung 33 zu RL 2014/24/EU.
  53. 53 EuGH 9. Juni 2009, Rs. C-480/06, Stadtreinigung Hamburg, Rn. 44 und 47 m.V.a. EuGH 11. Januar 2005, Rs. C-26/03, Stadt Halle, Rn. 50 und 51.
  54. 54 Art. 22 Abs. 1 RL 2014/24/EU.
  55. 55 Art. 22 Abs. 5 der RL 2014/24/EU.
  56. 56 Art. 22 Abs. 6 lit. a der RL 2014/24/EU.