Fiedler war von seiner Ausbildung Mathematiker und Jurist; von seiner beruflichen Praxis Universitätsprofessor, Institutsleiter in der GMD (Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung, nunmehr Fraunhofer-Institutszentrum Schloss Birlinghoven; http://www.izb.fraunhofer.de) sowie langjähriger Funktionär in der GI (Gesellschaft fürInformatik e.V.; http://www.gi.de). Fiedler war der Wissenschaft und ihren Grundsätzen stets verbunden. Seine Beiträge waren interdisziplinär, streng objektiv und methodisch, oft auch überraschend kurz, aber stets prägnant. Fiedler war dem Internationalen Rechtsinformatik Symposion IRIS seit seinem Beginn verbunden und hat durch seine Plenarvorträge und vielen Diskussionsbeiträge stets wichtige Anstöße zur wissenschaftlichen Entwicklung gegeben.
1.
Ein Leben für die Wissenschaft ^
Herbert Fiedler wurde am 29. April 1929 in Zwittau, Mähren, geboren. Seine Vorfahren stammten ebenfalls aus Mähren, in der Nähe von Brünn. Fiedler bezeichnete sich daher gerne als Altösterreicher. Der Studienweg führte ihn von Göttingen (Rechtswissenschaften, dann auch Mathematik und Physik), nach Münster, später nach Köln. Als Rechtswissenschaftler dissertierte er 1955 beim Strafrechtler und Rechtsphilosophen Hans Welzel mit dem Thema «Vorhaben und Versuch. Eine Untersuchung zu den Grundlagen der deutschen Rechtsprechung zu Paragraph 43 Strafgesetzbuch» an der Georgs August-Universität Göttingen. Als Mathematiker promovierte er 1962 an der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Wilhelms-Universität Münster bei Hans Hermes mit der Arbeit zur «Stufenreduktion von Kalkül». Die Habilitation erfolgte an der Universität Köln bei Ulrich Klug mit dem Thema «Die Bestimmtheit der gesetzlichen Straftatbestände als methodisches und verfassungsrechtliches Problem» im Jahre 1969. Nach einer Lehrstuhlvertretung an der Universität Bielefeld erhielt er 1970 Rufe nach Bielefeld und Bonn. Fiedler entschied sich für Bonn, wobei die Professur mit der Institutsleitung in der GMD (Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung mbH) in Sankt Augustin, Schloss Birlinghoven, verbunden war.
Damit war bereits 1970 sein weiteres berufliches Umfeld im Großraum Bonn festgelegt: Universität Bonn, GMD und ab 1972 GI. Fiedler war während seiner Tätigkeit für die GMD – von 1970 bis 1994 – an der Universität Bonn (teil)freigestellt. An der Universität Bonn lehrte Fiedler die Fächer Juristische Informatik und Allgemeine Rechtslehre. Daneben leitete er die neu eingerichtete «Forschungsstelle für juristische Informatik und Automation», welche die erste Einrichtung auf diesem Gebiet in Deutschland war. Von den Mitarbeitern dieser Forschungsstelle ist insbes. Gerhard Oppenhorst hervorzuheben. In der GMD war Fiedler Leiter des Instituts für Juristische Datenverarbeitung. Der GMD-Spiegel dieser Jahre gibt einen Überblick über diese umfangreiche angewandte Forschungsarbeit. Von bleibender Bedeutung waren die Studien zur Etablierung des juristischen Informationssystems für Deutschland juris. Bekannte Rechtsinformatiker wie Albrecht Berger, Thomas Barth †, Manfred Weihermüller †, Friedrich Gebhart, Thomas Gordon, Albert Nodlemayr, Helmut Redecker sowie Werner Robert Svoboda waren zeitweilig bei ihm tätig.
Anfang der 70er Jahre wurde die Verwaltungsinformatik als Teilgebiet oder synonym mit der Rechtsinformatik gesehen; heute sind dies selbständige, aber dennoch sehr verwobene Disziplinen. Fiedler prägte als langjähriger Sprecher des GI-Fachbereichs Informatik in Recht und öffentliche Verwaltung die Verwaltungsinformatik entscheidend mit.
2.
Geburtshelfer der angewandten Informatik, insbes. der Rechtsinformatik und der Verwaltungsinformatik ^
Als Beginn der Rechtsinformatik in Deutschland wird Fiedlers Aufsatz über «Rechenautomaten als Hilfsmittel der Gesetzesanwendung» im Jahr 1962 angesehen.1 Anfang der 1970er Jahre hat Fiedler mit Wilhelm Steinmüller und Spiros Simitis die Rechtsinformatik als Wissenschaft etabliert; sichtbarste Zeichen von seiner Seite sind die Artikelserie in der Zeitschrift Juristische Schulung2, die Gründung der «Forschungsstelle für juristische Informatik und Automation» an der Universität Bonn sowie die Etablierung des Instituts in der GMD. Ebenfalls ist die von Fiedler intensiv betriebene Einbettung des Fachs in die GI bedeutsam. Fiedler hat zusammen mit Weggefährten wie Roland Traunmüller, Heinrich Reinermann, Klaus Lenk und anderen 1976 den damaligen Fachausschuss 12/13 (Recht und Verwaltung) gegründet (nunmehr FB RVI) und hat über Jahrzehnte wesentlich zu dessen nachhaltiger Entwicklung beigetragen. Fiedler war bis zuletzt sehr aktives Mitglied des Präsidiumsarbeitskreises «Datenschutz und IT-Sicherheit». Ein wichtiges Motiv war für Fiedler, dass in diesem Umfeld der doch oft zu beobachtenden wissenschaftlichen Kommunikationsarmut (d.h. über tägliche Informatikprobleme hinausgehende Gespräche) zwischen Informatikern und Juristen wirksam entgegen getreten werden konnte. Im Jahr 1992 hat Fiedler explizit die zweite Geburt der Rechtsinformatik gefordert.3 Damals war Kritik zu hören, weil sich vorab wenig verändert hat; heute wird dies als einer der vielen wichtigen Schritte zu einer stärkeren Rechtsinformatik gesehen.
3.
Fiedler's Bedeutung für die Rechtsinformatik und die Verwaltungsinformatik ^
- Heute tritt z.T. die Informatik das Erbe der formalen Logik an, insbesondere in Bezug auf «Anwendungen».
- «Rechtsanwendung» ist ein Unterfall von «Implementierung» von Recht. Dies heute insbesondere mit Methoden oder Unterstützung von Informatik.
- Für Anwendung / Implementierung sind «Modell», «Modellbildung» grundlegend (übrigens auch für Konstruktion / Analyse, welches hier weniger das Thema war)
- «Richterliche Rechtsanwendung» wird hier im Sinne ihrer kategorialen Einordnung als «Modellbildung» gesehen. Ihre innere Struktur wird i.S. von Begründung als Deduktion, könnte auch i.S. der Argumentationstheorie aufgefasst werden (aber nach hiesiger Auffassung Richter nicht nur als Schiedsrichter im Meinungskampf).
- Allgemeiner ist Recht zunehmend auf seine informationstechnische Implementierung angewiesen (und wird davon beeinflusst); umgekehrt wird diese ihrerseits zunehmend Gegenstand rechtlicher Regelungen (vgl. z.B. «DRM»/«Systemdatenschutz»).
- Dies bedingt eine erhöhte, auch praktische Bedeutung juristischer Methodenlehre und erfordert ihre Weiterentwicklung.
- Die Weiterentwicklung der juristischen Methodenlehre kann natürlicherweise an die Entwicklung von Rechtsinformatik/Informationsrecht anknüpfen.
- Informationsrecht als (insb.) Recht der informationstechnischen Implementierung von Recht verschränkt sich («dual») mit Rechtsinformatik «i.e.S.» (Rechtsinformatik «i.w.S.» als Integrationsdisziplin)»
Fiedler hatte sich auch intensiv mit den neuen Herausforderungen der Wissens- und Netzwerkgesellschaft beschäftigt (vgl. die Beiträge «Der Staat im Cyberspace» bzw. «Cyber-libertär» im Informatik Spektrum).6
4.
Abschließende Würdigung ^
Erich Schweighofer, Roland Traunmüller, Maria Wimmer,
Friedrich Lachmayer, Thomas F. Gordon
- 1 Fiedler, H., Rechenautomaten als Hilfsmittel der Gesetzesanwendung (Einige grundsätzliche Bemerkungen). Deutsche Rentenversicherung, S. 149–155 (1962).
- 2 Fiedler, H., Automatisierung im Recht und juristische Informatik. In: JuS 1970, S. 432–436, 552–556, 603–607, JuS 1971, S. 67–71, 228–233 (1970/71).
- 3 Fiedler, H., Die Notwendigkeit informationeller Garantien und die zweite Geburt der Rechtsinformatik. In: jur-pc, Heft 11, S. 2346–2351 (1993).
- 4 Die Konferenzbände wurden vom Attempto Verlag in der Reihe «Neue Methoden im Recht» veröffentlicht.
- 5 Fiedler, H., Modell und Modellbildung als Themen der juristischen Methodenlehre. In: Erich Schweighofer/Doris Liebwald/Mathias Drachsler/Anton Geist, e-Staat und e-Wirtschaft aus rechtlicher Sicht, Tagungsband des 9. Internationalen Rechtsinformatik Symposions IRIS 2006, Verlag Boorberg, Stuttgart, S. 275–281 (2006); unveränderte Wiedergabe der Präsentation beim IRIS 2006 in Wien am 17. Februar 2006.
- 6 Fiedler, H., Der Staat im Cyberspace. In: Informatik Spektrum, S. 309–314, Heidelberg (2001); Fiedler, H., Cyber-libertär? – Nach dem 11. September. In: Informatik Spektrum, S. 215–219, Heidelberg (2002).
- 7 Schweighofer E., Herbert Fiedler – Eine Würdigung zum 80. Geburtstag, in: Jusletter IT 1. September 2009 (http://jusletter-it.weblaw.ch/issues/2009/IRIS/article_132.html).