1.1.
Umfangreiche Systeme ^
- Die Entwicklung von eigenständigen Anwendungen bzw. Recherchesystemen, die die Arbeit der einzelnen juristischen Berufsgruppen möglichst umfassend und vollständig unterstützen sollen. Dabei hat jeder Anbieter ein eigenes Produkt («die beste/innovativste/umfangreichste/... Rechtsdatenbank») entwickelt, das sich neben dem angebotenen Inhalt durch technische Funktionen von den Mitbewerbern abhebt.
- Die angebotenen Produkte haben sich zu «juristischen Standardwerkzeugen» entwickelt.1
- Mit der Zeit haben sich vielfach die technischen Eigenschaften der Produkte aller Mitbewerber aneinander angeglichen, weshalb die wesentlichen Unterschiede in den angebotenen Inhalten liegen.
- Das inhaltliche Unterscheidungsmerkmal ist daher immer stärker in den Vordergrund getreten und praktisch alle am Markt befindlichen Normen-, Rechtsprechungs- oder Literaturdatenbanken zeichnen sich durch eine wachsende Vollständigkeit und vor allem durch eine rasant steigende Zahl an gespeicherten Dokumenten aus.
1.2.
Mobile Anwendungen ^
- Der zur Darstellung von Inhalten zur Verfügung stehende Platz ist gering bis minimal. Die Übertragung von Software, die für Bildschirmgrößen, die bei Arbeitsplatzrechnern üblich sind, ist kaum möglich.
- Die Leistungsfähigkeit der Geräte und damit auch der darauf verwendbaren Software ist gering im Vergleich zu Arbeitsplatzrechnern.
- Die geringe Leistungsfähigkeit der Geräte wird durch die Verwendung von Netzwerkressourcen kompensiert.
1.3.
Anforderungen an ein «Legal-GPS» ^
GPS-Systeme | Legal-GPS |
einfache Bestimmung der eigenen Position | einfache Recherchedefinition |
einfache Bedienung und Navigation in der Anwendung; kein geodätisches Fachwissen für die Benutzung notwendig | Soll bzw. kann die erfolgreiche Bedienung ohne juristisches Fachwissen möglich sein? |
einfachen abstrahierte Darstellung von komplexen Landschaften und Strukturen | Abgehen von einer textorientierten Darstellung juristischer Inhalte; Darstellung juristischer (Begriffs-)Landschaften |
Wechsel der Darstellungsformen (Karte – Satellit) | Wechsel zwischen den Volltexten und alternativen Darstellungen |
Einblenden zusätzlicher Information direkt am relevanten Ort | Automatisierte Generierung von Verweisen und Informationen |
unmittelbare Antwort des Systems auf Änderungen («falsch abgebogen») | Unterstützung beim Navigieren in juristischen (Begriffs-)Landschaften |
Tabelle 1: Anforderungen an ein «Legal-GPS»
2.
Dokumentstrukturen ^
2.1.
Texte als Graph ^
1 Mit Bescheid vom 2. Juni 2014 ordnete die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde die Beschlagnahme zweier näher beschriebener Glücksspielgeräte samt Schlüsseln und einer CD zur Sicherung der Einziehung gemäß § 53 Abs. 1 Z 1 lit. a iVm § 53 Abs. 3 Glücksspielgesetz (GSpG) an.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich der dagegen erhobenen Beschwerde Folge und es hob den angefochtenen Bescheid sowie die von den Organen der öffentlichen Aufsicht am 4. April 2014 gemäß § 53 Abs. 1 Z 1 lit. a iVm § 53 Abs. 3 GSpG vorgenommene vorläufige Beschlagnahme dieser Gegenstände (ersatzlos) auf.
3 Das Verwaltungsgericht stellte dazu zusammengefasst fest, dass die beiden Glücksspielgeräte von zumindest 1. März 2014 bis 4. April 2014 im Lokal des Mitbeteiligten während der Öffnungszeiten betriebsbereit aufgestellt gewesen seien.
Einer der klassischen Anwendungsbereiche14 von Graphen ist der Bereich der geographischen Anwendungen, die in den letzten Jahren durch Navigationssysteme, insbesondere auch auf Smartphones, besondere Popularität erlangt haben.
Juristische Dokumente können damit als Graphen dargestellt und angesehen werden und damit in Analogie zu geographischen Systemen als Begriffslandschaften interpretiert werden. Für diese Landschaften könnten folgende oder ähnliche geographischen Metaphern15 verwendet werden:
- Lage/Ort: Die Lage eines Begriffs oder eines Teilgraphs (= Satz, Absatz) entscheidet über seine Bedeutung. So wird einerseits die Entscheidung in Landschaftsbereiche unterteilt (Sachverhalt, Begründung), die inhaltliche Bedeutung haben. Andererseits kann aus der Position eines Textteils auf seine Bedeutung für Recherchen geschlossen werden.
Am Ende der Entscheidung steht z.B. folgender Satz:
Das angefochtene Erkenntnis war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.
Im Einzelfall ist er von großer Bedeutung. Für eine Recherche hingegen ist er unbedeutend oder aber vielleicht sogar störend, da er in gleichem Wortlaut in zahlreichen Texten vorkommt. Sollte nämlich in einer konventionellen Volltextdatenbank zu inhaltlichen Aussagen zu § 42 VwGG gesucht werden, so wird dies kaum erfolgreich sein, da in einem großen Teil der Dokumente ein Zitat der Rechtsvorschrift enthalten ist. Topologische Interpretationen des Textes können in diesem Fall hilfreich sein. - Höhe/Umfang/Größe: Die Bedeutung eines Begriffs kann in einer Begriffslandschaft ähnlich wie in einem geographischen System dargestellt werden. Es gilt: Je höher, größer, …, desto wichtiger. Dies kann einerseits innerhalb eines Textes gelten, aber auch für die Beziehungen zwischen mehreren Texten. Aus einer Graph-Struktur kann problemlos ausgelesen werden, wie viele Verbindungen zwischen einzelnen Begriffen oder bei Verweisen auch zwischen Dokumenten bestehen. Die Bedeutung einer zitierten Entscheidung, die sich aus der Zahl der Verweise ergibt, kann auf diese Weise leicht ermittelt und dargestellt werden.
- Entfernung: Interpretiert man Entfernung als Maß der Zusammengehörigkeit zwischen Argumentationselementen, so können im Graph z.B. Bezüge die sich über Zitate oder Referenzen auf Sachverhaltsmerkmale (u.U. über mehrere Schritte) ergeben, besser analysiert und dargestellt werden. Begriffe und Aussagen, die sich im Text an verschiedenen Stellen befinden, können auf diese Weise als zusammengehörig erkannt und dargestellt werden.
- Wege, Straßen: Verweise können ähnlich wie Straßen dargestellt werden und sich der Benutzer darauf zwischen Dokumenten bewegen.
- Regionen, Gebiete: Inhaltliche Zuordnungen und Klassifikationen von Rechtsvorschriften (Gewerberecht, Verfahrensrecht, …), wie sie auch der Index des Bundesrechts bietet, können als Gebiete bzw. Regionen interpretiert werden und über Graph-Strukturen problemlos mit Dokumenten verknüpft werden. Diese Zuordnungen können als Hintergrundinformation verwendet werden und auch bei der Navigation zwischen Dokumenten («Sie Verlassen den Bereich des Gewerberechts!») verwendet werden.
3.1.
Überblicksdarstellungen ^
Abbildung 3: Überblick über den Inhalt einer Entscheidung mit Wortwolken16
3.2.
Navigation ^
4.
Literatur ^
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- 1 Bereits im Jahr 2000 wurden Rechtsdatenbanken gemeinsam mit Kommentaren als die beiden typischen juristischen Werkzeuge genannt: «Genügen muss hier der ebenso banale wie in der theoretischen Diskussion ignorierte Hinweis darauf, daß schon längst jede in der Praxis brauchbare, weil geldwerte, Analyse eines Rechtsproblems nicht etwa mit der Suche nach dem relevanten Gesetzestext beginnt, sondern mit der Bedienung einer Datenbank oder eines Kommentars, die dazu verwendet werden «die» einschlägige Vorentscheidung auszumachen.» (Forgó, Nikolaus/Somek, Alexander, Die Elektrifizierung der Rechtswissenschaft. Ein Schriftsatz, S. 358.)
- 2 Schweighofer, Erich, Rechtsinformatik und Wissensrepräsentation, S. 53 ff.
- 3 Vgl. Ferrer, Ángel Sancho/Hernández, Carlos Fernández/Rivero, José Manuel Mateo, From Thesaurus Towards Ontologies in Large Legal Databases, S. 180: «So the challenge is how and which methodology should be used to integrate the expert’s knowledge into a search system. How can the search engine be made to work as a Conceptual Legal Search Engine, which makes novice’s query behave like an expert’s query?»
- 4 «Eventually, the legal information overload might lead to a reduced access for citizens to the judicial system. If the right information is not available at the right moment for the right person, it hinders the accessibility of justice.» (Breuker, Joost/Casanovas, Pompeu/Klein, Michel/Francesconi, Enrico, The Flood, the Channels and the Dykes: Managing Legal Information in a Globalized and Digital World, S. 6.)
- 5 Vgl. dazu Benjamins, Richard/Casanovas, Pompeu/Breuker, Joost/Gangemi, Aldo, Law and the Semantic Web, an Introduction, S. 3 ff.
- 6 «As such, Semantic Web technology and ontologies can help to organize the information overload.» (Breuker, Joost/Casanovas, Pompeu/Klein, Michel/Francesconi, Enrico, The Flood, the Channels and the Dykes: Managing Legal Information in a Globalized and Digital World, S. 6.)
- 7 Vgl. dazu Gantner, Felix, Automatic Recognition of Legal References and Generation of Hyperlinks.
- 8 Diese Entscheidung des VwGH war bei einer Abfrage in der Teildatenbank VwGH im RIS (Rechtsinformationssystem des Bundes), https://www.ris.bka.gv.at (alle Internetadressen abgerufen am 2. Februar 2017), zufällig an erster Stelle gereiht.
- 9 Sorge, Christoph, Modellierung in Recht und Informatik, S. 880.
- 10 Sonawane, S. S./Kulkarni, P. A., Graph based representation and Analysis of Text Document: A Survey of Techniques; Erkan, Günes/Radev, dragomir, LexRank: Graph-based Lexical Centrality as Salience in Text Summarization; Hensman, Svetlana, Construction of conceptual graph representation of texts.
- 11 Wyner, Adam/Mochales-Palau, Raquel/Moens, Marie-Francine/Milward, David, Approaches to text Mining Arguments from Legal Cases, S. 61.
- 12 Feldman, Ronen/Sanger James, The Text Mining Handbook, S. 131 ff.; Manning, Christopher/Schütze Hinrich, Foundations of Statistical Natural Language Processing, S. 341 ff.
- 13 Zu beachten sind in diesem Zusammenhang die linguistischen und kognitionswissenschaftlichen Theorien, die Frames, also vernetzte Strukturen, die auch als Graphen aufgefasst werden können, zur Darstellung von Wissen verwenden. Vgl. dazu Busse, Dietrich, Frame-Semantik, S. 742 ff.
- 14 Vgl. den Überblick bei Robinson, Ian/Webber, Jim/Eifrem, Emil, Graph Databases, S. 108.
- 15 Birdsell, Brian J., Fauconnier’s Theory of Mental Spaces and Conceptual Blending, S. 74 ff.
- 16 Die Wortwolke wurde mit http://www.wortwolken.com als Beispiel erzeugt. Leider sind in diesem Beispiel die zentralen Elemente juristischer Texte, nämlich Verweise auf Rechtsvorschriften und Judikatur von dem Internet-Dienst in einzelne Buchstaben aufgelöst und daher nicht angezeigt worden.Zur Verwendung von «tag clouds» zur Strukturierung von Information vgl. Sacco, Giovanni Maria/Ferré, Sébastien, Extensions to the Model, S. 140.
- 17 Vgl. die in Hurtienne, Jörn, Non-linguistic Applications of Cognitive Linguistics: On the Usefulness of Image-schematic Metaphors in User Interface Design, S. 310 ff., beschriebenen Beispiele und Projekte.