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Urheberrechtswissen und -praxis in Social Networks

  • Authors: Tassilo Pellegrini / Monika Kovarova-Simecek / Verena Bauer / Tatjana Aubram
  • Category: Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: IP Law
  • Collection: Conference Proceedings IRIS 2017
  • Citation: Tassilo Pellegrini / Monika Kovarova-Simecek / Verena Bauer / Tatjana Aubram, Urheberrechtswissen und -praxis in Social Networks, in: Jusletter IT 23 February 2017
Dieser Beitrag analysiert das Urheberrechtswissen und die daran geknüpfte Praxis von 16-44-Jährigen Social Network Nutzern in Österreich mittels einer quantitativen Online-Umfrage. Die Ergebnisse zeigen eine Diskrepanz zwischen Urheberrechtswissen und -praxis, einen niedrigeren Wissensstand bei jungen Personen und Personen mit niedriger Ausbildung. Außerdem tendieren jüngere Personen eher zur Überschätzung ihres Wissens. Dies ist insofern problematisch, als dass in dieser Gruppe das Aktivitätsniveau und die SN-Nutzung sehr hoch sind und tendenziell einen achtloseren Umgang in SN pflegt. Daher muss die urheberrechtsrelevante Legal Literacy der Befragten als unzureichend eingestuft werden.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Einleitung
  • 2. Legal Literacy – Related Work
  • 3. Fragestellungen
  • 4. Empirisches Design
  • 4.1. Datenerhebung und Sample
  • 4.2. Datenanalyse
  • 5. Ergebnisse und Interpretation
  • 5.1. Deskriptive Beschreibung des Samples
  • 5.2. Übereinstimmung zwischen selbstgeschätzter und faktischer Legal Literacy
  • 5.3. Einflussfaktoren auf die Legal Literacy
  • 5.4. Zusammenhang zwischen Urheberrechtswissen und -praxis
  • 6. Conclusio und Limitationen
  • 7. Referenzen

1.

Einleitung ^

[1]
Soziale Online-Netzwerke (im Folgenden kurz SN genannt) haben sich in ihren unterschiedlichen Ausprägungen zu einer dominierenden Kommunikationsform im Internet entwickelt und prägen unser Handeln und Denken [Berger & Buesching 2011, S. 21 f.]. Die Motivation hinter der Nutzung sozialer Netzwerke und der daraus resultierende Mehrwert lassen sich laut Hohlfeld & Godulla [2015, S. 16] an drei Funktionen festmachen: (1) das Identitätsmanagement als die Darstellung der eigenen Person durch selbstausgewählte Merkmale, (2) das Beziehungsmanagement zur Unterstützung des kommunikativen Austausches zwischen den Nutzern und (3) das Informationsmanagement zu Zwecken der Relevanzzuschreibung durch soziale Praktiken wie Teilen, Empfehlen, Filtern oder Bewerten.
[2]

Im Zuge der oben dargestellten funktionalen Durchdringung der individuellen und gesellschaftlichen Lebensbereiche durch SN werden diese auch zum Gegenstand des Rechts [Hornung & Müller-Terpitz 2015, S. 1 f.]. Dabei treten verschiedene Rechtsbereiche wie etwa das Urheber- und Datenschutzrecht, das Persönlichkeitsrecht bzw. straf-, arbeits- oder medienrechtliche Sachverhalte in den Mittelpunkt der Betrachtung (ebenda). Der versierte Umgang mit rechtlichen Sachverhalten stellt einen zentralen Pfeiler in zeitgenössischen Konzepten von Media Literacy dar [Luckmann 2008; ONeill 2010; Koltay 2011] und wird im Kontext einer «culture of legality» auch von der Europäischen Kommission [2007] eingefordert. 

[3]
Dieser Beitrag stellt Befunde einer quantitativen Untersuchung vor, die die Rechtskompetenz – im Folgenden Legal Literacy genannt – von SN-Nutzern in Bezug auf urheberechtlicher Fragestellungen zum Gegenstand hat. Schiltz et al. [2007], Rakebrand [2014] und Bauer [2011] argumentieren, dass aufgrund der Komplexität und Abstraktheit des Rechtsgegenstandes es vielen Nutzern schwerfällt, das Urheberrecht ausreichend zu verstehen und es legal konform anzuwenden. Dieser Mangel an Rechtskompetenz – sowohl auf Ebene des Wissens als auch der Praxis – kann rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen [z.B. Kreutzer 2011; Zimmer 2012/2015; ISPA 2013]. Die genaue Kenntnis der Beschaffenheit und der Einflussfaktoren von Legal Literacy ist damit eine wichtige Grundlage für die Planung und Umsetzung kompetenzsteigernder Maßnahmen.

2.

Legal Literacy – Related Work ^

[4]

Laut Zariski [2014, S. 19 f.] bezieht sich der Begriff Legal Literacy ursprünglich auf die Fähigkeit von Rechtsexperten rechtliche Dokumente richtig zu lesen, zu verstehen und auch selbst zu verfassen. Über die Jahre wurde der Begriff aber weiterentwickelt und umschloss sämtliche Bürger ohne rechtliche Vor- oder Ausbildung. Das Konzept der Legal Literacy beschreibt, dass Personen rechtliche Problemstellungen zuerst kritisch hinterfragen, basierend darauf ihre Entscheidungen treffen, sich selbstständig und souverän in einer Rechtsmaterie bewegen, gegebenenfalls am Rechtsdiskurs beteiligen und ein aktiver Teil der Gesellschaft werden [ebd.].

[5]
Um diese Partizipation im rechtlichen Kontext zu ermöglichen, kommen auch andere Kompetenzen zur Anwendung, die eng mit dem Konzept der Legal Literacy verbunden sind. Dazu gehören etwa die Digital Literacy und die Information Literacy. Sie bilden die praktischen und theoretischen Grundlagen für eine selbstbestimmte und verantwortungsbewusste Nutzung des Internets [ebd., S. 23], zu dem auch ein versierter Umgang mit urheberrechtlichen Sachverhalten zählt [Rodriguez et al. 2014; ACRL 2016]. Diese Kenntnisse sind unter anderem die Voraussetzung für die Social Networking Literacy und damit die Fähigkeit, «die Risiken in sozialen Netzwerken richtig einzuschätzen und darauf basierend Entscheidungen zum richtigen Umgang mit Social Media Content zu treffen […]» [Gathegi 2014, S. 102]. Ziel der Social Networking Literacy ist es, die Balance zwischen der Kommunikationspraxis der Nutzer, ihrer Privatsphäre und der rechtlichen Konformität zu wahren (ebenda).
[6]

Untersuchungen zum Stand der Legal Literacy in Bezug auf das Urheberrecht wurden vor allem unter akademisch gebildeten Personen durchgeführt [Aufderheide et al. 2015; Ax-Fultz 2015; Morrison & Secker 2015; Schmidt & English 2015; Todorova et al. 2014; Charbonneau & Priehs 2014; Dryden 2012; Hannah 2010; Oppenheim & Woodward 2004]. Bei diesen Studien stehen jene Berufsgruppen im Mittelpunkt, die einen immanenten Bezug zu urheberrechtlichen Sachverhalten haben. Breit angelegte, länderspezifische quantitative Studien finden sich für die USA [Edwards et al. 2013] sowie für Spanien [Muriel-Torrado & Fernández-Molina 2015]. In beiden Fällen wird den Teilnehmenden ein für den rechtssicheren Gebrauch unzureichendes Wissensniveau attestiert sowohl betreffend die Nutzung von bestehendem als auch den Schutz neu generierten Contents. Für Österreich erfasst eine Studie zur digitalen Content-Nutzung [GfK 2013 & 2015] u.a. Daten zum Rechtsbewusstsein in Bezug auf urheberrechtliche Bestimmungen und Urheberrechtsverletzungen. Die Ergebnisse der als «repräsentativ» deklarierten Online-Umfrage zeigen, dass das Bewusstsein für allgemeine urheberrechtliche Bestimmungen im Internet zwar wächst, dass das Nutzungsverhalten in sozialen Netzwerken allerdings vom effektiven Wissen abweicht. Diese Befunde werden in den qualitativen Studien von Rakebrand [2014] und Bauer [2011] zum urheberrechtlichen Verständnis von Internet-Nutzern in Bezug auf User-Generated-Content weitgehend bestätigt. Insbesondere Rakebrand [2014] attestiert den jungen Nutzergruppen ein tendenziell mangelndes Rechtsbewusstsein, Verständnisschwierigkeiten zur gültigen Rechtslage sowie ein mangelndes Problembewusstsein zum Internet als Öffentlichkeit generierendes Medium.

3.

Fragestellungen ^

[7]
Der Themenbereich der Legal Literacy soll hinsichtlich urheberrechtlichen Bestimmungen in sozialen Netzwerken untersucht werden. Es soll aufgezeigt werden, wie Nutzer dieses Spannungsfeld – also Nutzermotive auf der einen Seite und Rahmenbedingungen des Urheberrechts auf der anderen – wahrnehmen und inwieweit sie sich darin souverän bewegen können. Die Voraussetzung für Rechtsbewusstsein ist, dass die Nutzer von sozialen Netzwerken «Kenntnis oder zumindest eine juristisch laienhafte Vorstellung davon […]» haben, «[…] was rechtlich erlaubt und verboten ist» [Schwartmann 2012, S. 43], diese Verhaltensanforderung als richtig anzuerkennen und dementsprechend zu handeln. Laut Gathegi [2014, S. 44 f.] bedeutet Unrechtsbewusstsein, dass Nutzer nicht wissen, welches Verhalten im Internet in konkreten Situationen urheberrechtlich erlaubt oder verboten ist. Unrechtsbewusstsein bedeutet auch, dass die Nutzer bei zutreffender Rechtskenntnis richtig gehandelt hätten. Davon muss auch mangelndes Rechtsbewusstsein unterschieden werden, bei dem Nutzer absichtlich rechtliche Regelungen im Internet missachten. Sie sind sich der Normüberschreitung bewusst, setzen sich aber dennoch mit ihrem urheberrechtswidrigem Nutzerverhalten darüber hinweg.
[8]
Gegenstand dieser Arbeit ist die Untersuchung der Frage, wie stark das (Un-)Rechtsbewusstsein in sozialen Netzwerken ausgeprägt ist und inwieweit es die Kommunikationspraxis beeinflusst. Dazu sollen folgende Forschungsfragen beantwortet werden:

FF1: Stimmt das selbsteingeschätzte und das faktische Urheberrechtswissen bei SN-Nutzern überein?

FF2: Welche Faktoren beeinflussen das selbstgeschätzte und das faktische Urheberrechtswissen der SN-Nutzer?

FF3: Existiert ein Zusammenhang zwischen dem faktischen Urheberrechtswissen und der Urheberrechtspraxis von SN-Nutzern?

4.

Empirisches Design ^

4.1.

Datenerhebung und Sample ^

[9]

Zur Untersuchung des Gegenstandes wurde eine quantitative Online-Befragung [Taddicken & Batinic 2014] durchgeführt, die sich grundsätzlich an alle Personen richtete, die soziale Netzwerke in Österreich nutzen und deren Nutzungsverhalten in den Rechtsrahmen des Urheberrechts fällt. Damit sind in Österreich ca. 71% der Internetnutzer untersuchungsrelevant [GfK 2015]. Die Verteilung des Fragebogens erfolgte zufallsgesteuert, die Teilnahme erfolgte auf Basis der Selbstselektion. Zur Validierung des Fragebogens wurden im Zeitraum von 5. bis 17. Juni 2016 drei Pretests durchgeführt. Im Befragungszeitraum von 18. Juni bis 4. Oktober 2016 wurden insgesamt 430 ausgefüllte Fragebögen gesammelt. Um die Repräsentativität der Ergebnisse zu erhöhen, wurde der Untersuchungsgegenstand auf die Altersgruppe der 16- bis 44-jährigen eingeschränkt. Dies wird damit argumentiert, dass in dieser Altersgruppe die höchste Nutzung sozialer Netzwerke feststellbar ist [Statistik Austria 2015] und diese im Fokus unserer Studie liegt. Damit kamen 370 Fragebögen zur Auswertung (gewichtet 369). Die Auswertung erfolgte mittels Software SPSS v24.

[10]
Der Fragebogen umfasste drei Themengebiete: erstens, die Nutzungsgewohnheiten in sozialen Netzwerken und die Selbsteinschätzung des urheberrechtlichen Wissenstandes; zweitens, allgemeine Fragen zum Urheberrecht und seine Anwendung in sozialen Netzwerken; und drittens, die Kenntnis und Praxis von Creative Commons. Der Wissenstand zum Urheberrecht wurde – wie in Literacy Studien üblich [z.B. Aubram et al. 2016; van Rooij et al. 2011; Lusardi & Mitchell 2011] – mittels 30 Wissensfragen getestet, wobei sich 14 Fragen auf den Schutzgegenstand, 8 Fragen auf Sachkenntnis allgemeiner Verhaltensaspekte und 8 weitere Fragen auf die Anwendung des Urheberrechts in sozialen Netzwerken bezogen. Die Summe der richtigen Antworten wurde in Folge als Maß für das faktische Wissen herangezogen.
[11]
Aufgrund der Eingrenzung der Grundgesamtheit und einer korrigierenden Gewichtung konnten wir in der Altersgruppe der 16- bis 44-jährigen eine weitgehende Bevölkerungsrepräsentativität herstellen, wodurch mit der vorliegenden Stichprobe ein aussagekräftiges Meinungsbild zu Urheberechtswissen und -praxis und ihrer Determinanten in der Altersgruppe der 16- bis 44-jährigen SN-Nutzer in Österreich erstellt werden kann.

4.2.

Datenanalyse ^

[12]

Die Daten wurden in drei Schritten statisch ausgewertet: (1) deskriptive Darstellung des Samples, (2) Homogenitätstests zur Überprüfung der Unterschiede zwischen selbstgeschätzter und faktischer Legal Literacy und (3) ordinale logistische Regressionsanalyse zur Feststellung von Ursache-Wirkungszusammenhängen zwischen Legal Literacy (LL), definiert als Urheberrechtswissen in sozialen Netzwerken, und den in FF2 definierten erklärenden Variablen. In unserem Regressionsmodell wird die abhängige Variable yi* einerseits als selbstgeschätzte und andererseits als faktische LL definiert und durch die nachfolgende Regressionsgleichung beschrieben:

Pr⁡ (yi*= α0 + α1Einstellung+ α2Nutzungsintensität+ α3Aktivitätsniveau+ α4Alter+ α5Geschlecht+ α6Bildung+ εi

[13]

Dabei nehmen die abhängigen und unabhängigen Variablen die in Tabelle 1 beschriebenen Werte an:

Abhängige Variablen:  
Selbstgeschätzte LL Eigene Beurteilung der Rechtskenntnisse (1 = niedrig, 2= mittel, 3 = hoch)
Faktische LL Summe der korrekten Antworten zum Urheberrecht (0–20 = niedrige LL, 21–25 = mittlere LL, 26–30 = hohe LL)
Unabhängige Variablen:  
Einstellung zu SN Einstellung gegenüber SN (1 = eher negativ, 2 = neutral, 3 = eher positiv)
Aktivitätsniveau Selbstgeschätztes Aktivitätsniveau in Bezug auf Posten, Teilen, Verlinken, Liken (1 = wenig aktiv, 2 = normal aktiv, 3 = sehr aktiv)
Alter Altersgruppen (1 = 16–24 Jahre, 2 = 25–34 Jahre, 3 = 35–44 Jahre)
Dummy: Nutzungsintensität Index der Nutzungsintensität definiert als Summe der abgefragten Nutzungshäufigkeit pro soziales Netzwerk (4 = täglich, 3 = mehrmals pro Woche, 2 = mehrmals im Monat, 1 = gar nicht), wobei 10 soziale Netzwerke zur Auswahl standen; Unterscheidung von zwei Usertypen (0–20 Punkte = Nicht-Intensivnutzer, 21–40 Punkte = Intensivnutzer); 1 = Intensivnutzer, 0 = Nicht-Intensivnutzer
Dummy: Geschlecht 0 = männlich, 1 = weiblich
Dummy: Hochschulabschluss 0 = kein Hochschulabschluss, 1 = Hochschulabschluss

Tabelle 1: Beschreibung der Variablen im Regressionsmodell

5.

Ergebnisse und Interpretation ^

5.1.

Deskriptive Beschreibung des Samples ^

  N (=369) Prozent
Geschlecht männlich 173 46,9%
 weiblich 196 53,1%
Alter 16–24 107 29,0%
25–34 136 37,0%
35–44 125 34,0%
Bildung kein Hochschulabschluss 164 44,5%
Hochschulabschluss 205 55,5%
Einstellung SN eher negativ 38 10,2%
neutral 121 32,9%
eher positiv 210 56,9%
Nutzungsintensität Nicht-Intensivnutzer 187 50,6%
Intensivnutzer 182 49,4%
Aktivitätsniveau niedrig 164 44,5%
mittel 122 33,2%
hoch 82 22,3%
Faktische LL niedrig 114 31,0%
mittel 180 48,7%
hoch 75 20,3%
Geschätzte LL niedrig 83 22,6%
mittel 162 43,8%
hoch 124 33,7%
Verzicht Veröffentlichung Ja 173 46,9%
nein 196 53,1%
Creative Commons Content genutzt ja 182 49,3%
nein 76 20,7%
weiß nicht 111 30,0%
Content unter Creative Commons lizenziert ja 53 14,4%
nein 259 70,2%
weiß nicht 57 15,4%

Tabelle 2: Deskriptive Beschreibung des Samples 

[14]
Zur Herstellung einer Bevölkerungs-repräsentativität werden Verzerrungen der Altersverteilung im Ausgangssample (370 Fragenbögen) durch eine der Gesamtbevölkerung entsprechende Gewichtung korrigiert, wodurch sich die Samplegröße auf 369 verringerte.
[15]
Die Struktur des gewichteten Samples stellt sich wie folgt dar: 53,1% Frauen und 46,9% Männer. 29% sind zwischen 16 und 24 Jahre alt, 37% zwischen 25 und 34 sowie 34% zwischen 35 und 44. 55,5% verfügen über einen Hochschulabschluss. Der hohe Akademikeranteil ist zwar nicht repräsentativ, für die intendierten Analysezwecke – insbesondere in Abgrenzung zu Nicht-Akademikern – jedoch hinreichend aussagekräftig.
[16]

56,9% der Teilnehmer sind sozialen Netzwerken gegenüber eher positiv eingestellt, 10,2% äußern sich ablehnend. Intensivnutzer (49,4%) und Nicht-Intensivnutzer (50,6%) halten sich die Waage, wobei sich 44,5% ein niedriges – und damit eher passives – Aktivitätsniveau zuschreiben. 22,3% der Nutzer attestieren sich ein hohes Aktivitätsniveau. 31% der Befragten weisen ein niedriges faktisches Urheberrechtswissen aus, 48,7% ein mittelmäßiges sowie 20,3% ein hohes. Eine gegenteilige Verteilung der Werte ergibt sich für das selbstgeschätzte Urheberrechtswissen. 22,6% attestieren sich ein niedriges Wissen, 43,8% ein mittelmäßiges und 33,7% ein hohes. In Bezug auf die Urheberrechtspraxis ist feststellbar, dass 53,1% der befragten noch nie auf das Veröffentlichen eines Beitrages verzichtet haben. Jedoch haben 49,3% bereits von Creative Commons Content Gebrauch gemacht und 14,4% haben bereits einmal Content unter Creative Commons Lizenzen zur Verfügung gestellt.

5.2.

Übereinstimmung zwischen selbstgeschätzter und faktischer Legal Literacy ^

[17]
Bezugnehmend auf die FF1 – Stimmt das selbstgeschätzte und das faktische Urheberrechtswissen bei SN-Nutzern überein? – kann festgehalten werden, dass 47,9% der Nutzer ihr Wissen gemessen an der Anzahl der korrekten Antworten richtig einschätzen, wobei 15,5 % ihren Wissensstand unterschätzen und 36,6 % ihren Wissensstand überschätzen. Weiters ist eine Übereinstimmung zwischen der selbstgeschätzten und faktischen Legal Literacy insofern feststellbar, als jene Personen, die über einen höheres Wissen verfügen, ihr Wissen auch höher einschätzen (R = 0,429***). Jene mit niedrigem faktischen Urheberrechtswissen tendieren zur Überschätzung ihres Wissenstandes (R = -0,480***).

5.3.

Einflussfaktoren auf die Legal Literacy ^

[18]

Bezugnehmend auf die FF2 – Welche Faktoren beeinflussen das selbstgeschätzte und das faktische Urheberrechtswissen der SN-Nutzer? – zeigt sich eine interessante Befundlage (Tabelle 3).

  Selbsteingeschätzte LL Faktische LL
Alter: 16–24 -0,931*** -0,738**
(0,301) (0,305)
Alter: 25–34 -0,274 -0,333
(0,253) (0,255)
Dummy: männlich 0,444** 0,484**
(0,221) (0,224)
Dummy: kein Hochschulabschluss -0,422* -0,846***
(0,236) (0,243)
Dummy: kein Intensivnutzer -0,207 -0,436*
(0,222) (0,226)
Aktivitätsniveau (niedrig) -0,515* -0,626**
(0,280) (0,283)
Aktivitätsniveau (mittel) -0,378 -0,525**
(0,278) (0,279)
Einstellung (negativ) 0,217 -0,250
(0,364) (0,368)
Einstellung (neutral) -0,625*** -0,287
(0,232) (0,235)
Pseudo-R2 0,156 0,171
N 369 369
Anmerkung: *** p < 0,01; ** p < 0,05; * p < 0,1

Tabelle 3: Gewichtete Ergebnisse der ordinalen Regressionsanalyse zu Legal Literacy

[19]
Auf die selbstgeschätzte Legal Literacy haben die Faktoren Alter, Geschlecht, Bildung, Aktivitätsniveau und die Einstellung eine signifikante Wirkung. Die Altersgruppe der 16- bis 24-jährigen schätzt ihr Urheberrechtswissen signifikant geringer ein als die Vergleichsgruppen (0,931***). Eine Betrachtung nach dem Geschlecht offenbart, dass Männer ihr Wissen höher einschätzen als Frauen (0,444**). Weiters zeigt sich, dass Nutzer mit einem geringen Bildungsniveau ihr Wissen niedriger einschätzen (0,422*). Weniger aktive SN-Nutzer (Nutzer, die posten, teilen, liken, kommentieren etc.) schätzen ihr Wissen geringer ein (-0,515*) ebenso wie jene Nutzer, die eine neutrale bzw. indifferente Einstellung gegenüber SN hegen (-0.625***). Mit einem Pseudo-R2 nach Nagelkerke von 0,156 ist dieses Modell hinreichend valide.
[20]
Bei der faktischen Legal Literacy zeigt sich, dass bis auf die Einstellung der Probanden gegenüber SN alle anderen Prädiktoren eine signifikante Auswirkung haben. Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass mit abnehmendem Alter (-0,738**), Bildungsgrad (-0,846***), Nutzungsintensität (-0,436*) und Aktivitätsniveau (-0,626**) das faktische Wissen tendenziell niedriger ist, wobei Männer über einen höheren faktischen Wissensstand verfügen als Frauen (0,484**). Mit einem Pseudo-R2 nach Nagelkerke von 0,171 ist dieses Modell hinreichend valide.

5.4.

Zusammenhang zwischen Urheberrechtswissen und -praxis ^

[21]
Bezugnehmend auf FF3 – Existiert ein Zusammenhang zwischen dem faktischen Urheberrechtswissen und der Urheberrechtspraxis von SN-Nutzern? – ist ebenfalls ein signifikant positiver Zusammenhang feststellbar. Je höher das faktische Urheberechtswissen umso eher wurde bereits einmal auf die Veröffentlichung eines urheberrechtlich geschützten Beitrages verzichtet (R = 0,207***), umso eher hat man bereits von Creative Commons Content Gebrauch gemacht (R = 0,352***) bzw. selbst Content unter Creative Commons lizenziert (R = 0,373***). Allerdings sind jene Nutzer mit einer fortgeschrittenen Urheberechtspraxis signifikant älter (R = 0,305***). Ein interessantes Bild zeichnet sich auch bei der Analyse der Einflussfaktoren auf die Urheberrechtspraxis. Besorgniserregend ist die Bestandsaufnahme in der Altersgruppe der 16- bis 24-jährigen. De facto hat in dieser Altersgruppe kaum jemand auf das Veröffentlichen eines Beitrages verzichtet (-1,268***). Weiters ist der Gebrauch von Creative Commons Content sehr schwach ausgeprägt (-0,951**). Eine detaillierte Darstellung dieser aufschlussreichen Ergebnisse würde jedoch den Rahmen dieses Beitrages sprengen und ist Gegenstand einer weiterführenden Analyse.

6.

Conclusio und Limitationen ^

[22]

Limitierend gilt festzuhalten, dass die Erhebung der Daten auf Basis der Selbstselektion und der Selbstbeauskunftung erfolgte, woraus sich Verzerrungen in Bezug auf Selbstdarstellung (z.B. soziale Erwünschtheitseffekte) ergeben. Das Erhebungsdesign orientierte sich jedoch an internationalen Standards der Literacy-Forschung, wodurch sichergestellt wurde, dass die Verzerrungseffekte minimiert und entsprechende Vergleichbarkeit mit anderen Befunden hergestellt werden konnten. Grundsätzlich ist in Übereinstimmung mit anderen Studien [Rakebrand 2014, Bauer 2011, GfK 2013 & 2015] feststellbar, dass eine Diskrepanz zwischen effektivem Urheberrechtswissen und eine daran geknüpfte Praxis existiert. Faktoren wie Alter, Bildungsgrad, Geschlecht, Aktivitätsniveau und Nutzungsintensität haben einen signifikanten Einfluss auf das faktische Urheberechtswissen, wobei der Wissenstand mit abnehmenden Alter und Bildungsgrad sinkt, bei tendenzieller Überschätzung des eigenen Wissensstandes bei jüngeren Nutzern. Dies ist dahingehend problematisch, als insbesondere in jungen Nutzergruppen das Aktivitätsniveau und die SN-Nutzung sehr hoch sind. Besorgniserregend ist weiters, dass den jüngeren Nutzern ein tendenziell achtloser Umgang bei der aktiven Nutzung sozialer Netzwerke zugeschrieben werden kann. In Summe muss daher die Legal Literacy in Bezug auf das Urheberrecht in der untersuchten Nutzergruppe als unzureichend eingestuft werden. Die vorliegende Studie konnte dazu beitragen, ein differenzierteres Verständnis der Problemlage zu entwickeln, wodurch eine Grundlage für die Planung und Umsetzung von Maßnahmen zur Steigerung der Rechtskompetenz gelegt wurden, die in Folgestudien ausgearbeitet werden sollen. Denn es ist notwendig, dass Nutzer von sozialen Netzwerken ein notwendiges und hinreichendes Maß an Legal Literacy entwickeln, welches ihnen erlaubt, die Balance zwischen ihrer Kommunikationspraxis im Internet und den urheberrechtlichen Anforderungen zu wahren [Gathegi 2014, S. 101 f.].

7.

Referenzen ^

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