1.
Einleitung ^
2.
Mediation von Nachbarschaftsstreits als Anwendungsdomäne ^
Definition der Mediation. Streitigkeiten, die zwischen Nachbarschaftsfronten festgefahren sind, können anstelle über ein eventuell instanzenreiches Gerichtsverfahren mit Hilfe eines Konfliktbeilegungsverfahrens wie der Mediation nachhaltig gelöst werden. Dabei bezeichnet Besemer die Mediation als ein Verfahren zur «Vermittlung in Streitfällen durch unparteiische Dritte, die von allen Seiten akzeptiert werden.» [Besemer 1998, S. 14]. In einer Befragung von 1'832 Personen bevorzugten 87% der Befragten bei Nachbarschaftsstreitigkeiten eine Mediation zur Beilegung des Konfliktes [Roland-Gruppe 2010]. Die Mediation eignet sich besonders, wenn die im Konflikt stehenden Personen an einer zukünftigen Zusammenarbeit weiter interessiert, die Verhandlungen allerdings festgefahren sind [Besemer 1998, S. 20].
Vorgehensweise der Mediation. Im Rahmen eines Mediationsverfahrens wird den im Streit stehenden Parteien die Möglichkeit eröffnet, unter Zuhilfenahme eines vermittelnden, neutral und allparteilichen Dritten, gemeinsam eine Lösung zu erarbeiten, die nachhaltig und für alle Parteien akzeptabel erscheint. Nach Haft steht die Verhandlung und somit die gemeinsame Erarbeitung einer Lösung von den im Konflikt stehenden Parteien im Mittelpunkt, mit der sich jede Partei identifizieren kann [Haft 2016, S. 99]. In der Literatur existiert eine Vielzahl von beschriebenen, ähnlich verlaufenden Phasenmodellen zur Mediation (vgl. hierzu auch z.B. [Kessen/Troja 2016, S. 330 f.]). In dem vorliegenden Beitrag wird auf einen Phasenverlauf aus der Wirtschaftsmediation Bezug genommen (vgl. zu der folgenden Aufzählung [Duve/Eidenmüller/Hacke 2011, S. 78 ff.]):
- Einstieg in die Mediation: Die im Streit stehenden Parteien vereinbaren, mit Unterstützung eines Mediators eine Lösung für ihren Streit anzustreben. Der Mediator bereitet die Mediation vor.
- Eröffnung der Mediation: Der Mediator informiert die Parteien zum Mediationsablauf, zu den Besonderheiten, zum Rollenverständnis sowie zu den Grenzen der Mediation.
- Bestandsaufnahme: Der Mediator verschafft sich einen Überblick über Einzelheiten zu den Streitthemen. Weiterhin wird festgelegt, mit welchem Thema begonnen wird.
- Erforschung der Interessen: Mit Hilfe des Mediators wird von den ursprünglichen Positionen aus zu den Interessen der Parteien hingearbeitet.
- Entwicklung und Bewertung von Lösungen: Die im Streit stehenden Parteien generieren Ideen zu Lösungsvorschlägen, die zunächst von jeder Partei bewertet und priorisiert werden. Geeignete Lösungsvorschläge werden weiterentwickelt, bis die konsensfähige Lösung erarbeitet ist.
- Vereinbarung und Abschluss: Abgestimmte Maßnahmen und Verantwortlichkeiten zur Umsetzung der konsensfähigen Lösung werden in einer Abschlussvereinbarung festgeschrieben.
3.
Überblick über die Ebenen der Darstellung des Anwendungsfalls ^
4.
Grundlegendes methodisches Vorgehen bei der Sprachentwicklung (Ebene 3) ^
Zunächst müssen Zweck und Anwendungsgebiet der Visualisierungssprache abgegrenzt und spezifiziert werden. In dem vorliegenden Beitrag wird die Anwendungsdomäne Mediation von Nachbarschaftsstreits gewählt und spezifiziert (siehe Abschnitt 2). Deren Relevanz wird in einer Studie von der Roland-Gruppe [Roland-Gruppe 2010] belegt, in der die Befragten «Mediation» als Konfliktbeilegungsverfahren in Nachbarschaftsstreits als besonders geeignet favorisieren (Phase 1). Um eine entsprechende Datenbasis aus Konfliktbeilegungsverfahren zu schaffen, werden 406 frei verfügbare Urteile als Datenbasis genutzt (Phase 2). Diese mit geeigneten Textquellen gefundenen Urteile im Juraforum [s. http://www.juraforum.de] wurden im PDF-Format aus der Datenbank Openjur [s. http://www.openjur.de] heruntergeladen, in Textdateien umgewandelt und in den Korpus eingelesen (Phase 3). Hier erfolgt die automatische Auswertung der Textdateien nach Termkandidaten, wie z.B. Nomen, Adjektiven, Verben etc. und die Expertenselektion aller Mediations- und Nachbarschaftsrelevanter Begriffe in Form von Nomen (Termkandidaten) durch einen Mediator (Phase 4). Die ausgewählten Terme (=Begriffe) werden nach möglichen Kategorien für die Mediation zusammengefasst (Phase 5). Abschließend werden den Termen passende Symbole (s. freie Clipart-Bibliothek z.B. unter [http://www.openclipart.org]) zugeordnet und in einer Bausteinbibliothek zusammengefasst (Phase 6).
Phase 5. Die einzelnen Terme wurden mit einem Part-of-Speech(POS)-Tagger nach ihren Wortarten klassifiziert. Gemäß dem TreeTagger-Verfahren von Schmid [Schmid1994], das Entscheidungsbäume zur Berechnung der Wahrscheinlichkeit nutzt, wurde einem Term (z.B. «Haus») eine bestimmte Wortart (z.B. «Haus» – Nomen) als Auswertekriterium zugeordnet. Anschließend wurden die Terme von einem Mediator nach ihrer Relevanz für die Mediation von Nachbarschaftsstreits anhand der Kennzahlen klassifiziert.
Phase 6. Um für die Visualisierung des adressierten Anwendungsfalls eine Visualisierungssprache zu nutzen, wurden in einem Workshop nach einem qualitativen Ansatz Kategorien aus den relevant-beurteilten Termen gebildet und konsolidiert. Zudem wurde jedem dieser Terme (Konzept) ein Symbol (Repräsentation) aus OpenClipart [s. http://www.openclipart.org] zugeordnet. So ist eine Bausteinbibliothek (Abschnitt 5) entstanden, die zur Visualisierung der Mediation in Nachbarschaftsstreits eingesetzt werden kann.
5.
Visualisierungssprache für die Mediation von Nachbarschaftsstreits (Ebene 2) ^
6.
Demonstration der Anwendung zur Erstellung von Visualisierungen (Ebene 1) ^
An einem konkreten realitätsnahen Anwendungsfall ist überprüft worden, ob die entwickelten Bausteine (Visualisierungssprache) ihren Einsatz in einzelnen Phasen der Mediation finden, und zum anderen sollten domänenspezifische Terme für Nachbarschaftsstreits mit dem Blick auf Ergänzung der Bibliothek gefunden werden. Als Konfliktgegenstand in dieser Nachbarschaftsmediation wurde, wie im Vorangegangenen bereits erwähnt (Abschnitt 2), der in der Frühe (ab vier Uhr morgens) krähende Hahn angenommen (Abbildung 4). Zu den konstanten Parametern zählten der alleinlebende Frührentner, Lageplan seines Grundstücks mit Haus, Garten, Hahn und Hühnern im Hühnergehege (mit Loch im Zaun) und Hühnerstall und die alleinerziehende Mutter im Nachbarhaus mit Garten.
- In der Zeit von 22 Uhr bis 6 Uhr morgens wird der Hahn ab sofort in den Hühnerstall gesperrt. (Verantwortlich: Nachbarpartei 1)
- Um das Grundstück von Nachbarpartei 2 wird bis zum 29. Dezember ein hoher Lärmschutzzaun gebaut. (Verantwortlich: Nachbarpartei 2)
- Der Gehegezaun wird bis zum 29. Dezember instand gesetzt. (Verantwortlich: Nachbarpartei 1)
7.
Limitationen ^
8.
Fazit und Ausblick ^
9.
Literatur ^
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