1.
Ausgangssachverhalt und Entscheidung des BGH ^
2.
Zur Erfüllung von Kaufverträgen durch Zahlung via PayPal ^
Für die Frage, wann eine Schuld als erfüllt anzusehen ist, ist (insofern vergleichbar der deutschen Rechtslage)8 die Theorie der realen Leistungsbewirkung maßgeblich. Nach dieser Theorie ist die Erfüllung grds. kein Rechtsgeschäft. Es kommt nur auf die faktische Herbeiführung des Leistungserfolges durch eine Leistung, die dem Geschuldeten entspricht, an.9 Auch eine unter Vorbehalt der Rückforderung erbrachte Leistung (für den Fall des Nichtbestehens der Schuld) wird als wirksame Erfüllung angesehen; der Gläubiger darf diese also nicht zurückweisen.10 Maßgeblich ist somit lediglich, ob die den Schuldinhalt bildende Leistung dem Gläubiger endgültig verschafft wurde.11 Bei einer Banküberweisung ist bspw. dann von einer Erfüllung auszugehen, wenn der geschuldete Betrag auf dem Konto des Gläubigers gutgeschrieben ist und dieser über das Konto alleine verfügen kann.12 Nicht als Erfüllung anerkannt wurde etwa eine Überweisung auf ein falsches Konto oder ein Sperrkonto;13 auch Leistungen, die einer insolvenzrechtlichen bzw. der Gläubigeranfechtung unterliegen, dürfen zurückgewiesen werden, da diese als Scheinzahlungen zu qualifizieren sind.14 Mit der Erfüllung ist das Schuldverhältnis beendet. Ab diesem Zeitpunkt kommen allenfalls nachvertragliche Pflichten in Betracht.15
3.
Auswirkungen der Inanspruchnahme des PayPal-Käuferschutzes auf die Rechtsstellung der Parteien des Kaufvertrags ^
3.1.
Einwirkung der PayPal-AGB auf das Vertragsverhältnis zwischen Käufer und Verkäufer ^
3.2.
Käuferschutz und Kaufpreisforderung ^
3.2.1.
Rückwirkender Entfall der Erfüllung vs. «Wiederbegründung» der Kaufpreisforderung ^
Im Grunde geht es bei der Lösung der vorliegenden Rechtsfrage um die Frage, ob der Rechtsgrund für die Leistung des Kaufpreises der wieder wirksam gewordene «alte» Kaufpreisanspruch sein soll – dessen Erfüllung nachträglich weggefallen ist (so das Landgericht Essen unter Berufung auf eine entsprechende Entscheidung des BGH zum Erstattungsverlangen des Zahlers beim SEPA-Basis-Lastschriftverfahren)19 – oder ein eigenständiger Folgevertrag bzw. Folgeanspruch vorliegt. Solche Konstruktionen sind durchaus denkbar;20 es ist somit u.E. nicht ausgeschlossen, dass die Parteien bei Vertragsschluss ein (aufschiebend) bedingtes Folgeschuldverhältnis für den Fall des Erlöschens der ursprünglichen Kaufpreisforderung und die (erfolgreiche) Inanspruchnahme des PayPal-Käuferschutzes (unter gleichzeitiger Belastung des PayPal-Kontos des Verkäufers) vereinbaren.
Da die Erfüllungswirkung eine unmittelbare Folge einer wirksamen, realiter gesetzten Erfüllungshandlung ist und somit die Schuld endgültig zum Erlöschen bringt,21 erscheint es u.E. kohärenter von einer konkludenten Neu- bzw. Wiederbegründung der Kaufpreisforderung für den Fall der erfolgreichen Inanspruchnahme des PayPal-Käuferschutzes auszugehen. Zwar wurde im Falle des «Widerrufs» einer SEPA-Lastschrift22 vom BGH das rückwirkende Wiederaufleben der Kaufpreisforderung judiziert;23 diese jedoch nicht als auflösende Bedingung der Erfüllungswirkung, sondern als auflösende Bedingung der Erfüllungsvereinbarung, nach österreichischer Terminologie auch als Hingabevereinbarung oder Hingabevertrag bezeichnet,24 die als erforderliches Rechtsgeschäft einer Leistung «an Zahlungs Statt» zugrunde liegt.25 Im vorliegenden Fall ist es u.E. jedoch äußerst zweifelhaft, ob überhaupt von einer Leistung an Zahlungs Statt zu sprechen ist, zumal die Begleichung der Geldforderung via PayPal, als eine Barzahlung oder Banküberweisung abweichende Zahlungsmodalität von Anfang an vereinbart war und in der Zahlung mittels PayPal somit kein für eine Leistung an Zahlungs Statt begriffsnotwendiges Erfüllungssurrogat erblickt werden kann.26 Dies schließt aber u.E. nicht aus, dass bereits zu Vertragsschluss ein bedingtes Folgeschuldverhältnis vereinbart wird, inhaltsgleich zur eigentlichen Kaufpreisforderung. Die Bedingungsvoraussetzungen wären die wirksame Erfüllung des ursprünglichen Vertrages sowie die (erfolgreiche) Abrufung des Käuferschutzes unter Belastung des Verkäufers.
3.2.2.
Rechtliche Konsequenzen der unterschiedlichen Deutungsvarianten ^
4.
Alternative Auslegungsvarianten der AGB ^
5.
Fazit ^
- 1 Siehe zur aktuellen Fassung (Stand 27. April 2017) für Österreich Paypal, PayPal-Käuferschutzrichtlinie. https://www.paypal.com/at/webapps/mpp/ua/buyerprotection-full alle Websites zuletzt aufgerufen am 5. Januar 2018), 2017. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass auch eine Verkäuferschutzrichtlinie (Stand 27. April 2017) implementiert ist, siehe Paypal, PayPal-Verkäuferschutzrichtlinie. https://www.paypal.com/at/webapps/mpp/ua/sellerprotection-full, 2017.
- 2 Die Gefahr für den zufälligen Untergang der Ware auf dem Transportweg war mangels Vorliegens eines Verbrauchergeschäfts dem Käufer zugewiesen (BGH 22. November 2017, VIII ZR 83/16 Rz. 43), was bei Vereinbarung einer Schickschuld auch für das österreichische Recht zutreffen würde (§ 905 Abs. 3 i.V.m. § 429 ABGB); siehe dazu Welser/Zöchling-Jud, Bürgerliches Recht II14, Manz, Wien 2015, Rz. 225 m.w.N.
- 3 Vgl. BGH 22. November 2017, VIII ZR 213/16 Rz. 4.
- 4 Ergänzend ist wohl auch das Nichttragen bzw. Überwälzung des Risikos einer Insolvenz des Verkäufers auf PayPal zu nennen, zumal die PayPal-AGB eine Auszahlung an den Käufer unabhängig davon vorsehen, ob PayPal den Erstattungsbetrag von dem Zahlungsempfänger (Verkäufer) zurückfordern kann.
- 5 Siehe für eine erste Meldung bereits Kolmasch, Kaufpreisforderung trotz Paypal-Käuferschutz, Zak 2017, S. 423.
- 6 Ob eine Überweisung ohne besondere Vereinbarung im Vergleich zur Barzahlung eine gleichwertige Erfüllungsvariante darstellt, wird tlw. bestritten, siehe Bollenberger. In: Koziol/Bydlinski/Bollenberger (Hrsg.), ABGB5, Verlag Österreich, Wien 2017, § 907a Rz. 3 mit Verweis auf OGH 15. Mai 2015, 10 Ob 31/15d. Im Grunde ist die praktische Relevanz dieser Frage aber gering, siehe Schauer. In: Kletečka/Schauer (Hrsg.), ABGB-ON1.02 § 907a Rz. 19 (Stand 1. März 2017, rdb.at); wohl zu Recht der Gegenauffassung Stabentheiner. In: Fenyves/Kerschner/Vonkilch (Hrsg.), ABGB³ (Klang) ErgBd., Verlag Österreich, Wien 2017, § 907a Rz. 24, m.w.N.; ebenso von einer «Wahlschuld» sprechend, Binder/Kolmasch. In: Schwimann/Kodek (Hrsg.), ABGB Praxiskommentar IV4, LexisNexis, Wien 2014, § 907a Rz. 12.
- 7 Vgl. Koziol/Spitzer. In: Koziol/Bydlinski/Bollenberger (Hrsg.), ABGB5, Verlag Österreich, Wien 2017, § 1414 Rz. 1; zur Frage des Verhältnisses zwischen Leistung an Zahlungs Statt und einer Novation siehe ausführlich und m.w.N. Stabentheiner. In: Kletečka/Schauer (Hrsg.), ABGB-ON1.03 § 1414 Rz. 4 f. (Stand 1. März 2017, rdb.at).
- 8 Siehe Grüneberg. In: Bassenge et al., Palandt Bürgerliches Gesetzbuch VI75, Verlag C.H. Beck, München 2016, § 362 Rz. 1 m.w.N..
- 9 Stabentheiner. In: Kletečka/Schauer (Hrsg.), ABGB-ON1.03 § 1412 Rz. 3 (Stand 1. März 2017, rdb.at); siehe auch Heidinger. In: Schwimann/Kodek (Hrsg.), ABGB Praxiskommentar VI4 § 1412 Rz. 3; Reischauer. In Rummel (Hrsg.), ABGB³ § 1412 Rz. 2 (Stand 1. Jänner 2002, rdb.at); OGH 27. Juni 1989, 4 Ob 555/89.
- 10 Koziol/Spitzer. In: Koziol/Bydlinski/Bollenberger (Hrsg.), ABGB5 § 1412 Rz. 4; Stabentheiner. In: Kletečka/Schauer (Hrsg.), ABGB-ON1.03 § 1412 Rz. 4; Heidinger. In: Schwimann/Kodek (Hrsg.), ABGB Praxiskommentar VI4 § 1412 Rz. 5; OGH 1. Juli 1999, 8 Ob 123/08h. Nur die Leistung genau dessen, was geschuldet ist, bewirkt Erfüllung; daher ist nicht von einer Erfüllung auszugehen, wenn der Schuldner die Leistung an den Gläubiger von einem Verzicht auf weitere vertragliche Ansprüche des Gläubigers abhängig macht, siehe OGH 15. Juni 2016, 4 Ob 96/16w.
- 11 OGH 27. Jänner 2011, 2 Ob 12/10v.
- 12 Heidinger. In: Schwimann/Kodek (Hrsg.), ABGB Praxiskommentar VI4 § 1412 Rz. 7. Bei einer vereinbarten Zahlung im Lastschriftverfahren liegt eine Holschuld vor; der Schuldner hat also nur für ausreichende Kontodeckung bei Fälligkeit zu sorgen, siehe Stabentheiner. In: Fenyves/Kerschner/Vonkilch (Hrsg.), ABGB³ (Klang) ErgBd. § 907a Rz. 16. Siehe auch Eccher/Hagen, Erfüllungswirkung im Überweisungsverkehr, ÖBA 2000, S. 115.
- 13 OGH 24. Februar 2000, 8 ObA 20/00z; Stabentheiner. In: Kletečka/Schauer (Hrsg.), ABGB-ON1.03 § 1412 Rz. 7.
- 14 OGH 29. April 1997, 1 Ob 75/97d.
- 15 Schopper, Nachvertragliche Pflichten, Manz, Wien 2009, S. 8.
- 16 BGH 22. November 2017, VIII ZR 83/16 Rz. 15 ff.; VIII ZR 213/16 Rz. 14 ff.
- 17 BGH 22. November 2017, VIII ZR 83/16 Rz. 31; VIII ZR 213/16 Rz. 30.
- 18 BGH 22. November 2017, VIII ZR 83/16 Rz. 28 ff; VIII ZR 213/16 Rz. 27 ff.
- 19 BGH 20. Juli 2010, XI ZR 236/07.
- 20 Siehe dazu Schopper, Nachvertragliche Pflichten, S. 84. Vgl. auch OGH 22. Mai 1991, 4 Ob 218/99h (fraglich war in diesem Fall allerdings, ob die Parteien nachträglich ein neues Vertragsverhältnis begründet hatten).
- 21 Welser/Zöchling-Jud, Bürgerliches Recht II14, Rz. 461.
- 22 Vgl. § 675x dBGB und nach österreichischem Recht § 45 ZaDiG.
- 23 BGH 20. Juli 2010, XI ZR 236/07.
- 24 Reischauer. In Rummel (Hrsg.), ABGB³ § 1414 Rz. 1 (Stand 1. Jänner 2002, rdb.at); Stabentheiner. In: Kletečka/Schauer (Hrsg.), ABGB-ON1.03 § 1414 Rz. 4.
- 25 Was österreichische Lehrmeinungen zu dieser Thematik betrifft spricht sich Haghofer (im Zusammenhang mit der Erstattung eines formwidrigen SEPA-Lastschriftmandats) primär für eine schadenersatzrechtliche Lösung aus, vgl. Haghofer. In: Weilinger (Hrsg.), Zahlungsdienstegesetz, Manz, Wien 50. Lfg. 2014, § 46 Rz. 5; hingegen von Schadenersatzpflichten wegen Verzug (sic.) bei grundlosem Widerspruch zum Einzugsermächtigungsverfahren nach alter Rechtslage sprechend, Koch/Koziol/Wiebe. In: Apathy/Iro/Koziol (Hrsg.), Österreichisches Bankvertragsrecht III2, Springer, Wien 2008, Rz. 1/135.
- 26 Stabentheiner. In: Kletečka/Schauer (Hrsg.), ABGB-ON1.03 § 1414 Rz. 2.
- 27 Vgl. Kietabil. In: Kletečka/Schauer (Hrsg.), ABGB-ON1.04 § 897 Rz. 46 (Stand 1. Oktober 2017, rdb.at) m.w.N.
- 28 Vgl. Welser/Zöchling-Jud, Bürgerliches Recht II14 Rz. 137.
- 29 Vgl. auch zu den Sorgfaltsanforderungen bei nachvertraglichen Einwirkungsmöglichkeiten auf den Vertragspartner Schopper, Nachvertragliche Pflichten, S. 112 ff.
- 30 BGH 22. November 2017, VIII ZR 83/16 Rz. 21; VIII ZR 213/16 Rz. 20.
- 31 Bemerkenswert i.d.Z. Art. 9 Abs. 3 der Verbraucherrechte-Richtlinie (RL 2011/83/EU, ABl. L 2011/304, 64).
- 32 Vgl. die kritischen Anmerkungen von Habel, PayPal-Käuferschutz. In: Taeger (Hrsg.), Recht 4.0 – Innovationen aus den rechtswissenschaftlichen Laboren, OlWIR, Edewecht 2017, S. 335 (S. 342).