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Überlegungen zur Erfüllung von Schuldverhältnissen sowie zum Instrument des «Käuferschutzes» bei PayPal

  • Authors: Clemens Bernsteiner / Martin Miernicki
  • Category: Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: IP Law
  • Collection: Conference proceedings IRIS 2018
  • Citation: Clemens Bernsteiner / Martin Miernicki, Überlegungen zur Erfüllung von Schuldverhältnissen sowie zum Instrument des «Käuferschutzes» bei PayPal, in: Jusletter IT 22 February 2018
Der BGH hatte in seinen Entscheidungen VIII ZR 83/16 und VIII ZR 213/16 vom 22. November 2017 die «Käuferschutzrichtlinie» von PayPal zu beurteilen, welche unter bestimmten Voraussetzungen nach Kaufpreiszahlung eine Belastung des Verkäuferkontos zu Gunsten des Käufers ermöglicht. Für das deutsche Recht kam das Gericht zum Ergebnis, dass es dem so belasteten Verkäufer dennoch unbenommen ist, vom Käufer den Kaufpreis klageweise zu verlangen. Der vorliegende Beitrag betrachtet die Problematik um solch einen «Käuferschutz» auf Grundlage des österreichischen Rechts und geht der Frage nach, ob dem BGH auch nach österreichischem Privatrecht zu folgen ist.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Ausgangssachverhalt und Entscheidung des BGH
  • 2. Zur Erfüllung von Kaufverträgen durch Zahlung via PayPal
  • 3. Auswirkungen der Inanspruchnahme des PayPal-Käuferschutzes auf die Rechtsstellung der Parteien des Kaufvertrags
  • 3.1. Einwirkung der PayPal-AGB auf das Vertragsverhältnis zwischen Käufer und Verkäufer
  • 3.2. Käuferschutz und Kaufpreisforderung
  • 3.2.1. Rückwirkender Entfall der Erfüllung vs. «Wiederbegründung» der Kaufpreisforderung
  • 3.2.2. Rechtliche Konsequenzen der unterschiedlichen Deutungsvarianten
  • 4. Alternative Auslegungsvarianten der AGB
  • 5. Fazit

1.

Ausgangssachverhalt und Entscheidung des BGH ^

[1]
PayPal ist ein Online-Bezahlsystem, welches seinen Kunden die Bezahlung von Geldbeträgen via Konten des Dienstes, die mit einem Bankkonto oder einer Kreditkarte verbunden sind, ermöglicht. Darüber hinaus bietet PayPal als besonderen Service den sog. «Käuferschutz» 1 an: Nach diesen in PayPals AGB enthaltenen Bestimmungen kann ein Käufer (unter der Erfüllung weiterer Voraussetzungen wie die Einhaltung der dafür vorgesehenen Fristen) die Rückbuchung des Kaufbetrages (letztlich) vom Konto des Verkäufers beantragen, wenn ein gekaufter Artikel nicht versandt wurde oder erheblich von seiner Beschreibung abweicht, worüber PayPal nach einer Prüfung endgültig entscheidet. Über zwei Fälle, in denen vom Käuferschutz Gebrauch gemacht wurde, hatte der BGH im November 2017 zu urteilen. Im ersten Fall (VIII ZR 83/16) hatte der Verkäufer nach Gutschrift des Kaufbetrages die Ware (unstrittig) versandt,2 diese war allerdings nicht angekommen; im zweiten Fall (VIII ZR 213/16) entsprach die Ware (als «offensichtlich […] billiger Import aus Fernost» von «sehr mangelhafter Qualität»)3 nicht der Artikelbeschreibung. Der BGH ging in beiden Fällen davon aus, dass das Käuferschutzverfahren dem Anspruch des Verkäufers auf Zahlung des Kaufpreises bei Rückbuchung der jeweiligen Entgelte nicht entgegenstünde; der Kaufvertrag sei zwar wirksam erfüllt worden, die Parteien hätten aber konkludent eine Wiederbegründung der getilgten Forderung vereinbart. Durch dieses Interpretationsergebnis sei laut BGH das Instrument des Käuferschutzes auch nicht obsolet geworden, zumal der Käufer ohne Inanspruchnahme der Gerichte seinen in Vorleistung erbrachten Kaufpreis wiedererlangen könne und somit die Prozessführungslast beim Verkäufer liege.4
[2]
Der folgende Beitrag betrachtet die Lösung des BGH auf Grundlage des österreichischen Rechts.5

2.

Zur Erfüllung von Kaufverträgen durch Zahlung via PayPal ^

[3]
Gemäß § 1412 ABGB erlischt eine Verbindlichkeit durch Zahlung, also durch Leistung dessen, was geschuldet ist. Geldschulden (neugeregelt durch die Einführung des § 907a mit dem Zahlungsverzugsgesetz – BGBl. I Nr. 50/2013) sind grundsätzlich in bar oder mittels Überweisung6 zu bezahlen; eine Zahlung auf anderem Wege (etwa durch Kreditkarte oder SEPA-Lastschrift) muss ursprünglich oder nachträglich (als Leistung an «Zahlungs Statt» gem. § 1414 ABGB) vereinbart werden.7 In beiden Ausgangsfällen war jedoch eine Zahlung über PayPal vereinbart, weshalb die Verwendung des Online-Bezahldienstes insofern keine besonderen Probleme aufwirft.
[4]

Für die Frage, wann eine Schuld als erfüllt anzusehen ist, ist (insofern vergleichbar der deutschen Rechtslage)8 die Theorie der realen Leistungsbewirkung maßgeblich. Nach dieser Theorie ist die Erfüllung grds. kein Rechtsgeschäft. Es kommt nur auf die faktische Herbeiführung des Leistungserfolges durch eine Leistung, die dem Geschuldeten entspricht, an.9 Auch eine unter Vorbehalt der Rückforderung erbrachte Leistung (für den Fall des Nichtbestehens der Schuld) wird als wirksame Erfüllung angesehen; der Gläubiger darf diese also nicht zurückweisen.10 Maßgeblich ist somit lediglich, ob die den Schuldinhalt bildende Leistung dem Gläubiger endgültig verschafft wurde.11 Bei einer Banküberweisung ist bspw. dann von einer Erfüllung auszugehen, wenn der geschuldete Betrag auf dem Konto des Gläubigers gutgeschrieben ist und dieser über das Konto alleine verfügen kann.12 Nicht als Erfüllung anerkannt wurde etwa eine Überweisung auf ein falsches Konto oder ein Sperrkonto;13 auch Leistungen, die einer insolvenzrechtlichen bzw. der Gläubigeranfechtung unterliegen, dürfen zurückgewiesen werden, da diese als Scheinzahlungen zu qualifizieren sind.14 Mit der Erfüllung ist das Schuldverhältnis beendet. Ab diesem Zeitpunkt kommen allenfalls nachvertragliche Pflichten in Betracht.15

[5]
Nach dem eben Gesagten tritt u.E. die Erfüllung des Kaufvertrages mit der Gutschrift auf dem PayPal-Konto des Verkäufers ein; dies freilich unter der (hier vorliegenden) Voraussetzung, dass eine solche Zahlungsart vereinbart wurde. Ab diesem Zeitpunkt kann der Verkäufer nämlich frei über den Betrag verfügen, diesen somit etwa auf ein Bank- bzw. Girokonto überweisen und letztlich auch in bar beheben. Die Kaufpreisforderung ist damit getilgt und die Verbindlichkeit «aufgelöset» i.S.d. § 1412 ABGB. Diese Lösung entspricht im Wesentlichen jener des BGH.16

3.

Auswirkungen der Inanspruchnahme des PayPal-Käuferschutzes auf die Rechtsstellung der Parteien des Kaufvertrags ^

3.1.

Einwirkung der PayPal-AGB auf das Vertragsverhältnis zwischen Käufer und Verkäufer ^

[6]
Zu fragen ist nun, ob die soeben aufgezeigten Grundsätze durch die «Käuferschutzrichtlinie» modifiziert werden. Dabei ist zu beachten, dass diese zunächst nicht im Verhältnis zwischen den Parteien des Kaufvertrags, sondern zwischen diesen und PayPal vereinbart werden, da die Richtlinie in den AGB des Bezahldienstes enthalten ist. Wird aber eine Zahlung via PayPal als Erfüllungsart bedungen, kann wohl nicht davon ausgegangen werden, dass die AGB für den Kaufvertrag völlig irrelevant sind, sondern der Kaufvertrag wird wohl auch im Hinblick auf die dort vorgesehenen Schutzmechanismen geschlossen werden. Vielmehr wird – dem BGH folgend17 – anzunehmen sein, dass die AGB, welchen beide Vertragsparteien im Verhältnis zu PayPal zugestimmt haben, in Fragen der Erfüllung in das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien miteinfließen.
[7]
Vorbehaltlich anderer Auslegungsergebnisse im Einzelfall ist dieser Gedanke u.E. verallgemeinerungsfähig: Bedienen sich zwei Vertragsparteien zu Zwecken der Erfüllung von Verbindlichkeiten eines gemeinsamen Intermediärs, mit dem beide Vertragspartner in einer vertraglichen Beziehung stehen und jeweils die AGB dieses Dritten akzeptiert haben, so wird man im Regelfall davon ausgehen müssen, dass diese AGB ebenfalls in das Vertragsverhältnis der Parteien miteinfließen und bei dessen Auslegung zu berücksichtigen sind.

3.2.

Käuferschutz und Kaufpreisforderung ^

[8]
Wie soeben aufgezeigt, wirkt sich der PayPal-Käuferschutz demnach auch auf das vertragliche Verhältnis zwischen Käufer und Verkäufer aus; nun muss gefragt werden, wie sich dieser auf den Anspruch des Verkäufers auf den Kaufpreis gemäß § 1062 ABGB auswirkt.
[9]
Bereits die Rechtsgänge zu den beiden Ausgangsfällen haben dogmatisch unterschiedliche Lösungsansätze zu Tage gebracht. Während das Landgericht Saarbrücken als Berufungsgericht von einem endgültigen Erlöschen der Schuld ausging, an dem auch die Rückbelastung des Verkäuferkontos nichts änderte, argumentierte im anderen Rechtsgang das Landgericht Essen in zweiter Instanz, dass in der Rückbelastung – i.S. einer auflösenden Bedingung – ein rückwirkender Entfall der Erfüllung zu erblicken sei. Der BGH entschied schließlich, dass es zwar nicht zu einem rückwirkenden Entfall der Erfüllung käme, die Parteien aber konkludent für den Fall eines erfolgreichen Antrags auf Käuferschutz eine Wiederbegründung der bereits getilgten Kaufpreisschuld vereinbart hätten.18
[10]
Die zuerst genannte Variante des Landgerichts Saarbrücken würde eine Vertragsauslegung (zwischen Käufer und Verkäufer) dahingehend voraussetzen, dass die Inanspruchnahme des Käuferschutzverfahrens keinen Einfluss auf die Rechtsstellung des Käufers (v.a. im Hinblick auf seine Erfüllungshandlung) hat; der Verkäufer müsste sich letztlich wohl an PayPal wenden. Obwohl diese Interpretation nicht als ausgeschlossen erscheint (siehe auch 4.), wirken die beiden anderen Lösungen angesichts der Formulierung der AGB-Bestimmungen überzeugender.

3.2.1.

Rückwirkender Entfall der Erfüllung vs. «Wiederbegründung» der Kaufpreisforderung ^

[11]

Im Grunde geht es bei der Lösung der vorliegenden Rechtsfrage um die Frage, ob der Rechtsgrund für die Leistung des Kaufpreises der wieder wirksam gewordene «alte» Kaufpreisanspruch sein soll – dessen Erfüllung nachträglich weggefallen ist (so das Landgericht Essen unter Berufung auf eine entsprechende Entscheidung des BGH zum Erstattungsverlangen des Zahlers beim SEPA-Basis-Lastschriftverfahren)19 – oder ein eigenständiger Folgevertrag bzw. Folgeanspruch vorliegt. Solche Konstruktionen sind durchaus denkbar;20 es ist somit u.E. nicht ausgeschlossen, dass die Parteien bei Vertragsschluss ein (aufschiebend) bedingtes Folgeschuldverhältnis für den Fall des Erlöschens der ursprünglichen Kaufpreisforderung und die (erfolgreiche) Inanspruchnahme des PayPal-Käuferschutzes (unter gleichzeitiger Belastung des PayPal-Kontos des Verkäufers) vereinbaren.

[12]

Da die Erfüllungswirkung eine unmittelbare Folge einer wirksamen, realiter gesetzten Erfüllungshandlung ist und somit die Schuld endgültig zum Erlöschen bringt,21 erscheint es u.E. kohärenter von einer konkludenten Neu- bzw. Wiederbegründung der Kaufpreisforderung für den Fall der erfolgreichen Inanspruchnahme des PayPal-Käuferschutzes auszugehen. Zwar wurde im Falle des «Widerrufs» einer SEPA-Lastschrift22 vom BGH das rückwirkende Wiederaufleben der Kaufpreisforderung judiziert;23 diese jedoch nicht als auflösende Bedingung der Erfüllungswirkung, sondern als auflösende Bedingung der Erfüllungsvereinbarung, nach österreichischer Terminologie auch als Hingabevereinbarung oder Hingabevertrag bezeichnet,24 die als erforderliches Rechtsgeschäft einer Leistung «an Zahlungs Statt» zugrunde liegt.25 Im vorliegenden Fall ist es u.E. jedoch äußerst zweifelhaft, ob überhaupt von einer Leistung an Zahlungs Statt zu sprechen ist, zumal die Begleichung der Geldforderung via PayPal, als eine Barzahlung oder Banküberweisung abweichende Zahlungsmodalität von Anfang an vereinbart war und in der Zahlung mittels PayPal somit kein für eine Leistung an Zahlungs Statt begriffsnotwendiges Erfüllungssurrogat erblickt werden kann.26 Dies schließt aber u.E. nicht aus, dass bereits zu Vertragsschluss ein bedingtes Folgeschuldverhältnis vereinbart wird, inhaltsgleich zur eigentlichen Kaufpreisforderung. Die Bedingungsvoraussetzungen wären die wirksame Erfüllung des ursprünglichen Vertrages sowie die (erfolgreiche) Abrufung des Käuferschutzes unter Belastung des Verkäufers.

[13]
Somit wirkt der Lösungsansatz des BGH grundsätzlich vertretbar, nämlich die Annahme einer «konkludenten» Vereinbarung der Wiederbegründung der Kaufpreisforderung bei erfolgreicher Bemühung des PayPal-Käuferschutzes und Belastung des Kontos des Verkäufers durch PayPal (wie der BGH auch hervorgehoben hat, überweist PayPal ja an den Käufer unabhängig davon, ob es den Verkäufer belastet). Nachdem diese Wiederbegründung nicht als Wiederaufleben der ursprünglichen Forderung gedeutet wird (diese ist mit der PayPal-Gutschrift endgültig erloschen), ist die dogmatische Qualifizierung als anfängliche Vereinbarung über die aufschiebend bedingte inhaltsgleiche Wiederbegründung der bereits erfüllten Kaufpreisforderung u.E. durchaus überzeugend. Nachdem es sich dabei um einen Folgeanspruch handelt, steht dieser freilich nicht abstrakt und losgelöst vom ursprünglichen Kaufvertrag im Raum, sondern tritt lediglich an die Stelle der ursprünglichen (bereits erloschenen) Kaufpreisforderung. Somit stehen dem Käufer gegen die wiederbegründete Kaufpreisforderung grds. auch alle Einwendungen und Einreden aus dem zugrundeliegenden Kaufvertrag (z.B. Einrede des nicht gehörig erfüllten Vertrages) zur Verfügung. Nach dem eben Gesagten lässt sich das vom BGH erzielte Ergebnis u.E. daher auch nach österreichischem Recht erreichen. Freilich ist dieses nicht zwingend, da sich dieses maßgeblich auf die konkrete Auslegung der AGB bzw. des Kaufvertrages stützt (siehe Punkt 4.).

3.2.2.

Rechtliche Konsequenzen der unterschiedlichen Deutungsvarianten ^

[14]
Unterschiedliche Rechtsfolgen dieses Interpretationsergebnisses ergeben sich vor allem für die Fälligkeit der Kaufpreisforderung und damit verbunden auch hinsichtlich des Verzugs sowie der Verjährung. Würde man wie das Landgericht Essen von einem rückwirkenden Entfall der Erfüllung ausgehen, müsste man hinsichtlich der Fälligkeit (und daran anknüpfend auch in Bezug auf Verzug und Verjährung) wohl auch an den Fälligkeitszeitpunkt der (ursprünglichen) Kaufpreisforderung anknüpfen. Geht man jedoch wie der BGH – und u.E. zutreffenderweise – von einer aufschiebend bedingten «Wiederbegründung» aus, so ist vorauszuschicken, dass sich die Rechtsfolgen einer aufschiebenden Bedingung grundsätzlich erst mit Bedingungseintritt entfalten und somit im Zweifel von einer Wirkung ex nunc auszugehen ist.27 Folglich ist die Fälligkeit der wiederbegründeten Forderung auch nicht rückwirkend anzunehmen, sondern erst mit Bedingungseintritt, wobei die Maßgeblichkeit der Belastung des PayPal-Kontos des Verkäufers und die Unkenntnis des Käufer hinsichtlich des Ob und Wann dieses Umstands wohl eine Fälligstellung (Einmahnung) durch den Verkäufer verlangt.28 Gegen eine «Rückwirkung» der wiederbegründeten Kaufpreisforderung spricht auch der Umstand, dass die rechtmäßige (da vertraglich vereinbarte) Inanspruchnahme des Käuferschutzes andernfalls (also bei Rückwirkung auf den Fälligkeitstermin der ursprünglichen, bereits erloschenen Kaufpreisforderung) Verzugsfolgen auslösen würde; selbst in objektiver Ausprägung würde dies eine unbillige Pönalisierung darstellen, die so weder aus dem Vertrag hervorgeht und auch nicht dem hypothetischen Parteiwillen unterstellt werden kann. Vor diesem Hintergrund treten Verzugsfolgen für den Käufer somit ex nunc ein; ebenso richtet sich die Verjährungsfrist der neubegründeten Kaufpreisforderung nach ihrer Fälligkeit und beginnt somit mit der Einmahnung durch den Gläubiger.
[15]
Abschließend ist anzumerken, dass eine Inanspruchnahme des Käuferschutzes – wohl bis zur Grenze der Treuwidrigkeit29 – aber grds. nicht als Verletzung einer nachvertraglichen Pflicht zu qualifizieren ist, da der Käufer nur ein Recht geltend macht, welches als Nebenrede Teil des Vertrages mit dem Verkäufer geworden ist.

4.

Alternative Auslegungsvarianten der AGB ^

[16]
Wie bereits erwähnt, basiert das vorstehende Ergebnis auf der auch vom BGH zugrunde gelegten Auslegung der AGB Bestimmungen PayPals in Verbindung mit der Auslegung des Kaufvertrages. Folglich kann weder ein anderes Interpretationsergebnis durch österreichische Gerichte, eine anderslautende Parteienvereinbarung noch eine Änderung der PayPal-Käuferschutzrichtlinie ausgeschlossen werden. Im Folgenden sollen einige weitere Deutungs- und Interpretationsvarianten aufgezeigt werden.
[17]
Denkbar wäre zunächst die bereits oben erwähnte Auslegung des Landgerichts Saarbrücken, welche die Kaufpreisforderung im Verhältnis zum Käufer als endgültig erloschen ansieht und auch eine Wiederbegründung ausgeschlossen hat. Diese äußerst käuferfreundliche Variante würde jedoch Ansprüche des Verkäufers gegen PayPal nicht notwendigerweise ausschließen. Immerhin schuldet PayPal dem Verkäufer zumindest den vereinbarten Sorgfaltsmaßstab (sei er auch eher oberflächlich) bei der Prüfung des Antrages auf Käuferschutz gemäß seinen AGB und eine Verletzung kann somit zu einer Schadenersatzpflicht führen. Soweit die Zahlung über PayPal als Anweisungskonstruktion verstanden werden kann, stünde dem Verkäufer bei entsprechender Annahme auch auf dieser Grundlage ein Anspruch gegen PayPal als Angewiesenen zu.
[18]
Angedacht werden könnte auch eine Sichtweise, die eine Erfüllung der Kaufpreisforderung erst mit Ablauf jener Frist vorsieht, innerhalb derer eine Inanspruchnahme des PayPal Käuferschutzes durch den Käufer möglich ist. Gegen die Annahme einer solchen «Schwebephase» des Leistungserfolgs spricht aber nicht nur die Theorie der realen Leistungsbewirkung (mit der entsprechenden Gutschrift auf seinem PayPal-Konto kann der Verkäufer über diesen Betrag auch frei verfügen), sondern – wie vom BGH auch ins Treffen geführt30 – der Umstand, dass, ähnlich wie bei Zahlungen im Kreditkarten- oder Lastschriftverfahren, grundsätzlich von der Bestandsfestigkeit solcher Zahlungen auszugehen ist und nur im Ausnahmefall eine Rückbelastung erfolgt. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass Vertragspflichten ja selbst dann wirksam erfüllt werden, wenn der gesamte Vertrag noch unter dem «Damoklesschwert» eines einseitig ausübbaren Rücktrittsrechts (z.B. zugunsten des Verbrauchers im Fernabsatz nach FAGG)31 stehen sollte. Im Einzelfall scheint in diesem Zusammenhang auch die Auslegungsvariante denkbar, die Inanspruchnahme des Käuferschutzes als vereinbartes Rücktrittsrecht des Käufers zu deuten, was die nachträgliche Vernichtung des Rechtsgrundes für den Leistungsaustausch und eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung zur Folge hätte.
[19]
Es bleibt anzumerken, dass PayPal durch eine zukünftige Umgestaltung der AGB (insbesondere der Käuferschutzrichtlinie) auch ein anderes Auslegungsergebnis bewirken kann. Im Hinblick auf die gesetzlichen Anforderungen an AGB müsste dabei jedoch gerade bei Verbraucherverträgen auf die Klarheit und Verständlichkeit der Bestimmungen gemäß dem Transparenzgebot des § 6 Abs. 3 KSchG geachtet werden.32

5.

Fazit ^

[20]
Das Urteil des BGH ist sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung ebenfalls nach österreichischem Recht vertretbar und überzeugend. Die Gutschrift eines Betrages auf dem PayPal-Konto des Verkäufers wirkt regelmäßig schulderfüllend, wodurch die Kaufpreisforderung erlischt. Allerdings wird das Auslegungsergebnis der Parteiübereinkunft i.d.R. zur Einbeziehung der PayPal-AGB und somit der Käuferschutzrichtlinie führen. Damit vereinbaren die Parteien (konkludent) für den Fall des erfolgreichen Antrags des Käufers auf Käuferschutz eine (insofern aufschiebend bedingte) Wiederbegründung der Kaufpreisschuld, welche eine Anspruchsgrundlage für die Einforderung des Kaufpreises durch den Verkäufer darstellt. Zu bemerken ist, dass dieses Ergebnis wesentlich von der Interpretation des Kaufvertrages und der PayPal-AGB abhängt und somit im Einzelfall je nach Vereinbarung variieren kann.
  1. 1 Siehe zur aktuellen Fassung (Stand 27. April 2017) für Österreich Paypal, PayPal-Käuferschutzrichtlinie. https://www.paypal.com/at/webapps/mpp/ua/buyerprotection-full alle Websites zuletzt aufgerufen am 5. Januar 2018), 2017. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass auch eine Verkäuferschutzrichtlinie (Stand 27. April 2017) implementiert ist, siehe Paypal, PayPal-Verkäuferschutzrichtlinie. https://www.paypal.com/at/webapps/mpp/ua/sellerprotection-full, 2017.
  2. 2 Die Gefahr für den zufälligen Untergang der Ware auf dem Transportweg war mangels Vorliegens eines Verbrauchergeschäfts dem Käufer zugewiesen (BGH 22. November 2017, VIII ZR 83/16 Rz. 43), was bei Vereinbarung einer Schickschuld auch für das österreichische Recht zutreffen würde (§ 905 Abs. 3 i.V.m. § 429 ABGB); siehe dazu Welser/Zöchling-Jud, Bürgerliches Recht II14, Manz, Wien 2015, Rz. 225 m.w.N.
  3. 3 Vgl. BGH 22. November 2017, VIII ZR 213/16 Rz. 4.
  4. 4 Ergänzend ist wohl auch das Nichttragen bzw. Überwälzung des Risikos einer Insolvenz des Verkäufers auf PayPal zu nennen, zumal die PayPal-AGB eine Auszahlung an den Käufer unabhängig davon vorsehen, ob PayPal den Erstattungsbetrag von dem Zahlungsempfänger (Verkäufer) zurückfordern kann.
  5. 5 Siehe für eine erste Meldung bereits Kolmasch, Kaufpreisforderung trotz Paypal-Käuferschutz, Zak 2017, S. 423.
  6. 6 Ob eine Überweisung ohne besondere Vereinbarung im Vergleich zur Barzahlung eine gleichwertige Erfüllungsvariante darstellt, wird tlw. bestritten, siehe Bollenberger. In: Koziol/Bydlinski/Bollenberger (Hrsg.), ABGB5, Verlag Österreich, Wien 2017, § 907a Rz. 3 mit Verweis auf OGH 15. Mai 2015, 10 Ob 31/15d. Im Grunde ist die praktische Relevanz dieser Frage aber gering, siehe Schauer. In: Kletečka/Schauer (Hrsg.), ABGB-ON1.02 § 907a Rz. 19 (Stand 1. März 2017, rdb.at); wohl zu Recht der Gegenauffassung Stabentheiner. In: Fenyves/Kerschner/Vonkilch (Hrsg.), ABGB³ (Klang) ErgBd., Verlag Österreich, Wien 2017, § 907a Rz. 24, m.w.N.; ebenso von einer «Wahlschuld» sprechend, Binder/Kolmasch. In: Schwimann/Kodek (Hrsg.), ABGB Praxiskommentar IV4, LexisNexis, Wien 2014, § 907a Rz. 12.
  7. 7 Vgl. Koziol/Spitzer. In: Koziol/Bydlinski/Bollenberger (Hrsg.), ABGB5, Verlag Österreich, Wien 2017, § 1414 Rz. 1; zur Frage des Verhältnisses zwischen Leistung an Zahlungs Statt und einer Novation siehe ausführlich und m.w.N. Stabentheiner. In: Kletečka/Schauer (Hrsg.), ABGB-ON1.03 § 1414 Rz. 4 f. (Stand 1. März 2017, rdb.at).
  8. 8 Siehe Grüneberg. In: Bassenge et al., Palandt Bürgerliches Gesetzbuch VI75, Verlag C.H. Beck, München 2016, § 362 Rz. 1 m.w.N..
  9. 9 Stabentheiner. In: Kletečka/Schauer (Hrsg.), ABGB-ON1.03 § 1412 Rz. 3 (Stand 1. März 2017, rdb.at); siehe auch Heidinger. In: Schwimann/Kodek (Hrsg.), ABGB Praxiskommentar VI4 § 1412 Rz. 3; Reischauer. In Rummel (Hrsg.), ABGB³ § 1412 Rz. 2 (Stand 1. Jänner 2002, rdb.at); OGH 27. Juni 1989, 4 Ob 555/89.
  10. 10 Koziol/Spitzer. In: Koziol/Bydlinski/Bollenberger (Hrsg.), ABGB5 § 1412 Rz. 4; Stabentheiner. In: Kletečka/Schauer (Hrsg.), ABGB-ON1.03 § 1412 Rz. 4; Heidinger. In: Schwimann/Kodek (Hrsg.), ABGB Praxiskommentar VI4 § 1412 Rz. 5; OGH 1. Juli 1999, 8 Ob 123/08h. Nur die Leistung genau dessen, was geschuldet ist, bewirkt Erfüllung; daher ist nicht von einer Erfüllung auszugehen, wenn der Schuldner die Leistung an den Gläubiger von einem Verzicht auf weitere vertragliche Ansprüche des Gläubigers abhängig macht, siehe OGH 15. Juni 2016, 4 Ob 96/16w.
  11. 11 OGH 27. Jänner 2011, 2 Ob 12/10v.
  12. 12 Heidinger. In: Schwimann/Kodek (Hrsg.), ABGB Praxiskommentar VI4 § 1412 Rz. 7. Bei einer vereinbarten Zahlung im Lastschriftverfahren liegt eine Holschuld vor; der Schuldner hat also nur für ausreichende Kontodeckung bei Fälligkeit zu sorgen, siehe Stabentheiner. In: Fenyves/Kerschner/Vonkilch (Hrsg.), ABGB³ (Klang) ErgBd. § 907a Rz. 16. Siehe auch Eccher/Hagen, Erfüllungswirkung im Überweisungsverkehr, ÖBA 2000, S. 115.
  13. 13 OGH 24. Februar 2000, 8 ObA 20/00z; Stabentheiner. In: Kletečka/Schauer (Hrsg.), ABGB-ON1.03 § 1412 Rz. 7.
  14. 14 OGH 29. April 1997, 1 Ob 75/97d.
  15. 15 Schopper, Nachvertragliche Pflichten, Manz, Wien 2009, S. 8.
  16. 16 BGH 22. November 2017, VIII ZR 83/16 Rz. 15 ff.; VIII ZR 213/16 Rz. 14 ff.
  17. 17 BGH 22. November 2017, VIII ZR 83/16 Rz. 31; VIII ZR 213/16 Rz. 30.
  18. 18 BGH 22. November 2017, VIII ZR 83/16 Rz. 28 ff; VIII ZR 213/16 Rz. 27 ff.
  19. 19 BGH 20. Juli 2010, XI ZR 236/07.
  20. 20 Siehe dazu Schopper, Nachvertragliche Pflichten, S. 84. Vgl. auch OGH 22. Mai 1991, 4 Ob 218/99h (fraglich war in diesem Fall allerdings, ob die Parteien nachträglich ein neues Vertragsverhältnis begründet hatten).
  21. 21 Welser/Zöchling-Jud, Bürgerliches Recht II14, Rz. 461.
  22. 22 Vgl. § 675x dBGB und nach österreichischem Recht § 45 ZaDiG.
  23. 23 BGH 20. Juli 2010, XI ZR 236/07.
  24. 24 Reischauer. In Rummel (Hrsg.), ABGB³ § 1414 Rz. 1 (Stand 1. Jänner 2002, rdb.at); Stabentheiner. In: Kletečka/Schauer (Hrsg.), ABGB-ON1.03 § 1414 Rz. 4.
  25. 25 Was österreichische Lehrmeinungen zu dieser Thematik betrifft spricht sich Haghofer (im Zusammenhang mit der Erstattung eines formwidrigen SEPA-Lastschriftmandats) primär für eine schadenersatzrechtliche Lösung aus, vgl. Haghofer. In: Weilinger (Hrsg.), Zahlungsdienstegesetz, Manz, Wien 50. Lfg. 2014, § 46 Rz. 5; hingegen von Schadenersatzpflichten wegen Verzug (sic.) bei grundlosem Widerspruch zum Einzugsermächtigungsverfahren nach alter Rechtslage sprechend, Koch/Koziol/Wiebe. In: Apathy/Iro/Koziol (Hrsg.), Österreichisches Bankvertragsrecht III2, Springer, Wien 2008, Rz. 1/135.
  26. 26 Stabentheiner. In: Kletečka/Schauer (Hrsg.), ABGB-ON1.03 § 1414 Rz. 2.
  27. 27 Vgl. Kietabil. In: Kletečka/Schauer (Hrsg.), ABGB-ON1.04 § 897 Rz. 46 (Stand 1. Oktober 2017, rdb.at) m.w.N.
  28. 28 Vgl. Welser/Zöchling-Jud, Bürgerliches Recht II14 Rz. 137.
  29. 29 Vgl. auch zu den Sorgfaltsanforderungen bei nachvertraglichen Einwirkungsmöglichkeiten auf den Vertragspartner Schopper, Nachvertragliche Pflichten, S. 112 ff.
  30. 30 BGH 22. November 2017, VIII ZR 83/16 Rz. 21; VIII ZR 213/16 Rz. 20.
  31. 31 Bemerkenswert i.d.Z. Art. 9 Abs. 3 der Verbraucherrechte-Richtlinie (RL 2011/83/EU, ABl. L 2011/304, 64).
  32. 32 Vgl. die kritischen Anmerkungen von Habel, PayPal-Käuferschutz. In: Taeger (Hrsg.), Recht 4.0 – Innovationen aus den rechtswissenschaftlichen Laboren, OlWIR, Edewecht 2017, S. 335 (S. 342).