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Die österreichische Rechtsinformatik hat sich in den Siebzigerjahren herausgebildet und zwar aus einer günstigen Konstellation mehrerer Komponenten: Da war einerseits die Industrie, allen voran IBM, die Aufträge suchte, dann die Reformbürokratie in den Ministerien, die mit Projekten einen gesellschaftlichen Wandel herbeiführen wollte, vereinzelt Professoren an den Universitäten, die das formale und methodische Knowhow hatten so wie auch die internationalen Kontakte in der sich bildenden Community, wie Ota Weinberger und Ilmar Tammelo, und schließlich weitblickende Persönlichkeiten, die in dieser Landschaft ihre stabilisierende und strategische Rolle erfüllten. Und zu diesen gehörte Winfried Bauernfeind, der am 1. Februar 2014 im Alter von 81 Jahren verstarb, damals aber etwa 40 Jahre alt oder jung war.
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Beruflich war Winfried Bauernfeind in der Finanzprokuratur in Wien tätig, gleichsam im Anwaltsbüro des Bundes, und dort vor allem mit Angelegenheiten der Kaduzitäten und Rückstellungen befasst. Er hat diese Tätigkeit jahrelang mit einer Konsequenz und Menschlichkeit in favorem der Verfolgten realisiert, die in der damaligen Zeit keineswegs der Standard war.
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Nach dem Gerichtsjahr kam ich 1967 in die Prokuratur und habe dort bis 1970 mit ihm regelmäßig diskutiert, nicht über dogmatische juristische Fragen sondern über die Reine Rechtslehre Hans Kelsens, über die Rechtslogik und über die Methoden der Anschauung und des Denkens. Ich verdanke ihm sehr viel.
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Seine Rolle in der sich formierenden Rechtsinformatik-Community und dann einige Jahre später in der Semiotik-Szene bestand darin, dass er es verstand, einige Protagonisten wie etwa Ilmar Tammelo in ihrer strategischen und spirituellen Sicht zu bestärken. Das war eine ganz wichtige wissenschaftspolitische Aufgabe, denn wenngleich auch die Rechtsinformatik im Hardware- und Softwarebereich technisch bestimmt ist, so gibt es dennoch Kontexte, die durch Bildung und Kultur geprägt sind. Es macht sehr wohl einen Unterschied aus, ob man die Rechtsinformatik als einen nachrangigen zivilen Ableger des vorauseilenden militärischen Kombinats sieht, oder in einer gleichsam josephinischen Tradition als ein Instrument mit dem Ziel der zeitgemäßen Transparenz des Rechts zum Wohle der Menschen.
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Winfried Bauernfeind – sein Name hat mit «Feind» nichts zu tun sondern enthält das alte Wort Fendt, das von infans kommt, also «Kind» bedeutet – war eine Persönlichkeit von außergewöhnlicher Bildung und Spiritualität, stets den Menschen wohlwollend zugewandt. In den frühen Jahren der beginnenden Entfaltung der Community von Rechtsinformatik und Semiotik hat er die Soft Power des kulturellen Kontextes verkörpert und damit zum Gedeihen des Ganzen relevant beigetragen.
Friedrich Lachmayer
Univ.-Dozent, Universität Innsbruck
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