Jusletter IT

Geschäftsprozessmodelle und Transparenz

  • Author: Dagmar Lück-Schneider
  • Category: Articles
  • Region: Germany
  • Field of law: Wissensbasiertes Prozessmanagement in Verwaltungsnetzwerken
  • Collection: Tagungsband IRIS 2014
  • Citation: Dagmar Lück-Schneider, Geschäftsprozessmodelle und Transparenz, in: Jusletter IT 20 February 2014
Geschäftsprozessmodelle können Transparenz über Abläufe und dahinter liegende Strukturen herstellen. Der Beitrag zeigt zielgruppenausgerichtet den jeweiligen möglichen Nutzen solcher Modellierungen auf und geht darüber hinaus zum einen auf Qualitätsaspekte, die für den Transparenzanspruch eingehalten werden müssen, zum anderen auf die zunehmende Bedeutung des Transparenz-Aspektes der Modelle in der gegenwärtigen E-Government-Landschaft ein.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Einführung
  • 2. Betrachtungen entlang möglicher Zielgruppen
  • 2.1. Durchführende Akteure
  • 2.2. Führungskräfte
  • 2.3. Abnehmer von Produkten oder Dienstleistu
  • 2.4. Besondere Personengruppen
  • 3. Transparenz und Standardisi
  • 4. Generelle Entwicklungstendenzen
  • 5. Literatur

1.

Einführung ^

[1]

Das diesjährige allgemeine Motto der IRIS und des vorliegenden Tagungsbandes, die Transparenz, hat auch für den Workshop Wissensbasiertes Geschäftsprozessmanagement in Verwaltungsnetzwerken Bedeutung.

[2]
Zum einen dienen die im Prozessmanagement üblichen Modellbildungen per se einer schnellen Transparenz über die dargestellten Strukturen (Aufbauorganisation, Dokumente, Rechnersysteme und Softwarelandschaft, teils bis hin zu Datenmodellen) sowie Abläufe (Prozessablaufdarstellungen, Wertschöpfungskettendiagramme), zum anderen kann Transparenz auch ausdrückliche Zielsetzung einer Geschäftsprozessmodellierung sein. Dabei können die Initiatoren der Modellierung einzelne oder auch mehrere von möglichen Zielgruppen vor Augen haben. Zu denken ist hier vor allem an diejenigen, die die in den Modellen dargestellten Aktivitäten ausführen, weiterhin an diejenigen, die Führungsverantwortung für diese Akteure besitzen, an solche, die für den Prozess oder Teile des Prozesses Supportleistungen erfüllen oder besondere Verantwortung tragen sowie schließlich für diejenigen, die die von den Akteuren erstellten Produkte bzw. Dienstleistungen nachfragen. Die verschiedenen Blickwinkel schließen sich nicht gegenseitig aus. Sie werden in Abschnitt 2 vorgestellt.
[3]
Danach folgt ein Abschnitt, in dem die Frage aufgeworfen wird, inwieweit das Bereitstellen von Modellen bereits ausreicht, um Transparenz über Prozesse herzustellen.
[4]
Abschnitt 4 befasst sich schließlich mit vorhandenen Forderungen nach Prozesstransparenz, wie sie beispielsweise in der Nationalen E-Governmentstrategie (NEGS) in Deutschland oder als Bestandteil politischer Forderungen zu finden sind.

2.

Betrachtungen entlang möglicher Zielgruppen ^

2.1.

Durchführende Akteure ^

[5]
Diese Zielgruppe kann Prozessmodelle z.B. als Handlungs- und Orientierungshilfe nutzen. Möglich ist ein Einsatz bei Schulungen genauso, wie eine Unterstützung am Arbeitsplatz, an der über das Geschäftsprozessmodell direkte Links zu IT-Hilfen, den Aktivitäten zu Grunde liegenden Rechts- und Berechnungsgrundlagen oder zu geeigneten Internetinformationen im Netz führen. Kontextsensitive Ausfüllhilfen für die assoziierten Fundstellen können als fortgeschrittene Form informationstechnologischer Wissensmanagementunterstützung angesehen werden.

2.2.

Führungskräfte ^

[6]
Wertschöpfungskettendiagramme können eine schnelle Übersicht über den eigenen Verantwortungsbereich und auch über Verknüpfungen zu anderen Funktionseinheiten liefern. Prozessablaufmodelle machen in Verbindung mit den dahinter liegenden weiteren Modellierungsansichten transparent, welche Beschäftigten in welche Prozesse involviert sind, wer für welche Prozesse, Dokumente und Produkte Verantwortung trägt, welche IT-Verfahren und Dokumente an welchen Prozessschritten von Belang sind. Auch für ein Verständnis der zu bewältigenden Aufgaben der eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind die Modelle gut geeignet. Für Personalentscheidungen, Aufwands- und Kostenermittlungen genauso wie für anstehende Veränderungen stehen so wertvolle Informationen zur Verfügung. Das Recherchieren in extra zu diesem Zweck entwickelten Prozessbibliotheken kann bei der Entwicklung von Prozessoptimierungen unterstützen.

2.3.

Abnehmer von Produkten oder Dienstleistu ^

[7]
Zu dieser Zielgruppe zählen Bürger, Unternehmen oder die Verwaltung selbst. Für das Schaffen einer Prozesstransparenz nach Außen kann es eine Vielzahl unterschiedlicher Beweggründe geben. Staatliches Verwaltungshandeln kann so nachvollziehbar dargestellt werden. Das Einstellen von Dokumenten, die juristische Entscheidungsprozesse nachvollziehbar machen, ist ein Weg, der in diesem Kontext von Verwaltungen praktiziert wird, die Offenheit pflegen. Aber auch Ablaufdarstellungen, die darüber hinaus auf einen Blick verdeutlichen, wie Antragsbearbeitung auf Verwaltungsseite erfolgt und wie komplex sie ggf. ist, sind möglich. Solche Darstellungen verdeutlichen die Grundlagen einer rechtskonformen Antragsbearbeitung und liefern eine Verständnisgrundlage für eine möglicherweise als relativ lang empfundene Antragsbearbeitungsdauer, etwa bei umfangreichen wechselnden Zuständigkeiten. Zudem können sie sich dazu eignen, den individuellen Bearbeitungsstatus zu veranschaulichen.

2.4.

Besondere Personengruppen ^

[8]
Es gibt weitere Gruppen, die von der Transparenz durch Prozessmodelle profitieren. Da wären zum einen diejenigen, die die Modelle in den Geschäftsprozessmanagementwerkzeugen erstellen, die Modellierenden. Ihnen erleichtern die Modelle das Auffinden von Modellierungsfehlern. Ergänzend stehen über die Werkzeuge meist noch zusätzlich programmierte Analysemöglichkeiten zur Verfügung. Mit der Erfassung entsprechend umfangreicher Ist-Daten lassen sich bei vorhandenen Simulationskomponenten zudem Hinweise zu Aus- oder Überlastungssituationen ermitteln. Hierüber und aufgrund der Übersichtlichkeit der Modelle können Ideen für spezifische Optimierungspotenziale entwickelt werden und mit den beteiligten Führungskräften und Beschäftigten thematisiert werden. Verantwortliche aus den IT-Service-Einheiten können basierend auf den Modellen leichter von Systemveränderungen betroffene Prozesse, Software, Daten, Dokumente oder Beschäftigte identifizieren.

3.

Transparenz und Standardisi ^

[9]
Die Anfertigung von Modellen alleine reicht zur Schaffung von Transparenz allerdings nicht aus. In der Lehre werden, um den Sinn von Modellierungsvereinbarungen deutlich vor Augen zu führen, immer wieder gerne Modellierungsbeispiele gezeigt, die gerade keinen schnellen Einblick ermöglichen, (vgl. Abbildung 1).

Abbildung 1: Zum Sinn von Modellierungsvereinbarungen (nach Schulungsunterlagen der Fa. BOC Information Technologies Consulting GmbH, Berlin)

[10]
Die unübersichtliche Darstellung in Abbildung 1 auf der linken Seite macht es offensichtlich: Modelle liefern nur dann Transparenz, wenn sie sich schnell erschließen lassen. Dies wiederum hängt nicht nur von Modellierungsvereinbarungen ab. Diese setzen ja bereits auf einer ausgewählten Notation auf.
[11]
Die Verwendung einfacher und dennoch aussagekräftiger Symbole spielt ebenso eine Rolle. Bekanntes wird schneller verstanden (vgl. hierzu Laue/Hogrebe, 2013). Entsprechend sind Standardisierungen in der Darstellung, also die Wahl von gängigen Notationen oder die Festlegung auf eine bestimmte Notation ein wichtiger Aspekt der Transparenzunterstützung, wenn man einmal von der Schaffung textueller Transparenz absieht. Hinter dieser steht allerdings ein ganz ähnlicher, nur bereits viel tiefer verinnerlichter Assoziationsprozess zwischen Schriftsprache und Verstehen (vgl. Lück-Schneider, 2013a).

4.

Generelle Entwicklungstendenzen ^

[12]
Die für eine Optimierung der Arbeitsabläufe gebildete Transparenz ist es, die nach Erfahrungen der Autorin bei der Einführung von Geschäftsprozessmanagement immer wieder heftige Widerstände in Belegschaft und Interessensvertretungen hervorruft. Dass Geschäftsprozessmanagementaktivitäten derzeit dennoch zunehmen, mag trotzdem genau mit dieser Transparenz zu tun haben. Aufgrund der Personalentwicklungen in den öffentlichen Verwaltungen (vgl. Sackmann u.a., 2008) und anhaltender Sparzwänge (vgl. Haufe, 2013), die Neueinstellungen auf ein Minimum begrenzen, sinken Widerstände gegen IT- und Optimierungsvorhaben und damit verbundenen Veränderungen. Die Einführung neuer IT-Lösungen oder neuer Prozesse geht aber in aller Regel mit Prozessanalysen und Prozessmodellierungen einher. Zunehmend werden einmal modellierte Prozesse anderen Verwaltungen in Prozessbibliotheken zur Verfügung gestellt (vgl. Eid-Sabbagh/Ahrend, 2013). Dies entspricht Vorstellungen, die in der NEGS (vgl. IT-Planungsrat, 2011, S. 11) formuliert sind.
[13]
Ein weiterer im Kontext des Beitrags erwähnenswerter Punkt innerhalb der NEGS fordert Prozesstransparenz. Im Zielbereich C der Strategie wird transparentes (und sicheres) Handeln der Verwaltung sowie eine ebensolche Durchführung von Verfahren und Gesetzgebung gefordert (vgl. IT-Planungsrat, 2011, S. 12 f.). Die oben beschriebene Abfrage nach dem aktuellen Stand eines Verfahrens ist hier explizit als Strategieziel angeführt. Auf Seite 13 wird als Handlungsfeld die «Einführung von Statusanzeigen bei Verfahren, die hierzu geeignet sind, um den durch die jeweilige Gebietskörperschaft erzielten Fortschritt in Verwaltungsabläufen zu verdeutlichen» angeführt.
[14]
In ähnliche Richtung weisen die immer häufiger werdenden Forderungen nach Transparenz aus dem öffentlichen Raum und von den politischen Parteien, die häufig im Kontext von Open Government und Open Justice formuliert sind (vgl. v. Lucke, 2013).
[15]

Weitere Konsequenzen dürften sich aus dem 2013 in Deutschland verabschiedeten E-Governmentgesetz1 ergeben (vgl. Lück-Schneider, 2013b), das zumindest für die Bundesebene Umsetzungvorgaben für E-Governmentprojekte beinhaltet.

5.

Literatur ^

Eid-Sabbagh Rami-Habib/Ahrend, Norber,. Eine Prozessplattform für die deutsche Verwaltung. In Horbach, Matthias (Hrsg.). Informatik 2013. Informatik angepasst an Mensch, Organisation und Umwelt. 16.–20. September 2013 Koblenz (Lecture Notes in Informatics (LNI) – Proceedings), S. 648–662 (2013).

IT-Planungsrat, Nationale E-Government-Strategie, Berlin (24. September 2010).

von Lucke, Jörn, Open Government in den Wahlprogrammen zur Bundestagswahl 2013 – Wie steht es mit dem offenen Regierungs- und Verwaltungshandeln?, Deutsche Telekom Institute for Connected Cities, (2013). http://www.zu.de/deutsch/lehrstuehle/ticc/JvL-130819-Bundestagswahl2013-OpenGovernment-V1.pdf aufgerufen 10. Oktober 2013.

Laue, Ralf/Hogrebe, Frank, Zur Verständlichkeit graphischer Symbole in Geschäftsprozessmodellierungssprachen. In Horbach, Matthias (Hrsg.). Informatik 2013. Informatik angepasst an Mensch, Organisation und Umwelt. 16.–20. September 2013 Koblenz (Lecture Notes in Informatics (LNI) – Proceedings), S. 693–705 (2013).

Lück-Schneider, Dagmar,. Geschäftsprozessmanagement in der öffentlichen Verwaltung. Eine Einführung (Schriftenreihe der fbp. Bd. 9). Forschungsstelle für Betriebsführung und Personalmanagement, Neuhofen/Pf., (2012).

Lück-Schneider, Dagmar, Sprachebenen in der Geschäftsprozessmodellierung. In Schweighofer, Erich/Kummer, Franz/Hötzendorfer, Walter (Hrsg. Eds.), Abstraktion und Applikation. Tagungsband des 16. Internationalen Rechtsinformatik Symposions IRIS 2013 (S. 117–122). Österreichische Computer Gesellschaft, Wien (2013a).

Lück-Schneider, Dagmar, E-Government als Treiber für Geschäftsprozessmanagement in der öffentlichen Verwaltung. In Baller Oesten (Hrsg.), Verwaltung und Recht in Russland und Deutschland. Beiträge eines deutsch-russischen Symposiums (S. 167–176), Berliner Wissenschafts-Verlag, Berlin (2013b).

Lück-Schneider, Dagmar/Schneider, Wolfgang, Die neue E-Government-Strategie des Bundes, der Länder und Kommunen in Deutschland und ihre Auswirkungen auf Prozessmanagement im Verwaltungsumfeld. In Schweighofer, Erich/Kummer Franz (Hrsg.), Europäische Projektkultur als Beitrag zur Rationalisierung des Rechts. Tagungsband des 14. Internationalen Rechtsinformatik Symposions IRIS 2011 (S. 381–382). Österreichische Computer Gesellschaft, Wien (2011).

O.A., Öffentliche Verwaltung. Behörden unter Sparzwang. In Haufe Online (Hrsg.), http://www.haufe.de/oeffentlicher-dienst/haushalt-finanzen/behoerden-unter-sparzwang_146_201846.html?print=true (9. Oktober 2013) aufgerufen am 16. Oktober 2013.

Sackmann, Reinhold, Jonda, Bernadette., Reinhold Maria (Hrsg.), Demographie als Herausforderung für den öffentlichen Sektor. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden (2008).


 

Dagmar Lück-Schneider

Professorin für Verwaltungsinformatik, Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin

Alt Friedrichsfelde 60 10315 Berlin, DE

dagmar.lueck-schneider@hwr-berlin.de; http://www.hwr-berlin.de

 


  1. 1 Verkürzte allgemein verwendete Bezeichnung für das «Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften».