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Europäische Bürgerinitiative – endlich erste praktische Erfahrungen

  • Author: Robert Stein
  • Category: Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: E-Democracy
  • Collection: Tagungsband IRIS 2014
  • Citation: Robert Stein, Europäische Bürgerinitiative – endlich erste praktische Erfahrungen, in: Jusletter IT 20 February 2014
Die Verordnung über die Europäische Bürgerinitiative [Verordnung (EU) Nr. 211/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 über die Bürgerinitiative] ist am 1. April 2012 in Kraft getreten. Ende Mai 2012 wurden die ersten Bürgerinitiativen basierend auf dieser Verordnung registriert. Es ist geltendes Recht der Verordnung, dass das Prozedere zur Europäischen Bürgerinitiative nach 3 Jahren evaluiert werden soll. Die Anfangsphase bei der Administration der Europäischen Bürgerinitiativen war von erheblichen Problemen geprägt. Insbesondere hat die von der Kommission angebotene Software für die Online-Unterstützung vielerorts nicht ordnungsgemäß funktioniert. Dies hat zu einer einseitigen Verlängerung der Fristen für die Vorlage der Unterstützungsbekundungen bei den einzelnen Mitgliedstaaten durch die Kommission geführt, die innerstaatlich in Österreich beträchtliche Probleme nach sich gezogen hat. Im Herbst 2013 wurden zum ersten Mal in Österreich Unterstützungsbekundungen zu zwei Europäischen Bürgerinitiativen eingereicht. Somit kam im Bundesministerium für Inneres zum ersten Mal die eigens hierfür entwickelte Applikation zur Überprüfung der Unterstützungsbekundungen zum Einsatz. In Österreich werden Unterstützungsbekundungen systematisch überprüft und anhand der Passnummer oder der Personalausweisnummer mit dem Identitätsdokumentenregister abgeglichen. Somit kann über erste Erfahrungen bei der Überprüfung dieser Unterstützungsbekundungen berichtet werden und die technische Implementierung der zur Verwendung gelangten Online-Collection-Software kritisch kommentiert werden.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Rückblick und Ausgangslage
  • 2. Probleme mit den Online-Sammelsystemen von Beginn an
  • 3. Überprüfung von Unterstützungsbekundungen in Österreich im Vergleich zur Überprüfung in anderen Mitgliedstaaten
  • 4. Erste Erfahrungen in Österreich mit der Überprüfung von Online-Unterstützungsbekundungen
  • 5. Ausblick

1.

Rückblick und Ausgangslage ^

[1]

Die «EBI-Verordnung»1 auf Europäischer Ebene und – zeitgleich in Österreich – das Europäische Bürgerinitiative-Gesetz (EBIG)2 sind am 1. April 2012 in Kraft getreten. Seit diesem Zeitpunkt ist es möglich, dass Organisatoren von Europäischen Bürgerinitiativen3 diese bei der Europäischen Kommission registrieren lassen und nach Registrierung durch die Kommission in einem Zeitfenster von einem Jahr4 Unterstützungsbekundungen sammeln.5 Die Sammlung von Unterstützungs-bekundungen ist sowohl auf durch die Verordnung vorgegebenen Formularen in Papierform6 als auch auf elektronischem Weg möglich. Auch die Möglichkeit einer Unterstützungsbekundung mittels fortgeschrittener elektronischer Signatur im Sinne der Richtlinie 1999/93/EG sieht die Verordnung vor. Bislang wurden auf Ebene der Kommission aber keine ernsthaften Überlegungen getroffen, wie die Abgabe einer solchen Signatur in der Praxis aussehen könnte. Daher muss die Zulässigkeit einer Unterstützungsbekundung auf diese Art als «totes Recht» angesehen werden.

[2]
Zum Regelwerk betreffend die Europäische Bürgerinitiative auf europäischer Ebene gehört auch eine Durchführungsverordnung, mit der die technischen Spezifikationen für Online-Sammelsysteme (online collection systems) festgelegt wurden.7 Die Kommission hat basierend auf dieser Durchführungsverordnung zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens eine entsprechende Software für potentielle Organisatoren bereitgestellt. Gedacht war und ist, dass Organisatoren einer Europäischen Bürgerinitiative unter Heranziehung dieser Software ein Online-Sammelsystem zertifizieren lassen können (Näheres siehe Punkt 2).
[3]

Zwei Schritte sind notwendig, damit ein Organisator Unterstützungsbekundungen – in Papierform und online – sammeln kann:

  • die Registrierung der Europäischen Bürgerinitiative durch die Kommission;8
  • die Zertifizierung eines Online-Sammelsystems in zumindest einem der 28 Mitgliedstaaten zum Sammeln von via Internet geleisteten Unterstützungsbekundungen.9
[4]

Im Juni 2012 waren etwa 15 Europäische Bürgerinitiativen registriert, mittlerweile ist die Zahl auf circa 30 angestiegen, wobei einige Bürgerinitiativen zurückgezogen, andere wiederum nicht zugelassen wurden. Formell eingereicht wurde bei der Europäischen Kommission bislang erst eine Europäische Bürgerinitiative.10

[5]

Nach ursprünglicher Auslegung des Art. 5 Abs. 5 der Verordnung durch die Europäische Kommission war der letztmögliche Zeitpunkt zum Sammeln von Unterstützungsbekundungen der Jahrestag der Registrierung. Die Rechtsmeinung der Kommission wird bis heute durch die diesbezügliche Information der Kommission im Internet11 untermauert. Trotz sorgfältiger Beachtung des Wortlauts der Verordnung wurde diese Vorgabe in Österreich seitens des Bundesministeriums für Inneres von Anfang an weniger restriktiv gesehen. Vielmehr ging man in Österreich bezüglich der Zulässigkeit der Sammlung von Unterstützungsbekundungen von einem Zeitfenster von einem Jahr aus, das aber nicht notwendigerweise mit dem Tag der Registrierung, sondern vielmehr mit jenem Tag, an dem die erste Unterstützungsbekundung gesammelt wird, zu laufen beginnt. Unter der Prämisse, dass einem Mitgliedstaat ein Zeitraum von drei Monaten für die Überprüfung von Unterstützungsbekundungen12 zusteht, könnte man zum Ergebnis kommen, dass das Brutto-Zeitfenster, in dem der Zeitraum zum Sammeln von Unterstützungsbekundungen im engeren Sinn zu liegen kommt, 15 Monate beträgt, wenn sich die Organisatoren die Möglichkeit eines Rechtsschutzes unter Beibringung von – sonst 18 Monate nach der Registrierung zu vernichtenden – Beweismitteln wahren möchten. Es liegt aber am nicht eindeutig formulierten Wortlaut der Verordnung, dass eine klare Auslegung bis zu einer Präzisierung der Verordnung wohl kaum möglich sein wird.

2.

Probleme mit den Online-Sammelsystemen von Beginn an ^

[6]

Allem Anschein nach traten bei praktisch allen Organisatoren große Probleme bei der Einrichtung ihrer Online-Sammelsysteme unter Heranziehung der von der Kommission bereitgestellten Software auf. Die Kommission versuchte dieses Problem einerseits damit zu bewältigen, dass sie unter Einwilligung der betroffenen Stellen in Luxemburg mehrere Organisatoren an diesen Mitgliedstaat verwies, um zu einer der Durchführungsverordnung entsprechenden Zertifizierung ihres Online-Sammelsystems zu gelangen. Auch kommissionseigene Server wurden zur Lösung des Problems angeboten. Im österreichischen Bundesministerium für Inneres ist nur eine Ausnahme bekannt, bei der ein Online-Sammelsystem von deutschen Behörden zertifiziert worden ist. Wohl nicht unberechtigten Vorwürfen von Organisatoren, dass durch die Unmöglichkeit, das Online-Sammelsystem rechtzeitig zu zertifizieren und überhaupt EDV-mäßig zum Laufen zu bekommen, das durch die Verordnung zugestandene Zeitfenster von zwölf Monaten beschnitten wurde, begegnete die Kommission andererseits damit, dass sie den Mitgliedstaaten anbot, das Zeitfenster bis November 2013 zu erstrecken.13

[7]
Die Erstreckung der Frist erfolgte ohne Rückbindung mit den Mitgliedstaaten. Dies führte auf Beamtenebene zu einer nicht unerheblichen Diskussion insbesondere zwischen österreichischen Stellen, allen voran dem Bundesministerium für Inneres, und der Kommission. Österreich vertrat und vertritt noch immer den Standpunkt, dass es gemäß der Verordnung – diese ist von der Kommission nicht einseitig abänderbar – nicht möglich ist, das Zeitfenster zu skalieren. Obendrein lässt eine solche Vorgangsweise das strikt an der Verordnung ausgerichtete innerstaatliche Recht, verankert im österreichischen Europäische-Bürgerinitiative-Gesetz, nicht zu. Nach einer umfangreichen Korrespondenz und mehreren persönlichen Kontakten einigte man sich auf den für Österreich – und für mehrere andere Mitgliedstaaten – tragbaren Kompromiss, dass Österreich bei Überprüfung von Unterstützungsbekundungen der von der Fristerstreckung betroffenen Europäischen Bürgerinitiativen nur jene Unterstützungsbekundungen, die aus einem Zeitfenster in der Länge von einem Jahr – gerechnet von Datum der ältesten Unterstützungsbekundung – stammten, auf ihre Gültigkeit prüfen würden, dass Österreich aber die Zahl der außerhalb des Zeitfensters geleisteten Unterstützungsbekundungen ohne weitere Prüfung bekannt geben würde. Die Kommission hat in diesem Zusammenhang ihre Absicht bekundet, an diese Zahl die Quote der als gültig festgestellten Unterstützungsbekundungen als Bemessungsgrundlage anzulegen und entsprechend hochzurechnen. Diese Vorgangsweise ist zwar in der Verordnung nicht abgebildet, es bleibt der Kommission jedoch unbenommen so vorzugehen, so lange dadurch nicht ein Mitgliedstaat dazu gedrängt wird, Rechthandlungen gegen das in der Verordnung implementierte Recht zu setzen.
[8]

Bei den ersten beiden Europäischen Bürgerinitiativen, die in Österreich der Bundeswahlbehörde zur Überprüfung der Unterstützungsbekundungen vorgelegt worden sind, hat sich gezeigt, dass die Unterstützungsbekundungen in einem Fall zur Gänze innerhalb eines Zeitraums von einem Jahr geleistet worden sind, im anderen Fall die Zahl der außerhalb dieses Zeitraumes herrührenden und somit nicht geprüften Unterstützungsbekundungen als ziemlich gering bezeichnet werden kann.14

[9]

Festzuhalten ist, dass bislang bezüglich der Zertifizierung eines Online-Sammelsystems in Österreich Organisatoren von Europäischen Bürgerinitiativen noch nie mit österreichischen Behörden in Kontakt getreten sind. Es scheint in der Natur der Sache zu liegen, dass man sich bei der Einreichung eines Online-Sammelsystems zur Zertifizierung durch einen Mitgliedstaat an Organisatoren früher eingereichter Initiativen hält und somit das Online-Sammelsystem bei jenen Behörden zertifizieren lässt, die damit bereits Erfahrungen haben. Es stellt sich aber die Frage, inwieweit der Zustand, dass ganz wenige Behörden in Europa für fast alle Europäischen Bürgerinitiativen deren Online-Sammelsysteme zu zertifizieren haben, nicht wieder – wie schon in der Entstehungsphase der Verordnung – zu einer Diskussion über die Notwendigkeit einer Vergebührung von entsprechenden Systemen führen wird. Von solchen Erwägungen ohnehin losgelöst ist der Umstand zu betrachten, dass der Organisator einer Europäischen Bürgerinitiative aufgrund der rechtlichen und faktischen Gegebenheiten einen wohl nicht unbeträchtlichen finanziellen Aufwand zu tragen haben wird, um die Möglichkeit der Online-Unterstützung einer Europäischen Bürgerinitiative Wirklichkeit werden zu lassen.15

[10]

Beim Austesten der von der Kommission bereitgestellten Software16 in Vorbereitung der allfälligen Zertifizierung eines Online-Sammelsystems – ein solcher Fall ist, wie oben beschrieben, bislang nicht eingetreten – haben sich gravierende Mängel bei den Eingabemasken wie auch beim Lauf des Programms schlechthin gezeigt. Nach Übermittlung von Listen mit festgestellten Mängeln an die Kommission durch das Bundesministerium für Inneres und durch Stellen mehrerer anderer Mitgliedstaaten wurde die Software in der Folge soweit bereinigt, dass ein verordnungskonformes Sammeln von Unterstützungsbekundungen auf elektronischem Weg möglich ist (Näheres hinsichtlich weiterhin gegebener Verbesserungsmöglichkeiten siehe Punkt 5).

3.

Überprüfung von Unterstützungsbekundungen in Österreich im Vergleich zur Überprüfung in anderen Mitgliedstaaten ^

[11]

Österreich hat sich in seinem innerstaatlichen Regelwerk von Anfang an dazu bekannt, die Unterstützungsbekundungen aller eingereichten Europäischen Bürgerinitiativen, sei es Unterstützungsbekundungen in Papierform, sei es solcher in elektronischer Form «eins zu eins» einer Überprüfung zu unterziehen.17 Österreich gehört zu jenen 19 von 28 Mitgliedstaaten, die sowohl bei der Abgabe einer Unterstützungsbekundung in Papierform, als auch bei einer Übermittlung einer solchen in elektronischer Form die Angabe einer «ID-Nummer» verlangen. Der österreichische Gesetzgeber hat sich dafür entschieden, ausschließlich die Nummern von Reisepässen oder Personalausweisen zuzulassen, weil lediglich diese Dokumente zweifelsfreien Aufschluss über die österreichische Staatsbürgerschaft geben und nur deren Nummern anhand des bestehenden Identitätsdokumentenregisters18 (IDR) überprüft werden können. Zum Zweck der Überprüfung wurde im Bundesministerium für Inneres inhouse eine eigene Applikation entwickelt, die sowohl die Überprüfung von Unterstützungsbekundungen in Papierform, als auch jene elektronischer Form möglich macht. Mit der Applikation wird überprüft, ob eine angegebene Nummer einer Person im Identitätsdokumentenregister zugeordnet ist, und ob es sich bei dieser um jene Person handelt, deren Name in der Unterstützungsbekundung angegeben worden ist, wobei die Überprüfung bei Unterstützungsbekundungen in Papierform mittels manueller Eingabe der Nummer erfolgt. Mit dem System ist es auch möglich, Doppel-Unterstützungsbekundungen, sei es unter der Angabe der gleichen Passnummer oder sei es unter Verwendung zweier verschiedener Dokumente (z.B. Reisepass und Personalausweis), auszusondern.

[12]
Dem Vernehmen nach haben sich alle anderen Mitgliedstaaten dafür entschieden, sich auf eine – verordnungskonforme – Stichprobenüberprüfung zu beschränken. Hierbei macht es aber einen wesentlichen Unterschied, ob ein Staat als Voraussetzung für eine gültige Unterstützungs-bekundung die Angabe einer der unterstützungswilligen Person zuordenbaren Zahl (es kann sich dabei z.B. auch um eine Sozialversicherungs-Nummer handeln) verlangt oder ob dies, wie insbesondere in Deutschland nicht der Fall ist. Bei Staaten, die die Ansicht vertreten, ohne das Erfordernis der Angabe einer «ID-Nummer» auszukommen, beschränkt sich die Möglichkeit des Mitgliedstaates zur Überprüfung einer Unterstützungsbekundung, insbesondere dann, wenn diese auf elektronischem Weg abgegeben worden ist, wohl auf die Frage, ob eine Person mit dem angegebenen Datensatz existiert oder nicht.
[13]
Da die Verordnung zwar eine stichprobenweise Überprüfung von Unterstützungsbekundungen zulässt, aber keine näheren Regelungen über den Grad der Überprüfung enthält (Fragestellung: sollen 0,4 Prozent, 4 Prozent oder 40 Prozent der Datensätze überprüft werden), hat die Kommission den Mitgliedstaaten eine praktische Hilfe für die Implementierung eines entsprechenden Überprüfungsvorgangs angeboten. Klar ist, dass der Mitte 2013 bei einer Präsentation im Bundesverwaltungsamt in Köln und kurz danach bei einem Expertentreffen in Brüssel angebotene Lösungsansatz für keinen der Mitgliedstaaten bindend ist, und die Intensität der Überprüfung frei wählbar ist. Mit Blick auf die eindeutige Rechtslage in Österreich war der von der Kommission dargestellte Lösungsansatz aber ohnedies gegenstandslos.

4.

Erste Erfahrungen in Österreich mit der Überprüfung von Online-Unterstützungsbekundungen ^

[14]

Bei zwei der drei19 bisher der Bundeswahlbehörde zur Überprüfung vorgelegten Europäischen Bürgerinitiativen hat sich die im Bundesministerium für Inneres zur Überprüfung entwickelte Applikation gut bewährt. Waren bei der ersten in Österreich eingebrachten Bürgerinitiative noch relativ wenige Unterstützungsbekundungen in Papierform zu prüfen, so war es bei der zweiten eine mehrere zehntausend Unterstützungserklärungen umfassende Zahl. Es hat aber den Anschein, dass eine so große Zahl an Unterstützungsbekundungen in Papierform wohl die Ausnahme bleiben wird.

[15]
Die Überprüfungen haben gezeigt, dass bei den Unterstützungsbekundungen in Papierform eine große Zahl feststellbar ist, die nicht in die Ergebnisermittlung miteinbezogen werden können. Der am häufigsten auftretende Grund hierfür ist, dass die angegebene Passnummer oder Personalausweisnummer einer anderen Person oder überhaupt keiner Person zuordenbar ist. Weitere Gründe sind fehlende Angaben von Daten, deren Vorhandensein durch die Verordnung, wie auch durch das innerstaatliche Regelwerk vorgeschrieben ist. Es sieht so aus, als ließen sich manche unterstützungswillige Personen dazu hinreißen, bei der Eintragung der Passnummer oder Personalausweisnummer eine Fantasiezahl einzutragen, in der Hoffnung, dass dieser Umstand trotz Unterstützung der beschriebenen Applikation nicht bemerkt wird. Aber auch die ziemlich unprofessionell wirkenden, aber durch den Anhang III zur Verordnung vorgegebenen Formulare müssen wohl immer wieder als Grund für eine ungültige Unterstützungsbekundung herhalten. Wünschenswert wären übersichtliche und mit wesentlich größeren Feldern versehene Formulare, die sowohl das Ausfüllen als auch das Überprüfen deutlich erleichtern würden.
[16]
Die Datenqualität der elektronisch vorgelegten Unterstützungsbekundungen kann als wesentlich besser bezeichnet werden, als jene der in Papierform vorliegenden Unterstützungsbekundungen. Der Umstand, dass auch die elektronisch eingebrachten Unterstützungsbekundungen nicht frei von nichtigen Datensätzen sind, zeigt, dass es angeraten erscheint, bei der Konzipierung der Masken für die Online-Unterstützungsbekundung die eine oder andere Plausibilitätskontrolle zusätzlich einzuziehen. Insgesamt kann gesagt werden, dass die Software für die Online-Sammelsysteme noch besser hätte getestet werden können, als dies de facto der Fall war.
[17]
Als unerfreulich zu bezeichnen ist der Umstand, dass die Durchführungsverordnung keine Einzelheiten über die technische Abwicklung der Übermittlung der relevanten Daten an die in einem Mitgliedstaat zuständige Behörde enthält. Dies hat dazu geführt, dass der Bundeswahlbehörde, natürlich vertreten durch die EDV-Infrastruktur des Bundesministeriums für Inneres, bereits in zwei Fällen – sicherlich von den jeweiligen Organisatoren gut gemeint – USB-Sticks (!) vorgelegt worden sind, die verschlüsselt waren und nur mit einem herunterladbaren Programm hätten geöffnet werden können. Für das Rechenzentrum des BM.I aber auch für zahlreiche andere Behörden in der Europäischen Union bedeutet ein solches Erfordernis oft ein nahezu unüberwindbares Hindernis, weil sehr häufig in einem Behördennetzwerk ausführbare Programmdateien nur unter strengsten Sicherheitsauflagen eingelesen werden dürfen.
[18]
Hingegen ist es sehr erfreulich, dass die erst zweimal eingesetzte im BM.I entwickelte Applikation schon bei ihren ersten beiden Einsätzen nahezu klaglos funktioniert hat. Dies ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil mit der Schnittstelle zum IDR zum Zweck er Überprüfung einer Identität doch bis zu einem gewissen Grad technisches Neuland betreten worden ist.

5.

Ausblick ^

[19]

Das Regelwerk für die Europäische Bürgerinitiative muss gemäß der Verordnung innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren ab Inkrafttreten der Verordnung evaluiert werden.20 Konkret ist die Kommission dazu verpflichtet, dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht über die Anwendung der Verordnung vorzulegen. Schon vorher ist die Bundesministerin für Inneres durch Entschließung des Parlaments verpflichtet zu evaluieren, ob nicht neben dem obligaten Erfordernis, eine Passnummer oder die Personalausweisnummer für eine gültige Unterstützungsbekundung anzugeben, auch noch die Möglichkeit der Angabe einer anderen Nummer treten könnte.21

[20]
Die ersten Erfahrungen bei der Überprüfung von Unterstützungsbekundungen im Bundesministerium für Inneres haben gezeigt, dass die vom österreichischen Gesetzgeber implementierte Lösung die richtige Lösung sein dürfte. Die große Zahl an nicht einzubeziehenden Unterstützungsbekundungen zeigt, dass es dringend geboten erscheint, für die Prüfung der Identität auch weiterhin ein Sicherheitsmerkmal vorzusehen. In Österreich ist dies nach geltender Rechtslage die Passnummer oder die Personalausweisnummer, die die illegale Abgabe einer Unterstützungsbekundung (gemeint ist die Abgabe unter Angabe eines falschen Namens) wesentlich erschwert. Ohne diese Vorkehrung und bei einer sich auf Stichproben beschränkenden Überprüfung würde man sich dem Vorwurf von Gegnern bestimmter Europäischer Bürgerinitiativen aussetzen müssen, dass die «Schätzung» der Zahl der gültigen Unterstützungsbekundungen nicht korrekt abgelaufen sei. Für Österreich hingegen kann zumindest für Unterstützungsbekundungen gesagt werden, dass Fehler betreffend die Gültigkeit oder Ungültigkeit allenfalls Abweichungen im Promillebereich bewirken können und somit die gemäß Anhang 6 der Verordnung bescheinigte Anzahl an Unterstützungsbekundungen exakt der Realität entspricht. Eine Ausdehnung des Katalogs der zulässigen ID-Nummern, z.B. auf die Führerscheinnummer, erscheint grundsätzlich nicht ausgeschlossen, ist jedoch mit gravierenden administrativen Fragestellungen behaftet und wäre nur mit großem Aufwand umsetzbar. Außer dem Führerscheinregister und dem Identitätsdokumentenregister gibt es in Österreich kein Register, in dem Ausweisdaten zentral erfasst werden. Beim Führerscheinregister ist zu bedenken, dass es gültige Führerscheine aus der Vergangenheit gibt, deren Nummer – weil in zwei verschiedenen Bezirksverwaltungsbehörden verspeichert – völlig identisch ist und somit eine lückenlose Überprüfung nicht möglich ist. Außerdem wird von vielen Stellen festgehalten, dass eine notwendige Verknüpfung zweier Register, wie des IDR einerseits und des Führerscheinregisters andererseits, aus datenschutzrechtlichen Erwägungen nicht unbedenklich ist. Es wird wohl Aufgabe des Gesetzgebers sein, diese Frage genau zu prüfen.
[21]

Letztendlich aber wird eine Weiterentwicklung der Europäischen Bürgerinitiative nur im Weg der Evaluierung auf Ebene der Europäischen Union Sinn machen. Als anzustrebende Ziele bei der Evaluierung wären hier anzuführen:

  • Vermeidung der Gegebenheit, dass es Unionsbürgerinnen und Unionsbürger gibt, die – durch Behörden der einzelnen Mitgliedstaaten nicht nachvollziehbar – in zwei Mitgliedstaaten eine Unterstützungsbekundung abgeben können (z.B. weil im Herkunftsmitgliedstaat auf die Staatsangehörigkeit, im Wohnsitzmitgliedstaat aber auf den Hauptwohnsitz abgestellt wird) und solche Unionsbürgerinnen und Unionsbürger gibt, denen aus dem gleichen Grund die Abgabe einer Unterstützungsbekundung gänzlich verwehrt ist;22
  • Verbesserung der durch die Verordnung vorgegeben Papierformulare;
  • Bereinigung des Fristengefüges;
  • Bereitstellung eines Standard-Online-Sammelsystems durch die Kommission, das anlässlich der Einbringung einer neuen Europäischen Bürgerinitiative nicht von neuem zertifiziert werden muss;
  • Klärung der technischen Form der Übermittlung der Daten von mit einem Online-Sammelsystem gesammelten Unterstützungsbekundungen an nationale Behörden, wobei einer auf EU-Ebene bestehenden Verschlüsselungs-Infrastruktur der Vorzug gegeben werden sollte;
  • Schaffung der Möglichkeit, eine Europäische Bürgerinitiative auch in der Praxis europaweit mittels fortgeschrittener digitaler Signatur unterstützen zu können.

 

Robert Stein

Leiter der Abteilung für Wahlangelegenheiten im Bundesministerium für Inneres

Herrengasse 7, 1010 Wien, AT

robert.stein@bmi.gv.at; http://bmi.gv.at/wahlen/

 


  1. 1 Verordnung (EU) Nr. 211/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 über die Bürgerinitiative, ABl. Nr. L 65 vom 11. März 2011 S. 1; sie wird in der Folge als Verordnung bezeichnet.
  2. 2 Bundesgesetz über die Durchführung von Europäischen Bürgerinitiativen (Europäische-Bürgerinitiative-Gesetz –EBIG), BGBl. I Nr. 12/2012.
  3. 3 Organisatoren einer Europäischen Bürgerinitiative sind durch die Verordnung, insbesondere durch Art. 2 Z 3 definiert.
  4. 4 Vgl. Art. 5 Abs. 5 der Verordnung.
  5. 5 Für eine «erfolgreiche» Einreichung einer Europäischen Bürgerinitiative müssen in zumindest sieben Mitgliedstaaten der EU insgesamt eine Million Unterstützungsbekundungen gesammelt werden, wobei hierbei für die einzelnen Mitgliedstaaten Mindestquoten festgelegt sind, die sich nach deren Größe richten.
  6. 6 Vgl. Anhang III zur Verordnung.
  7. 7 Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1179/2011 der Kommission vom 17. November 2011 zur Festlegung der technischen Spezifikationen für Online-Sammelsysteme gemäß der Verordnung (EU) Nr. 211/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bürgerinitiative.
  8. 8 Vgl. Art. 4 der Verordnung.
  9. 9 Vgl. Art. 6 der Verordnung und § 2 EBIG.
  10. 10 Hierbei handelt es sich um die Europäische Bürgerinitiative «Wasser und sanitäre Grundversorgung sind ein Menschenrecht! Wasser ist ein öffentliches Gut und keine Handelsware!».
  11. 11 Vgl. ec.europa.eu/citizens-initiative/public/initiatives/finalised/collection_closed.
  12. 12 Vgl. Art. 8 Abs. 2 der Verordnung.
  13. 13 Vgl. die diesbezügliche Pressemitteilung der Kommission «Commission offers own servers to help get first European citizens’ initiatives off the ground» (Juni 2012), abrufbar unter: http://ec.europa.eu/commission_2010-2014/sefcovic/headlines/press-releases/2012/07/2012_07_18_eci_de.htm (zuletzt besucht am 13. Februar 2014).
  14. 14 Die Überprüfung der Unterstützungsbekundungen der in Rede stehenden Europäischen Bürgerinitiative war bei Abgabe des Tagungsbeitrags noch nicht abgeschlossen.
  15. 15 Vgl. Müller-Török/Stein, The Assignment of European Citizens to Member States in the Regulation on the European Citizens’ Initiative – Data Modelling Issues for Organisers and Authorities, in Prosser/Golob/Leitner/Šimić (Hrsg.), Eastern European eGov Days 2011 (2011) 53.
  16. 16 Das Austesten erfolgte im Bundesministerium für Inneres mit umfangreicher Unterstützung von «A-SIT Zentrum für sichere Informationstechnologie – Austria».
  17. 17 Vgl. Stein/Wenda, EBI vor dem Start: Legistische Maßnahmen zur Implementierung der Europäischen Bürgerinitiative in Österreich, in Schweighofer/Kummer/Hötzendorfer (Hrsg.), Transformation juristischer Sprachen, Tagungsband des 15. Internationalen Rechtsinformatik Symposions IRIS 2012 (2012) 229.
  18. 18 Hierbei handelt es sich um eine zentrale Evidenz über alle in Österreich ausgestellten Reisedokumente gemäß § 22b des Paßgesetzes, BGBl. Nr. 839/1992 in der Fassung BGBl. I Nr. 161/2013.
  19. 19 Bei der dritten der Bundeswahlbehörde vorgelegten Europäischen Bürgerinitiative war mit der Überprüfung der Unterstützungsbekundungen zum Zeitpunkt der Abgabe des Tagungsbeitrags noch nicht begonnen worden. Der Anteil der in Papierform geleisteten Unterstützungsbekundungen war bei dieser Europäischen Bürgerinitiative aber augenscheinlich wieder sehr gering.
  20. 20 Vgl. Art. 22 der Verordnung.
  21. 21 Auszug aus der Entschließung des Nationalrats vom 29. Februar 2012, 231/E XXIV. GP: «Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Inneres, wird außerdem aufgefordert, zu prüfen, unter welchen Voraussetzungen die Liste der persönlichen Ausweispapiere (derzeit Reisepass und Personalausweis) erweitert werden könnte, um möglichst vielen Personen eine Unterstützung zu erleichtern und gegebenenfalls auf Grund des Ergebnisses dieser Überprüfung gegenüber der Europäischen Kommission für eine entsprechende Änderung einzutreten.
  22. 22 Vgl. Anm. 13.