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Das Demokratiepaket 2013 und aktuelle Entwicklungen

  • Author: Marlies Meyer
  • Category: Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: E-Democracy
  • Collection: Tagungsband IRIS 2014
  • Citation: Marlies Meyer, Das Demokratiepaket 2013 und aktuelle Entwicklungen, in: Jusletter IT 20 February 2014
Die letzte Fassung des Demokratiepakets vom Juni 2013 sollte ein Kompromiss zwischen Gegnern und Befürwortern der Volksgesetzgebung sein. Obwohl von drei Fraktionen eingebracht, gelangte sie vor den NR-Wahlen nicht mehr zur Beschlussfassung.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Demokratiepaket 2013 – Vorläufer und Verhandlungsphasen
  • 2. Charakteristika der drei Gesetzesentwürfe zur Direkten Demokratie
  • 2.1. Der koalitionäre Gesetzesentwurf
  • 2.2. Der Arbeitsentwurf aufgrund des Oppositionsvorschlags
  • 2.3. Der SVG-Entwurf
  • 3. Die Begutachtung des Juni-Entwurfs
  • 4. Aktuelle Entwicklungen

1.

Demokratiepaket 2013 – Vorläufer und Verhandlungsphasen ^

[1]

Das Demokratiepaket 20131 beinhaltete, so wie es von den Koalitionsparteien am 30. Jänner 2013 in den Nationalrat eingebracht wurde, zwei Gesetzesentwürfe, einen zur (marginalen) Reform des Wahlrechts2 und einen zur (kleinen) Reform der Direkten Demokratie3. Dieser Artikel befasst sich nur mit der Reform der Direkten Demokratie. Der Antrag zum Wahlrecht wurde bereits im März 2013 im Nationalrat beschlossen. Für die Beschlussfassung der Reform der Direkten Demokratie war wegen der notwendigen Verfassungsänderungen insbesondere zur Einführung des Zentralen Wählerregisters (ZeWaeR) und der online-Unterstützung von Volksbegehren eine Zweidrittel-Mehrheit notwendig, sodass es oppositioneller Zustimmung bedurfte.

[2]

Die Oppositionsfraktionen hatten bereits im Oktober 2011 und im Februar 2012 Anträge zur Einführung einer Volksgesetzgebung eingebracht4. Die Beratungen darüber waren am 2. Mai 2012 im Verfassungsausschuss aufgenommen worden. Ebenfalls im Oktober 2011 hatte die Initiative «MeinOE» ihr Vorhaben für ein «Demokratie-Begehren» angekündigt, im April 2012 hatte die Junge ÖVP ihr Demokratiepaket5 vorgestellt.6

[3]
Im Parlament hatten zudem im Jahre 2012 zwei wichtige Experten-Hearings stattgefunden. Im Zuge der Debatte um die Verkleinerung des Parlaments war von der Präsidentin des Nationalrats eine Arbeitsgruppe Parlamentarismusreform eingerichtet worden, welche eine Untergruppe Direkte Demokratie bildete. Diese hörte einschlägige Initiativen, Verfassungsexperten und Politikwissenschafter/innen in ihren Sitzungen am 3. Juni und 29. November an7. Sämtliche Fraktionen legten schriftliche Vorschläge vor.
[4]

Einige Überraschung löste dann der Alleingang der Regierungsfraktionen durch die schon erwähnte Vorlage von zwei Gesetzesentwürfen im Januar 2013 aus. Der Entwurf zur Direkten Demokratie sah lediglich eine aufgewertete Behandlung von Volksbegehren im Parlament, die neue Möglichkeit der online-Unterstützung und eine sogenannte «Bürgeranfrage» vor. Eine stärkere Verbindlichkeit von Volksbegehren war damit nicht geschaffen, insbesondere fehlte das von den Oppositionsparteien, der JVP (und später auch von der ÖVP) sowie den Initiativen geforderte Gesetzesinitiativ- und Abstimmungsrecht des Volkes. Ein weiteres Expertenhearing – diesmal im Verfassungsausschuss – wurde für den 10. April 2013 vereinbart8. Am Tag davor fand die Enquete des Bundesrats «Mehr direkte Demokratie, mehr Chancen für die Bürgerinnen und Bürger in den Ländern und Gemeinden» statt9. Diese Anhörungen wurden insofern fruchtbar als die Oppositionsfraktionen den Vorschlag von Univ.-Prof. Dr. Franz Merli und Univ.-Prof. Dr. Theo Öhlinger aufgriffen, nach einem besonders erfolgreichen Volksbegehren – bei Nichtumsetzung durch das Parlament – statt der verbindlichen Volksabstimmung eine unverbindliche Volksbefragung vorzusehen. Dieser Kompromissvorschlag wurde in einer Pressekonferenz im Mai 2013 vorgestellt und in weiterer Folge mit der Forderung verbunden, dass die Präsidentin einen entsprechenden Gesetzesentwurf durch die Parlamentsdirektion ausarbeiten lässt. Nach Abklärung weiterer Detailfragen kam es tatsächlich am 3. Mai 2013 zur Vorlage eines entsprechenden Arbeitsentwurfs10. Damit war auch das Gegenargument der fehlenden legistischen Umsetzbarkeit vom Tisch und erstmals – nach einem Jahr des Meinungsaustauschs und der Expertenanhörung – der Weg zu echten Verhandlungen geebnet. Diese Verhandlungen wurden zunächst mit den Grünen geführt und führten in weiterer Folge am 21. Juni zu einer Grundsatzeinigung und am 28. Juni zu einem gemeinsamen (gesamtändernden) Abänderungsantrag11. Gleichzeitig wurde im Verfassungsausschuss eine Begutachtung des Entwurfs bis zum 15. August beschlossen. Chronologisch besehen lagen also 2013 drei Demokratiepakete vor: der Erstentwurf der Koalitionsfraktionen (Januar 2013), der Kompromissentwurf der Opposition (Mai 2013) und drittens schließlich der SVG-Entwurf (Juni 2013).

2.

Charakteristika der drei Gesetzesentwürfe zur Direkten Demokratie ^

2.1.

Der koalitionäre Gesetzesentwurf ^

[5]
Nach den koalitionären Vorstellungen sollte wesentlichste Neuerung die online-Unterstützung von Volksbegehren, parlamentarischen Bürgerinitiativen und der neu vorgesehenen Bürgeranfrage sein. Wie bisher bei der Europäischen Bürgerinitiative wurde auf eine eindeutige Identifikation der Unterstützung Wert gelegt, sie war nur mit Bürgerkarte bzw. Handysignatur möglich12. Die online-Unterstützung setzt das ZeWaeR voraus. Um Doppelunterstützungen auszuschließen, war auch die Vormerkung der Unterstützung im ZeWaeR, und zwar beim Datensatz der betreffenden Person, vorgesehen. Dies wurde im Begutachtungsverfahren vom Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst aus datenschutzrechtlicher Sicht gerügt13.
[6]
Die Behandlung von Volksbegehren im Parlament sollte dadurch aufgewertet werden, dass über das Volksbegehren in einer Sondersitzung im Nationalrat eine Erste Lesung durchgeführt und fünf Monate später eine Berichterstattung über die Beratungen im Ausschuss in einer Zweiten Volksbegehrenssitzung des Nationalrats zwingend wird. Ein einmaliges Rederecht des/der Zustellungsbevollmächtigten war nur bei der Ersten Lesung vorgesehen (die Beiziehung im Ausschuss ist bereits geltendes Recht).
[7]
Auf die vorgesehene Bürgeranfrage im Rahmen einer Bürger-Fragestunde braucht hier nicht weiter eingegangen werden, da dieses Instrument in den weiteren Verhandlungen verworfen wurde.

2.2.

Der Arbeitsentwurf aufgrund des Oppositionsvorschlags ^

[8]
Der Arbeitsentwurf konzentrierte sich auf die Umsetzung des Instruments der zwingenden Volksbefragung nach einem hoch unterstützten Volksbegehren und die Behandlung des Volksbegehrens im Parlament. Motiv war, die politische Verbindlichkeit von Volksbegehren dadurch zu erhöhen, dass bei Nichtumsetzung eine Volksbefragung über den vorgelegten Gesetzestext durchgeführt werden muss. Damit liegt eher ein Meinungsbild der Gesamtbevölkerung zum Volksbegehren vor. Andererseits sollte auch das Parlament für seine allfällige alternative Lösung des aufgezeigten Problems durch Vorlage eines eigenen Gesetzesentwurfs in der Volksbefragung werben können. Das Ergebnis einer Volksbefragung ist rechtlich nicht bindend. Daher stellt dieses Instrument auch keine Gesamtänderung der Verfassung dar, was bei einer zwingenden Volksabstimmung (im Sinne des bisherigen B-VG-Modells) der Fall wäre.
[9]
Eine Volksbefragung ist nur möglich, wenn das Volksbegehren in Form eines Gesetzesentwurfs vorgelegt wird. Eine Volksbefragung ist zwingend, wenn das Volksbegehren von 4% der Wahlberechtigten unterstützt wird und der Nationalrat kein entsprechendes Gesetz beschließt. Die fünf Proponent/inn/en des Volksbegehrens können jedoch auf die Volksbefragung verzichten. Dies wird dann der Fall sein, wenn auch sie der Überzeugung sind, dass im Dialog mit dem Parlament und den zuständigen Regierungsmitgliedern eine bessere Lösung gefunden wurde.
[10]
Für die Volksbefragung wurden keine inhaltlichen Schranken aufgestellt. Den Proponent/inn/en wie den Unterstützern und Unterstützerinnen wird jedoch insofern eine Hilfestellung gereicht, als von der Parlamentsdirektion ein Rechtsgutachten erstellt wird, ob der Gesetzesentwurf mit den Grund- und Menschenrechten sowie mit den europarechtlichen und völkerrechtlichen Vorgaben vereinbar ist oder ob rechtstechnische Unstimmigkeiten vorliegen. Wird der Gesetzesentwurf nicht zurückgezogen, ist ein «negatives» Gutachten jedenfalls in der sogenannten Volksbefragungsbroschüre wiederzugeben.
[11]
Gegenüber dem koalitionären Entwurf werden die Proponent/inn/en stärker in die parlamentarischen Beratungen einbezogen: Alle fünf Personen und nicht nur der/die Zustellungsbevollmächtigte können z.B. im Ausschuss mitdiskutieren und zwei davon können in der Ersten und Zweiten Lesung in der Nationalratssitzung das Wort ergreifen. Ein ganz wesentliches Instrument zur Hebung der sachlichen Auseinandersetzung vor der Volksbefragung ist die schon erwähnte Volksbefragungsbroschüre, die die Standpunkte des Volksbegehrens, der zuständigen Regierungsmitglieder und der Parlamentsklubs objektiv darlegen soll und allen Haushalten übermittelt werden muss.

2.3.

Der SVG-Entwurf ^

[12]
Aufgrund der bei beiden Regierungsfraktionen gegebenen Skepsis gegenüber direktdemokratischen Instrumenten kam es gegenüber dem Arbeitsentwurf insbesondere zu folgenden Veränderungen:
  • Die Unterstützungsschwelle, um ein Recht auf Volksbefragung zu haben, wurde von 4% auf 10% (für einfachgesetzliche Volksbegehren) bzw. auf 15% der Wahlberechtigten (für Volksbegehren, mit denen Verfassungsrecht geändert werden soll) angehoben.
  • Der Volksbefragung wurden inhaltlich und strukturell bedingte Grenzen gesetzt. Verstößt der vorgelegte Gesetzestext gegen Grundrechte, das EU- oder das Völkerrecht, ist eine Volksbefragung darüber ausgeschlossen. Dies wird nach einem Gutachten von der Bundeswahlbehörde entschieden. Gegen diese Entscheidung, die vor Einleitung des Volksbegehrens getroffen wird, können der/die Zustellungsbevollmächtigte gemeinsam mit zwei Stellvertreterinnen bzw. Stellvertretern den Verfassungsgerichtshof anrufen.
  • Es liegt nicht in den Händen der Proponent/inn/en auf eine Volksbefragung zu verzichten. Eine Volksbefragung hat immer dann stattzufinden, wenn der Nationalrat den Volksbegehrenstext nicht beschließt. Unwesentliche Abweichungen sind jedoch möglich und lösen dann keine Volksbefragung aus, wenn der Nationalrat die Unwesentlichkeit der Abweichung mit Beschluss festhält. Gegen diesen Beschluss kann der Verfassungsgerichtshof angerufen werden.
[13]

Von den bisher 37 abgehaltenen Volksbegehren, haben zehn die 10%-Schwelle erreicht und davon sechs die 15%-Schwelle. Die Schwelle des Arbeitsentwurfs von 4% haben 22 Volksbegehren erreicht14.

[14]
Die Grenzsetzungen wurden einerseits zum Schutz von Minderheiten vorgenommen andererseits sind sie der Tatsache geschuldet, dass auch der Nationalrat selbst nicht direkt EU-Normen oder Völkerrechtsverträge abändern kann. Es hat wenig Sinn, hier zu Kampagnen zu animieren, die schon zuständigkeitshalber nicht von Erfolg gekrönt sein können. Allerdings ist eine Volksbefragung über ein Volksbegehren, das auf eine (verfassungs-)gesetzliche Bindung des Regierungshandelns (z.B. Staatsverträge neu zu verhandeln) gerichtet ist, möglich.
[15]
Bezüglich der zuletzt erwähnten Änderung gegenüber dem Arbeitsentwurf ist entscheidend, dass wesentliche Änderungen des Volksbegehrenstextes durch den Nationalratsbeschluss immer eine Volksbefragung auslösen.
[16]

Die «Vormerkung» der Unterstützung im ZeWaeR wurde gestrichen. Stattdessen sollte für jedes Volksbegehren eine eigene Datenbank mit der aus dem ZeWaeR bereichsspezifischen Personenkennzahl geführt werden15. Keine Annäherung konnten die Fraktionen in der Frage der elektronischen Unterstützungsmöglichkeiten erzielen. So wurde der Vorschlag des Grünen Klubs, Unterstützungen auch über «Finanz online» zu ermöglichen, nicht weiter verfolgt. Dies würde die Standards für die Identitäts- und Authentizitäts-Prüfungen, wie sie im E-Government-Gesetz normiert seien, nicht erfüllen.

3.

Die Begutachtung des Juni-Entwurfs ^

[17]
An der Begutachtung nahmen 36 Stellen teil – der Bogen reichte von den Obersten Organen und den Höchstgerichten bis zu den Organisationen der Zivilgesellschaft16. Wenige Stellen sprachen sich entschieden gegen den Ausbau der Direkten Demokratie aus. Allerdings waren unter diesen wenigen die Präsidentschaftskanzlei (der Bundespräsident), der Verwaltungsgerichtshof und etwa die Industriellenvereinigung und der Gewerkschaftsbund zu finden. Mehr als doppelt so viele Stellen begrüßten den verfolgten Ansatz zum Ausbau der Direkten Demokratie, entweder vollständig oder mit der Forderung nach weiteren Sicherheiten wie etwa der Erweiterung der inhaltlichen Grenzziehungen für die Volksbefragung (z.B. keine Volksbefragungen für Vorschläge zur Gesamtänderung der Verfassung). Zur ersten Gruppe zählten etwa die Rechtsanwalts- und die Notariatskammer. Zur zweiten Gruppe zählten insbesondere die Länder OÖ, Tirol und Vorarlberg. Einige zivilgesellschaftliche Organisationen wiesen auf die noch offenen Forderungen, wie etwa der finanziellen Unterstützung von Volksbegehren und der Erleichterung der Sammlung von Unterstützungen hin. Ein großer Teil der Stellungnahmen kann als neutral in dem Sinne, dass sie sich zur Grundsatzfrage – Ausbau der Direkten Demokratie – nicht äußern, eingestuft werden. Sie setzten sich vor allem mit dem legistischen Verbesserungsbedarf des Entwurfs auseinander. Hier findet sich etwa die Stellungnahme der Parlamentsdirektion, des Bundeskanzleramtes, aber auch des Verfassungsgerichtshofes. Vier Stellungnahmen lehnten den Juni-Entwurf ab, weil nur eine zwingende Volksabstimmung als sinnvoll erachtet wird, so z.B. die Initiative «Aktion Volksgesetzgebung jetzt!» und die «Initiative Mehr Demokratie», welche sich ein besseres Ergebnis durch die Einrichtung eines «BürgerInnenrats» zur Erarbeitung eines Gesetzesentwurfs erwartet.
[18]
Einer Beschlussfassung des Gesetzesentwurfs noch vor den Nationalratswahlen war allerdings von den Klubobmännern von SPÖ und ÖVP bereits in der ersten Julihälfte, also mehr als ein Monat vor Ende des Begutachtungsverfahrens, eine Absage erteilt worden17. Maßgeblich dafür war der Gegenwind aus den eigenen Reihen bzw. von Staatsorganen geworden, der bereits vor der Dreiparteien-Einigung eingesetzt und zwischenzeitig zugenommen hatte. Zentrales Argument der Gegner ist die Gleichsetzung von Volksbefragung und Volksabstimmung. Demnach wäre das Parlament geradezu gezwungen, das Ergebnis einer Volksbefragung durch einen entsprechenden Gesetzesbeschluss umzusetzen. Und dieses Ergebnis sei mit viel Geld, der Macht der Medien, sprich dem Boulevard und der Bedienung der niederen Instinkte in hohem Maße beeinflussbar. Diese Sichtweise misst dem freien Mandat und dem Kraft des Arguments keinen Wert bzw. keine Chance zu. Die Macht des Boulevards ist freilich nicht nur ein Problem der Direkten Demokratie sondern auch der Repräsentativen Demokratie. Insofern hat die Debatte zum Demokratiepaket ein erschreckendes Ausmaß an Demokratieskepsis zu Tage gefördert. So sehr Befürchtungen aus der geschichtlichen Perspektive gerechtfertigt sein mögen, so sehr schützen sie auch Politiker/innen, die mehr auf Inserate und die fernsehkamerataugliche Inszenierung18 als auf die Macht des sachlichen Arguments setzen. Stattdessen sollten wir uns überlegen, in welchen neuen Formen der Dialog mit der Bevölkerung ernsthaft geführt werden kann und welcher Rahmenbedingungen es bedarf, um eine sachliche Auseinandersetzung mit dem politischen Gegenüber und den Bürgern bzw. Bürgerinnen zu ermöglichen.
[19]
Nicht gegen den vorgeschlagenen Ausbau der Direkten Demokratie per se hat sich etwa die Israelitische Kultusgemeinde ausgesprochen, obwohl gerade sie wohl das größte Recht dazu hätte. Sie begrüßte den neuen Vorschlag vom Juni 2013, forderte jedoch stärkere Sicherungsklauseln zugunsten von Religionsgemeinschaften und Minderheiten, «die auch in einer demokratischen Gesellschaft eines besonderen Schutzes bedürfen», ein.19

4.

Aktuelle Entwicklungen ^

[20]

Die neue Koalition «bekennt sich» laut Regierungsprogramm «zur sinnvollen Ergänzung der repräsentativen Demokratie durch direkt demokratische Einrichtungen im Sinne des Antrags 2177/A (idF des Begutachtungsentwurfs)». Es soll daher «umgehend nach der Regierungsbildung eine Enquete-Kommission im Nationalrat» zur Bearbeitung des Abänderungsantrags vor dem Hintergrund der Stellungnahmen eingesetzt werden.20 Nichts desto trotz ist auch innerhalb der Koalition eine kontroversielle Debatte zu erwarten, denn bereits ein paar Tage nach Vorstellung des Regierungsprogramms meinte der neue Klubobmann der SPÖ wieder, dass er den «ursprünglichen Vorschlag nicht für sinnvoll (halte)». Er sei «gegen ein Aushebeln parlamentarischer Mehrheiten»21. Es ist jedoch zu hoffen, dass die Diskussion nicht bei Adam und Eva beginnt. Das Thema liegt ja (zumindest in der jüngsten Zeit) seit 2011 mit Vorschlägen am Parlamentstisch, die Debatte selbst wurde im Mai 2012 gestartet, zahlreiche Expert/inn/en wurden gehört und viele Textvorschläge erörtert. Es kann daher nur um eine weitere Vertiefung unter Heranziehung ähnlicher in den Ländern bestehender Instrumente22, die notwendige legistische Verbesserung des Entwurfs und allenfalls auch um eine Erweiterung der Debatte wie etwa um das Thema «Verhältnis von Politik und Medien» gehen. Am Ende der Debatte wird ein herzeigbares Ergebnis vorliegen müssen, denn eine stärkere «Mitbestimmung ist nicht aufzuhalten’23. Die nächste parlamentarische Debatte findet jedenfalls im Rahmen der Ersten Lesung über den Gesetzesantrag von Abg. Musiol, Kollegen und Kolleginnen24 am 29. Jänner 2014 statt.


 

Marlies Meyer

Referentin für Umwelt- und Verfassungsrecht und Stellvertreterin des Klubgeschäftsführers im Grünen Klub

Parlament, 1017 Wien, AT

marlies.meyer@parlament.gv.at; www.gruene.at; www.buergerinitiativen.at

 


  1. 1 Siehe auch ausführlicher Konrath, Christoph, Das Recht geht vom Volk aus? – Anmerkungen zu Vorschlägen für Demokratiereformen in Österreich 2011–2013, im Erscheinen.
  2. 2 Antrag der Abg. Dr. Josef Cap, Karlheinz Kopf, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Wahl des Nationalrates (Nationalrats-Wahlordnung 1992 – NRWO) geändert wird (2178/A).
  3. 3 Antrag der Abg. Dr. Josef Cap, Karlheinz Kopf, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein BG, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), das BG über die Geschäftsordnung des Nationalrates, die Nationalrats-Wahlordnung 1992, das BundespräsidentenwahlG 1971, die Europawahlordnung, das Europa-WählerevidenzG, das VolksabstimmungsG 1972 und das VolksbefragungsG 1989 geändert, das VolksbegehrenG 2013 und das WählerevidenzG 2013 erlassen sowie das VolksbegehrenG 1973 und das WählerevidenzG 1973 aufgehoben werden (2177/A).
  4. 4 Antrag der Abg. Josef Bucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend mehr Mitsprache und direkte Demokratie durch «Internet-Volksbegehren» (1688/A(E)), Antrag der Abg. Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kollegen betreffend direkte Demokratie (1689/A(E)) und Antrag der Abg. Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend den Ausbau der direkten Demokratie in Österreich (1856/A(E)).
  5. 5 JVP schnürt Demokratiepaket und fordert Reformen, http://steiermark.orf.at/news/stories/2529007/.
  6. 6 Mein Österreich: Startschuss für Demokratie-Begehren, Die Presse vom 26. September 2011, http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/696268/.
  7. 7 Experten der Sitzung vom 3. Juni 2012: Univ.-Prof. Dr. Gerhard Baumgartner, Univ.-Prof. Dr. Peter Filzmaier, Univ.-Prof. Dr. Heinz Mayer, Univ.-Prof. Dr. Franz Merli, Ass.Prof. Dr. Klaus Poier; Vertreter der Initiativen: Prof. Herwig Hösele für die «Initiative Mehrheitswahlrecht und Demokratiereform», Mag. Erwin Mayer für die «Initiative Mehr Demokratie» und Johannes Voggenhuber für die Initiative «MeinOE». In der Sitzung vom 29. November 2012 referierte Anna Christmann vom Zentrum für Demokratie in Aarau (CH) über «Die Grenzen der Direkten Demokratie» und Prof. Max Haller, Universität Graz und Dr. Gert Feistritzer IFES Wien über die «Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage unter Österreicherinnen und Österreichern.»
  8. 8 Parlamentskorrespondenz Nr. 295 vom 10. April 2013, http://www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2013/PK0295/.
  9. 9 Parlamentskorrespondenz Nr. 290 vom 9.April 2013,  http://www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2013/PK0290/.
  10. 10 Der Arbeitsentwurf ist nicht öffentlich zugänglich, doch wurde der Gesetzestext – mit marginalen Änderungen – und unter Ergänzung von Erläuterungen von Abg. Mag. Daniela Musiol in der XXV. Legislaturperiode in den Nationalrat eingebracht, siehe Antrag der Abg. Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates, das Volksbegehrengesetz 1973 und das Volksbefragungsgesetz 1989 geändert werden (24/A).
  11. 11 Genau genommen handelte es sich um einen gesamtändernden Abänderungsantrag und einen Antrag nach § 27 GOG der Abg. Dr. Cap, Mag. Gerstl und Mag. Musiol, Kolleginnen und Kollegen: http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/A/A_02177/imfname_313063.pdf,  http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/A/A_02177/imfname_313064.pdf.
  12. 12 Laut Auskunft des Bundeskanzlers vom 5. September 2013 waren zu diesem Zeitpunkt 170.000 aktive Handy-Signaturen und zusätzlich rund 78.000 e-Cards mit aktivierter Bürgerkartenfunktion im Einsatz. Statistik Austria schätzt etwa den Anteil der Personen, die eine der genannten Instrumente besitzt, bei 16 bis 24-Jährigen auf 7,3% und bei 65 bis 74-Jährigen auf 1,2% (Antwort des BK auf die parlamentarische Anfrage der Abg. Mag. Daniela Musiol betreffend direkte Demokratie und Bürgerkarte, 15.141/AB, 24. GP).
  13. 13 BKA-VD, Stellungnahme zum IA 2177, 24. GP, vom 14. März 2013.
  14. 14 Bundesministerium für Inneres, Alle Volksbegehren der 2. Republik, www.bmi.gv.at.
  15. 15 Gesamtändernder Abänderungsantrag vom 28. Juni 2013, Art. 3 (VolksbegehrenG) § 11 Abs. 2 und für die parlamentarische Bürgerinitiative: Art. 2 (BG über die Geschäftsordnung des Nationalrates) § 100 Abs. 4.
  16. 16 http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/A/A_02177/index.shtml.
  17. 17 Beschluss nach der Wahl: Koalition verschiebt Demokratiepaket, Der Standard vom 12. Juli 2013,www.derstandard.at.
  18. 18 Meyer, Thomas, Mediokratie, Suhrkamp, Frankfurt am Main (2001).
  19. 19 Stellungnahme der Israelitischen Kultusgemeinde vom 14. August 2013, 645/SN, XXIV. GP.
  20. 20 Arbeitsprogramm der österreichischen Bundesregierung 2013–2018, S. 90, www.bka.gv.at.
  21. 21 Wer will Demokratie wagen?, Tiroler Tageszeitung vom 19. Dezember 2013.
  22. 22 Eine Volksbefragung nach einem Volksbegehren sieht etwa zwingend Art. 59 Abs. 5 Oö. L-VG vor, ähnliche Mechanismen sehen die Landesverfassungen der Steiermark und Vorarlbergs vor. Mayerhofer, Michael, Landtagswahlen und Direkte Demokratie, in: Pürgy, Erich (Hrsg.), Das Recht der Länder I, Jan Sramek-Verlag, Wien, S. 153 (208) (2012); Merli, Franz, Langsame Demokratie, in: Gedenkschrift Robert Walter, Manzsche Verlags- und Universitätsbuchhandlung, Wien, S. 487 (2013).
  23. 23 Abg. Musiol, in:Direkte Demokratie: «Mitbestimmung ist nicht aufzuhalten», Die Presse vom 28. November 2013.
  24. 24 Siehe schon FN 10. Weiters liegt ein Entschließungsantrag der Abg. Dr. Kathrin Nachbaur zur Demokratiereform im Verfassungsausschuss (4/A(E)).