Jusletter IT

Nachhaltige öffentliche Beschaffung – Effizienz durch E-Procurement

  • Author: Angelika Götzl
  • Category: Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: E-Procurement
  • Collection: Tagungsband IRIS 2014
  • Citation: Angelika Götzl, Nachhaltige öffentliche Beschaffung – Effizienz durch E-Procurement, in: Jusletter IT 20 February 2014
Die zunehmende Bedeutung des umfassenden Umweltschutzes und einer schonenden Ressourcennutzung wird seitens der EU durch eine verstärkte Normierung hervorgehoben und war in den vergangenen Jahren auch in nationale Normen umzusetzen. Mit der jüngsten Novellierung des BVergG 2006 wurde die Energieeffizienzrichtlinie umgesetzt. Die Richtlinienentwürfe zur Normierung des europäischen Vergaberechtes verankern umweltrelevante Aspekte bei der Festlegung der Zuschlagskriterien und bei der Bewertung der Produktkosten durch Lebenszykluskosten. Viele öffentliche Auftraggeber sind EMAS III-zertifiziert und setzen ein nachhaltiges Ressourcenmanagement-system um. Öffentliche Beschaffung umfasst ca. 15% des BIP der EU-Mitgliedstaaten. Öffentliche Auftraggeber fungieren daher durch ihre Zielvorgaben und Nachfragewirkung als Motor technischer und strategischer Entwicklungen, fördern die Etablierung effizienter Verfahren (e-procurement, e-tendering), einer Ressourcennutzung im Sinne ökonomischer, ökologischer und sozialer Kriterien (Nachhaltigkeitskriterien) sowie eine Veränderung der Produktbewertungs- und Entscheidungsgrundsätze (Anschaffungskosten vs. Lebenszykluskosten). Der Beitrag stellt jüngst normierte umweltrelevante Regelungen der neuen Richtlinien des europäischen Vergaberechtes und die Zielsetzung zur Etablierung effizienter Verfahren, insbesondere von e-procurement und e-tendering dar.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Einleitung
  • 2. Nachhaltige Kriterien im europäischen Vergaberecht
  • 3. Verankerung von e-procurement in den neuen Vergaberichtlinien
  • 4. Schlussbemerkungen und Fazit

1.

Einleitung ^

[1]

Die neuen Vergaberichtlinien1 stellen in Bezug auf die nachhaltige Entwicklung eines gesamteuropäischen Wirtschafts- und Lebensraumes eine kontinuierliche Fortführung der Entwicklungen der vergangenen Jahre dar. Der steigende Stellenwert nachhaltigen, sozialen und umweltgerechten Agierens durch öffentliche Auftraggeber findet sowohl in der europäischen Normsetzung2 wie auch in der Judikatur3 und Literatur4 ihren Ausdruck. So werden Körperschaften ermutigt durch europaweit normierte und dadurch standardisierte Umweltmanagementsysteme einzuführen um ein effizienteres Ressourcenmanagement zu gewährleisten.5 Im Vergaberecht wurde die Einführung effizienterer Verfahren (e-tendering, e-procurement) normiert und in weiten Bereichen bereits umgesetzt – dies nicht nur um das Einsparungspotential durch eine effizientere Gestaltung der Abwicklung der öffentlichen Auftragsvergabe zu lukrieren, sondern auch mit der Intention KMUs die Beteiligung am Ausschreibungsverfahren zu erleichtern, da diese wesentliche Träger von Entwicklung und Innovation und Arbeitsplatzsicherung darstellen.

[2]

Auch hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltungsmöglichkeit bei der Vergabe öffentlicher Aufträge hat sich in den vergangenen Jahren die Perspektive dahingehend verändert, soziale und umweltrelevante Aspekte stärker zu verankern. In den neuen Vergaberichtlinien6 wird dies in den Regelungen bezüglich technischer Spezifikationen und Leistungsbeschreibungen, Produktions- und Produkteigenschaften und der Gestaltung der Anforderungen an Eignungs- und Zuschlagskriterien ersichtlich, drückt sich aber auch durch die Judikatur des EuGH in Bezug auf soziale und umweltrelevante, vor etwa 10 Jahren noch häufig als «vergabefremd» bezeichnete, Kriterien aus.7

[3]
Unternehmen, welche Kriterien der Nachhaltigkeit nicht berücksichtigen, erzielen einen Wettbewerbsvorteil gegenüber jenen, die ihre unter nachhaltigen Bedingungen hergestellte Leistung anbieten, weil sie externe Effekte letztlich auf den Steuerzahler bzw. die Öffentlichkeit übertragen. Erst die Einbeziehung sozialer und umweltrelevanter Kriterien macht daher einen fairen Wettbewerb möglich.

2.

Nachhaltige Kriterien im europäischen Vergaberecht ^

[4]
Die Möglichkeit zur Verankerung nachhaltiger, umweltrelevanter Werte im Bereich öffentlicher Auftragsvergaben besteht in der Leistungsbeschreibung der jeweiligen Ausschreibung in Form von Produktions- oder Produkteigenschaften sowie in deren Berücksichtigung in Form von Eignungs- und Zuschlagskriterien.
[5]

Die Vergaberichtlinie normiert die Vergabe öffentlicher Aufträge entsprechend des niedrigsten Preises (Billigstbieterprinzip) oder gemäß des wirtschaftlich günstigsten Angebotes (Bestbieterprinzip).8 Bei Auftragsvergabe nach dem Billigstbieterprinzip besteht lediglich die Möglichkeit zur Berücksichtigung nachhaltiger Kriterien in der Beschreibung, der technischen Spezifikationen bzw. der Funktionsanforderungen der Produktions- und Produkteigenschaften sowie durch die Festlegung der Eignungskriterien. Zur Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebotes wurde bisher nach Ausschluss nicht geeigneter Angebote aufgrund der Eignungskriterien9 sowie auf Basis der in der Leistungsbeschreibung festgelegten Anforderungen10 eine Bewertung der Angebote mit Hilfe der bereits in den Auftragsunterlagen hinsichtlich ihrer Reihenfolge und Gewichtung festgelegten Zuschlagskriterien vorgenommen.11 Judikatur und Literatur befassten sich in den vergangenen Jahren häufig mit der Abgrenzung von Eignungs- und Zuschlagskriterien12.

[6]

Die neue Vergaberichtlinie und die Sektorenrichtlinie13 erkennen zum einen an, dass die Auswahl der Bieter einerseits und die Erteilung des Zuschlages andererseits häufig Quelle von Fehlern und Missverständnissen waren und schlägt nun unter dem Aspekt der «Modernisierung der Verfahren» einen «flexibleren und benutzerfreundlicheren Ansatz» vor: «Die Vergabebehörden sollen die Möglichkeit haben, selbst zu entscheiden, welche Abfolge am sinnvollsten ist, indem sie die Prüfung anhand der Zuschlagskriterien gegebenenfalls vor der Prüfung anhand der Auswahlkriterien vornehmen; ferner sollen sie Organisation und Qualität der mit der Ausführung des Auftrags zu betrauenden Mitarbeiter als Zuschlagskriterium werten können.»14

[7]
Ob damit zukünftig weniger Missverständnisse auftreten ist fraglich – die Flexibilisierung der Reihenfolge der Prüfung von Eignungs- und Zuschlagskriterien ändert prinzipiell nichts an der Klassifizierung als Eignungs- bzw. Zuschlagskriterium an sich, dennoch scheint diese Flexibilisierung eine Herausforderung an das Klärungspotential des EuGH darzustellen. Die Möglichkeit die Qualifikation von Mitarbeitern als Zuschlagskriterium zu definieren wirft Fragen zur Umsetzung auf, insbesondere nach der Festlegung von Leistungsnachweisen, Anerkennung gleichwertiger Qualifikationen und deren Festschreibung in den Auftragsunterlagen bzw. deren Bewertung durch die Vergabebehörde und beinhaltet des weiteren die Problematik geeigneter sich für den Auftraggeber nicht nachteilig auswirkender Maßnahmen oder Sanktionen, falls es seitens des Auftragnehmers zum Verlust oder Wechsel von Mitarbeitern mit Schlüsselqualifikationen kommen sollte.
[8]
Die Judikatur befasst sich zudem mit Fragen zur Zulässigkeit der Bewertung selbst durch in den Auftragsunterlagen zunächst in geeigneter Art und Weise festgelegten Zuschlagskriterien15. In seiner bisherigen Rechtsprechung ließ der EuGH soziale und umweltrelevante Kriterien, im Konkreten die Begrenzung von Schadstoff- und Lärmemissionen16, die Stromlieferung aus erneuerbaren Energien17 und die Beschäftigung von (Langzeit-)arbeitslosen18 als Zuschlagskriterien zu, soweit ein Konnex zum Auftragsgegenstand gegeben war.
[9]
Die neue Vergaberichtlinie19 nennt als Ziel in den Erläuterungen, die öffentlichen Auftraggeber dahingehend unterstützen zu wollen «umwelt- und klimafreundliche Waren und Dienstleistungen zu beschaffen, die Innovationen befördern, und gleichzeitig einen Beitrag zur Beschäftigung und zur Verbesserung der öffentlichen Gesundheit und der sozialen Rahmenbedingungen leisten»20 und setzt daher einen erhöhten Maßstab in Richtung nachhaltiger öffentlicher Beschaffung. Durch die Möglichkeit zur Bewertung nach Lebenszykluskosten, der Festschreibung bestimmter Faktoren im Rahmen der technischen Spezifikationen des Produktionsprozesse (soweit diese im Zusammenhang mit der auszuschreibenden Leistung stehen und sich nicht allgemein auf Vorgehen von Unternehmen beziehen) wie auch durch die Möglichkeit der Festsetzung bestimmter Faktoren des Produktionsprozesses im Rahmen der Zuschlagskriterien verleiht die neue Vergaberichtlinie einem nachhaltigen Bewertungsansatz Ausdruck.21
[10]
Die Bewertung nach Lebenszykluskosten stellt auf eine Betrachtung der Gesamtkosten ab, welche alle Phasen der Existenz eines Produktes umfasst, selbst externe Umweltkosten soweit sie monetarisierbar und überprüfbar sind, sind zu kalkulieren. Sobald eine EU-Methode zur Berechnung der Lebenszykluskosten vorliegt ist diese von öffentlichen Auftraggebern anzuwenden.22
[11]
Konkreter werden diesbezüglich die neue Konzessionsrichtlinie23, welche in Art. 40 die Bewertung mittels Lebenszykluskosten normiert und die neue Sektorenrichtlinie24, welche die Möglichkeit der Bewertung nach Lebenszykluskosten in Art. 77 sowie im Rahmen der Zuschlagskriterien25 nennt.
[12]

Die jüngere Judikatur und Literatur beschäftigen sich mit der Berücksichtigung von sozialen und umweltrelevanten Qualitätsmerkmalen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge wie sie auch durch Gütezeichen ausgedrückt und bestätigt werden.26 Diesbezüglich vertrat der EuGH die Auffassung, dass nicht ein Gütezeichen selbst, aber dessen technische oder andere ausschreibungsrelevante Produkt- oder Produktionsspezifikationen Gegenstand der Auftragsunterlagen in Form der Leistungsanforderungen oder der Zuschlagskriterien darstellen können. Es sollte kein Bewerber zum Erwerb des Gütezeichens selbst veranlasst werden bzw. Angebote ausgeschieden werden, wenn das Angebot den durch das entsprechende Gütesiegel deklarierten Anforderungen entsprochen hätte.27 Die neue Vergaberichtlinie und die Sektorenrichtlinie sehen nun die Möglichkeit zur Vorschreibung von Gütezeichen vor.28 Sie erlauben öffentlichen Auftraggebern nun in ihren Auftragsunterlagen zu fordern, dass «Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen mit einem speziellen Gütezeichen angeboten werden, das bestimmte ökologische, soziale oder sonstige Eigenschaften bescheinigt, vorausgesetzt, dass auch andere, gleichwertige Gütezeichen anerkannt werden. Dies gilt beispielsweise für europäische oder (multi)nationale Umweltzeichen oder für Gütezeichen, die garantieren, dass ein Produkt ohne Kinderarbeit hergestellt wurde». Die Kriterien des Gütezeichens müssen mit dem Produkt im Konnex stehen die zu Grunde gelegten Daten sind auf wissenschaftlicher Basis zu ermitteln, das Verfahren muss Transparenz garantieren und darf keine Bieter benachteiligen.29 In jedem Fall ist sicherzustellen, dass durch die Verwendung von Gütezeichen kein Bieter benachteiligt wird. Daher sind gleichwertige Gütezeichen ebenso zu akzeptieren wie Angebote deren technische Leistungsspezifikationen den Anforderungen der Auftragsunterlagen entsprechen, auch wenn sie nicht mit dem entsprechenden Gütezeichen versehen sind.30

[13]
Sektoren- und Vergaberichtlinie normieren nun zudem, dass bei Ausschreibung von Bauarbeiten, Dienstleistungen oder Lieferungen in Form von Leistungs- oder Funktionsanforderungen, welche entsprechende Umweltmerkmale erfüllen, Auftraggeber die Kennzeichnung der Leistung mit einem entsprechenden Gütezeichen verlangen können.31 Legen Auftraggeber mittels Angabe technischer Spezifikationen die Leistungs- und Funktionsanforderungen des Auftrages fest, so dürfen Angebote, welche einer nationalen Norm entsprechen mit der eine europäische Norm umgesetzt wird bzw. einer europäischen Zulassung oder einem anderen europäischen Bezugssystem entsprechen, nicht zurückgewiesen werden, wenn es sich dabei um für den Auftrag relevante technische Spezifikationen handelt.32
[14]
Mit diesen Regelungen soll es Auftragnehmern erleichtert werden auf Gütezeichen Bezug zu nehmen. Um die Gleichberechtigung von Bietern zu gewährleisten wird es weiterhin ratsam sein, die qualitativen Spezifikationen der gegebenenfalls in den Auftragsunterlagen geforderten Gütezeichen, deren technische Leistungs- und Funktionsanforderungen sowie gegebenenfalls die mittels Gütezeichen geforderten Produktions- oder Produkteigenschaften in den Auftragsunterlagen detailliert anzuführen.

3.

Verankerung von e-procurement in den neuen Vergaberichtlinien ^

[15]

In ihrer Mitteilung bzgl. der Strategie zur elektronischen Vergabe33 stellt die Kommission «die wichtigsten Maßnahmen vor, mit denen sie die volle Umstellung auf e-Vergabe in der EU unterstützen will.» Damit soll eine Vereinfachung der Ausschreibungsverfahren, eine Verbesserung der Qualität des Ausschreibungsergebnisses, v.a. durch eine breite Beteiligung von Bietern und die Erhöhung der Anzahl der Angebote, sowie der effiziente Einsatz öffentlicher Mittel erreicht werden. Die Kommission geht diesbezüglich von Einsparungen im Bereich von 5–20 % aus, wodurch sich bezogen auf das Vergabevolumen im gesamten Raum der EU das erhebliche Einsparungspotential von mindesten 100 Mrd. Euro ergeben würde.34 Mittels e-tendering soll die Transparenz öffentlicher Vergaben erhöht35 und Korruption vermindert werden und KMUs die Beteiligung an öffentlichen Vergaben erleichtert werden.36 Die Grundsätze von Transparenz und Gleichbehandlung sind auch mit Hilfe einer Entwicklung geeigneter Verfahrensmodalitäten zu gewährleisten, dies gilt insbesondere bei Vergabeverfahren wie Rahmenvereinbarungen37, dynamischen Beschaffungssysteme38 und elektronischen Auktionen39. Vor allem diese genannten Verfahren die Vergabe durch elektronische Kataloge, zentrale Beschaffungsstellen und gemeinsame Auftragsvergabe sind daher zu optimieren.40

[16]

In den neuen Vergaberichtlinien41 ist die Förderung der elektronischen Vergaben als Zielsetzung verankert. Ziel ist die vollelektronische Beschaffung, welche von der Bekanntmachung der geplanten Auftragsvergabe z.B. auf geeignete Internetadressen (SIMAP42), über die elektronische Kommunikation im Rahmen der Einreichung von Angeboten und der Vergabe des Auftrages (Vorvergabephase) bis hin zur elektronischen Rechnungslegung43 (Nachvergabephase).44 Die neuen Vergaberichtlinien45 sollen die Mitgliedstaaten bei der Umstellung auf elektronische Beschaffungssysteme unterstützen und normieren die Verpflichtung zur vollständigen Umsetzung der elektronischen Vergabe46 innerhalb der Übergangsfrist von zwei Jahren ab dem in der jeweiligen Richtlinie genannten Umsetzungszeitpunkt für die jeweilige Richtlinie selbst.47 Die technischen Vorkehrungen sollten entsprechend dem technologischen Fortschritt angepasst werden und dem Bedarf der Vergabebehörden Rechnung tragen. Die Kommission wird ermächtigt, Normen, Formate und Prozesse für die elektronische Kommunikation sowie die Anforderungen an Ankündigungen vorzugeben um die Interoperabilität und Einheitlichkeit zu garantieren.48

[17]
Im Folgenden werden die Regelungen zur traditionellen, allgemeinen Vergaberichtlinie und zur Sektorenrichtlinie beleuchtet.49 Bis zur festgesetzten Übergangsfrist geben die neuen Vergaberichtlinien Auftraggebern hinsichtlich der Durchführung von Verfahren (ausgenommen dynamische Beschaffungssysteme, elektronische Auktionen, elektronische Kataloge, für welche der Einsatz elektronischer Mittel verpflichtend ist), die Möglichkeit freiwillig elektronische Vergabeverfahren zu wählen.50 Entscheidet sich der Auftraggeber, elektronische Vergabemodalitäten zuzulassen, müssen die Vergabegrundsätze, wie Transparenz und Gleichbehandlung von Bewerbern gewährleistet sein. Es ist daher sicherzustellen, dass die zur Informationsübermittlung eingesetzten technischen Mittel allgemein zugänglich sind und mit allgemeinen verwendeten IT-Produkten kompatibel sind.51 Die Informationen über die Spezifikationen, die für die elektronische Übermittlung der Angebote und Teilnahmeanträge erforderlich sind, einschließlich der Verschlüsselung und Zeiterfassung, müssen den Interessenten zugänglich sein, die Vorrichtungen, Authentifizierungsmethoden und elektronischen Signaturen müssen den in den Anhängen der Richtlinien angeführten Anforderungen genügen. Die öffentlichen Auftraggeber legen das erforderliche Sicherheitsniveau fest, das im Verhältnis zu den verbundenen Risiken stehen muss. Sind fortgeschrittene elektronische Signaturen52 erforderlich, akzeptieren die öffentlichen Auftraggeber Signaturen, die sich auf ein qualifiziertes elektronisches Zertifikat stützen. Das Öffnen der Angebote sollte erst nach Ende der Angebotsfrist und lediglich unter der Voraussetzung, dass zwei Vertreter des öffentlichen Auftraggebers am Verfahren zur Öffnung der Angebote teilnehmen, erfolgen.53
[18]
Die neuen Vergaberichtlinien schreiben bei folgenden Verfahren ab dem Umsetzungszeitpunkt die elektronische Vergabe vor:
[19]
Bei dynamischen Beschaffungssystemen erfolgt zunächst der Aufruf zum Wettbewerb, der die Angabe enthält, dass es sich um ein dynamisches Beschaffungssystem handelt. In den Spezifikationen sind Angaben bzgl. Art und Quantität des Auftrages, der verwendeten elektronischen Ausrüstung und Verbindung zu geben und es ist der uneingeschränkte vollständige direkte Zugang für alle Interessenten zu diesen Spezifikationen und anderen Unterlagen zu gewährleisten. Jedem Wirtschaftsteilnehmer ist die Möglichkeit zu geben die Teilnahme am dynamischen Beschaffungssystem zu beantragen. Die Eignung des Antragstellers ist innerhalb von 10 Arbeitstagen zu bewerten und der Antragsteller frühestmöglich über dieses Ergebnis zu unterrichten. Alle qualifizierten Teilnehmer sind zur Abgabe ihres Angebotes aufzufordern. Die Dauer des dynamischen Beschaffungssystems ist bekannt zu geben. Der Zuschlag ist anhand der in der Ankündigung bzw. den Auftragsunterlagen festgelegten Zuschlagskriterien, welche in der Aufforderung zur Angebotsabgabe noch präzisiert werden können, zu erteilen. Die Vergabe ist bekannt zu geben.54
[20]
Erfolgt die Vergabe in Form elektronischer Auktionen55 ist nach einer ersten Bewertung die Rangfolge der Angebote bekannt zu geben. Elektronische Auktionen können nach dem Best- oder dem Billigstbieterprinzip erfolgen und dem offenen, nichtoffenen und Verhandlungsverfahren vorgelagert werden, soweit die Spezifikationen des Auftrages genügend präzisiert werden können. In der Auftragsankündigung ist auf die Durchführung als elektronische Auktion hinzuweisen und Mindestangaben zu Inhalt und Verfahrensdurchführung sowie der Bewertungsmodus, im Fall des Bestbieterprinzips die mathematische Formel der Gewichtung der Zuschlagskriterien, nach welcher die Reihung neuer Angebote erfolgt – bei Zulässigkeit von Alternativangeboten auch diese Gewichtungsformeln –, sind anzuführen. Vor Beginn der elektronischen Auktion ist mittels Zuschlagskriterien eine Bewertung vorzunehmen und die Übereinstimmung mit den auftragsspezifischen Spezifikationen zu prüfen. Alle qualifizierten Bieter werden danach gleichzeitig zur Teilnahme an der elektronischen Auktion aufgefordert. Die Auktion darf frühestens 2 Tage nach der Aufforderung beginnen und kann mehrere Phasen umfassen. In jeder Phase ist den Bietern die Information zur Verfügung zu stellen, die zur Ermittlung ihrer Reihung erforderlich ist, z.B. gebotene Preise und andere Werte, keinesfalls aber die Identität der Bieter. Die elektronische Auktion wird zu einem zuvor genannten Zeitpunkt, wenn innerhalb eines zuvor genannten Zeitrahmens keine weiteren Angebote einlangen oder wenn die zuvor festgelegten Auktionsphasen erfüllt sind, geschlossen und der Auftrag entsprechend des Ergebnisses vergeben. 56
[21]
Schreiben die Auftraggeber die Verwendung elektronischer Kommunikationsmittel vor können sie die Einreichung von Angeboten mittels elektronischer Kataloge akzeptieren oder verlangen. In diesem Fall ist in der Bekanntmachung der Auftragsvergabe, in etwaigen Vorinformationen und den Auftragsunterlagen darauf hinzuweisen und die technischen Spezifikationen zur elektronischen Kommunikation zu nennen. Wurden mit Wirtschaftsteilnehmern Rahmenvereinbarungen aufgrund als elektronische Kataloge eingereichter Angebote geschlossen, kann der Auftraggeber vorschreiben, dass der neuerliche Aufruf zum Wettbewerb für einzelne Aufträge auf der Basis aktualisierter Kataloge erfolgt. Es ist eine angemessene Frist, bis zu welcher dem Auftraggeber die Anpassungen an die neuen Auftragsanforderungen ermöglicht werden, festzusetzen, dem Auftraggeber der Termin der Abgabe der angepassten Informationen zu nennen und ihm Gelegenheit zur Überprüfung der Korrektheit dieser Angaben zu geben.57
[22]
Der Verpflichtung nicht nur bei den bereits bisher obligatorisch elektronisch durchzuführenden Verfahren sondern nach der vorgesehenen Frist58 für alle Vergabeverfahren die elektronische Vergabe durchzuführen, geeignete Modalitäten und Plattformen bereitzustellen und dadurch einer breiten Basis von Wirtschaftsteilnehmern die Teilnahme an öffentlichen Vergaben zu ermöglichen kommt man in schnellen Schritten näher. Das durch die EU geförderte Projekt PEPPOL beispielsweise ermöglicht schon jetzt eine vollständige elektronische Vergabe bis hin zur elektronischen Rechnungslegung.59

4.

Schlussbemerkungen und Fazit ^

[23]
Mit den neuen Vergaberichtlinien wird das in den vergangenen Jahren durch die europäische Normsetzung immer stärker verankerte Ziel die Entwicklung eines europäischen Wirtschafts- und Lebensraumes zu fördern weiter verfolgt. Die Möglichkeit der Verankerung nachhaltiger Vergabekriterien wird ergänzt durch die Förderung und Etablierung effizienter, ressourcenschonender Verfahren. Die Kommission erhält weitreichende Befugnisse zur Vereinheitlichung der Umsetzung.
[24]
Es bleibt abzuwarten inwieweit Interoperabilität und Sicherheitsstandards europaweit umgesetzt werden, sodass eine möglichst große Anzahl von Bietern und v.a. KMUs die Beteiligung an elektronischen Vergaben wahrnehmen. Insgesamt stellt die verstärkte Förderung elektronischer Beschaffungssysteme einen wesentlichen, zielkonformen Beitrag und richtigen Schritt zu einem schonenden Umgang mit unseren Ressourcen dar.

 

Angelika Götzl

Juristin, Biologin, Universität Salzburg

Hellbrunnerstr. 34, 5020 Salzburg, AT

angelika.goetzl@sbg.ac.at

 


  1. 1 Vgl. KOM 20. Dezember 2011 896 (endgültig) im Folgenden: Vergaberichtlinie, KOM 20. Dezember 2011 895 (endgültig) im Folgenden: Sektorenrichtlinie, KOM 20. Dezember 2011 897 (endgültig) im Folgenden: Konzessionsrichtlinie.
  2. 2 Vgl. KOM 20. Dezember 2011 896 (endgültig), KOM 20. Dezember 2011 895 (endgültig), KOM 20. Dezember 2011 897 (endgültig).
  3. 3 EuGH 17. September 2002, C-513/99 Concordia Bus, Slg 2002, I-7213; EuGH 4. Dezember 2003, C-448/01 Wienstrom, Slg 2003, I-14527; EuGH 20. September 1988, C-31/87 Beentjes, Slg 1988, 4635; EuGH 26. September 2000, C-225/98 Nord-Pas-de-Callais; EuGH 24. Januar 2008, C-532/06, Lianakis.
  4. 4 Holoubek, Michael, Auftragsbezogene Anbieteraspekte bei der Bestbieterermittlung – Überlegungen aus Anlass des EuGH-Urteils in der Rs. Lianakis, ZVB 2008, 78, S. 293; Wagner, Alice, Bahn frei für soziale Auftragsvergabe? Eine Analyse des EuGH-Urteils vom 10. Mai 2012, C-368/10 Max Havelaar betreffend die Verankerung von Umwelt- und Fair Trade-Gütezeichen im öffentlichen Beschaffungsprozess, juridikum 2012 S. 428.
  5. 5 VO 1221/2009 EG vom 25. November 2009 über die freiwillige Teilnahme von Organisationen an einem Gemeinschaftssystem für Umweltmanagement und Umweltbetriebsprüfung.
  6. 6 KOM 20. Dezember 2011 896 (endgültig), KOM 20. Dezember 2011 895 (endgültig), KOM 20. Dezember 2011 897 (endgültig).
  7. 7 EuGH 17. September 2002, C-513/99 Concordia Bus, Slg 2002, I-7213; EuGH 4. Dezember 2003, C-448/01 Wienstrom, Slg 2003, I-14527; EuGH 20. September 1988, C-31/87 Beentjes, Slg 1988, 4635; EuGH 26. September 2000, C-225/98 Nord-Pas-de-Callais; EuGH 24. Januar 2008, C-532/06, Lianakis.
  8. 8 Art. 66 KOM 20. Dezember 2011 896 (endgültig), Art. 47, 76, KOM 20. Dezember 2011 895 (endgültig), Art. 39 KOM 20. Dezember 2011 897 (endgültig).
  9. 9 Nachweis durch Aufnahme in das europäische Nachweissystem e-Certis, oder das Auftragnehmerkataster Österreich (ANKÖ).
  10. 10 Technischen Spezifikationen, Funktionsanforderungen, Produktions- und Produkteigenschaften u.a.
  11. 11 Vgl. zur Konkretisierung von Auftragsbeschreibungen und diesbezüglichen MängelnGötzl, Philipp, Aspekte zu den Konkretisierungserfordernissen einer Ausschreibung, RPA 2006, 6.
  12. 12 EuGH 24. Januar 2008, C-532/06, Lianakis; vgl. auch Holoubek, Michael, Lianakis 2008, 296 f.
  13. 13 Vgl. KOM 20. Dezember 2011 896 (endgültig).
  14. 14 Vgl. KOM 20. Dezember 2011 896 (endgültig), KOM 20. Dezember 2011 896 (endgültig): Einzelerläuterungen.
  15. 15 VwGH 22. April 2009, 2007/04/0065; VwGH 9. April 2013, 2011/04/0224.
  16. 16 EuGH 17. September 2002,C-513/99 Concordia Bus, Slg 2002, I-7213.
  17. 17 EuGH 4. Dezember 2003,C-448/01 Wienstrom, Slg 2003, I-14527.
  18. 18 EuGH 20. September 1988,C-31/87 Beentjes, Slg 1988, 4635; EuGH 26. September 2000, C-225/98 Nord-Pas-de-Callais.
  19. 19 Vgl. KOM 20. Dezember 2011 896 (endgültig).
  20. 20 Vgl. KOM 20. Dezember 2011 896 (endgültig): Einzelerläuterungen.
  21. 21 Vgl. KOM 20. Dezember 2011 896 (endgültig): Einzelerläuterungen.
  22. 22 Vgl. KOM 20. Dezember 2011 896 (endgültig): Einzelerläuterungen.
  23. 23 Vgl. KOM 20. Dezember 2011 897 (endgültig).
  24. 24 Vgl. KOM 20. Dezember 2011 895 (endgültig).
  25. 25 Art. 76 KOM 20. Dezember 2011 895 (endgültig).
  26. 26 EuGH 10. Mai 2012, C-368/10 Max Havelaar; Wagner, Alice, Bahn frei für soziale Auftragsvergabe? Eine Analyse des EuGH-Urteils vom 10. Mai 2012, C-368/10 Max Havelaar betreffend die Verankerung von Umwelt- und Fair Trade-Gütezeichen im öffentlichen Beschaffungsprozess, juridikum 2012 S. 428.
  27. 27 EuGH 10. Mai 2012, C-368/10 Max Havelaar.
  28. 28 Vgl. KOM 20. Dezember 2011, 896 (endgültig) sowie KOM 20. Dezember 2011 895 (endgültig): Einzelerläuterungen.
  29. 29 Vgl. KOM 20. Dezember 2011, 896 (endgültig) sowie KOM 20. Dezember 2011 895 (endgültig): Einzelerläuterungen.
  30. 30 Art. 41 KOM 20. Dezember 2011, 896 (endgültig) und Art. 55 KOM 20. Dezember 2011 895 (endgültig).
  31. 31 Vgl. Art. 41 KOM 20. Dezember 2011, 896 (endgültig) und Art. 55 KOM 20. Dezember 2011 895 (endgültig).
  32. 32 Art. 40 KOM 20. Dezember 2011, 896 (endgültig) und Art. 54 KOM 20. Dezember 2011 895 (endgültig).
  33. 33 Vgl. KOM 20. April 2012, 179 (endgültig).
  34. 34 Vgl. KOM 20. April 2012, 179 (endgültig).
  35. 35 Vgl. Bayer, Tony, E-Tendering – das Ende der Zettelwirtschaft? In: Beschaffung Austria 2011, 16; KOM 2011, 896 (endgültig).
  36. 36 Vgl. KOM 20. Dezember 2011 896 (endgültig), KOM 20. Dezember 2011 895 (endgültig).
  37. 37 Art. 31 KOM 20. Dezember 2011 896 (endgültig), Art. 45 KOM 20. Dezember 2011 895 (endgültig).
  38. 38 Art. 32 KOM 20. Dezember 2011 896 (endgültig), Art. 46 KOM 20. Dezember 2011 895 (endgültig).
  39. 39 Art. 32 KOM 20. Dezember 2011 896 (endgültig), Art. 47 KOM 20. Dezember 2011 895 (endgültig).
  40. 40 Vgl. KOM 20. Dezember 2011 896 (endgültig), KOM 20. Dezember 2011 895 (endgültig).
  41. 41 KOM 20. Dezember 2011 896 (endgültig), KOM 20. Dezember 2011 895 (endgültig), KOM 20. Dezember 2011 895 (endgültig).
  42. 42 Système d’information sur les marchés Publics, http://www.simap.eu.int.
  43. 43 Fruhmann, Michael, Vergaberecht aktuell, Universität Salzburg, Salzburg (2013).
  44. 44 Vgl. KOM 20. April 2012, 179 (endgültig).
  45. 45 Vgl. KOM 20. Dezember 2011 896 (endgültig), KOM 20. Dezember 2011 895 (endgültig).
  46. 46 Bekanntmachung in elektronischer Form, die elektronische Verfügbarmachung der Auftragsunterlagen, die ausschließliche elektronische Kommunikation.
  47. 47 Art. 19 i.V.m. Art. 92 KOM 20. Dezember 2011 896 (endgültig), Art. 34 i.V.m. Art. 101 KOM 20. Dezember 2011 895 (endgültig).
  48. 48 Art. 89 KOM 20. Dezember 2011 896 (endgültig), Art. 98 KOM 20. Dezember 2011 895 (endgültig).
  49. 49 Vgl. KOM 20. Dezember 2011 896 (endgültig), KOM 20. Dezember 2011 895 (endgültig).
  50. 50 Art. 19 KOM 20. Dezember 2011 896 (endgültig), Art. 33 KOM 20. Dezember 2011 895 (endgültig).
  51. 51 Auch nicht-allgemein-gebräuchliche technische Mittel können als Alternativen vorgesehen werden – Auftraggeber haben Alternativen im Bereich der elektronische Kommunikation in folgenden Fällen zur Verfügung stellen: sie bieten ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der Bekanntmachung oder ab dem Datum der Versendung der Aufforderung der Interessensbestätigung den uneingeschränkten Zugang anhand elektronischer Mittel; der Text der Bekanntmachung muss die Internetadresse über die die diese Instrumente abrufbar sind beinhalten; wenn gewährleistet werden soll, dass Bieter anderer Mitgliedstaaten mittels provisorischer Token Zugang zum Vergabeverfahren haben und zur Unterstützung alternativer Kanäle für die Einreichung von Angeboten.
  52. 52 Vgl. Deutsches Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft: elektronische Vergabe von Aufträgen der Bundesverwaltung.
  53. 53 Vgl. Deutsches Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft: elektronische Vergabe von Aufträgen der Bundesverwaltung.
  54. 54 Art. 32 i.V.m. Art. 19, 52, 48 KOM 20. Dezember 2011 896 (endgültig), Art. 46 KOM 20. Dezember 2011 895 (endgültig).
  55. 55 Vgl. zu elektronischen Vergabeverfahren und elektronischen Auktionen auchGötzl, Philipp, Die elektronische Vergabe nach dem BVerGG 2006, RPA 2006, 142.
  56. 56 Art. 33 i.V.m. Art. 66 KOM 20. Dezember 2011 896 (endgültig), Art. 47 KOM 20. Dezember 2011 895 (endgültig).
  57. 57 Art. 34 i.V.m. Art. 66 KOM 20. Dezember 2011 896 (endgültig), Art. 48 KOM 20. Dezember 2011 895 (endgültig).
  58. 58 Art. 19 i.V.m. Art. 92 KOM 20. Dezember 2011 896 (endgültig), Art. 34 i.V.m. Art. 101 KOM 20. Dezember 2011 895 (endgültig).
  59. 59 Bayer, Tony, Gemeinsame Bausteine für eine grenzenlose Beschaffung, In: Beschaffung Austria – Standardisierung Projekt PEPPOL, 2011, 17.