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Der Eigentumsbegriff im Wandel der Zeit – eine philosophisch-ökonomische Analyse

  • Authors: Werner Faßrainer / Robert Müller-Török
  • Category: Articles
  • Region: Germany
  • Field of law: Legal Theory
  • Collection: Tagungsband IRIS 2014
  • Citation: Werner Faßrainer / Robert Müller-Török, Der Eigentumsbegriff im Wandel der Zeit – eine philosophisch-ökonomische Analyse, in: Jusletter IT 20 February 2014
Aktuelle Zahlen belegen weltweit eine größere Ungleichverteilung des Eigentums bei einer sich immer stärker öffnenden Einkommensschere. Die Bandbreite der politischen Diskussion reicht von «Working poor shall eat the rich» auf der einen Seite bis zur Forderung nach dem Minimalstaat und den Konzepten der Neoliberalen auf der anderen Seite. In Deutschland verweist man häufig auf Artikel 14 des Grundgesetzes, nach dem der Gebrauch des Eigentums zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen soll. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Abstracts führt die Intensität der Auseinandersetzung in den USA zur realen Gefahr der Zahlungsunfähigkeit des Staates. Der Begriff des Eigentums wird von den Diskutanten kaum zum Problem gemacht, sondern als bekannt und allgemein gleich verstanden vorausgesetzt. Unser Beitrag beinhaltet kein Urteil, keine Empfehlung zu gängigen Positionen sondern er möchte in Erinnerung rufen, was «Eigentum» aus historischer, aus philosophischer und aus ökonomischer Sicht überhaupt ist. Unsere wortgeschichtliche Prüfung greift zunächst die Benennungen der griechischen Antike «oikeion» (Eigenes), «oikeiôsis» (Zueignung) und «oikonomia» (Haushaltsführung) auf. Das Ziel unseres Beitrages ist es, der gegenwärtigen und sicherlich nicht abgeschlossenen Diskussion eine solide Grundlage zu geben.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Einleitung
  • 2. Ausgewählte Probleme im Spannungsfeld des Eigentums
  • 2.1. Sozialbindung des Eigentums
  • 2.2. Missbrauch des Eigentums
  • 2.3. Bedingungen, Möglichkeiten und Grenzen staatlicher Eingriffe in das Eigentumsrecht
  • 2.4. Eigentumsrechte an unkörperlichen Dingen, die beliebig und zerstörungsfrei reprod
  • 3. Fazit und weiterer Forschungsbedarf

1.

Einleitung ^

[1]
Ehe über die Verteilung des Eigentums und ihre Gerechtigkeit, Vertretbarkeit, Ungerechtigkeit u. dgl. gesprochen werden kann, bedarf es einer Klärung des Eigentumsbegriffes.
[2]

Die Etymologie ist hier nur bedingt hilfreich, sie spricht von «eigentümlich» Adj. Std. (15. Jhdt.). Zu Eigentum n., dem Abstraktum von eigen Adj. gebildet, zunächst mit der Bedeutung «als Eigentum zugehörig» dann «jemand als Besonderheit zukommend, typisch», und schließlich «merkwürdig»1. Ein Blick in die Rechtsliteratur trägt gleichfalls nur wenig zur Klarheit des Begriffes bei, dass es, nach gängiger sozialphilosophischer Lehre ein überpositives, d.h. jeglicher menschlichen Rechtssetzung übergeordnetes Recht des Menschen ist2. Ebenso unpräzise, aber greifbarer ist die Definition im Brockhaus: «Eigentum, die umfassende Besitz-, Verfügungs- und Nutzungsmacht über Gebäude, Grund und Boden und sonstige Habe»3. Die unklaren Begriffe wie «umfassend» und «sonstige Habe» geben bereits eine Vorstellung, dass eine Definition schwierig ist. Aus diesem Grunde betrachten wir den Eigentumsbegriff zunächst aus antiker Sicht, sozusagen auf die Grundlagen unserer Kultur zurückgehend.

[3]
Das antike Griechenland besaß keinen unserem heutigen Verständnis entsprechenden Begriff für das «Eigentum», ähnlich wie es auch keinen «Wahrheitsbegriff» in unserm heutigen Verständnis kannte. Hingegen gab es folgende drei Begriffe, die unsere wortgeschichtliche Prüfung einleiten:
  • Oikeion: Dieses «eigene» hat eine andere Bedeutung, nämlich nach Plato ist bspw. das Gute etwas «eigenes und seiniges», eine charakterspezifische Aufgabe, die durch eine höhere Ordnung vermittelt wird4. In unserer heutigen Verständniswelt ist es das «eigen» in «Jemand hat sich eine Aufgabe zu eigen gemacht».
  • Oikeiôsis: Diese «Zueignung» ist das Substantiv des vorigen Begriffes, wenn sich der nach Weisheit (sophia) strebende Mensch tatsächlich etwas zu eigen macht, wobei dies nicht im ökonomisch-rechtlichen Sinn zu interpretieren wäre, sondern im moralphilosophischen Kontext verstanden werden sollte. Die Oikeiôsis erklärt in gewisser Weise die kontinuierliche Entwicklung des Menschen von seinen biologischen Notwendigkeiten zum moralfähigen Vernunftswesen5.
  • Oikonomia: Dieser Begriff bedeutete «geordnete Führung eines Haushaltes», also das, was wir gemeinhin unter Wirtschaften verstehen. Kennzeichnend für die Geisteshaltung der antiken Griechen steht hier die Warnung Platos, dass aus der Oikonomia die Gefahr sittlichen Verderbens erwächst, da sie mit materiellem Vermögen zu tun hat6.
[4]

Die Begrifflichkeiten blieben lange erhalten. Aus dem «oikos» wurde das «domus» und aus dem «oikodespoten», dem mit patriarchalischer und faktisch uneingeschränkter Gewalt über die dem «oikos» Zugehörigen der «pater familias», der uns aus dem römischen Recht wohlbekannt ist7. Dieser Begriff des «ganzen Hauses», wie man «oikos» üblicherweise übersetzt, war, wie Bauer und Matis gezeigt haben, bis zur Neuzeit prägender Mittelpunkt des wirtschaftlichen Handelns der Menschen in Europa8. Hier wurde u.a., wie ausführlich bei Bauer und Matis beschrieben, durch Prozesse des Abstiftens der freien Bauernstellen, der Einhegung von Allmenden etc. die Grundlage für das Wirtschaftssystem gelegt, welches wir in unserer heutigen Zeit kennen und das u. a. von einem Zentralstaat geprägt ist. Eine erwähnenswerte Besonderheit kennzeichnete diesen Prozess: «Die Soziogenese des Zentralstaates aus dem oikos, dem Rahmenhaushalt des Fürsten, führt zur Verschmelzung zweier bislang streng geschiedener Bereiche, des privaten wie des öffentlichen»9. Dass dieser Transformationsprozess, von Polanyi als «The Great Transformation» bezeichnet, einen anderen Begriff brauchte als die vom oikos geprägte oikonomia, ist evident: Dieser Begriff fand sich im Eigentum, welches für die Neuzeit samt beginnender Industrialisierung, Welthandel u. dgl. zentral war.

[5]

Der Begriff des Eigentums ist, wie wir aus der bisherigen Untersuchung bereits entnehmen können, ein Institut, welches

  1. In einem Konfliktfeld zwischen sittlich-moralischen Ansprüchen und wirtschaftlich-rechtlichen Ansprüchen steht, wie sie sich aus der Warnung Platos ergeben
  2. Einer permanenten historischen Umdeutung unterworfen, in Abhängigkeit von den jeweils vorherrschenden Machtverhältnissen (Regierungsformen). Es ist in diesem Zusammenhang bemerkenswert, dass die verfügbare Literatur über den Eigentumsbegriff häufig aus historischen Abhandlungen besteht. Ein kulturunabhängiger, ein historienunabhängiger Eigentumsbegriff scheint nicht zu existieren10.
[6]
Um diese bedeutende Einschränkung, dass es einen Eigentumsbegriff jenseits von zeit- und regimeabhängigen Einflüssen nicht gibt, zu untermauern, sei auf das Beispiel der Sklaverei hingewiesen: In etlichen Regimen11, u.a. auch in den USA vor 150 Jahren, war das Eigentum an Menschen Bestandteil der Rechtsordnung. «Eigentum gab es natürlich auch an den Sklaven, deren Bedeutung für das Wirtschaftssystem immens war»12, schreibt Vittorio Hösle über die römische Republik.
[7]

Hilfsweise seien hier deshalb einige Konnexionen eingeführt, die den Eigentumsbegriff, wie im Folgenden verwendet, zu verstehen helfen sollen:

  • Eigentum und sein Erwerb: Man unterscheidet zwischen dem ursprünglichen Erwerb, z.B. beim Finden von Gold in einem Urwald, und dem abgeleiteten Erwerb, z.B. durch Kauf oder Raub. In diesem Zusammenhang ist die Ansicht von Locke von Bedeutung, der formulierte, dass die Arbeit an etwas ein Eigentumsrecht begründet. Diese Ansicht begrenzte er insofern, als man sich nicht mehr aneignen könne, wie man in der Lage wäre, selbst zu gebrauchen13. Diese Ansicht wurde von Karl Marx vertieft, erweitert und floss in die Theorie des Mehrwerts ein.
  • Eigentum und Religion: Wie Max Weber in «Die protestantische Ethik oder der Geist des Kapitalismus» in beeindruckender Weise dargelegt hat14, gibt es Religionsgemeinschaften, die unterschiedliche Eigentumsformen und Umgehensweisen mit diesem Eigentum fördern. Dass diese unterschiedlichen Religionsgemeinschaften, wenn sie zum Regime werden, Einfluss auf die Verteilung des Eigentums haben, ist evident.
  • Eigentum und seine Verteidigung: Da das Eigentum in den meisten Regimes ein Recht darstellt, darf zu seiner Verteidigung zu Zwangsmitteln gegriffen werden.
  • Eigentum und sein ausnahmeweise gestatteter Entzug in Form von Leistungsrechten: Es gibt in den meisten Regimes Regelungen, unter welchen Bedingungen das Eigentum zu einem höher eingeschätzten Zweck entzogen werden darf.
  • Eigentum und Erbrecht: Hier stellt sich die Frage, an wen das Eigentum Verstorbener fällt. Je nach Regime stehen das Gemeinwesen (der Staat), der König/Lehensherr/Diktator oder die Verwandten zur Disposition. Im österreichischen Zivilrecht wurde der Erbmasse sogar der Status einer juristischen Person zuerkannt, in deren Namen ein Kurator aktiv werden kann.
  • Individualeigentum versus Kollektiveigentum: Dass es neben Kollektiveigentum auch Privateigentum geben muss, steht auf Grund der Erfahrungen mit Kollektiveigentum in den sozialistischen Gesellschaften des 20. Jahrhundert außer Streit. Dass es hinsichtlich des Kollektiveigentums, das bereits bei vergleichsweise kleinen Hauseigentümergemeinschaften beginnt, Probleme in der Entscheidungsfindung und –durchsetzung geben kann, sollte ebenfalls als außer Streit stehend angesehen werden. Wie groß diese Probleme sind, wenn das Eigentümerkollektiv sehr groß wird, ist ebenfalls evident. Die Anwesenheitslisten von Hauptversammlungen großer Aktiengesellschaften, in denen dann bei Milliardenunternehmen bestenfalls 30 oder 40 Prozent des Kapitals und unter 10 Prozent der Eigentümer vertreten sind, können leicht von jedermann eingesehen werden.

2.

Ausgewählte Probleme im Spannungsfeld des Eigentums ^

[8]
Aus dem ungeklärten Eigentumsbegriff kommend ist es naheliegend, dass sich Spannungen ergeben. Da es «dem Menschen an sich» offenkundig unmöglich ist, ohne Eigentum auszukommen, ist es eine das gesamte Gemeinwesen wie auch jeden Einzelnen betreffende Angelegenheit.

2.1.

Sozialbindung des Eigentums ^

[9]

Die Frage nach der Sozialbindung des Eigentums ist vor allem eine Frage der Rechtsgüter, die auf dem Spiel stehen. Menschliches Leben ist ein außerordentlich hohes Gut und wird regelmäßig dem Eigentum übergeordnet. Damit drängt sich die Frage auf, ob ein Eingriff in das Eigentumsrecht automatisch erfolgen muss, wenn Leben bedroht ist15. Zur Illustration, diesem Automatismus nach ist ein Eingriff in das Eigentumsrecht eines Supermarktes auf der italienischen Insel Lampedusa zwingend, wenn Flüchtlinge aus Afrika ankommen16.

2.2.

Missbrauch des Eigentums ^

[10]

Artikel 158 der Bayerischen Verfassung statuiert «Eigentum verpflichtet gegenüber der Gesamtheit. Offenbarer Missbrauch des Eigentums- oder Besitzrechts genießt keinen Rechtsschutz.», Artikel 14 Abs. 2 Grundgesetz formuliert ähnlich «Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.». Ohne hier eine juristische Diskussion über die Auslegung des Missbrauchsbegriffes der bayerischen Verfassung beginnen zu wollen, sei hier aus rein ökonomisch-sozialphilosophischer Sicht die Frage gestellt, nach welchen Kriterien der Missbrauch festgestellt werden soll, wer diese Feststellung zu treffen hat und was die Konsequenz dieser Feststellung sein soll. Die eigentliche Frage ist: Wie sieht die Praxis dieser verfassungsmäßigen Garantien aus?

2.3.

Bedingungen, Möglichkeiten und Grenzen staatlicher Eingriffe in das Eigentumsrecht ^

[11]

Aus dem bisher Gesagtem ist klar ersichtlich, dass es zu Situationen kommen kann, in denen in das Eigentum eingegriffen wird, weil es eine Mehrheit (oder aber eine Minderheit in besserer Einsicht)17 für recht hält. Die Konsequenz daraus ist entweder Anarchie, i.e. Eingriffe in das Eigentumsrecht auf Basis von Gewalt oder aber ein geordnetes Verfahren, in dem Eigentum durch das Regime entzogen werden kann. «Dass solche Entscheidungen in einem demokratisch geordneten Verfahren getroffen werden, hilft zwar dem Betroffenen im Einzelfall nicht, ist aber im Hinblick auf die Eigentumsfrage im Grunde beruhigend – zumal im Blick auf die deutsche Vergangenheit oder manche andere Länder. Der Chodorkowski-Prozess in Russland oder die Ereignisse in Zimbawe sind beredte Beispiele.»18 Diese Aussage beinhaltet im Kern, dass der Eingriff in das Eigentumsrecht, sei er staatlich noch so detailliert geregelt und mit dem geltenden Recht im Einklang, für den Betroffenen eine persönliche Katastrophe darstellt. Diese «tägliche Katastrophe», diese tägliche Enteignung wird von den Austrian Economists wohl am Anschaulichsten dargestellt19.

2.4.

Eigentumsrechte an unkörperlichen Dingen, die beliebig und zerstörungsfrei reprod ^

[12]
Das aus der römischen Rechtstradition stammende Eigentumsrecht stößt in der letzten Zeit auf Grenzen, die von der modernen Informations- und Kommunikationstechnik aufgezeigt werden. Während es bislang nicht möglich war, ein Buch oder eine Schallplatte so zu kopieren, dass einerseits das Original völlig unzerstört erhalten blieb und andererseits die Kopie exakt die gleiche Qualität wie das Original behielt, ist das heute dank des Internets problemlos möglich. Auch ein «Distanzdiebstahl», d.h. «Dieb» – oder besser Kopist – und «Bestohlener» befinden sich in unterschiedlichen Erdteilen, ist möglich. Da das Eigentumsrecht vom Nationalstaat garantiert wird, muss es zu Problemen in seiner Durchsetzung führen, wenn zwei oder mehrere Staaten gleichzeitig von der Problemlage betroffen sind.
[13]

Wie wenig diese Materie mit den Werkzeugen der Rechtswissenschaft greifbar ist, beschreibt u.a. United States of America vs. Sergey Aleynikov, United States Court of Appeals for the Second Circuit, Docket No. 11-1126 vom 16. Februar 201220, «By uploading Goldman’s proprietary source code to a computer server in Germany, Aleynikov stole purely intangible property embodied in a purely intangible format. There was no allegation that he physically seized anything tangible from Goldman, such as a compact disc or thumb drive containing source code, so we need not decide whether that would suffice as a physical theft. Aleynikov later transported portions of the source code to Chicago, on his laptop and flash drive. However, there is no violation of the statute unless the good is transported with knowledge that «the same» has been stolen; the statute therefore presupposes that the thing stolen was a good or ware, etc., at the time of the theft. The wording contemplate[s] a physical identity between the items unlawfully obtained and those eventually transported.» Das Gericht sieht sich hier außerstande, den National Act of Stolen Property, welcher aus 1934 stammt, auf einen «Diebstahl» von Software anzuwenden, da es hier nicht um den Diebstahl einer physischen Sache geht.

3.

Fazit und weiterer Forschungsbedarf ^

[14]
In diesem Beitrag wurde dargelegt, dass der Eigentumsbegriff, wie wir ihn gewöhnlich beurteilen, kein in Stein gemeißelter Begriff ist, sondern jederzeit einer historischen, soziologischen, philosophischen und politischen Deutung unterliegt. Ein absoluter Eigentumsbegriff, der über historische, politische, soziologische und sonstige Zäsuren hinausgeht, ist nicht existent. So wenig, wie der Eigentumsbegriff der antiken Römer, der die Selbstverständlichkeit des Eigentums an Menschen beinhaltete, unserem Eigentumsbegriff in der Europäischen Union des Jahres 2014 entspricht, so wenig entspricht der Eigentumsbegriff zweier verschiedener Individuen einander. Die Rechtsordnung hat die Aufgabe, den Umgang mit dem Eigentum in geordnete Bahnen zu lenken – was hingegen Eigentum ist, wie es verwendet werden soll, das unterliegt der ständigen politischen Diskussion und Willensbildung und insbesondere der philosophischen Frage.
[15]

Ein weiterer Bereich in dem Forschungsbedarf besteht ist das sogenannte «geistige Eigentum». «Wenn der Mensch sich nur das aneignen kann, was er selbst macht, sind die Rechte am geistigen Eigentum am leichtesten zu begründen. Das Immaterialgüterrecht, etwa das Urheber- und Patentrecht, ergibt sich gleichsam aus einem impliziten Vertrag zwischen dem geistigen Eigentümer und der Allgemeinheit, für die eine Teilhabe an dem von ihm geschaffenen Eigentum nützlich ist. Dies gilt besonders für künstlerische Produkte, weniger für wissenschaftliche Erkenntnisse und technische Erfindungen, die vom Menschen unabhängige Gesetze entdecken oder ausnützen – den Don Quixote gäbe es ohne Cervantes nicht, die synthetische Ammoniakherstellung hingegen ohne F. Haber und C. Bosch; nur wäre man etwas später auf sie gekommen.»21.

[16]
Unsere «moderne Gesellschaft» hat sich so entwickelt, dass ein Eigentumsrecht, wie es in einer vergleichsweise überschaubaren Polis, auch einer mittelalterlichen Stadt oder einem regionalen Fürstentum Jahrhunderte lang funktionierte in unserer Zeit nicht mehr den Anforderungen gerecht werden kann. Solange es möglich ist, ganze Bücher, Manuskripte, Bilder oder Filme mit einem Mausklick von einem Rechtsraum in völlig andere Rechtsräume viele Tausende Kilometer entfernt zu befördern, kann dieses Recht nicht mehr durchgesetzt werden. Der Eigentumsbegriff ist nicht gegenstandslos, aber problematisch, solange er nicht kontinuierlich überprüft wird.

 

Werner Faßrainer

B.A., Studium der Philosophie/Wissenschaftstheorie u. Pädagogik und Bildungswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München

Professor-Huber-Platz 2, 80539 München, DE

werner.fassrainer@t-online.de

 

Robert Müller-Török

Professor, Hochschule für Öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg

Reuteallee 36, 71634 Ludwigsburg, DE

mueller-toeroek@hs-ludwigsburg.de

 


  1. 1 Zitiert nach Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 24. durchgesehene und erweiterte Auflage, De Gruyter, 2002, S. 232.
  2. 2 Vgl. Hillmann, Karl-Heinz, Wörterbuch der Soziologie, 4. überarbeitete und ergänzte Auflage, Kröner 1994, Stuttgart, S. 170 f.
  3. 3 Brockhaus, 1968, zitiert nach Schneider, Oscar «Kultur des Eigentums» in «Kultur des Eigentums», Hrsg. Schwäbisch-Hall-Stiftung, Springer 2006, S. 103.
  4. 4 Horn, Christoph/Rapp, Christof «Wörterbuch der antiken Philosophie», Verlag C.H. Beck, München 2002, S. 304.
  5. 5 Ibid., S. 304 f.
  6. 6 Ibid., S. 305 f.
  7. 7 Vgl. Bauer, Leonhard/Matis, Herbert «Die Geburt der Neuzeit», dtv München 1988, S. 43 ff.
  8. 8 Ibid., S. 120 ff. und die dort zitierte Literatur, v.a. Polanyi, K. «The Great Transformation. Politische und ökonomische Ursprünge von Gesellschaften und Wirtschaftssystemen», Frankfurt am Main 1978.
  9. 9 Zitiert nach Bauer/Matis, a.a.O., S. 218.
  10. 10 Vgl. Siegrist, Hannes/Sugarman, David (Hrsg.) «Eigentum im internationalen Vergleich – 18.–20. Jahrhundert», Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1999, S. 7.
  11. 11 In der französischen Bedeutung, also als Regierungsform zu lesen, ohne jegliche Konotation.
  12. 12 Hösle, Vittorio «Moral und Politik», C.H. Beck, München 1997, S. 703.
  13. 13 Vgl. ibid. S. 822. Locke steht hierbei im Widerspruch zu seiner eigenen Ansicht, dass die Welt von Gott den Menschen als Kollektiveigentum zugeteilt habe.
  14. 14 Vgl. Weber, Max «Die protestantische Ethik oder der Geist des Kapitalismus», 4. Auflage, C. H. Beck, München 2013.
  15. 15 Ibid., S. 797.
  16. 16 Vgl. Hierzu die Predigt von Papst Franziskus anlässlich seines Besuches auf der Insel Lampedusa am 8. Juli 2013, abrufbar unter http://www.vatican.va/holy_father/francesco/homilies/2013/documents/papa-francesco_20130708_omelia-lampedusa_ge.html (per 4. Januar 2013).
  17. 17 Vgl. hierzu die Regel des Hl. Benedikts, welche in Kapitel 64 für die Wahl des Abtes explizit vorsieht, dass «noch so ein kleiner Teil in besserer Einsicht» die Mehrheit derogieren kann.
  18. 18 Zitiert nach Scheel, Christine MdB «Eigentum – was geht den Staat das an?» in «Kultur des Eigentums», Hrsg. Schwäbisch-Hall-Stiftung, Springer 2006, S. 181.
  19. 19 Vgl. die laufenden Publikationen des Ludwig von Mises Institute (http://www.mises.org) und insbesondere die Schrift von Ludwigs von Mises «Omnipotent State: The Rise of Total State and Total War», Arlington House, New York 1969.
  20. 20 Abrufbar unter http://sunsteinlaw.com/wp/wp-content/uploads/2013/01/2013_01_IP_Update_Aleynikov.pdf (per 4. Januar 2013).
  21. 21 Zitiert nach Hösle, a.a.O., S. 823 Text und Fn. 80 ebenda.