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Öffentlich‐rechtliche Datenbanken im Spannungsfeld zwischen der Datenbank‐ und der PSI‐Richtlinie am Beispiel des österreichischen Firmenbuchs

  • Author: Peter Hubalek
  • Category: Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: Legal Informatics, Information Technology
  • Citation: Peter Hubalek, Öffentlich‐rechtliche Datenbanken im Spannungsfeld zwischen der Datenbank‐ und der PSI‐Richtlinie am Beispiel des österreichischen Firmenbuchs, in: Jusletter IT 19 November 2015
Die Datenbankrichtlinie 96/9/EG schützt auch Datenbanken des öffentlichen Sektors wie das österreichische Firmenbuch. Dieser Schutz wird durch Richtlinie 2013/37/EU, mit der die PSI-Richtlinie 2003/98/EC über die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors geändert wird, deutlich eingeschränkt, da die Firmenbuchdatenbank unter den Geltungsbereich dieser Richtlinie fällt. Die Firmenbuchdatenbank wird daher zur Weiterverwendung in Lizenz zu geben sein.
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Die öffentliche Verwaltung sammelt aufgrund internationaler oder nationaler Vorgaben eine Vielzahl von Informationen, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigt und die sie der Öffentlichkeit oder bestimmten Benutzergruppen gänzlich oder eingeschränkt, entgeltlich oder unentgeltlich zur Verfügung stellt. Diese Informationen werden in der Regel in Datenbanken, wie zum Beispiel dem Grund- und Firmenbuch, dem Kataster, der Ediktsdatei, dem Zentralen Melderegister, dem Strafregister, dem Rechtsinformationssystem des Bundes oder dem Vereinsregister gespeichert.
[2]
In Bezug auf das Firmenbuch (vormals Handelsregister) verpflichtet die Richtlinie 2003/58/EG vom 15. Juli 2003, mit der die Richtlinie 68/151/EWG in Bezug auf die Offenlegungspflichten von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen (Publizitätsrichtlinie) geändert wurde, die Mitgliedsstaaten seit 1. Juli 2007 dazu, elektronische Eingaben zu ermöglichen und diese in elektronischer Form zu speichern1 sowie in elektronischer Form vollständige oder teilweise Kopien zur Verfügung zu stellen2. Die Gebühren für solche Kopien dürfen dabei die Verwaltungskosten nicht übersteigen3.
[3]
Mit BGBl. I 1998/25 (Urheberrechtsgesetz-Novelle 1997) wurde mit 1. Jänner 1998 die Richtlinie 96/9/EG vom 11. März 1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken (Datenbank-RL) in Österreich umgesetzt. In das Bundesgesetz BGBl. 1936/111 über das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Kunst und über verwandte Schutzrechte (UrhG) wurden im I. Hauptstück der Abschnitt VIb. (Sondervorschriften für Datenbankwerke), im II. Hauptstück der Abschnitt IIa. (Geschützte Datenbanken) und im 1. Absatz des § 86 die Z 6 neu aufgenommen. § 40f Abs. 1 UrhG regelt, dass Datenbanken im Sinne dieses Gesetzes Sammlungen von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen sind, die systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln mit elektronischen Mitteln oder auf andere Weise zugänglich sind. § 40 Abs. 2 UrhG gibt Datenbanken als Sammelwerken (§ 6 UrhG) darüber hinaus noch einen Urheberrechtsschutz, wenn sie infolge von Auswahl oder Anordnung des Stoffes eine eigentümliche geistige Schöpfung sind (Datenbankwerke).
[4]
§ 76c Abs. 1 UrhG schützt eine solche Datenbank, wenn für die Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung ihres Inhalts eine nach Art oder Umfang wesentliche Investition notwendig war. Eine in ihrem Inhalt nach Art oder Umfang wesentlich geänderte Datenbank gilt dabei als neue Datenbank, wenn die Änderung eine nach Art oder Umfang wesentliche Investition erfordert hat; dies gilt auch dann, wenn diese Voraussetzung nur durch mehrere aufeinander folgende Änderungen gemeinsam erfüllt wird. § 76d UrhG gibt dem, der die Investition im Sinne des § 76c UrhG vorgenommen hat (Hersteller), mit den vom Gesetz bestimmten Beschränkungen das ausschließliche Recht, die ganze Datenbank oder einen nach Art oder Umfang wesentlichen Teil derselben zu vervielfältigen, zu verbreiten, durch Rundfunk zu senden, öffentlich wiederzugeben und der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Diesen Verwertungshandlungen stehen die wiederholte und systematische Vervielfältigung, Verbreitung, Rundfunksendung und öffentliche Wiedergabe von unwesentlichen Teilen der Datenbank gleich, wenn diese Handlungen der normalen Verwertung der Datenbank entgegenstehen oder die berechtigten Interessen des Herstellers der Datenbank unzumutbar beeinträchtigen.
[5]
§ 86 Abs. 1 Z 6 UrhG verpflichtet den, der unbefugt eine Datenbank auf eine nach § 76d UrhG dem Hersteller vorbehaltene Verwertungsart benutzt hat, auch wenn ihn kein Verschulden trifft, dem Verletzten, dessen Einwilligung einzuholen gewesen wäre, ein angemessenes Entgelt zu zahlen. Gemäß § 87a UrhG hat derjenige, der zur Leistung eines angemessenen Entgelts verpflichtet ist, dem Anspruchsberechtigten Rechnung zu legen und deren Richtigkeit durch einen Sachverständigen prüfen zu lassen. Der Rechnungslegungsverpflichtete hat dem Anspruchsberechtigten darüber hinaus über alle weiteren zur Rechtsverfolgung erforderlichen Umstände Auskunft zu erteilen.
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Die Frage, ob auch öffentlich-rechtliche Datenbanken dem Sui-generis-Schutz der §§ 76c ff. UrhG unterliegen, wurde vom Obersten Gerichtshof (OGH) in einem Provisorialverfahren erstmalig 2002 für das Firmenbuchs bejaht4. Er folgte ohne Einschränkungen Dittrich5, dass der für schlichte Datenbanken bezweckte Investitionsschutz auch der öffentlichen Hand zugutekommen müsse, die ja auch das Investitionsrisiko trage. Der Zweck der Richtlinie – den Schutz von Datenbanken im Binnenmarkt zu vereinheitlichen – erfordere es, den Schutzumfang einheitlich zu regeln. Dies wurde u.a. von Dittrich6 und Gaster7 ausführlich analysiert und begrüßt. Ein Urheberrechtsschutz gem. § 40 Abs. 2 UrhG wurde vom OGH unter Hinweis auf § 7 Abs. 1 UrhG (Bekanntmachung) verneint (kritisch dazu Schildberger8).

[7]
Im fortgesetzten Verfahren manifestierte der OGH seine Rechtsansicht aus dem Provisorialverfahren (OGH 12. Juni 2007, 4 Ob 11/07g, S. 23)9.
[8]
Auch der EuGH hat im Verfahren Compass gegen Republik Österreich am 12. Juli 2012 zu C 138/11 den Sui-generis-Rechtsschutz für öffentlich-rechtliche Datenbanken bejaht10.
[9]
Am 17. November 2003 erging die Richtlinie 2003/98/EG über die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors (PSI-RL 2003). Im Erwägungsgrund 5 wird die Motivation zur Erlassung dieser Richtlinie dargelegt (Informationen des öffentlichen Sektors sind wesentliches Ausgangsmaterial für Produkte und Dienste mit digitalen Inhalten und werden angesichts der Entwicklung drahtloser Inhaltsdienste zu einer noch bedeutenderen Inhaltsquelle werden. Dabei ist auch eine breite grenzüberschreitende geografische Flächendeckung von Bedeutung. Umfassendere Möglichkeiten für die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors sollten u.a. die europäischen Unternehmen in die Lage versetzen, deren Potenzial zu nutzen, und zu Wirtschaftswachstum und zur Schaffung von Arbeitsplätzen beitragen.).
[10]
Art. 1 Abs. 1 der PSI-RL 2003 regelt, dass diese Richtlinie einen Mindestbestand an Regeln für die Weiterverwendung und die praktischen Mittel zur Erleichterung der Weiterverwendung vorhandener Dokumente, die im Besitz öffentlicher Stellen der Mitgliedstaaten sind, enthält. Als «Dokument» gilt dabei jeder Inhalt unabhängig von der Form des Datenträgers (auf Papier oder in elektronischer Form, Ton-, Bild- oder audiovisuelles Material) und/oder ein beliebiger Teil eines solchen Inhalts (Art. 2 Z 3). Ursprünglich fand sich in den Entwürfen der Richtlinie anstelle der Bezeichnung «Dokument» der Begriff «Information», weshalb die PSI-RL 2003 ihre Bezeichnung als «Public Sector Information-Richtlinie» behalten hat.
[11]
Als «Weiterverwendung» wird dabei die Nutzung von Dokumenten, die im Besitz öffentlicher Stellen sind, durch natürliche oder juristische Personen für kommerzielle oder nichtkommerzielle Zwecke, die sich von dem ursprünglichen Zweck im Rahmen des öffentlichen Auftrags, für den die Dokumente erstellt wurden, unterscheiden, definiert (Art. 2 Z 4).
[12]
Art. 1 Abs. 311 und Art. 312 schränken i.V.m. Erwägungsgrund 913 den Anwendungsbereich der Richtlinie deutlich ein.
[13]
Die Frage, ob und welche Gebühren bzw. Entgelte für die Bereitstellung von Dokumenten und die Gestattung ihrer Weiterverwendung eingehoben werden dürfen, ist in Artikel 614 i.V.m. Erwägungsgrund 1415 geregelt. Die Richtlinie gestattet die Einhebung von kostendeckenden Gebühren samt einer angemessenen Gewinnspanne, favorisiert tendenziell jedoch die Gratisabgabe der Dokumente, die im Besitz öffentlicher Stellen sind.
[14]
In Österreich wurde die PSI-RL 2003 mit dem Bundesgesetz über die Weiterverwendung von Informationen öffentlicher Stellen (Informationsweiterverwendungsgesetz – IWG) BGBl. I Nr. 135/2005 umgesetzt.
[15]

Die österreichische Justiz bietet seit 1993 Firmenbuchauszüge online für die Öffentlichkeit an (ursprünglich als sogenannte «auswärtige Abfrage» über Bildschirmtext mit einem Preis pro Bildschirmseite). Seit 1999 bietet sie Firmenbuchabfragen über sogenannte Verrechnungsstellen (private Vertriebsfirmen) im Internet entgeltlich an (ursprünglich um einen Fixbetrag mit einer Zeilengebühr, nunmehr um eine produktabhängige Fixgebühr). Gleichzeitig erging die Vorgängerregelung16 der Anmerkung 17 zu Tarifpost 10 des Gerichtsgebührengesetzes (GGG)17, die klarstellt, dass die Firmenbuchdatenbank eine geschützte Datenbank im Sinne des § 76c UrhG ist18. Eine analoge Bestimmung findet sich in Anmerkung 16 zu Tarifpost 9 GGG für das Grundbuch.

[16]
Sowohl der OGH (OGH 12. Juni 2007, 4 Ob 11/07g)19 als auch der EuGH (EuGH 12. Juli 201220, C 138/11) haben die Anwendbarkeit der PSI-RL 2003 bzw. des IWG auf das österreichische Firmenbuch verneint.
[17]
Im September 2008 wurde von Dr. Estelle Derclaye geprüft, ob die PSI-RL 2003 den Datenbankrechtsschutz der Staaten tatsächlich einschränkt21. Sie kam zum Ergebnis, dass diese Frage nicht eindeutig zu beantworten ist. Zwar verpflichten Art. 3 und Erwägungsgrund 9 der PSI-RL 2003 den Staat nicht, die Weiterverwendung seiner Dokumente zu gestatten, aber der Grundtenor der Richtlinie scheint eine moralische Pflicht der öffentlich-rechtlichen Körperschaften zu schaffen, die Weiterverwendung ihrer Informationen zu gestatten. Weitere Gründe für ihre Ansicht, warum die PSI-RL 2003 den Sui-generis-Datenbankrechtsschutz von Staaten nicht einschränkt, liegen für sie darin, dass es unklar ist, ob alle drei Staatsgewalten vom Geltungsbereich der Richtlinie betroffen sind, dass öffentlich-rechtliche Körperschaften vom Antragsteller verlangen können, ein rechtliches Interesse zu behaupten und zu bescheinigen und dass öffentliche-rechtliche Körperschaften die Kosten für die Erfassung, die Erstellung, die Reproduktion und die Verbreitung zusammen mit einer angemessenen Gewinnspanne (reasonable return on investment) verlangen können. Das kommt dem Preis sehr nahe, den ein privater Datenbankproduzent in einer Wettbewerbsumgebung verlangen würde, sogar wenn er ein Sui-generis-Schutzrecht hätte. Es gibt keine Parameter, wie der Begriff «angemessene Gewinnspanne» im Art. 6 zu bemessen ist.
[18]
Insgesamt kommt sie zum Ergebnis, dass in jenen Fällen, in denen Staaten ein Sui-generis Schutzrecht an Datenbanken halten, die PSI-RL 2003 insofern nicht viel mehr verändert hat, als dem Staat verboten wird, einen exzessiven Preis zu verlangen. Das Verlangen eines exzessiven Preises ist aber bereits durch das Wettbewerbsrecht verboten. Sie schlägt daher de lege ferenda vor, das Sui-generis-Datenbankschutzrecht und den Urheberrechtsschutz von den staatlichen Datenbanken zu beseitigen, um die europäische Informationsindustrie mit den USA wettbewerbsfähig zu machen. Auch im Interesse der Bürger ist es notwendig Informationen des öffentlichen Sektors gratis zur Verfügung zu stellen und die Weiterverwendung so uneingeschränkt wie möglich zu gestatten. Auch Schildberger kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. Insgesamt besteht kein wesentlicher Unterschied zwischen dem Schutz amtlicher und privater Datenbanken. Durch das IWG wird der urheberrechtliche Schutz nicht wesentlich eingeschränkt. Die öffentliche Stelle bleibt weiterhin über ihre Daten verfügungsberechtigt22.
[19]
Es scheint, als ob dem Wunsch von Dr. Derclaye durch die Neufassung der PSI-Richtlinie 2013 (PSI-RL 2013)23 nachgekommen wird. Die Erwägungsgründe 7 und 33 dieser Richtlinie legen die Motivation für die Neufassung dar. Die PSI-RL 2003 enthalte keine Verpflichtung, den Zugang zu Dokumenten oder die Weiterverwendung von Dokumenten zu gestatten. Einige Mitgliedstaaten hätten den Weiterverwendungsanspruch mit einem Zugangsrecht verknüpft. In anderen Mitgliedstaaten sei dieser Zusammenhang weniger deutlich, was zu Rechtsunsicherheit führe. Deshalb sollte die PSI-RL 2003 dahingehend abgeändert werden, dass sie den Mitgliedstaaten eine einheitliche Verpflichtung auferlege, alle Dokumente weiterverwendbar zu machen, es sei denn, der Zugang sei im Rahmen der nationalen Vorschriften über den Zugang zu Dokumenten eingeschränkt oder ausgeschlossen, und vorbehaltlich der anderen in dieser Richtlinie niedergelegten Ausnahmen. Diese Richtlinie soll die Erleichterung der Erstellung unionsweiter Informationsprodukte und -dienste anhand von Dokumenten des öffentlichen Sektors sowie die Sicherstellung einer effektiven grenzüberschreitenden Nutzung von Dokumenten des öffentlichen Sektors einerseits durch Privatunternehmen, insbesondere durch kleine und mittlere Unternehmen, zur Entwicklung von Informationsprodukten und -diensten mit einem Mehrwert und andererseits durch die Bürger zur Erleichterung der freien Verbreitung von Informationen und der Kommunikation, auf Ebene der Mitgliedstaaten bewirken.
[20]

Die erste wesentliche Änderung der PSI-RL 2013 findet sich in Art. 3 Abs. 124. Dieser verpflichtet die öffentlich-rechtlichen Körperschaften grundsätzlich zur Herausgabe ihrer Dokumente, es sei denn deren Bereitstellung fällt nicht unter ihren öffentlichen Auftrag25, die Dokumente stehen im geistigen Eigentum Dritter26, sie sind nach den Zugangsregelungen des Mitgliedsstaats nicht zugänglich (einschließlich aus Gründen der Staats- und öffentlichen Sicherheit, der statistischen Geheimhaltung oder der Geschäftsgeheimnisse)27, für den Zugang ist ein rechtliches Interesse nachzuweisen28, sie enthalten lediglich Logos, Wappen und Insignien29 oder es finden sich darin geschützte personenbezogene Daten30. Weitere Ausnahmen gibt es noch für Rundfunkanstalten, Bildungs- und Forschungseinrichtungen sowie kulturelle Einrichtungen (ausgenommen Bibliotheken, Museen, Archive)31.

[21]
Art. 532 i.V.m. Erwägungsgrund 20 der PSI-RL 2013 verpflichtet die öffentlichen Stellen überdies zur Erleichterung der Weiterverwendung dadurch, dass – soweit möglich und sinnvoll – die Dokumente in offenen maschinenlesbaren Formaten und zusammen mit den zugehörigen Metadaten in höchstmöglicher Präzision und Granularität in einem Format zugänglich gemacht werden, das die Interoperabilität garantiert. Die einzige Einschränkung dieser Herausgabepflicht findet sich in Art 1 Abs. 3 der PSI-RL 2013, der die Zugangsregelungen der Mitgliedstaaten zu öffentlich-rechtlichen Dokumenten unberührt lässt (die PSI-RL 2003 hat noch auf die «geltenden» Zugangsregelungen abgestellt).
[22]
Die zweite wesentliche Änderung betrifft die Frage, bis zu welcher Höhe Gebühren eingehoben werden können. Auch wenn die PSI-RL 2003 eine Gebührenpflicht für die Bereitstellung von Dokumenten des öffentlichen Sektors eher als Ausnahme sah («soweit Gebühren erhoben werden»), erlaubte sie doch Gebühren in der Höhe der Gestehungskosten samt einer angemessenen Gewinnspanne. Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Erwägungsgrund 22 der PSI-RL 2013 beschränkt nunmehr im Regelfall die Gebühren auf jene Grenzkosten, die durch die Reproduktion, Bereitstellung und Weiterverbreitung der Dokumente verursacht werden (Where charges are made for the re-use of documents, those charges shall be limited to the marginal costs incurred for their reproduction, provision and dissemination.). Lediglich in jenen Fällen, in denen die öffentliche Stelle verpflichtet ist, Einnahmen zu erzielen, um einen wesentlichen Teil ihrer Kosten im Zusammenhang mit der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufträge zu decken (Art. 6 Abs. 2 lit. a) der PSI-RL 2013) oder im Ausnahmefall bei Dokumenten, für die die betreffende öffentliche Stelle ausreichend Einnahmen erzielen muss, um einen wesentlichen Teil der Kosten in Zusammenhang mit deren Erfassung, Erstellung, Reproduktion und Verbreitung zu decken (Art. 6 Abs. 2 lit. b) der PSI-RL 2013), soll es ihr erlaubt sein, Gebühren zu erheben, die über den Grenzkosten des Art. 6 Abs. 1 der PSI-RL 2013 liegen. Die Anforderung des Art. 6 Abs. 2 lit. b) der PSI-RL 2013, Einnahmen zu erzielen, setzt dabei keine gesetzliche Grundlage voraus und kann sich beispielsweise aus der Verwaltungspraxis der Mitgliedstaaten ergeben. Eine solche Anforderung sollte von den Mitgliedstaaten regelmäßig geprüft werden.
[23]
Diese Gebühren sollten nach objektiven, transparenten und nachprüfbaren Kriterien festgelegt werden, und die Gesamteinnahmen aus der Bereitstellung von Dokumenten und der Gestattung ihrer Weiterverwendung sollten die Kosten ihrer Erfassung, Erstellung, Reproduktion und Verbreitung zuzüglich einer angemessenen Gewinnspanne nicht übersteigen («the total income from supplying and allowing re-use of documents should not exceed the cost of collection, production, reproduction and dissemination, together with a reasonable return on investment»)33.
[24]
Die österreichische Firmenbuchdatenbank fällt (nach der im Rahmen einer Novelle zum IWG zu ergehenden nationalen Umsetzung) unter den Geltungsbereich der PSI-RL 2013. Dies wird u.a. dadurch indiziert, dass im Art. 3 der PSI-RL 2013 der Passus «in denen die Weiterverwendung von Dokumenten, die im Besitz öffentlicher Stellen sind, erlaubt wird» ersatzlos entfallen ist. Es ist daher nicht mehr erforderlich, dass sich die Nutzung von Dokumenten, die im Besitz öffentlicher Stellen sind, durch natürliche oder juristische Personen für kommerzielle oder nichtkommerzielle Zwecke, von dem ursprünglichen Zweck im Rahmen des öffentlichen Auftrags, für den die Dokumente erstellt wurden, unterscheiden. Auf die Firmenbuchdatenbank findet kein Zugangsregime Anwendung, da sie nicht zuletzt aufgrund der Publizitätsrichtlinie öffentlich ist, und es trifft auf sie kein Ausnahmetatbestand des Art. 1 Abs. 2 der PSI-RL 2013 zu. Die Republik Österreich ist daher gegenüber jedem Antragsteller zur Einräumung einer Lizenz34 an der Firmenbuchdatenbank verhalten.
[25]

Die Höhe der Lizenzgebühr wird nach objektiven, transparenten und nachprüfbaren Kriterien im Voraus zu berechnen35 und festzulegen36 sein. Gemäß § 1 Abs. 237 Gerichtsgebührengesetz38 sind die Gebühren für Abfragen auf das Firmenbuch so zu bemessen, dass sie wenigstens die laufenden Kosten sowie einen angemessenen Zuschlag zu den Wartungs-, Sicherungs- und Weiterentwicklungskosten decken. Daher wird eine Lizenzgebühr unter Zugrundelegung der Kosten der Erfassung, Erstellung, Reproduktion und Verbreitung der Firmenbuchdatenbank zuzüglich einer angemessenen Gewinnspanne im Sinne des Art. 6 Abs. 2 lit. b) i.V.m. Abs. 3 der PSI-RL 2013 festzusetzen sein.


 

Peter Hubalek, Leiter der Abteilung für Informations- und Kommunikationstechnik in der Präsidialsektion im Bundesministerium für Justiz, peter.hubalek@bmj.gv.at.

  1. 1 Art. 3 (2) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die Gesellschaften und sonstige anmelde- oder mitwirkungspflichtige Personen und Stellen alle Urkunden und Angaben, die nach Artikel 2 der Offenlegung unterliegen, spätestens ab dem 1. Januar 2007 in elektronischer Form einreichen können. Die Mitgliedstaaten können außerdem den Gesellschaften aller oder bestimmter Rechtsformen die Einreichung aller oder eines Teils der betreffenden Urkunden und Angaben in elektronischer Form vorschreiben. Alle in Artikel 2 bezeichneten Urkunden und Angaben, die spätestens ab dem 1. Januar 2007 auf Papier oder in elektronischer Form eingereicht werden, werden in elektronischer Form in der Akte hinterlegt oder in das Register eingetragen.
  2. 2 Art. 3 (3) Eine vollständige oder auszugsweise Kopie der in Artikel 2 bezeichneten Urkunden oder Angaben muss auf Antrag erhältlich sein. ... Ab einem von jedem Mitgliedstaat festzulegenden Zeitpunkt, spätestens aber ab dem 1. Januar 2007 müssen Kopien gemäß Unterabsatz 1 von dem Register wahlweise auf Papier oder in elektronischer Form erhältlich sein. ...
  3. 3 Art. 3 (3) ... Die Gebühren für die Ausstellung einer vollständigen oder auszugsweisen Kopie der in Artikel 2 bezeichneten Urkunden oder Angaben auf Papier oder in elektronischer Form dürfen die Verwaltungskosten nicht übersteigen.
  4. 4 Beschluss vom 9. April 2002, 4 Ob 17/02g.
  5. 5 Einige Bemerkungen zum Schutz schlichter Datenbanken, ÖBl 2002, 3 ff.
  6. 6 Dittrich, Anmerkung zu OGH 9, April 2002, 4 Ob 17/02g in ÖBl 2003, 54.
  7. 7 Gaster, CR 8/2002, S 599 ff.
  8. 8 Schildberger, Der urheberrechtliche Schutz amtlicher Datenbanken, 2007, S 59 f.
  9. 9 Die Kosten, die der Republik Österreich im Zusammenhang mit den Aktualisierungsdaten für das Firmenbuch entstehen, sind Kosten der Datensichtung, -auswertung und -darstellung mit dem (einzigen) Ziel, die jeweils aktuellen Daten in der Datenbank Firmenbuch bereitzustellen. Die Aktualisierungsdaten sind kein Nebenprodukt eines vorgelagerten eigenständigen Zwecks; sie müssen verarbeitet werden, um den primär intendierten Datenbankinhalt für den Abruf aktuell und geordnet aufzubereiten. Die damit in Zusammenhang stehenden Kosten dienen deshalb der Darstellung des Datenbankinhalts und sind keine Kosten der Datenerzeugung. Sie sind somit als wesentliche Investition i.S.d. §§ 76c, 76d UrhG berücksichtigungsfähig. Der festgestellte Investitionsaufwand der Klägerin im Zusammenhang mit der Errichtung und dem Betrieb der Datenbank Firmenbuch ist jedenfalls seinem Umfang nach als wesentliche Investition zu beurteilen. An dem schon im Sicherungsverfahren gewonnen Ergebnis, wonach das Firmenbuch unter das besondere Schutzrecht für Datenbanken nach § 76d UrhG fällt, in das durch den fortdauernden unautorisierten Bezug von Aktualisierungsdaten eingegriffen wird, ist daher festzuhalten.
  10. 10 Eine öffentliche Einheit, die eine Datenbank erstellt und sich sodann zum Schutz der in dieser Datenbank aufgenommenen Daten auf Recht des geistigen Eigentums, vor allem das genannte Schutzrecht sui generis beruft, ist nicht allein aus diesem Grund unternehmerisch tätig. Eine öffentliche Einheit ist nicht verpflichtet, die freie Verwendung der von ihr erfassten und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellten Daten zu gestatten. Ein Hoheitsträger kann zu Recht davon ausgehen, dass es erforderlich und nach seinen nationalen Rechtsvorschriften sogar geboten ist, die Weiterverwendung der Daten, die in einer Datenbank enthalten sind, zu untersagen, damit das Interesse, das die Gesellschaften und die sonstigen Rechtsträger, die gesetzlich vorgeschriebene Erklärungen abgeben, daran haben, dass die betreffenden Informationen nicht außerhalb dieser Datenbank weiterverwendet werden, gewahrt wird (Randziffer 47).
  11. 11 Diese Richtlinie stützt sich auf die geltenden Zugangsregelungen der Mitgliedstaaten und lässt diese Regelungen unberührt. Sie gilt nicht in den Fällen, in denen Bürger oder Unternehmen im Rahmen der Zugangsregelung ein besonderes Interesse am Zugang zu den Dokumenten nachweisen müssen.
  12. 12 Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass in den Fällen, in denen die Weiterverwendung von Dokumenten, die im Besitz öffentlicher Stellen sind, erlaubt wird, diese Dokumente gemäß den Bedingungen der Kapitel III und IV für kommerzielle und nichtkommerzielle Zwecke weiterverwendet werden können. Die Dokumente werden, soweit möglich, in elektronischer Form zur Verfügung gestellt.
  13. 13 Diese Richtlinie enthält keine Verpflichtung zur Gestattung der Weiterverwendung von Dokumenten. Die Entscheidung, ob eine Weiterverwendung genehmigt wird, ist Sache der Mitgliedstaaten bzw. der betreffenden öffentlichen Stelle. Diese Richtlinie sollte für Dokumente gelten, die für die Weiterverwendung zugänglich gemacht werden, wenn öffentliche Stellen Lizenzen für Informationen vergeben oder diese verkaufen, verbreiten, austauschen oder herausgeben. ... Die Richtlinie stützt sich auf die geltenden Zugangsregelungen der Mitgliedstaaten und berührt nicht die einzelstaatlichen Vorschriften über den Zugang zu Dokumenten. Sie gilt nicht in den Fällen, in denen Bürger oder Unternehmen die Dokumente nach der einschlägigen Zugangsregelung nur erhalten können, wenn sie ein besonderes Interesse nachweisen können.
  14. 14 Soweit Gebühren erhoben werden, dürfen die Gesamteinnahmen aus der Bereitstellung von Dokumenten und der Gestattung ihrer Weiterverwendung die Kosten ihrer Erfassung, Erstellung, Reproduktion und Verbreitung zuzüglich einer angemessenen Gewinnspanne nicht übersteigen. Die Gebühren sollten für den entsprechenden Abrechnungszeitraum kostenorientiert sein und unter Beachtung der für die betreffenden öffentlichen Stellen geltenden Buchführungsgrundsätze berechnet werden.
  15. 15 Soweit Gebühren erhoben werden, sollten die Gesamteinnahmen die Gesamtkosten der Erfassung, Erstellung, Reproduktion und Verbreitung von Dokumenten zuzüglich einer angemessenen Gewinnspanne nicht übersteigen, wobei gegebenenfalls die Selbstfinanzierungsverpflichtungen der betreffenden öffentlichen Stelle gebührend zu berücksichtigen sind. Die Erstellung umfasst das Verfassen und das Zusammenstellen; die Verbreitung kann auch die Anwenderunterstützung beinhalten. Die Kostendeckung bildet zuzüglich einer angemessenen Gewinnspanne, im Einklang mit den geltenden Buchführungsgrundsätzen und der einschlägigen Methode der Gebührenberechnung der betreffenden öffentlichen Stelle, eine Gebührenobergrenze, da überhöhte Preise ausgeschlossen sein sollten. Die in dieser Richtlinie festgelegte Gebührenobergrenze berührt nicht das Recht der Mitgliedstaaten bzw. der öffentlichen Stellen, niedrigere oder gar keine Gebühren zu erheben; die Mitgliedstaaten sollten den öffentlichen Stellen nahe legen, Dokumente zu Gebühren bereitzustellen, die die Grenzkosten für die Reproduktion und Verbreitung der Dokumente nicht überschreiten.
  16. 16 Firmenbuchdatenbankverordnung 1999, BGBl. II Nr. 240/1999.
  17. 17 Bundesgesetz vom 27. November 1984 über die Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren BGBl. Nr. 501/1984.
  18. 18 Der Bund ist im Sinn von § 76d UrhG Inhaber des Schutzrechtes an dieser Datenbank. Die Befugnis zur Firmenbuchabfrage nach Tarifpost 10 Ziffer IV und die Entrichtung der Gebühren nach dieser Tarifpost berechtigen nicht zu Verwertungshandlungen, die dem Bund als Datenbankhersteller nach §§ 76c ff. Urheberrechtsgesetz vorbehalten sind.
  19. 19 Für den Standpunkt der Beklagten ist aus dem Bundesgesetz über die Weiterverwendung von Informationen öffentlicher Stellen (Informationsweiterverwendungsgesetz-IWG) mit dem die Richtlinie 2003/98/EG über die Weiterverwendung von Informationen zu öffentlichen Sektors (PSI-RL) umgesetzt worden ist, deshalb nichts zu gewinnen, weil daraus eine Verpflichtung der öffentlichen Hand in ihrem Besitz befindlichen Dokumente unentgeltlich zur Verfügung zu stellen, nicht abgeleitet werden kann (vergleiche § 7 IWG).
  20. 20 Zur Frage des vorlegenden Gerichts, ob die PSI-RL die Antwort auf die erste und zweite Frage beeinflussen kann ist schließlich festzustellen, dass diese Richtlinie nach ihrem neunten Erwägungsgrund keine Verpflichtung zur Gestattung der Weiterverwendung von Dokumenten enthält. Zu dem fällt der Zugang zu Firmenbuchdaten nicht unter das IWG, mit dem die Republik Österreich die PSI-RL umgesetzt hat. Daher ist diese Richtlinie für die Frage, ob die Weigerung, eine Weiterverwendung von Daten zu gestatten, im Kontext des vorliegenden Ausgangsverfahrens wirtschaftlichen Charakter hat, irrelevant.
  21. 21 «Does the Directive on the Re-use of Public Sector Information affect the State’s database sui generisright?», veröffentlicht in J. Gaster, E. Schweighofer & P. Sint, Knowledge rights – Legal, societal and related technological aspects, Austrian Computer Society, 2008, S 137–169.
  22. 22 Der urheberrechtliche Schutz amtlicher Datenbanken, 2007, S 72.
  23. 23 Richtlinie 2013/37/EU vom 26. Juni 2013 mit dem die PSI-Richtlinie 2003/98/EG über die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors geändert wird. Gemäß Art. 2 ist diese Richtlinie bis zum 18. Juli 2015 von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umzusetzen.
  24. 24 PSI-RL 2013 Art. 3 Abs. 1 – Vorbehaltlich des Abs. 2 stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Dokumente, auf die diese Richtlinie gemäß Art. 1 anwendbar ist, gemäß den Bedingungen des Kapitel III und IV für gewerbliche und nichtgewerbliche Zwecke weiterverwendet werden können.
  25. 25 PSI-RL 2013 Art. 1 Abs. 2 lit. a).
  26. 26 PSI-RL 2013 Art. 1 Abs. 2 lit. b).
  27. 27 PSI-RL 2013 Art. 1 Abs. 2 lit. c).
  28. 28 PSI-RL 2013 Art. 1 Abs. 2 lit. ca).
  29. 29 PSI-RL 2013 Art. 1 Abs. 2 lit. cb).
  30. 30 PSI-RL 2013 Art. 1 Abs. 2 lit. cc).
  31. 31 PSI-RL 2013 Art. 1 Abs. 2 lit. d)–f).
  32. 32 PSI-RL 2013 Art. 5 Verfügbare Formate (1) – Öffentliche Stellen stellen ihre Dokumente in allen vorhandenen Formaten oder Sprachen und, soweit möglich und sinnvoll, in offenem und maschinenlesbarem Format zusammen mit den zugehörigen Metadaten zur Verfügung.
  33. 33 PSI-RL 2013 Art. 6 Abs. 3.
  34. 34 PSI-RL 2013 Art. 8 Abs. 1 – Öffentliche Stellen können die Weiterverwendung ohne Bedingungen gestatten oder aber, gegebenenfalls im Rahmen einer Lizenz, Bedingungen festlegen. Diese Bedingungen dürfen die Möglichkeiten der Weiterverwendung nicht unnötig einschränken und nicht der Behinderung des Wettbewerbs dienen.
  35. 35 PSI-RL 2013 Art. 6 Abs. 3.
  36. 36 PSI-RL 2013 Art. 7 Abs. 3.
  37. 37 Die Gebühren für Abfragen aus öffentlichen Büchern, Urkundensammlungen sowie einsichtsfähigen Registern und anderen IT-Anwendungen aus dem Tarif sind so zu bemessen, dass sie wenigstens die laufenden Kosten sowie einen angemessenen Zuschlag zu den Wartungs-, Sicherungs- und Weiterentwicklungskosten decken.
  38. 38 Bundesgesetz vom 27. November 1984 über die Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren BGBl. Nr. 501/1984.