Lothar Philipps hatte regelmäßig an IRIS, dem jährlichen Internationalen Rechtsinformatik-Symposion in Salzburg teilgenommen und mit seiner Gegenwart, mit seinen Ideen und mit seinen Gesprächen die Community-Landschaft von IRIS mit geprägt. Im Rahmen von IRIS 2004 «Informationstechnik in der juristischen Welt», wurde ihm daher im Rahmen des Schwerpunkts Rechtstheorie aus Anlass seines 70. Geburtstages ein Kolloquium gewidmet.1
Themen der Rechtsinformatik brauchen viel Geduld, weil noch sehr viel Arbeit notwendig ist, um die gewünschte Qualität zu erzielen. Das spielerische, freudige Umgehen mit diesen Themen im Rahmen von IRIS hilft, das «gescheite Leute» zusammensitzen und die Wissenschaft weiterbringen wollen. Dies ist eine sehr europäische, aber wesentliche und wichtige Form der Wissenschaft, eine unverzichtbare Grundlage, insbesondere wenn es wenig Ressourcen gibt. Die Publikationen sind generell wenige, oft nicht den strengen Publikationsregeln entsprechend. Aber die Grundlage ist getan und wenn die Ressourcen da sind, können diese Ideen weiterentwickelt und in eine den amerikanischen Wissenschaftskriterien entsprechende Form gebracht werden: Es ist anzumerken, dass die Wissenschaft als europäische entstanden ist und es auch ganz schön weit gebracht hat.
In seiner Zeit, in tempore suo, kamen die neuronalen Netze auf, zu denen die meisten Juristen aufgrund ihrer textuellen Gebundenheit keinen rechten Zugang hatten. Lothar Philipps konnte jedoch mit ihnen umgehen. An Kasuistik vom Strafrecht her gewöhnt und mit dem entsprechenden theoretischen Scharfblick ist es ihm gelungen, die neuronalen Netze in die Rechtsinformatik zu integrieren und sie mit der ihm eigenen kreativen und experimentellen Weise zu trainieren und dadurch neue Aspekte aufzuzeigen. Niemand konnte das so gut wie Lothar Philipps, der damit in die Top Ten der Rechtstheorie aufstieg. Dieser Rang und diese Würde sind ihm zeitlebens auch geblieben und wirken jetzt noch nach.2
Auf seine Art gehörte Lothar Philipps auch zu den wesentlichen Stützen der Rechtsinformatik im deutschsprachigen Raum. Für derartige Themen hatte er immer Zeit und unterstützte Jungwissenschaftler entsprechend. Es war nicht seine Art, sich mit der amerikanischen Form der Wissenschaft intensiv auseinanderzusetzen; er wollte mit seinen Gedanken und Ideen überzeugen; die weitere Arbeit überließ er gern anderen. Noch in sehr guter Erinnerung ist sein Eingeladener Vortrag über Artificial Morality – A New Discipline in the Natural Law Tradition - bei der ICAIL1993 in Amsterdam. Er führte die Spieltheorie in die AI & Recht Community ein, die nunmehr in Multiagent-Systemen so populär ist.3
Rainhard Bengez
Georg Jakob
Friedrich Lachmayer
Erich Schweighofer
- 1 Schünemann, Bernd, Tinnefeld, Marie-Theres, Wittmann, Roland (Hrsg.), Gerechtigkeitswissenschaft – Kolloquium aus Anlass des 70. Geburtstages von Lothar Philipps, Festschrift Lothar Philipps, BWV Berliner Wissenschaftsverlag, Berlin (2005).
- 2 Philipps Lothar, Sartor, Giovanni, Introduction: from legal theories to neural networks and fuzzy reasoning, Artificial Intelligence and Law, 7(2–3), S. 51–63 (1999).
- 3 Philipps, Lothar, Artificial Morality and Artificial Law, Artificial Intelligence and Law, 7(2), S. 115–128 (1999).