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Mit Schirm, Charme und Kamera – Verbotene Sendeanlagen i.S.d. § 90 TKG

  • Authors: Frederik Möllers / Stephanie Vogelgesang / Stefan Hessel / Lena Leffer
  • Category: Articles
  • Region: Germany
  • Field of law: E-Commerce, Telecommunications law
  • Collection: Conference Proceedings IRIS 2017
  • Citation: Frederik Möllers / Stephanie Vogelgesang / Stefan Hessel / Lena Leffer, Mit Schirm, Charme und Kamera – Verbotene Sendeanlagen i.S.d. § 90 TKG, in: Jusletter IT 23 February 2017
Im Zuge der voranschreitenden technischen Entwicklung werden stets neue Geräte hergestellt, die verbotene Sendeanlagen i.S.d. § 90 TKG sein könnten. Der Beitrag stellt zunächst die Voraussetzungen des § 90 TKG dar, wobei auch Normzweck und Entstehungsgeschichte Berücksichtigung finden. Anschließend werden potentielle Spionagegeräte analysiert, die als verbotene Sendeanlage in Betracht kommen. Dabei wird – auch mit Blick auf die strafrechtliche Sanktionierung des Einsatzes verbotener Sendeanlagen zu Abhörzwecken – die Frage aufgeworfen, ob § 90 TKG in der digitalen Gesellschaft noch zeitgemäß ist.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Allgemeine Problemstellung
  • 2. Voraussetzungen des § 90 TKG
  • 2.1. Historische Entwicklung
  • 2.2. Normzweck
  • 2.3. Regelungsgehalt des § 90 TKG
  • 2.4. Beispiele und Probleme
  • 3. Zur strafrechtlichen Bewertung
  • 3.1. § 90 TKG als inhaltlicher Ausgangspunkt
  • 3.2. Strafbarkeit nach dem Strafgesetzbuch (StGB)
  • 4. Zusammenfassung und Ausblick

1.

Allgemeine Problemstellung ^

[1]
In den vergangenen Jahrzehnten hat die voranschreitende Technik eindrucksvoll bewiesen, dass stetig wachsende Funktionsumfänge auf immer kleinerem Raum verbaut werden können. Damit kommen auf der einen Seite diverse Vorteile einher. So lassen sich bspw. alltägliche Aufgaben wie das Abrufen von E-Mails auf dem Smartphone oder Tablet erledigen. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Fälle, in denen Technik unerwünscht und für Dritte nahezu unentdeckbar verbaut ist. Diese reichen von Keyloggern bis hin zu Brillenkameras.
[2]
Dass die fortwährende Entwicklung solcher Spionagewerkzeuge nicht nur ein wissenschaftliches Problem darstellt, sondern auch immer wieder die Behörden beschäftigt, zeigt unter anderem der Einsatz der Bundesnetzagentur. Diese ist im April 2016 deutschlandweit gegen über 70 Anbieter von Spionagekameras vorgegangen.1 Die Bundesnetzagentur verlangte dabei zunächst die Löschung des Verkaufsangebots durch den Plattformbetreiber, um in einem zweiten Schritt Verkäufer und Käufer zu kontaktieren. Diese mussten die entsprechenden Geräte dann vernichten. Rechtsgrundlage für das Vorgehen der Bundesnetzagentur war dabei § 90 Abs. 1 Telekommunikationsgesetz (TKG). Die Norm verbietet den Besitz, die Herstellung, den Vertrieb oder die Einführung von Sende- und sonstigen Telekommunikationsanlagen, die unbemerkt Aufnahmen oder Bilder anfertigen können.
[3]
Der vorliegende Beitrag stellt zunächst die Voraussetzungen des § 90 TKG dar. Berücksichtigt werden in diesem Zusammenhang auch der Normzweck und die Entstehungsgeschichte des «Anti-Spionage-Paragrafen». Anschließend werden Geräte vorgestellt, die als verbotene Sendeanlage in Betracht kommen. Dabei wird – auch mit Blick auf die strafrechtliche Sanktionierung des Einsatzes verbotener Sendeanlagen zu Abhörzwecken – die Grundsatzfrage aufgeworfen, ob § 90 TKG in der heutigen digitalen Gesellschaft noch zeitgemäß ist.

2.

Voraussetzungen des § 90 TKG ^

[4]
Um die Frage nach der Zeitgemäßheit des § 90 TKG klären zu können, müssen zunächst dessen Voraussetzungen dargestellt werden. Dafür ist zunächst ein genauer Blick auf die Norm, ihren Zweck sowie ihre Entstehungsgeschichte erforderlich.

2.1.

Historische Entwicklung ^

[5]
Am 25. Juli 1996 wurde in Deutschland erstmalig ein Telekommunikationsgesetz erlassen. Der heutige § 90 TKG ist fast deckungsgleich mit § 65 TKG a.F.2 Letzterer stellte hauptsächlich eine Zusammenführung der entsprechenden Regelungen aus dem ehemaligen Fernmeldeanlagengesetz (FAG) dar, welche ihrerseits erst durch das Gesetz zur Verhinderung des Missbrauchs von Sendeanlagen vom 27. Juni 1986 in das FAG aufgenommen wurden.3 Seit 2004 umfasst § 90 TKG auch Sendeanlagen, die zur Bildaufnahme geeignet sind und nicht mehr nur solche, die das gesprochene Wort aufzeichnen.4 § 90 TKG wurde im Zuge der Novelle 2012 erneut geändert, die das Verbot auf sog. sonstige Telekommunikationsanlagen ausdehnte.5 Diese Erweiterung war hinsichtlich der Weiterentwicklung der technischen Möglichkeiten erforderlich geworden. Zwischenzeitlich wurden Abhöranlagen marktfähig, die über die Funktionsweise von Sendeanlagen hinausgingen.6 Zu diesen gehören – wie in Abschnitt 2.4. aufgezeigt wird – z.B. Lasermikrofone, da diese den Ton nicht direkt aufzeichnen, sondern aus den Wellen eines reflektierten Laserstrahls rekonstruieren.
[6]
Auffallend erscheint, dass der heutige § 90 TKG seit 1986 im Wesentlichen unverändert übernommen wurde. Die Norm wurde lediglich immer wieder an die neuen technischen Gegebenheiten angepasst.7 Der Kern der Regelung stammt also noch aus Zeiten des Kalten Krieges. Zur Begründung des ersten Gesetzesentwurfes im Jahre 1984 wird daher besonders auf sog. Minispione und die Angst vor dem unbefugten Abhören vertraulicher Gespräche hingewiesen.8 Die Hochrüstungspolitik der 80er Jahre und die ständige Angst vor einem erneuten Kriegsausbruch hatten wohl verstärkt zu der Entwicklung solcher getarnten Miniabhörgeräte geführt. Dieser versteckten Bedrohung wollte man mit dem neu eingeführten Verbot von Sendeanlagen effizient begegnen.

2.2.

Normzweck ^

[7]
Durch § 90 TKG soll der Missbrauch von Sende- und Telekommunikationsanlagen zum unbemerkten Abhören fremder Gespräche oder unbemerkten Aufnehmen von Bildern anderer Personen verhindert werden.9 Auf den Markt strömen inzwischen kontinuierlich alltägliche Gegenstände, deren Fähigkeit, unbemerkt Gespräche aufzuzeichnen und Fotos anzufertigen, auf den ersten Blick nicht zu erkennen ist. Die Norm bezweckt daher den Schutz verschiedener grundrechtlich geschützter Rechte. Sie dient unmittelbar dem Schutz der Privatsphäre10 und ist Ausfluss des Rechts des Einzelnen auf informationelle Selbstbestimmung, des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG) und des Fernmeldegeheimnisses.11 Auch das BVerfG hat mehrfach festgestellt, dass jedermann selbst und allein darüber bestimmen kann, ob und von wem er aufgenommen wird.12 Nach dieser Rechtsprechung ist es anerkannt, dass das Grundgesetz die eigene Darstellung des vertraulich geführten Gesprächs nach außen schützt.13

2.3.

Regelungsgehalt des § 90 TKG ^

[8]
§ 90 Abs. 1 S. 1 TKG verbietet den Besitz, die Herstellung, den Vertrieb oder die Einführung von Sendeanlagen und sonstigen Telekommunikationsanlagen, die ihrer Form nach einen anderen Gegenstand vortäuschen oder die mit Gegenständen des täglichen Gebrauchs verkleidet sind und auf Grund dieser Umstände oder auf Grund ihrer Funktionsweise in besonderer Weise geeignet und dazu bestimmt sind, das nicht öffentlich gesprochene Wort eines anderen von diesem unbemerkt abzuhören oder das Bild eines anderen von diesem unbemerkt aufzunehmen.
[9]
Der Begriff der Sendeanlage ist im TKG nicht legaldefiniert. Allerdings bestimmte bereits das FAG in § 5a Abs. 2 i.V.m. § 1 Abs. 1, dass Sendeanlagen elektronische Sendeeinrichtungen sind, bei denen die Signalübermittlung «ohne Verbindungsleitungen oder unter Verwendung elektrischer, an einem Leiter entlang geführte Schwingungen stattfinden kann».14 Zur weiteren Konkretisierung des Begriffs der Sendeanlage kann auch die ehemalige Definition der «Funkanlagen» des § 3 Nr. 4 TKG 1996 herangezogen werden.15 Danach waren Funkanlagen «elektrische Sende- oder Empfangseinrichtungen, zwischen denen die Informationsübertragung ohne Verbindungsleitungen stattfinden kann». Aus beiden Begriffsbestimmungen ergibt sich, dass für Sendeanlagen eine Informationsübertragung ohne Verbindungsleitungen, also mittels Funk, zwingende Voraussetzung ist.16 «Telekommunikationsanlagen» sind nach § 3 Nr. 23 TKG technische Einrichtungen oder Systeme, die als Nachrichten identifizierbare elektromagnetische oder optische Signale senden, übertragen, vermitteln, empfangen, steuern oder kontrollieren können. § 90 TKG umfasst ferner nur Anlagen, die einen anderen Gegenstand vortäuschen oder mit einem Gegenstand des täglichen Gebrauchs verkleidet sind. Des Weiteren müssen sie in besonderer Weise geeignet und dazu bestimmt sein, das nicht öffentlich gesprochene Wort eines anderen von diesem unbemerkt abzuhören oder das Bild eines anderen von diesem unbemerkt aufzunehmen.

2.4.

Beispiele und Probleme ^

[10]
Bei der Frage, ob ein technisches Gerät unter den Begriff der Sende- oder sonstigen Telekommunikationsanlage fällt, steckt der Teufel im Detail. Geräte, die Aufzeichnungen nur lokal speichern oder nur kabelgebunden übertragen, werden von der Vorschrift also nicht erfasst.17 Folglich verwundert es nicht, dass sich im Internet zahlreiche Angebote für Spionagegeräte wie Stifte oder Uhren mit Kamera und Mikrofon finden, bei denen eine Aufzeichnung bspw. auf einer microSD-Karte erfolgt. Dieser Wertungswiderspruch könnte sich dadurch erklären lassen, dass ein per Funk übertragendes Gerät nach einmaliger Positionierung eine Überwachung aus der Ferne ermöglicht. Lokal speichernde Geräte müssen dagegen nach der Positionierung zur Auswertung wieder abgeholt werden. Das kann jedoch nicht für alle Fallkonstellationen überzeugen. In den Fällen, in denen der Angreifer ungehinderten Zugang zu dem Überwachungsgerät hat – z.B. weil es sich um seine Räumlichkeiten handelt –, kann es auf den Unterschied zwischen kabelloser und kabelgebundener Übertragung bzw. lokaler Speicherung für ein Verbot nach § 90 TKG nicht ankommen.
[11]
Auch nach der Ergänzung des § 90 TKG um die «sonstigen Telekommunikationsanlagen» im Rahmen der TKG-Novelle im Jahr 2012 werden kabelgebundene Geräte nicht erfasst. Entgegen der Definition aus § 3 Nr. 23 TKG umfasst der Begriff der Telekommunikationsanlage nur drahtlose Anlagen.18 Kabelgebundene optische Übertragungen bspw. über Glasfaserkabel werden von der Vorschrift nicht erfasst. Vielmehr wollte der Gesetzgeber die Norm möglichst technikoffen gestalten und sicherstellen, dass auch neuere technische Funktionsprinzipien, wie z.B. Lasermikrofone, durch § 90 TKG erfasst sind.19
[12]
Beim Einsatz eines Lasermikrofons wird ein Laserstrahl auf eine Fensterscheibe oder eine andere reflektierende Oberfläche gerichtet. Wenn sich hinter der Fensterscheibe – bspw. durch ein Gespräch – Schallwellen ausbreiten, versetzen diese die Scheibe in Schwingungen. Dadurch wird der zurückgeworfene Teil des Laserstrahls moduliert, also verändert. Diese Veränderungen können aufgefangen und ausgewertet werden, um das ursprüngliche Gespräch zu rekonstruieren. Die Übermittlung der Informationen erfolgt also nicht über Funkwellen, sondern über Licht. Dabei kann es sich beim Einsatz eines Infrarotlasers auch um für das menschliche Auge unsichtbares Licht handeln.
[13]

Problematisch erscheint, dass der Gesetzgeber nur solche Anlagen nach § 90 Abs. 1 TKG verbietet, die «ihrer Form nach einen anderen Gegenstand vortäuschen oder die mit Gegenständen des täglichen Gebrauchs verkleidet sind». Dies bedeutet in der Sache, dass ein vollfunktionsfähiges Minimikrofon («Wanzen») oder Kameras rechtlich nicht zu beanstanden sind, solange sie keine Alltagsgegenstände vortäuschen.20 Im Rahmen des § 90 TKG kommt es nicht auf die Sendefunktion allein an. Auch offensichtliche Überwachungsgeräte wie etwa Babyphones oder bekannte Alltagsgegenstände wie Mobiltelefone mit Kamera unterliegen aus diesem Grund nicht dem § 90 TKG.21 In diese Kategorie dürften auch per Funk übermittelnde Dash-Cams fallen. Demgegenüber erscheint die rechtliche Einordnung von Technologien wie Google Glass fraglich, da diese eher als Brille und weniger als Kamera wahrgenommen wird.

[14]
Ungetarnte sendefähige Geräte werden erst dann zu verbotenen Anlagen im Sinne des § 90 TKG, wenn sie in einen Alltagsgegenstand eingebaut werden. Damit wird das Tatbestandsmerkmal des Herstellens einer Sendeanlage erfüllt.22 Diese Regelung eröffnet zahlreiche neue rechtliche Fragestellungen. So könnte das Fixieren einer «Wanze» im Innenraum eines PKW dazu führen, dass der gesamte PKW zur verbotenen Sendeanlage wird. Daneben könnte in dem Befestigen eines Mobiltelefons mit laufender Videoübertragung in einem Pizzakarton ein Herstellen einer Sendeanlage zu sehen sein.
[15]
Eine weitere Einschränkung des Tatbestands stellt das Erfordernis der besonderen Geeignetheit zum unbemerkten Abhören oder Aufnehmen dar. Dadurch entfallen solche Anlagen, die lediglich das öffentlich gesprochene Wort oder öffentliche Bildaufnahmen aufzeichnen können.23 Zu berücksichtigen ist etwa ein verborgenes Mikrofon, das anlässlich eines öffentlichen Konzerts auf einer Bühne angebracht wird.24 Während dieses Tatbestandsmerkmal aus Sicht eines objektiven Dritten beurteilt werden kann,25 bereitet die seit 2012 als weiteres Tatbestandsmerkmal hinzugefügte Bestimmtheit der Anlage zum Abhören oder Aufnehmen erhebliche Probleme.
[16]
Ziel der Ergänzung war laut dem Gesetzgeber, dass der Verbotstatbestand «auf solche Anlagen beschränkt sein [soll], die von vornherein keinem anerkennenswerten Zweck, sondern offensichtlich nur dem heimlichen Abhören von Gesprächen bzw. dem heimlichen Anfertigen von Bildaufnahmen eines anderen dienen.»26
[17]
Es stellt sich jedoch die Frage, ob als Maßstab für die Bestimmtheit ein objektiver Dritter oder ein Vorsatz des Herstellers heranzuziehen ist. Klesczewski argumentiert damit, dass ein Hersteller, der die Abhör- oder Fotofunktion einer Sendeanlage verborgen hat, zugleich auch eine Bestimmung zur heimlichen Nutzbarkeit dieser Funktion vornimmt.27 Unter dieser Prämisse wäre die Bestimmung ein subjektives Tatbestandsmerkmal, welches zur objektiven Geeignetheit hinzutritt und den Vorsatz des Herstellers relevant werden lässt. Es ist jedoch zweifelhaft, ob dies der Intention des Gesetzgebers gerecht wird und in der Praxis nachvollziehbar bleibt. So könnte ein Hersteller etwa behaupten, dass der Kamerastift mit Sendefunktion der Digitalisierung von Dokumenten diene und es sich um eine Art Miniatur-Scanner für die Hosentasche und nicht um ein Spionagegerät handele. Schon dieses Beispiel spricht dafür, die Frage nach der Bestimmtheit einer Sendeanlage objektiv zu beurteilen. Dabei den Maßstab von Klesczewski heranzuziehen und davon auszugehen, dass eine Sendeanlage, bei der die Abhör- oder Fotofunktion verborgen ist, nicht nur zum Abhören geeignet, sondern auch bestimmt ist, erscheint sachgerecht.

3.

Zur strafrechtlichen Bewertung ^

[18]
Im Hinblick auf die Voraussetzungen des § 90 TKG herrscht an zahlreichen Stellen Unklarheit. Unabhängig davon stellt sich jedoch ferner die Frage, welche Konsequenzen bei einem Verstoß gegen § 90 TKG drohen und mit welchen anderen Mitteln der deutsche Gesetzgeber seine Bürger vor Abhöranlagen schützt.

3.1.

§ 90 TKG als inhaltlicher Ausgangspunkt ^

[19]
Von seiner Struktur her enthält § 90 Abs. 1 S. 1 TKG ein repressives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (§ 90 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 TKG). § 90 TKG ist eine Verbotsnorm und beinhaltet zunächst keine strafrechtliche Sanktion. Diese ergibt sich allerdings aus § 148 Abs. 1 Nr. 2 TKG. Danach wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer entgegen § 90 Abs. 1 S. 1 TKG eine dort genannte Sendeanlage oder eine sonstige Telekommunikationsanlage besitzt oder herstellt, vertreibt, einführt oder sonst in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbringt. § 148 Abs. 2 TKG normiert für bestimme Fälle zusätzlich auch die Strafbarkeit einer fahrlässigen Begehung. Damit knüpft § 148 TKG für eine Strafbarkeit bereits an den bloßen Besitz derartiger Sendeanlagen an. Zu verbotenen Aufnahmen muss es nicht zusätzlich kommen. § 148 TKG ist daher materiell als sog. Gefährdungsdelikt einzustufen.
[20]
Die gesetzgeberische Einschätzung als «strukturell gefährlich» wird auch in dem Werbeverbot für derartige Anlagen gemäß § 90 Abs. 3 TKG deutlich. Ein Verstoß dagegen ist gemäß § 149 Abs. 1 Nr. 15 TKG eine Ordnungswidrigkeit und kann nach § 149 Abs. 2 Nr. 3 TKG immerhin mit einer Geldbuße von bis zu 100‘000 Euro sanktioniert werden.

3.2.

Strafbarkeit nach dem Strafgesetzbuch (StGB) ^

[21]
Wird die verbotene Sendeanlage tatsächlich eingesetzt, kommen auch Straftaten nach dem StGB in Betracht. Dies gilt insbesondere für § 201 Abs. 1, Abs. 2 StGB bzw. § 201a Abs. 1, Abs. 2 StGB.
[22]
Nach § 201 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer unbefugt das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufnimmt (Nr. 1) oder eine so hergestellte Aufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht (Nr. 2). Dabei ist das gesprochene Wort aufgenommen, wenn eine akustische Wiedergabe möglich ist.28 Wenn die Aufnahme misslingt, kommt eine Versuchsstrafbarkeit nach § 201 Abs. 4 StGB in Betracht.29
[23]
Nach § 201 Abs. 2 Nr. 1 StGB macht sich strafbar, wer unbefugt das nicht zu seiner Kenntnis bestimmte nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen mit einem Abhörgerät abhört. Dabei muss es sich um eine verbotene technische Einrichtung handeln.30 So sind Telefongeräte, eingebaute Lautsprecher oder eine Mithöreinrichtung keine Abhörgeräte im Sinne der Norm. Ein Fernsprechteilnehmer muss regelmäßig mit der Einbeziehung eines Mithörers durch einen Gesprächspartner rechnen.31 Nach § 201 Abs. 2 Nr. 2 StGB wird sanktioniert, wer das nach Abs. 1 Nr. 1 aufgenommene oder nach Abs. 2 Nr. 1 abgehörte nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen im Wortlaut oder seinem wesentlichen Inhalt nach öffentlich mitteilt. In diesem Zusammenhang muss aber die Regelung des § 201 Abs. 2 S. 2, S. 3 StGB beachtet werden. § 201 Abs. 1 S. 2 StGB enthält eine Bagatellklausel. Eine Strafbarkeit ist nur gegeben, wenn die öffentliche Mitteilung geeignet ist, berechtigte Interessen zu beeinträchtigen. Darüber hinaus enthält § 201 Abs. 2 S. 3 StGB im Interesse der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) einen Rechtfertigungsgrund. Danach ist die öffentliche Mitteilung dann nicht rechtswidrig, wenn sie zur Wahrnehmung von überragendem öffentlichem Interesse gemacht wurde. Dieses ist dann gegeben, wenn an der Aufdeckung von Missständen ein überragendes öffentliches Interesse besteht.32
[24]
§ 201a Abs. 1 bzw. Abs. 2 StGB sanktioniert die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen bzw. den Gebrauch derartiger unbefugter Bildaufnahmen. § 201a Abs. 3 StGB betrifft dagegen eine andere Konstellation und ist bei den hier auftretenden Fragestellungen typischerweise nicht einschlägig. Zu berücksichtigen ist zusätzlich, dass die im Rahmen des § 201 bzw. § 201a StGB eingesetzten Gerätschaften unter den erleichterten Voraussetzungen des § 74a StGB eingezogen werden können (§ 201 Abs. 5 bzw. § 201a Abs. 5 StGB).
[25]
Aus dieser Analyse ergibt sich das folgende strafrechtliche Grundkonzept für die in § 90 TKG beschriebenen Geräte: Über §§ 201, 201a StGB wird der tatsächliche rechtswidrige Gebrauch, z.B. das Herstellen von Ton- oder Bildaufnahmen, strafrechtlich sanktioniert. Besitz, Herstellung und Vertrieb der Gegenstände selbst lassen sich jedoch nicht darunter subsumieren.33 Dies wird nach § 148 TKG strafrechtlich erfasst. Hier wird die systematische Bedeutung des § 148 TKG in Verbindung mit § 90 TKG deutlich. Zum Schutz der grundrechtlich geschützten Güter erfolgt eine Vorverlagerung der Strafbarkeit im Verhältnis zu § 201 StGB und § 201a StGB.34
[26]
In diesem Zusammenhang erweist sich dieses Konzept auch heute noch als zeitgemäß und zukunftsfähig. Wie skizziert hat die Ausgangsnorm des § 90 TKG inhaltliche Bezüge zu Zeiten des Kalten Krieges und der damals besonders ausgeprägten Furcht vor sog. Minispionen. Derartige Gerätschaften sind heute deutlich leichter und preisgünstiger verfügbar. Dadurch hat sich der potentielle Täterkreis nach Umfang und Qualität geändert. So können sich heutzutage auch Amateure derartige Geräte problemfrei – etwa über eBay oder Amazon – beschaffen. Dadurch erweitert sich zum einen der mögliche Täterkreis schon zahlenmäßig. Zum anderen wurden die eingesetzten Geräte auch technisch weiterentwickelt, insbesondere was die Bedienbarkeit betrifft. Für den Einsatz solcher Geräte ist längst keine besondere technische Qualifikation mehr erforderlich. Zu den in Betracht kommenden Tätern gehören also nicht mehr nur professionelle Anwender wie Agenten und technisch versierte Amateure, sondern auch Laien.
[27]
Zusätzlich ist ein weiterer Gesichtspunkt zu berücksichtigen: Der Nachweis einer Täterschaft beim tatsächlichen Einsatz derartiger Geräte ist nur schwer zu erbringen. Dies führt insgesamt dazu, dass die allgemeine Vertraulichkeit des Gesprächs und ein unbeschwertes Privatleben verstärkt bedroht werden.35 Dies sind gerade die Schutzgüter der §§ 201 f. StGB. Diese Normen greifen, wie aufgezeigt, jedoch erst relativ spät ein. Wichtig ist, dass schon im Vorfeld das Abhören von Gesprächen und Aufnehmen von Bildern unterbunden wird.36 Genau diese Funktion erfüllt das grundsätzliche Verbot des § 90 TKG in Verbindung mit § 148 TKG. Dieses sanktioniert strafrechtlich bereits das Herstellen, Vertreiben, Einführen oder den Besitz derartiger Anlagen.
[28]
Das gesetzgeberische Konzept erscheint insgesamt trotz der geänderten historischen Bezüge und der aktuellen Digitalisierung sämtlicher Lebensbereiche grds. auch weiterhin sachgerecht. In Teilbereichen fehlt jedoch die Trennschärfe der Tatbestände. Dies zeigt sich insbesondere auch an den zahlreichen Konkurrenzfragen, die im Zusammenhang mit verbotenen Sendeanlagen entstehen können.

4.

Zusammenfassung und Ausblick ^

[29]

Durch die Einführung und fortlaufende Aktualisierung des § 90 TKG versucht der Gesetzgeber den Bürger vor Angriffen auf seine Privatsphäre zu schützen. Dabei geht dieser bisher davon aus, dass von verbotenen Anlagen im Sinne des § 90 TKG eine erhöhte Gefahr ausgeht. Auf Grund der zahlreichen Ausnahmen, insbesondere der Straflosigkeit von «Wanzen» und ungetarnten Funkkameras, gelingt ein Schutz jedoch in vielen wichtigen Bereichen nicht. Angreifer können sich auf dem freien Markt mit Geräten versorgen, deren Besitz allein nicht strafbar ist, die aber mit minimalen Umbauten zur Verletzung der Privatsphäre anderer geeignet sind.

[30]
Die Regelung verfehlt daher das Ziel, den Markt und damit die Verfügbarkeit von Spionagegeräten einzudämmen. Dieses Problem wird dadurch befeuert, dass der Regelungsinhalt von § 90 TKG, gerade im Hinblick auf die Bestimmtheit noch nicht ausreichend präzisiert wurde. Dies ist nicht nur eine Herausforderung bei der Strafverfolgung. Unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlich verbrieften Bestimmtheitsgebots und des Gebots der Normenklarheit, stellt § 90 TKG auch aus grundrechtlicher Sicht ein Problem dar.
[31]
Ferner hat sich in den vergangenen 30 Jahren die Bedrohungslage für die Privatsphäre des Einzelnen von versteckten Mikrophonen oder Kameras in Richtung digitaler Angriffe verschoben. Zu erinnern ist hier – pars pro toto – an den Hackerangriff auf private Fotos von Prominenten im Jahr 2014, der auch unter dem Namen «The Fappening» oder «Celebgate» bekannt ist. Ein Vorgang, der in der Zeit des ehemaligen FAG so noch nicht vorstellbar war. Andererseits hat der Gesetzgeber für den Fall des konkreten Angriffs mit einer verbotenen Sendeanlage mit dem § 201 StGB ein effektives strafrechtliches Sanktionensystem geschaffen, mit dessen Hilfe Täter bei Spionageangriffen rechtlich verfolgt werden können.
[32]
Denkbar sind zur Auflösung der Problematik um den § 90 TKG zumindest zwei Ansätze. Zum einen kann der Gesetzgeber zu dem Schluss kommen, dass die Norm in der heutigen digitalen Gesellschaft nicht mehr zeitgemäß ist. Das StGB bietet dann auch weiterhin die Möglichkeit, konkrete Fälle von Spionage zu verfolgen und zu ahnden. Will er jedoch nicht auf die vorgelagerte Strafbarkeit der Norm verzichten, so lohnt sich jedenfalls eine inhaltliche Überarbeitung und Klarstellung, welche Anlagen vom Verbot des § 90 TKG umfasst sein sollen und welche nicht.
  1. 1 Pressemitteilung der Bundesnetzagentur vom 25. April 2016, «Bundesnetzagentur sagt verbotenen Spionagekameras den Kampf an», http://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2016/160425_cam.html (alle Internetquellen zuletzt abgerufen am 10. Januar 2017).
  2. 2 Ernst, Gleichklang des Persönlichkeitsschutzes im Bild- und Tonbereich?, NJW 2004, S. 1277 f.
  3. 3 Bock, in: Geppert/Schütz (Hrsg.), Beck‘scher TKG Kommentar, 4. Aufl. 2013, § 90, Rn. 1.
  4. 4 Graulich, in: Arndt/Fetzer/Scherer/Graulich (Hrsg.), Kommentar TKG, 2. Aufl. 2015, § 90, Rn. 4.
  5. 5 Gesetz zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Regelungen vom 3. Mai 2012.
  6. 6 Vgl. dazu und zum Folgenden BT-Drs. 17/5707, 4. Mai 2011, S. 78.
  7. 7 Graulich, in: Arndt/Fetzer/Scherer/Graulich (Fn. 4), § 90, Rn. 4.
  8. 8 BT-Drs. 10/1618, 15. Juni 1984, S. 1, 6.
  9. 9 Bock, in: Geppert/Schütz (Fn. 3), § 90, Rn. 6.
  10. 10 BT-Drs. 13/3609, 30. Januar 1996, S. 51; Bock, in: Geppert/Schütz (Fn. 3), § 90, Rn. 6.
  11. 11 Dierlamm, in: Scheurle/Mayen (Hrsg.), Kommentar TKG, 2. Aufl. 2008, § 90, Rn. 1.
  12. 12 BVerfG, Urteil vom 31. Januar 1973, 2 BvR 454/71, NJW 1973, 891.
  13. 13 Graulich, in: Arndt/Fetzer/Scherer/Graulich (Fn. 4), § 90, Rn. 3.
  14. 14 Graulich, in: Arndt/Fetzer/Scherer/Graulich (Fn. 4), § 90, Rn. 9.
  15. 15 Bock, in: Geppert/Schütz (Fn. 3), § 90, Rn. 8.
  16. 16 Klesczewski, in: Säcker (Hrsg.), Kommentar TKG, 3. Aufl. 2013, § 90, Rn. 6.
  17. 17 Bock, in: Geppert/Schütz (Fn. 3), § 90, Rn. 8.
  18. 18 Graulich, in: Arndt/Fetzer/Scherer/Graulich (Fn. 4), § 90, Rn. 10.
  19. 19 Klesczewski, in: Säcker (Fn. 16), § 90, Rn. 8.
  20. 20 Klesczewski, in: Säcker (Fn. 16), § 90, Rn. 10.
  21. 21 Klesczewski, in: Säcker (Fn. 16), § 90, Rn. 10.
  22. 22 Klesczewski, in: Säcker (Fn. 16), § 90, Rn. 10.
  23. 23 Bock, in: Geppert/Schütz (Fn. 3), § 90, Rn. 14.
  24. 24 Bock, in: Geppert/Schütz (Fn. 3), § 90, Rn. 14.
  25. 25 Bock, in: Geppert/Schütz (Fn. 3), § 90, Rn. 12.
  26. 26 BT Drs. 17/5707, 4. Mai 2011, S. 78.
  27. 27 Klesczewski, in: Säcker (Fn. 16), § 90, Rn. 11.
  28. 28 Heuchemer, in: Heintschel-Heinegg (Hrsg.), BeckOK StGB, 32. Edition 2016, § 201, Rn. 5.
  29. 29 Lencker/Eisele, in: Schönke/Schröder/Lenckner/Eisele (Hrsg.), Kommentar StGB, § 201, Rn. 11
  30. 30 BGH, Urteil vom 17. Februar 1982, VIII ZR 29/81 (KG), NJW 1982, 1398.
  31. 31 Fischer, Kommentar StGB, 64. Aufl. 2017, § 201, Rn. 7a; BGH, Urteil vom 13. Mai 1996, GSSt 1/96, NJW 1996, 2940.
  32. 32 Fischer (Fn. 31), § 201, Rn. 13; BVerfG, Urteil vom 25. Januar 1984, 1 BvR 272/81, NJW 1984, 1741.
  33. 33 Bock, in: Geppert/Schütz (Fn. 3), § 90, Rn. 5.
  34. 34 Dierlamm, in: Scheurle/Mayen (Fn. 11), § 90, Rn. 2.
  35. 35 Klesczewski, in: Säcker (Fn. 16), § 90, Rn. 1.
  36. 36 Klesczewski, in: Säcker (Fn. 16), § 90, Rn. 1; Bock, in: Geppert/Schütz (Fn. 3), § 90, Rn. 5 f.